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KOSMOS

Umschlaggestaltung und Illustration von Carolin Liepins

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© 2019, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-16538-6

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Für Sinan und Çınar, meine herzallerliebsten Neffelings.

Sind Schmetterlinge im Bauch eigentlich ansteckend?

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»Oh. Mein. Gott! Hast du ihn gesehen? Hast du? Ja?«

Mimi sieht aus, als wäre sie einem Gespenst begegnet. Sie trippelt wie verrückt auf der Stelle und drückt dabei meine Hände so fest, dass ich sie wegziehen muss. »AUA, Mimi! Ja, ich habe ihn gesehen.« Ich schüttele meine zerquetschten Finger. »Und er sieht echt toll aus! Aber beruhige dich doch mal!«

Meine beste Freundin lässt sich aber nicht beruhigen. Sie steht mit dem Rücken zu ihrem Objekt der Begierde und hopst immer noch wie eine Bekloppte herum. »Was macht er? Guckt er, hat er mich gesehen? Oh mein Gott!«

NA TOLL! Mimi hat’s voll erwischt. Ich muss grinsen. »Wenn du jetzt nicht aufhörst, dich wie ein verrücktes Huhn zu benehmen, dann wird er dich für eine Tussi halten.«

Ich weiß, nichts wäre schlimmer für sie als das. Und ich habe recht: Mit einem Schlag verwandelt sich Mimi in eine lebende Statue. Sie reißt die Augen auf und bewegt jetzt nur noch ihre Lippen, mit denen sie mir etwas zu sagen versucht. Ich glaube, es geht um die gleichen Fragen wie eben. »Guckt er? Was macht er?«

NEE, er guckt leider nicht. Er sieht irgendwie überall und nirgendwo hin. Und er wirkt ziemlich verloren, als wäre er neu hier. Ich habe ihn auf unserer Schule auch noch nie gesehen.

Gott sei Dank läutet die Schulglocke und die große Pause ist endlich um. Mimi ist erst einigermaßen normal, als wir wieder im Klassenraum sitzen. Na ja, normal ist ihr Verhalten eigentlich nicht wirklich: »Ist er nicht süüüüüß?!«, und dabei jauchzt und klatscht sie in die Hände. Dann greift sie über Kreuz ihre Oberarme. So als würde sie sich selbst umarmen.

OH MANN! Sind denn alle um mich herum auf einmal nur noch verliebt?

heart-listGroß-Papa (der erste und beste Blogstar Opa der Welt)

heart-listRisa (Opas neue Nachbarin und neuerdings auch seine neue Flamme)

heart-listLuka (mein großer Bruder)

heart-listJulie (seine Freundin und Ex-Chiara-Klon)

und nun auch noch

heart-listMIMI!!!

Jetzt fehlt nur noch Mama und – nee, nee, also mir kann das NICHT passieren. GANZ SICHER. Da brauche ich mir ja nur meine Freundin anzugucken. Sie dreht gerade total durch – wegen einem JUNGEN!

Mimi sagt, sie muss pausenlos an ihn denken. WHAT? Seit wann denn das? Habe ich etwas verpasst?

»Seit zwei Tagen«, seufzt Mimi.

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Ich frage mich, warum ich nichts mitbekommen habe. Immerhin ist Mimi meine allerbeste Freundin! Aber sie klärt mich auf, ohne dass ich etwas sagen muss.

»Seine Familie ist am Samstag in unsere Straße gezogen«, erzählt sie mit verzücktem Gesichtsausdruck und legt dabei beide Hände auf die Brust. »Stell dir das mal vor!« Sie gibt zu, dass sie das gesamte Wochenende am Fenster gestanden hat. ACH SO!!! Jetzt ist mir auch klar, warum sie mich weder angerufen noch mit WhatsApp-Nachrichten zugespamt hat wie sonst.

»Ich muss alles über ihn herausfinden«, flüstert mir Mimi zu, als Herr Lieb hereinkommt und alle die Mathebücher aufschlagen.

