Widmung

Für die Kunst,
sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Danke

an meine Schwestern
Andrea und Elisabeth
für ihre Unterstützung und Ermutigung.

Martina Stubenschrott

Bad Housewife

Treibsand im Getriebe

Montagmorgen – Das bisschen Arbeit

Megan schloss die Haustür hinter sich. Endlich. Seit 06 Uhr war sie auf den Beinen. Den Tisch decken, das Frühstück richten, die Katzen füttern, die Kinder aufwecken, die Brote für den Kindergarten und die Schule schmieren.

Ihr Mann trank in der Zeit seinen Kaffee und machte sich rund um sieben Uhr auf die Socken. Meistens stand er zusätzlich zum Arbeitsweg weitere 20 Minuten im Stau. Mit einer Heimkehr war erst zwischen 18 und 19 Uhr zu rechnen. Das bedeutete de facto eine tägliche Abwesenheit von 10 Stunden oder mehr.

Ihre Älteste, Paula, fuhr allein mit dem Bus in die Schule. Wenn sie pünktlich um 06:40 Uhr aus dem Haus ging, funktionierte der Rest ganz gut. Bis es allerdings soweit war, hieß das Knochenarbeit für Megan. Egal, wann sie es am Vortag schaffte, die Kinder ins Bett zu bringen, es schien morgens immer zu früh zu sein. Die Älteste reagierte auf ihr freundliches „Guten Morgen!“ nahezu täglich mit einem Schreikonzert, dass da lautete:

„Raus! RAUS! RAUS!!! und Tür zu!

Kaum hatte Megan die Jalousien hochgezogen, ließ Paula diese wieder herunter. Jeden Tag das gleiche Spiel. Schlussendlich gelang es dann doch irgendwie, dass Paula zumindest angezogen und mit zwei Bissen Marmeladebrot oder ein paar Löffeln Müsli im Magen das Haus verließ.

Nachdem sie selbst ihren Kaffee getrunken und alle eine Kleinigkeit gegessen hatten, galt es, Franz und Moritz beim Zähne putzen zu helfen und sie dazu zu bewegen, sich anzuziehen. Idealerweise würden sie das mit vier und fünf Jahren schon selbst erledigen, aber dann würden sie erst am St. Nimmerleinstag im Kindergarten erscheinen.

Um überhaupt loszukommen, musste sie die Kleinen vom Spielzeug wegzerren. Ohne Körperkraft lief wenig. Irgendwie schien sie auf Chinesisch zu sprechen, denn das: „Kinder, kommt jetzt!“ ignorierten beide mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit.

Morgens waren Franz und Moritz die dicksten Kumpel und abends, wenn es an der Zeit war ins Bett zu gehen, natürlich auch. Wie magisch in ihr Spiel versunken, als ob es sonst nichts auf der Welt gäbe.

Meist kamen die Jungs in der Früh erst in die Gänge, wenn Megan sich ins Auto setzte und den Motor startete. Dann folgte noch der tägliche Streit, wer wo saß und wer zuerst ins Auto durfte. War dieser erfolgreich geschlichtet und alle angeschnallt, ging es endlich los.

Zwischen 08 und 08:30 Uhr waren auch die zwei Kleinen im Kindergarten und Megan wieder zuhause. Der Vormittag gehörte ihr. Zumindest die nächsten paar Stunden. Um 12 Uhr hieß es:

„Kinder abholen“.

In der Zwischenzeit wartete jede Menge zu tun auf sie. Den Frühstückstisch abräumen, den Geschirrspüler vom Vorabend ausräumen, befüllen und einschalten, einmal die Küchenoberflächen abwischen, den Biomüll rausbringen und nicht zu vergessen, den Küchenboden und unter dem Esstisch staubsaugen. Es schien schon mehr am Boden zu kleben als auf dem Tisch zu sein. Manchmal scherzte sie, dass es bei ihnen so aussah, weil sie für die Ameisen ein Picknick veranstalteten.

Dann waren da noch zwei volle Fuhren Wäsche zu waschen, die Taschen vom Wochenende auspacken – sie waren zu Besuch bei den Großeltern gewesen, inklusive Übernachtung.

Die Pflanzen gießen, die hatten es dringend nötig. Sie schaffte es regelmäßig, dass ihre grünen Freunde den Hungertod starben oder aber im Wasser ersoffen. Warum konnten die nicht alle mit gleich viel Wasser zufrieden sein?

