image
Image

Über Gor‘dea:

Die Welt des rotgoldenen Mondes begleitet mich seit dem Jahr 2009, als ich den Entschluss fasste, ein eigenes Fantasyuniversum zu erschaffen. Hunderte Stunden sind seither in dieses ehrgeizige Projekt geflossen, in die Entstehung der Völker, ihrer Geschichte und Sprache, in das Zeichnen der Karten und in das Schreiben der Chroniken. Jede davon war spannend und einzigartig. Ich habe mit dem Kopf gearbeitet, mit meinen Händen und meinem Herzen. Viele Wendungen in meinen Romanen waren für mich ebenso überraschend wie für den Leser. Ich habe mich mit meinen Charakteren gefreut und mit ihnen gelitten. Und ich bin gespannt auf das, was ich in Gor‘dea noch erleben und meinen Lesern weitergeben darf.

Danksagung:

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die mir bei der Arbeit an Gor‘dea durch ihre Anteilnahme, ihre stets wertschätzende Kritik und ihre Korrekturvorschläge zur Seite gestanden sind. Mein besonderer Dank geht an Christa für ihr unermüdiches Suchen nach versteckten Fehlern, an Wolfgang für die ‚Talkwalks‘, wo wir über stilistische und inhaltliche Feinheiten diskutiert haben, und an Markus, der mich als passionierter Rollenspieler auf logistische Ungereimtheiten hingewiesen hat.

Carl Habenicht

Mysuro, die Bogenschützin

Fantasyroman

Image

Die Chroniken von Gor‘dea

Die Chroniken von Gor‘dea

Welt des rotgoldenen Mondes

© 2018 Carl Habenicht

Umschlag und Illustrationen: Carl Habenicht

Web: www.gordea.eu

Verlag & Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback978-3-7469-4858-4
Hardcover978-3-7469-4859-1
ISBN e-Book978-3-7469-4860-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Rechte an der Welt Gor‘dea sowie an allen darin auftretenden Namen, Figuren und Orten verbleiben beim Autor. Die Charaktere in den Geschichten sind frei erfunden und haben keinerlei Vorbilder im realen Leben.

Mysuro, die Bogenschützin

„Vineuto sind begnadete Schwertkämpfer, in deren Körper die Glut des Feuers lodert. Ihre Gesellschaft ist geprägt von den Patriarchen, die das Schicksal der Familien und Städte in ihren Händen halten und Frauen als minderwertige Geschöpfe ansehen.“

Aus dem „Buch der Völker“ des blinden Sehers Emanul,

148 Jahre vor der Zeitenwende.

Die Geschichte spielt im Jahr 1752 vor der Zeitenwende.

Image

Karte des Feuerlands um 1750 vor der Zeitenwende

Image

Wütend eilte Liadon die Hauptstraße von Pykyonav entlang. Was bildete sich dieser verarmte Adelige ein! Nur weil seine Sippe zu den ältesten und somit angesehensten Familien des Feuerlands gehörte, gab ihm das noch lange nicht das Recht, dermaßen überzogene Forderungen für die zukünftige Verbindung ihrer Häuser zu stellen. Gestern hatte sich Liadon mit Fehyr, dem Patriarchen der Viopupia, auf zwei Schwerter, zwei Speere und zwei Bögen geeinigt, und heute forderte dieser Gierhals urplötzlich die doppelte Menge an Waffen. Natürlich hatte er es nicht der Mühe wert gefunden, selbst im Haus der Onconias zu erscheinen, sondern einen Boten gesandt. Auch wenn Liadons Familie erst im letzten Jahrhundert durch persönlichen Fleiß und Handelsgeschick in den elitären Kreis von Pykyonav aufgestiegen war, konnte eine solche Vorgehensweise nicht geduldet werden. Er würde Fehyr seine Meinung sagen, bei aller gebotenen Höflichkeit!