Während der gesamten Stunde ist Mimi überall sonst, nur nicht hier. Sie träumt die ganze Zeit vor sich hin. »Hey Mimi, wir sollen die Hausaufgaben auspacken.« Immer wieder muss ich Mimi anstupsen. Das tut mir echt leid. Bestimmt ist ihre LOVESTORY im Kopf viel bunter und aufregender als das, was unsere Realität im Augenblick zu bieten hat: ein kahles, kühles Klassenzimmer und MATHE!

»Äh, Mimi. Die Stunde ist um.« Sofort verwandelt sich meine Freundin vor meinen Augen in einen kleinen aufgeregten Vogel, der unaufhörlich piepst und mit den Flügeln schwirrt. »Er ist den ganzen Schulweg hinter mir gewesen. Kannst du dir das vorstellen? Ich konnte kaum noch laufen!« Ich setze an, dazu etwas zu sagen, aber Mimi ist noch nicht fertig: »Bitte, Greta, du musst mich heute begleiten. Bitte, bitte!«, quietscht sie, während sie sich mit hektischen Bewegungen Luft zufächelt.

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Irgendwie werden Verliebte plötzlich ganz seltsam. Sie sind flatterig, haben rosige Wangen und glasige Augen. Sie gucken entweder völlig abwesend durch die Gegend oder total verrückt. Sie quatschen ununterbrochen von der Person, die schuld an ihrem Zustand ist. Als ich noch klein war, habe ich immer geglaubt, dass man wirklich Schmetterlinge verschlucken könne. Warum sollten Leute sonst behaupten, sie hätten welche im Bauch? Dann hat mein Groß-Papa mir erklärt, das sei nur ein GEFLÜGELTES WORT. Daraufhin dachte ich tatsächlich, dass es fliegende Wörter gibt, die einem in den Bauch flattern. ECHT PEINLICH! Aber wenn ich mir jetzt Mimi angucke, dann kommt mir das gar nicht mehr SO dumm vor. Jedenfalls verhalten sich Verliebte so, als hätten sie etwas geschluckt, das sie von innen kitzelt. Sie sind auf einmal VÖLLIG DURCHGEKNALLT!

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Eigentlich habe ich keine Zeit, weil ich nachher noch an meinem aktuellen YouTube-Video arbeiten muss, doch ich will Mimi nicht im Stich lassen. »Na klar«, sage ich also. »Aber ich muss dann gleich wieder gehen, ja?« Mimi ist zwar etwas enttäuscht, aber als ich sie daran erinnere, dass bis Donnerstag echt nicht mehr viel Zeit ist, weiß sie sofort Bescheid.

»Weißt du denn wenigstens, wie er heißt oder in welche Klasse er geht?«, frage ich schnell, weil meine innere Uhr meldet, dass die Fünfminutenpause gleich vorbei sein muss.

»Ich glaube Abi oder so. Seine Geschwister haben ihn beim Umzug immer so gerufen.«

»Abi?! Hab’ ich noch nie gehört.«

»Ich auch nicht«, sagt Mimi. »Und in welche Klasse er geht, weiß ich auch nicht. Ich wusste ja nicht mal, dass er auf unsere Schule kommt.«

»Dann müssen wir das wohl herausfinden!«

Als ich das sage, muss Mimi kichern. Ich glaube, sie wird sogar etwas rot. Doch dann guckt sie auf einmal ganz bedrückt. »Meinst du, dass ich überhaupt sein Typ bin?« Natürlich weiß ich das nicht. Aber ich habe auch keine Zeit, meiner Freundin Mut zu machen, weil jetzt Frau Krause mit dem Deutschunterricht beginnt. Mimi schaltet gleich wieder auf Lovestory und bekommt diesen seltsamen Ausdruck im Gesicht. Vom Unterricht kriegt sie natürlich nichts mit. Schade eigentlich. Das Thema passt nämlich perfekt:

Wir sprechen über das MINNELIED im Mittelalter.

Da war ein – ACHTUNG! – Walther von der Vogelweide (HAHA!), dem es wohl ähnlich ging wie Mimi:

Obe ich rehte râten künne,

waz diu minne sî, sô sprechet denne: »jâ!«

Minne ist zweier herzen wünne:

teilent sie gelîche, sost diu minne dâ.