Den Müll rausbringen. Unter der Spüle stank es verdächtig. Wahrscheinlich hatte sie die Konservendosen zu wenig ausgewaschen. Ihr Kleinster hatte sie schon sanft darauf aufmerksam gemacht: „Mama, bei uns würde es den Olchis gefallen.“

Das Bad und das WC putzen. Im Waschbecken klebten noch die Bartstoppeln ihres Mannes, die Klobrille war mit Urin verdreckt, das Duschsieb mit Haaren verstopft und der Rand der Duschwanne leicht bräunlich gefärbt.

Der Lebensmitteleinkauf würde wohl noch bis morgen warten können. Und danach das Mittagessen kochen, den Tisch decken und die Kinder vom Kindergarten abholen. Paula war zwischen 12 und 13 Uhr von der Volksschule daheim und hatte einen eigenen Hausschlüssel. Megan war froh, dass ihre Tochter so selbstständig war.

Also, an die Arbeit. Ein ganz normaler Montagmorgen eben. Zuerst selbst Zähne putzen gehen. Das war in der Eile, die Kids rechtzeitig in den Kindergarten zu bringen, auf der Strecke geblieben. „Womit anfangen?“ dachte Megan, während sie mit der Zahnbürste auf und ab fuhr. Sie mochte es, wenn das Haus leer war, die Sonne mit ihren warmen Strahlen hereinlachte und der ganze Tag vor ihr lag.

Das Chaos bei der Eingangstür störte sie am meisten. Erstmal das weggeräumt – die Jacken aufgehängt, die Schuhe aus dem Weg, die Taschen vom Wochenende zumindest in den ersten Stock hinaufgetragen, die Schmutzwäsche gleich mitgenommen ins Badezimmer und einen Waschgang eingeschaltet.

Kurz die Zeitung durchblättern und eine zweite Tasse Kaffee in Ruhe trinken. So. Und jetzt zum Nächsten. Eine Wäsche abnehmen, die andere aufhängen, das ging ruckzuck. Einen Blick auf die Uhr werfen – gut. Blieb noch Zeit.

Im Vorbeigehen sah Megan ein Buch über Fengshui, das sie anlachte. Sie begann, darin zu blättern. Schon seit Wochen wollte sie es lesen. Bei der Bücherei fielen bereits Mahngebühren an. Aber jetzt hatte sie keine Zeit. Vielleicht würde es sich abends ausgehen, wenn die Kinder schliefen.

Auf zum Nächsten: Rasch das Klo geputzt und schnell das Waschbecken gewischt. „Na geh…!“ Wer hatte denn kein Müllsackerl in den Mistkübel getan. Jetzt musste sie die ekligen Gagsi-Feuchttücher rausholen. Und die wohlriechenden Wixtücher – mindestens 10 Tage alt. Grauslich. Es half nichts. Nase zu und durch. So. Hände waschen. Weiter ging es mit Putzmarathon.

Den Staubsauger rausgekrallt und einmal drüber gesaugt. Was war denn da los – wo kamen all die Mücken her? Der Biomüll. Na klar, den noch raustragen in die Tonne. So. Wie spät war es?

Höchste Zeit zum Essen kochen. Was sollte sie heute wieder zaubern? Die Vorräte vom Wochenende waren schon ziemlich aufgebraucht. Nudeln mit Soße und Salat ginge schnell – aber, schon wieder Pasta? Vielleicht Hirse mit Gemüse – da streikten die Kinder und die Hälfte des Essens landete auf dem Boden.

Egal – trotzdem. Sie hatte Lust auf buntes, knackiges Essen. Schnell die Zwiebeln schneiden und anrösten, den Hirse mit heißem Wasser einmal durchsieben, in den Topf und mit der doppelten Wassermenge aufgießen, würzen, ziehen lassen. Die Karotten dämpfen, zum Schluss tiefgekühlte Erbsen und ein bisschen Käse drauf. Den grünen Salat waschen und in Stücke reißen, Gurken und Paprika dazu schneiden, fertig.

Was als Nachspeise? Einen Obstsalat mit frischen Äpfeln, Melone, Bananenstücke, ein paar Walnüsse, Zitronensaft und Rosinen. Das Obst schälen, schneiden und rein in die Schüssel. Fertig.

Auf die Uhr geschaut – ok. Es ginge sich noch aus, ein bisschen Wäsche zusammenzulegen.

Hemden bügeln – Mann oh Mann – nein danke.