In seinem Ärger wäre Liadon fast mit einer Frau zusammengestoßen, die mitten auf der Straße Früchte feilbot. Diese Marktweiber wurden von Tag zu Tag dreister! Vor einigen Jahren hätten sie es nicht gewagt, ihre armseligen Behausungen ohne männliche Begleitung zu verlassen. Doch die ständigen Kämpfe mit den benachbarten Jeselo’vione, den aufsässigen Feuerkobolden, hatten in den letzten Mondzyklen unzählige Opfer gefordert. Da die schwächlichen Frauen als Kriegerinnen ungeeignet und ausschließlich für die niederen Arbeiten in Haus und Hof zuständig waren, wo sie höchstens die Vergewaltigung durch herumstreunende Söldner zu fürchten hatten, übertraf ihre Zahl jene der kampftauglichen Männer mittlerweile um nahezu das Doppelte. Vor allem die älteren unter den Frauen, deren Gatten in einem Gefecht gefallen waren, fanden keinen neuen Ehemann und mussten ihren Lebensunterhalt alleine bestreiten. Dennoch gab ihnen das nicht das Recht, angesehene Bürger der Stadt auf offener Straße zu belästigen! Liadon versetzte der Händlerin einen solchen Stoß, dass sie samt ihrem Korb zu Boden fiel. Ohne auf das Gezeter der Vettel zu achten, stampfte er über einige ihrer Früchte, bevor er seinen Weg fortsetzte.

Das Haus der Viopupia lag im Stadtkern von Pykyonav, wo sich nur die Kaste der Adeligen ansiedeln durfte. Wenn es Liadon gelang, sich mit Fehyr auf einen angemessenen Preis zu einigen und damit eine gültige Vereinbarung zu treffen, würde es seiner Familie in Zukunft ebenfalls gestattet sein, einen Besitz im Zentrum der Stadt zu erwerben. Das Haus Onconia würde zur Führungsriege von Pykyonav gehören und hätte Anspruch auf einen Sitz im Stadtrat. Diese Ehre eröffnete neue Möglichkeiten des Handels, da Liadon seine in hauseigener Fertigung erzeugten Waffen anschließend nach Ryn’vione und in die anderen großen Städte des Feuerlands liefern durfte. Wenn der alte Vineuto, wie sich die Feurigen nannten, an die zu erwartenden Gewinne dachte, ergriff ihn ein Gefühl freudiger Erregung, das der Anblick der schönsten Frauen seit Jahren nicht mehr bei ihm hervorrief.

Als Liadon das Stadtzentrum erreichte, bremste er seinen Schritt, um nicht außer Atem und mit schweißbedeckter Stirn bei den Viopupia einzutreffen. Er zog ein parfümiertes Tuch hervor, um sich zu erfrischen und den Staub der Straße von Gesicht und Händen zu entfernen. Seine Finger strichen durch den leicht angegrauten Bart, dessen dünne Fäden von Oberlippe und Kinn bis zur Brust reichten. Trotz der kostbaren Robe, in die sein hagerer Körper gehüllt war, ließ seine Erscheinung die Würde der alteingesessenen Patriarchen vermissen. Das lag zum einen an seiner eher geringen Körpergröße, zum anderen an den verschlagenen Gesichtszügen, die deutlich den Händler offenbarten. Über der raubvogelartig gekrümmten, spitz zulaufenden Nase funkelten zwei ungewöhnlich helle Augen, die meist zu schmalen Schlitzen zusammengezogen waren. Die verkniffenen Lippen offenbarten niemals ein ehrliches Lächeln, nur ab und an ein sardonisches Grinsen, wenn er eine schwierige Verhandlung zu einem erfolgreichen Ende geführt hatte. Seinem überzogenen Selbstwertgefühl tat dies keinen Abbruch, da er seit jeher seinen Mangel an Ausstrahlung mit klingender Münze auszugleichen wusste.

Beim Haus der Viopupia angekommen, klopfte er ungestüm gegen das hölzerne Tor. Die Heimstätten der Adeligen und reichen Händler stellten beachtenswerte Bauwerke dar. Die Außenmauern waren aus roten Ziegeln errichtet, die aus tonhaltigem Lehm gebrannt wurden. Die meisten Häuser zeigten eine unregelmäßige, pyramidenartige Form, die sich im Lauf der Jahrhunderte durch Anbauten nach oben und zu den Seiten entwickelt hatte. Die Fensteröffnungen waren eher klein gehalten, da sich die Familien der Feurigen nach außen gerne abschirmten. Was sich im Inneren der Wohnstätten abspielte, ging niemanden etwas an. Als Oberhaupt seiner Sippe hatte der Patriarch die absolute Vorherrschaft

über alle anderen Bewohner, egal ob enge Familienangehörige, Arbeiter oder Sklaven.