Sol abe ungeteilet sîn,

sô enkans ein herze alleine niht enthalten.

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? Ich kann kein Holländisch! Ich meine, als ich mal in Holland war, da haben sich die Wörter auch so bekannt angehört, aber am Ende habe ich dann doch nichts verstanden. Frau Krause sagt aber, dass das DEUTSCH sei! Echt jetzt! Mittelhochdeutsch, also die Literatursprache im Hochmittelalter. Zum Glück verteilt sie uns jetzt noch die Übersetzung ins NORMALE Deutsch:

Wenn ich es recht erraten kann,

was Liebe ist, dann ruft nur alle: »Ja!«

Liebe ist zweier Herzen Glück,

erfüllt es sie zu gleichen Teilen, ist die Liebe da.

Wird Liebe aber nicht geteilt,

vermag ein Herz allein sie nicht zu tragen.

Sag ich doch! Mimi hat echt was verpasst. Ich wünsche ihr wirklich, dass dieser Typ sie auch gut findet. Damit sie nicht so leiden muss wie dieser arme Vogelmann aus der Mittelalterheide.

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Als die Schule endlich aus ist und wir dann zusammen nach Hause laufen, ist sie wieder hellwach. »Ist er hinter uns?« Das fragt sie mich jetzt bestimmt schon zum 13. Mal. »Guck doch bitte noch mal.« Ich sehe nach, obwohl sie sich selbst alle paar Schritte ruckartig umdreht.

»Vielleicht hat er ja länger Schule?«, mutmaße ich, obwohl das eigentlich nicht sein kann. Auf unserer Schule ist spätestens nach der achten Stunde Schluss.

»Hey, genau! Er musste bestimmt noch ins Sekretariat oder so. Vielleicht, um noch irgendwas zu klären«, sagt Mimi und bleibt abrupt stehen. »Ich meine, weil er doch neu ist.« Und dann will sie einfach nicht weitergehen. »Lass uns doch bitte etwas warten. Bitte, bitte. Er kommt ganz sicher hier vorbei. Bitteeee!«

OH NEE! »Mimi! Und was ist, wenn er etwas vorhat und erst heute Abend nach Hause kommt? Oder einen Umweg läuft?«

Doch meine Freundin wischt meine Bedenken beiseite. »Ich lade dich auf ein Eis ein«, sagt sie entschlossen und zieht mich zu »Da Pino«. Ich will mich wehren, werde aber sofort schwach. Unser Lieblings-Eiscafé hat nämlich das wirklich leckerste Kokoseis vom ganzen Ort. Wir setzen uns an einen Tisch vorne unter dem Sonnendach. Von hier aus haben wir den Weg im Blick und Mimi wirkt endlich etwas entspannt, während sie immer wieder über die Menükarte lugt.

»Ciao, Belle!«

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Ich will gerade bei Frau Pino mein Lieblingseis bestellen, als Mimi plötzlich die laminierte Karte fallen lässt. Die stößt mit der Kante auf den Tisch, springt wie ein Gummiball in die Luft und flattert über meine Schulter in Richtung Straße. Mimi springt auf und presst beide Hände auf den Mund. HEY! Ich stürze der Karte hinterher, die schließlich genau an der Stelle landet, an der Mimi mich eben zum Eis eingeladen hat. Als ich nach ihr greife, ist jemand schneller. Er reicht mir die Menükarte und lächelt dabei total nett. ?! »Danke!«, sage ich beduselt. Gibt es solche Zufälle?! Ich sehe schnell zu Mimi hinüber. Die versucht verzweifelt, sich hinter der anderen Menükarte zu verstecken. OKAY, dann bin ich wohl an der Reihe.

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»Ähm«, sage ich und mache eine Handbewegung in Mimis Richtung. »Die ist meiner Freundin weggeflogen.«

»Aha!«, sagt Abi.

»Du bist doch neu auf unserer Schule, nicht?«

Abi guckt völlig erstaunt, lächelt dann aber und nickt.

»Ich bin Greta. Wir wollten uns gerade ein Eis bestellen. Magst du dich zu uns setzen?« Ich glaube echt nicht, dass das aus meinem Mund kommt, aber – hey! – ich finde mich gerade MEGACOOL!