Was musste ihr Mann auch dauernd so viele Hemden anziehen. Da bügelte sie bei einem Teil ca. zehn Minuten. Nein, echt nicht, jetzt. Aufgehängt auf einem Kleiderhaken – das sollte reichen.

Auf die Uhr geschaut – in fünfzehn Minuten die Kids vom Kindergarten abholen. Dann würde sie diese Zeit für sich nutzen. Megan griff zu dem kleinen Buch und begann interessiert zu lesen. Ok, sie hatte zu viel Krempel, das war ihr vorher schon klar gewesen. Egal welche Schublade oder welches Regal sie öffnete, es war einfach zu viel drin. In Wirklichkeit benutzte sie immer die gleichen paar Sachen. Die anderen 80 Prozent hatte sie „für alle Fälle“.

Megan beschloss, am nächsten Morgen in der Küche anzufangen und systematisch Lade für Lade auszuräumen und dann nur das einzuräumen, was sie auch wirklich in Verwendung hatte. Und dann mit dem Gerümpel schnell in einen Sack und ab damit zum nächsten Müllsammelzentrum.

Wenn ihr Mann sah, dass sie etwas wegwerfen wollte, dann hieß es: „Nein, das rosarote Plastiksalatbesteck (Werbegeschenk) brauchen wir dringend! Ganz sicher! Für Silvester, wenn wir Gäste eingeladen haben. Die 10 Jahre alten Plastikteller – nein, die verwenden wir für die nächste Grillparty.“

Megan konnte sich gar nicht erinnern, wann sie die letzte Fete geschmissen hatten. Sie vermutete vor acht Jahren, als sie noch keine Kinder hatten. Irgendwie wurden die Dinge im Haus wie von Zauberhand immer mehr. Luxusproblemchen. Wenn sie nicht regelmäßig aussortierte, wurde der Platz zum Wohnen immer kleiner und das Chaos immer größer.

Damit sich das mit den Kids betreuen und ihr schmuckes, kleines Eigenheim abbezahlen ausging, arbeitete sie Freitag nachmittags sowie jeden zweiten Samstag ganztags als Verkäuferin in einem angesagten Fashion-Laden. Ihr Mann übernahm in dieser Zeit die Verantwortung für die Kids. Das bedeutete TV-Time und ab und zu ein Ausflug zum Park sowie Besuche bei den Großeltern.

Sonntags wollte ihr Herzallerliebster dann seine Ruhe haben. Er klagte, dass er überhaupt keine Zeit habe, um seinen Hobbys nachzugehen. Megan seufzte. Und was war mit ihr? Die Tage schienen in einer einzigen endlosen Wiederholung zu bestehen. Unterbrochen von dem bisschen gemeinsamen Urlaub im Jahr. Der bedeutete die Tage davor jede Menge Organisation und packen und die Tage danach nochmal das Gleiche nur in umgekehrter Reihenfolge.

Megan hielt inne. Sie bemerkte, dass sie ins Jammern verfiel. Eigentlich hatte sie ihr Arbeitsmodell selbst gewählt. Sie wollte ihren Kindern nachmittags ein Zuhause ermöglichen, keine Betreuung.

Heimkommen und einfach die Seele baumeln lassen. Ausspannen.

Klar gab es diese und jene Pflichten zu erledigen, aber es blieb Zeit, einfach zu sein. Ob nun im Bett liegend und tagträumend oder in der Sandkiste im Matsch vertieft oder in eine Rauferei mit den Nachbarskindern verwickelt.

Und trotzdem.

Irgendwie war sie mit ihrem Leben nicht ganz zufrieden. Etwas passte nicht. Für die Partnerschaft blieb kaum Zeit und ihr Mann schien stets überlastet. Ihr Job war ok, ein Brot-Job eben. Weit weg von der Erfüllung ihres Traums. Der Haushalt stellte ein notwendiges Übel dar. Die täglichen Arbeiten gingen ihr gut von der Hand und manches tat sie sogar gern. Aber das Putzen der Sanitäranlagen oder aber Großputz wie Küchenkastln wischen oder Fenster reinigen, da wollte sie am liebsten nichts wie weg und wäre gern wieder Kind.

Damals war sie sehr erfinderisch gewesen, Arbeiten aus dem Weg zu gehen, die sie nicht erledigen wollte. Und wenn sie sich dafür zu den Hühnern in den Hühnerstall gesellt hatte oder aber im Wald verschwunden war.