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Abi guckt den Weg entlang, den er wohl weitergehen möchte, dann schaut er rüber zu Mimi. »Okay, gerne!«, sagt er plötzlich und ich denke nur: OHA! Mimi hat gewonnen. Wir gehen beide zu meiner Freundin an den Tisch. Mimi blickt vorsichtig auf. WOW! Was für ein Augenaufschlag! Wenn Abi sich jetzt nicht in sie verliebt, dann weiß ich auch nicht.

»Das ist Mimi und das …« OMG, beinahe hätte ich »Abi« gesagt. »Wie heißt du denn?«, frage ich den Jungen.

»Elvan.« Echt jetzt?! Das klingt ja mal völlig anders als »Abi«.

»Ische komme gleische wiederr«, sagt Frau Pino, nachdem sie auch Elvan eine Menükarte in die Hand gedrückt hat, und watschelt davon.

Elvan und Mimi begrüßen sich mit einem extrem kurzen »Hi!«.

Das war’s! Mimi vergräbt sich gleich hinter der Karte und Elvan? Er tut es ihr gleich.

WIE BITTE?! So geht es nicht weiter. Ich muss was tun:

»Weißt du, wir dachten, du heißt Abi.«

»Was? Wieso denn das?«

Mimi wirft mir einen giftigen Blick zu. Sie weiß, dass sie jetzt dran ist. »Äh, ich habe gehört, wie deine Geschwister dich so gerufen haben. Am Samstag, als ihr bei uns in die Straße eingezogen seid.«

Auf einmal muss Elvan lachen. Er lacht sich fast kaputt. Ich muss sagen, dass er wirklich süß ist. Er steckt uns an. Mimi und ich müssen mitlachen, ohne zu wissen, warum. Als Elvan sich einkriegt, schnappt er nach Luft und klärt uns auf: »Abi heißt ›großer Bruder‹ auf Türkisch!«

»Oh, mein Gott«, sage ich.

»Wie peinlich!« Mimi fasst sich an die Stirn.

»Ach was!« Elvan ist nicht nur süß, sondern auch cool. »Ich bin mir sicher, dass Abi irgendwo auf der Welt ein Name ist.«

Mimi nickt und lächelt. Sie hat ganz rosige Wangen.

»In welche Klasse gehst du denn, Elvan?«, frage ich.

»8 b, und ihr?«

»Wir sind in der 7 c«, antwortet Mimi und dann sieht sie aus, als wüsste sie nicht, was sie noch sagen soll.

Schon wieder Schweigen. Ich komme mir vor wie ein Antriebsmotor. »Und von wo seid ihr hergezogen?«

»Aus Hanau.«

PUNKT. Na ja, Elvan ist auch nicht der Gesprächigste. Aber mir fällt auf, dass er immer wieder zu Mimi schaut.

Ich gebe ihr einen leichten Tritt unter dem Tisch.

»Oh, ähm … Wo liegt denn noch mal Hanau?«

BOAH, endlich hat sie auch mal etwas gefragt. Elvan erzählt irgendwas, und da Geografie gar nicht meine Stärke ist, habe ich keine Ahnung, wo das Bundesland Hessen auf der Deutschlandkarte liegt. Egal, Hauptsache, es kommt jetzt Leben in die Bude. Mimi scheint sich mit Hessen besser auszukennen. »Oh, ich habe eine Tante in Offenbach«, sagt sie.

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Frau Pino ist zurückgekehrt und zückt einen Block und den Bleistiftstummel, der zwischen dem festgezurrten Bund ihrer Schürze und ihrem voluminösen Bauch klemmt.

Mimi bestellt ein Spaghetti-Eis und Elvan einen Vanille-Shake.

»Kokosseisse fürr dische, bella?«, fragt Frau Pino, obwohl sie weiß, dass sie mich das gar nicht zu fragen braucht. Das bestelle ich IMMER. Aber diesmal werde ich eine Ausnahme machen. Für Mimi. »Ach«, sage ich, »danke, aber ich muss jetzt leider los, das nächste Mal wieder!« Und weil Mimi mich fassungslos anguckt, blinzele ich ihr zu. »Du weißt, Mimi, dass ich noch viel zu tun habe. Aber genießt ihr euer Eis. Wir sehen uns morgen.« CIAO!

Erst als ich mich ein ganzes Stück von ihnen entfernt habe, wage ich einen Blick zurück. Mimi und Elvan scheinen sich ganz angeregt zu unterhalten. Ich klopfe mir in Gedanken auf die Schulter. TJA, man tut, was man kann!

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In meiner Welt

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Was für eine Aufregung! Zu Hause brauche ich eine ganze Weile, bis ich runterkomme. Ich bin so gespannt, was Mimi erzählen wird. Bis sie sich meldet, kann ich ja mal schauen, ob sich etwas auf meinem YouTube-Channel getan hat.

WOHOO! Ich muss mir die Augen reiben. 235 Abonnenten! Seit gestern Abend sind 16 dazugekommen! Das mag für manche (Chiara zum Beispiel) vielleicht wenig klingen, aber ich bin auch erst vier Wochen online.

Mein neues Intro für »GSMC« (Greta’s Self-Made Clothes) ist MEGA! Luka hat mir eine neue Schneidesoftware runtergeladen, mit der das Schneiden viel leichter geht. Damit habe ich aus allen Aufnahmen von dem Tag, als mir mein Groß-Papa sein gesamtes Atelier geschenkt hat, das Eingangsvideo gebastelt. Ich muss es mir immer wieder ansehen.

Erst flattern Fotos von bunten Knöpfen, Kisten voll von Stoffen, Reißverschlüssen in die Mitte des Bildes. Dann fliegt die Kamera ganz wild durch mein Atelier und landet nacheinander auf meinen Lieblingssachen: meiner Schneiderpuppe, meinen Nähutensilien, meiner Overlock und schließlich Tessa, meiner museumsreifen Nähmaschine, alles Stationen, an denen das Objektiv haltmacht. Außerdem sind noch ein paar Entwürfe und Klamotten, die ich genäht habe, zu sehen. Dann wirbeln Fotos von meinem Groß-Papa und mir nacheinander in die Mitte. Das wirkt so, als würden sie von einem Strudel eingezogen werden. Zum Schluss wird »GSMC – Greta’s Self-Made Clothes« in einer Handschrift eingeblendet, die aussieht, als wäre sie mit einem Heftstich genäht worden.

Natürlich wollte ich das Ganze mit einem mit einem lizenzfreien Song von Katy Perry unterlegen, aber ich habe es einfach nicht hingekriegt. Zum Glück hatte Luka Zeit. Na ja, vielleicht hatte er auch keine Lust, für seinen Physiktest zu üben. Jedenfalls mussten wir zusammen ziemlich lange daran tüfteln, bis es mit der Musik endlich geklappt hat. Das Intro ist so noch VIEL cooler. YAY! Im Hintergrund singt Katy, während die Bilder ganz schnell wechseln. Es wirkt wie ein Musikvideo. Nur dass die Stars meine Nähsachen sind – und Opa und ich natürlich auch.

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Aber dass ich so viele neue Abonnenten habe, liegt bestimmt nicht nur am Intro. Das Video, das ich letzten Donnerstag hochgeladen habe, ist mir wirklich gut gelungen. Mein Opa hat sich mit seinen Profi-Hacks wieder mal selbst übertroffen! Falls er mal nicht live dabei sein kann, baue ich eins seiner History-Tutorials über Tessa ein, die wir auf Vorrat aufgenommen haben. Doch letzte Woche war er zu Besuch. Erst haben wir lange überlegt, um was es im neuen Video gehen könnte, und dann ist mir mein Entwurf zu einem luftigen Sommerkleid mit Trägern eingefallen. Ich hatte es bisher nicht nähen können, weil ich einfach keinen passenden Stoff dafür gefunden hatte. Das ist jetzt natürlich anders. Dank Groß-Papa ist mein Atelier so voll und bunt wie ein BASAR. Und ich habe die besten Stoffe in allen Farben und Sorten. Für das Kleid habe ich aus der ersten Schatzkiste von Opa einen sonnengelben CHIFFONstoff ausgewählt.