Megan schmunzelte. Es war trotzdem eine schöne Zeit gewesen. Sie erinnerte sich gerne an das gemeinsame Tun mit ihrer Familie. Vor allem an das Ernten der Früchte ihrer Mühen. Stolz und Freude. Und Schwielen an den Händen.

Ihr Blick fiel auf die Uhr. 12:30. Sie war in ihren Gedanken hängen geblieben und musste längst los, die Kinder abholen.

Montagnachmittag – Erziehung oder so was

„Ich war zuerst im Haus!“ schrie Franz. Moritz, der nicht ganz so schnell gewesen war, wie sein älterer Bruder, stimmte ein lautes Wutgebrüll an und schupfte diesen kräftig von hinten. Franz fiel mit dem Kopf hart gegen die Kommodenkante und schlug Moritz zur Revanche mit der Faust fest auf den Kopf.

Moritz weinte nun vor Schmerz und Wut.

Franz schrie laut. Megan ging rasch dazwischen. „Kinder, hört auf jetzt!“, fuhr sie beide mit strenger Stimme an. Resultat:

Noch mehr Schreierei.

Megan strich Franz und Moritz über den Kopf. „Ich habe euch doch gesagt, Schluss damit, sonst endet der Streit wieder in einer Verletzung.“ Ihr knurrte der Magen, den Kindern würde es wohl ähnlich ergehen. Das war nicht gerade förderlich für die gute Stimmung.

„Paula! Komm herunter Essen!“, rief sie.

Nichts rührte sich.

Ihre Tochter war in der Zwischenzeit längst nach Hause gekommen und hatte sich schnell in ihr Zimmer im ersten Stock verzogen. „Paula!!“ schrie Megan nun. Sie wusste, wenn sie die Jungs jetzt allein ließ, dann gab es Prügel. Das war häufig so.

Im Kindergarten spielten sie wie „die Engel“ und kaum waren sie zuhause, musste einfach alles raus, was sich an Spannung angesammelt hatte. Megan seufzte, ging mit schnellen Schritten nach oben, riss die Zimmertür ihrer Tochter auf und wiederholte: „Paula! Essen kommen, JETZT!“

Paula zeichnete gerade an einem Bild.

„Ja gleich, ich mach nur noch das fertig.“

„Nein, jetzt!“, wiederholte Megan und ließ die Tür offen. Beim Gehen blitzte der Gedanke auf, dass sie ihrer Mutter sehr ähnlich war. Diese hatte auch immer urplötzlich die Tür aufgerissen und dann genervt. Reinplatzen ohne Anklopfen.

Ein „no go“.

Im Erdgeschoß gab es abermals eine große Schreierei. Franz ärgerte Moritz:

„Moritz, Boritz, Blödmann…“ schrie er, lief vor ihm davon und zog eine Fratze. Moritz lief Franz hinterher und versuchte, ihn wieder zu schlagen.

Franz kletterte auf die Küchenzeile.

„Nein! Runter da!“ schrie Megan laut. Doch schon war es passiert. Die Salatschüssel landete auf dem Boden und die grünen Blätter, die Paprika und die Gurken verteilten sich zum Frühlingsgruß.

„Jetzt reicht es mir aber!“ schrie Megan mit hochrotem Kopf. „Aufräumen, alle beide! Sofort!

Sapperlot!

„Aber Mama, er hat…“, begann Moritz.

„Ich will nichts davon hören! Ihr räumt das jetzt sofort auf!“ schrie sie immer noch. Franz und Moritz begannen langsam, ein paar Salatblätter einzusammeln.

Moritz verzog sich alsbald. Megan half Franz rasch, die Sauerei wieder wegzumachen. Dann würde es eben keinen Salat geben. Der Boden war nicht gerade sauber und sie hatte keine Lust, Dreck mitzuessen. Genervt kippte Megan den köstlichen Salat zum Biomüll und stellte den heißen Hirsebrei auf den Tisch.

„Paula! Wenn du nicht sofort runterkommst, dann gibt es kein Essen mehr für dich!“, rief sie laut.

Sie meinte es ernst. Wenn ihre Tochter sich jetzt nicht an den Tisch setzte, dann würde sie bis zur nächsten Mahlzeit – üblicherweise der kleine Snack am Nachmittag – warten müssen. Endlich hörte sie Paulas Schritte auf der Treppe.

Unter dem Gemurre von Franz und Moritz verteilte Megan den Hirsebrei auf die Teller und schenkte Saft ein. Nach einem halbwegs friedlichen Essen begannen Franz und Moritz im Wohnzimmer zu spielen, während Paula ihre Schulsachen holte und am Küchentisch ihre Aufgabe erledigte.