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Warum ausgerechnet er mich in letzter Zeit immer wieder fragt, was ich mir zu meinem 13. Geburtstag wünsche, verstehe ich nicht. Er hat mir doch schon meine allergrößten Wünsche erfüllt!

Ich kann es manchmal immer noch nicht glauben, dass das alles MIR gehören soll. In meinem Zimmer bin ich eigentlich fast nur noch zum Schlafen. Inzwischen mache ich sogar manchmal meine Hausaufgaben in meinem Atelier. Hier kann ich chillen, träumen und kreativ sein, wie ich will. Das Atelier ist mein Reich und das erkennt man auch schon an der Tür. Da hängt nämlich ein Schild: »Greta’s Paradise«.

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Der ganze Tag, an dem ich mit Opa das letzte Video gedreht habe, war rundum besonders. Ich habe nämlich zum ersten Mal mit meiner Overlock-Maschine genäht. Ich meine, so richtig, also nicht nur zum Versäubern. Vorher habe ich mich nicht getraut und habe nur geübt, weil ich meine wertvollen Stoffe nicht ruinieren wollte. Opa hat gesagt, die Overlock versäubert den Stoff mit einer festen Naht und es ist hinterher schwer, alles wieder aufzutrennen.

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Mit Tessa hatte ich auch erst einmal viel geübt, bevor ich mich an das Nähen meiner Entwürfe getraut habe. Es ist völlig anders mit einer elektrischen Nähmaschine zu nähen! Mir ist klar geworden, was Groß-Papa immer meinte, als er gesagt hat: »Da liegen Welten dazwischen.« Es ist ein tolles Gefühl, am kalten Handrad aus Gusseisen zu drehen und auf das Fußpedal zu treten. Es ist, als würde man Fahrrad fahren, weil das Pedal das große Rad an der Seite in Bewegung bringt. Nur dass statt einer Kette ein Lederriemen eingespannt ist. Damit kommt die Maschine überhaupt erst in Gang. Und das Rattern ist wie eine Reise durch die Zeit. Ich stelle mir nämlich immer vor, dass alle Besitzer von Tessa in den fernen Ländern seit 1832 das gleiche Geräusch gehört haben. Meine Mum sagt immer, das Rattern von Tessa bringt sie zurück in die Zeit ihrer Kindheit und gibt ihr wieder das WOHLFÜHLGEFÜHL, das sie hatte, wenn ihr Papa da war und an der Nähmaschine saß. Und ich muss auch immer an meinen Opa denken, wenn ich sie höre.

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Eigentlich wollte ich das Kleid mit Tessa nähen. Doch Opa meinte, dass Chiffon viel zu fein und die Overlock dafür besser geeignet ist. Das war so aufregend und ich habe mich zuerst gar nicht getraut anzufangen. Aber ich musste ja sowieso erst einmal messen und den Stoff zuschneiden. Dabei hat Opa mich – ÖHÖM, also meine Hände – gefilmt und hat mir und den Zuschauern währenddessen Tipps gegeben. Und als er beim Nähen auch einmal selbst Hand anlegen musste, habe ich IHN gefilmt. Als ich fast fertig war, ist es am Ende aber dann doch passiert. TOTAL BLÖD: Ich habe aus Versehen den Rocksaum zusammengenäht. Mein schönes Kleid war damit plötzlich ein einfacher SACK! »Auftrennen!«, sagte Opa. Und das vor laufender Kamera! SCHLUCK! Auftrennen ist so was von GRRRR! Ich hasse das. Und ich habe festgestellt, dass es bei der Overlock-Naht tatsächlich fast unmöglich ist! Es dauert SO lange, die festen Stiche aufzutrennen, und man muss dabei total aufpassen, dass man den Stoff nicht zerstört. Mir lief der Schweiß über die Stirn. Und obwohl ich so vorsichtig war, fransten die Chiffon-Fasern aus. War jetzt die ganze Arbeit umsonst gewesen? HEUL! Ich wollte gerade die Kamera ausschalten, als Groß-Papa sagte: »Lass mal, Enkeling. Du hast ja großzügig gemessen. Da kannst du ruhig den Saum um ein, zwei Zentimeter kürzen.«