Megan räumte den Tisch ab und die Küche auf. Schließlich fischte sie den Staubsauger aus dem Schrank und saugte die Brösel auf. Wie sie es vorausgesehen hatte, war ein guter Teil vom Hirse am Boden gelandet. Das lag an der Konsistenz. Aber Hunger war nun mal der beste Koch und die Kinder hatten tatsächlich das Mittagessen gegessen, obwohl sie zuerst heftigen Protest äußerten.

Eine Stunde später ermutigte sie alle, nach draußen zu gehen. Franz und Moritz waren gerade voll vertieft ins Höhle bauen und hatten keine Lust. Megan bestand trotzdem darauf, den Spielort zu verlagern. Wenn ihre Bälger nicht in die Natur kamen, dann waren sie am Abend außer Rand und Band und voller überschüssiger Energie. Manchmal erinnerten ihre Kinder sie stark an Pippi Langstrumpf, Max & Moritz. Was ja eigentlich sehr schön war, wenn sie nicht die Funktion überhätte, als Erwachsene für Recht und Ordnung zu sorgen.

Franz rannte flott in sein Zimmer. Megan erwischte Moritz, der ebenfalls gerade davonlief, noch am Ärmel. Mit allerlei Tricks wollte sich ihr Kleinster davonstehlen. Irgendwie gelang es ihr, ihm eine Weste und eine „Gatschhose“ anzuziehen. „Komm schon – Eini wulli wulli…“, sagte sie.

Moritz lachte.

So. Jetzt brauchte er noch Gummistiefel. Die waren bei dem Frühlingswetter notwendig. Es war angenehm warm, die Erde war nass und roch gut. So frisch. Es gluckste und glänzte überall.

Dann ging sie Franz suchen. Nach zehn Minuten fand sie ihn endlich. Er war unter ihr Ehebett gekrochen. Der Kaiser war gut darin, sich in Luft aufzulösen. Das lag wohl in der Familie. Sie lächelte in sich hinein. Das mit dem „sich Unauffindbar machen“ würde sie ihm später mal erzählen, wenn er größer war.

Und dann bewegte sie noch Paula dazu, ihren Hintern ebenfalls in die Natur zu verfrachten. Diese hatte sich in ihr Zimmer verzogen, um zu malen. Das Zeichnen zählte zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Ihre Große hatte eine kreative Ader.

Megan dachte an Herman, der jetzt im Büro saß und in aller Ruhe seinen Aufgaben nachging. Er hatte keine Ahnung, wieviel Energie es kostete, ihre Rabauken ins Freie zu bringen, wenn sie doch eigentlich etwas anderes tun wollten.

Oder aber ins Auto.

Oder an den Esstisch…

Es war gut, wenn ihre Kinder selbstbestimmt spielten. Animation war ihr ein Gräuel und bei drei Kids neben der ganzen anderen Arbeit ohnehin nicht möglich. Und doch wollte sie ihren Nachwuchs in gewissen Bereichen lenken.

Ihre Älteste sollte nach dem Sitzen in der Schule an die frische Luft, anstatt sich ausschließlich im Zimmer zu verkriechen. In Megan schlummerte die tiefe Überzeugung, dass der Mensch Erdkontakt nötig hatte.

Mit Händen und Füßen.

Zu wenig Zeit unter der Sonne und im Grünen entfremdete die Kinder von ihrem Sein, ihrem Körpergefühl, ihrer Verbindung zum Ganzen. Außerdem beobachtete Megan regelmäßig, wie die gesamte Familie im Freien auftankte. Das Grün, das Licht, die Bewegung, die frische Luft wirkten sich positiv aus.

Wohingegen die Kids spätestens nach zwei Stunden im Haus zu Randalieren begannen. Sie kannte das Phänomen auch bei sich selbst.

Das Drehbuch ging ungefähr so:

„Mama! Paula hat x und y getan!“

Und:Mama!! Moritz hat z kaputt gemacht.

Und:„Mama!!! Paula und Franz lassen mich nicht mitspielen!“ Dann kam: Schreierei und Drohungen von Mama. Und dann: Aaaa mal vier.

Nach einer halben Ewigkeit waren die Kids endlich im Garten. Wie Megan es vorhergesehen hatte, verflog ihr Protest und die schlechte Laune nach ein paar Minuten. Alle genossen den Frühling, den Matsch und den Gatsch. Paula schaukelte vergnügt. Franz und Moritz waren eifrig dabei Schlammmonster zu spielen.

Megan seufzte und lächelte. Das hatte sie gewollt, auch wenn es bedeutete, dass das Haus und die Kleidung der Kinder Einiges abbekommen würden.

Sie nutzte die Zeit, den Hausmüll nach draußen zu bringen: Plastik, Glas, Metall, Papier und schon wieder den Biomüll. Dann setzte sie sich gemütlich auf einen Schaukelstuhl, um selbst ein paar Sonnenstrahlen zu genießen.

Trotz all der Anstrengung – es war schön, Kinder zu haben. Sie erfüllten das Haus mit Leben. Sie hielten sie in Bewegung und schenkten ihr eine tiefe, stille Freude und Zufriedenheit, eine unglaubliche Fülle. Selbst, wenn sie sie in ihrem Zorn und Eigen-Sinn herausforderten, konnte dies ihrer Liebe nichts anhaben. Gut – manchmal kam ihr kurz der Gedanke, sie auf den Mond zu schießen.

Aber der Zorn verrauchte schnell wieder. Spätestens, wenn sie in die Augen ihres Kindes blickte und innehielt.

Ihre Kinder waren in Liebe gebadet.

Von Mutter und Vater gewollt.

Was gab es Schöneres? Auch wenn ab und zu ein Sturm aufkam und Ebbe und Flut sich die Hand gaben. Die Weite, das Glitzern, die Schönheit, die Klarheit, die ihre Kinder in ihr Leben brachten, erfüllten sie mit tiefer Dankbarkeit.

Megan ließ die Gießkanne volllaufen und wässerte die Balkonblumen. Zufrieden werkelte sie im Garten, während die Kids in ihr fantasievolles Spiel vertieft waren. Das Leben war schön.

Sie hatte begonnen, ihre Hochbeete zu bepflanzen. Karotten, Kohlrabi, erste Salatpflänzchen, Zwiebeln, Erbsen…

Kleine Tomaten- und Paprikapflänzchen warteten noch darauf, umgetopft zu werden. Verdammt viel Arbeit. Aber die Ernte war es wert. Vor allem die Kinder liebten es, von der Hand in den Mund zu naschen. Und sie waren begeisterte Helferleins, wenn es Zeit zum Ernten war.

Bevor sie wieder ins Haus ging, wies sie Paula an, den Napf der Katzen mit Trockenfutter zu füllen. Die waren nach dem Wochenende besonders hungrig.

Weiter ging es mit Wäsche aufhängen und die Garderobe aufräumen. Danach notierte sie sich, welche Lebensmittel sie am nächsten Vormittag einkaufen würde und räumte den Geschirrspüler vom Mittagessen aus.

Als sie wieder einmal eins ihrer Küchenladen nicht zubrachte, entschloss sie sich, hier – jetzt und heute mit dem Ausmisten zu beginnen. Sie räumte kurzerhand alle Gerätschaften auf die Küchenoberfläche und wischte einmal die Lade aus. Dann kam nur das wieder hinein, was sie tatsächlich in Verwendung hatte. Es war ein gutes Gefühl, ein paar Dinge zu entsorgen.

Vor allem hatte sich auch Zeug angesammelt, das nicht mehr funktionsfähig war, wie beispielsweise ein alter Eislöffel. Angeblich würde Herman den reparieren. Das hatte er ihr vor drei Jahren hoch und heilig versprochen. Ein Mann – ein Wort. Haha. Weg damit. Und dann die nächste Lade. So.

Megans Blick fiel auf eine Notiz am Kühlschrank. Da war doch noch etwas gewesen. Ach ja, die Rechnung für Wasser, Kanal und Strom war ganz schön teuer. Sie setzte sich an den PC und erledigte das sofort. Ihr Herzallerliebster legte ungeliebte Rechnungen erstmal beiseite. Irgendwie kam dann noch eine Autozeitschrift drüber und die Kids stapelten ihr Kinderbuch oben drauf. Und dann flatterte ein paar Wochen später die Mahnung mit Verzugszinsen ins Haus. Das brachte sie auf 180.

Dabei war es doch ganz einfach, Rechnungen sofort mit Terminanweisung zu bezahlen. Schließlich verschwand die Forderung nicht vom Erdboden, nur weil Herman sie in irgendeine Schublade steckte.

So. Und dann noch den Termin bei der Zahnärztin vereinbaren. Der war auch längst wieder mal fällig. Kleinigkeiten, um die es sich zu kümmern galt.