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Das war die Lösung! DANKE, OPA! Ich habe die misslungene Naht einfach abgeschnitten. ZACK – Kleid gerettet! Es ist jetzt zwar etwas kürzer als geplant, aber das wird ja wohl keinem auffallen. Am Ende hat es sich gelohnt. Das Kleid ist so toll geworden.1

»Hohoho! Exzellent genäht, Enkeling«, lobte Opa, als ich das Kleid anprobiert habe. »Und es passt perfekt!« Er war so begeistert, dass er mich um meine eigene Achse gewirbelt hat, wie eine Balletttänzerin. »Ist dir eigentlich aufgefallen, Kind, dass es wie ein Hängerkleid im 20er-Jahre-Stil aussieht?«

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»Meinst du?«, fragte ich und sah in den Spiegel. OHA! Er hatte so recht. Und dabei hatte ich nicht einmal daran gedacht, als ich das Kleid entworfen habe.

»Man nennt es auch die Flappermode«, sagte Groß-Papa. »Typisch ist die gerade Form und dass die Gürtellinie an der Hüfte liegt. So wie bei deinem Kleid.«

Dann sagte er, dass ich mal kurz warten soll. HM? Worauf denn? Am liebsten wäre ich ihm hinterhergelaufen, aber dann wollte ich mich lieber überraschen lassen.

Nach einer Weile kam Groß-Papa mit Mamas weißer Plüsch-Stola und ihrer lilafarbenen Schreibfeder zurück.

? »Was willst du denn damit, Opa?«

Aber er lächelte nur bedeutungsvoll. Dann zog er ein paar Stoffstreifen, die von meinem Kleid übrig geblieben waren, aus der Restekiste und flocht daraus einen Stoffzopf. Den band er mir als Stirnband um.

»Weißt du, dass deine Frisur perfekt zu dem Stil des Kleides passt?«, sagte er, während er die kleine Feder mit einer Brosche, die sich in meine Knopfschublade verirrt hatte, an das Band klemmte. Schließlich legte er mir noch die Stola von meiner Mutter um die Schultern.

»Voilà, ein Flapper-Mädchen oder noch besser: eine 20er-Jahre-Lady!«

Als ich vor meinem großen Schnörkelspiegel stand, konnte ich es gar nicht glauben. Die paar Accessoires hatten meinen Style so sehr verändert!

COOL!

»Hier, ich habe sie gefunden, Papa!« Als ich mich umdrehte, standen plötzlich Mum und Risa in der Zimmertür. Meine Mutter gab Opa ihre lange Perlenkette.

»Jetzt ist es perfekt!«, sagte er, nachdem er sie mir um den Hals gelegt hatte.

»Wow! Du siehst toll aus, Greta!«, sagte Mum.

»Das Kleid hast du gerade genäht?«, fragte Risa und sah mich an, als wäre das absolut nicht möglich. Als ich nickte, klatschte sie in die Hände. »Wundervoll!«

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»Ihr hättet mal sehen sollen, wie geschickt sie mit der Overlock umgehen kann«, sagte Groß-Papa.

Mum lächelte stolz. Dann fragte sie ihn: »Wie hieß der Tanz aus dieser Zeit noch?«

Ich sah sie verwundert an. Mir war bis dahin gar nicht bewusst gewesen, dass jede Zeit einen eigenen Tanzstil gehabt hatte!

»Charleston«, sagten Risa und mein Groß-Papa fast gleichzeitig.

Und dann kam das GRÖSSTE. Groß-Papa hat neuerdings nämlich ein Smartphone und kein einfaches Steinzeithandy mehr. Damit wir uns auch mal schnell über Chat wegen unserem VLog austauschen können. Natürlich habe ich ihm beigebracht, wie zum Beispiel WhatsApp und so geht. Und jetzt tippte er so cool darauf herum, als wäre er damit schon auf die Welt gekommen. Dann lehnte er es an meine elektrische Nähmaschine und nach ein paar Sekunden startete eine lustige Musik mit lauter Blasinstrumenten: TROMPETE, POSAUNE und SAXOFON