Der Wohnsitz der Viopupia war einst ein prachtvolles Gebäude gewesen, doch viele unübersehbare Details zeugten vom Niedergang des einstmals so bedeutenden Geschlechts. Liadon entdeckte Risse im Mauerwerk und an einigen Stellen bröckelten die Ziegel ab. Die verblichenen Vorhänge und die abgeblätterte Farbe an den hölzernen Rahmen bestätigten das Gerücht, wonach sich die Männer des Hauses Viopupia mehr der Kriegskunst als den wirtschaftlichen Aspekten des Lebens widmeten. Auf Dauer trieb ein solches Verhalten die angesehensten Familien in den Ruin. Gewonnene Schlachten brachten Ehre, doch selten Gewinn ein. Musste man hingegen eine Niederlage in Kauf nehmen, schwere Verletzungen oder gar den Tod eines Angehörigen, führte dies zum unaufhaltsamen Abstieg einer Sippe.

Liadon wusste, dass der Patriarch der Viopupia auf ein Zustandekommen des Vertrags ebenso angewiesen war wie er selbst. Deshalb hatte er nicht vor, klein beizugeben, sondern wollte auf das Einhalten der ursprünglich ausgehandelten Bedingungen bestehen. Da auf sein Klopfen keine Reaktion erfolgte, hämmerte er mit geballter Faust so fest gegen das Holz, dass ihn der Handballen schmerzte. Endlich vernahm er im Inneren ein leises Schlurfen und kurz darauf öffnete ein altes Weib die Tür. Sie war hochbetagt, denn ihr Rücken war gebeugt und der runzelige Kopf vollständig kahl.

„Cym ur sotohne lom honeme? – Was ist das Begehr des Herrn?“, schnaufte sie, erschöpft vom Zurückschieben des Türbalkens.

„Um dam upnemeor lir gydone! – Ich muss mit deinem Patriarchen sprechen!“, erwiderte Liadon ungeduldig.

Sie deutete ihm mit einer Handbewegung, das Haus zu betreten.

„Wenn du mir bitte folgen würdest“, krächzte die Alte. Sie führte den Besucher in einen etwas größeren Raum, wo sich zwei Männer aufhielten. Beide waren von stattlicher Gestalt und die Ähnlichkeit ihrer Gesichtszüge ließ erahnen, dass es sich um Vater und Sohn handelte. Der Jüngere stellte eine überaus kriegerische Erscheinung dar. Er trug eine prächtige Rüstung aus festem Stoff, die an der Brust, den Unterarmen und Oberschenkeln mit dunklen Lederstreifen verstärkt worden war. Das Oncono an seiner linken Seite war eine so kostbare Waffe, dass Liadons Augen gierig aufleuchteten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Schwertern, die aus einem glatt geschliffenen Hartholzschaft bestanden, in den auf beiden Seiten Obsidiansplitter eingelassen wurden, schimmerte diese Klinge in einem durchgehenden metallischen Glanz. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, dass der begnadete Schöpfer dieses Oncono Holz- und Obsidianteile so perfekt ineinander verwoben hatte, dass der Eindruck einer durchgehenden Schneide entstand. Das Gegenstück an der linken Seite des Kriegers war nur halb so lang, dafür mit einer gefährlichen Spitze versehen. In den Händen eines meisterhaften Schwertkämpfers stellte das Zusammenspiel der beiden Waffen eine tödliche Bedrohung dar.

Der ältere Mann war in eine Robe gehüllt, die an Kostbarkeit jener von Liadon um nichts nachstand. Allerdings hatte sie ihrem Träger jahrzehntelang gedient, da ihre Farbe verblasst war und der Stoff an den beanspruchten Stellen arg verschlissen wirkte. Obwohl der Patriarch des Hauses Viopupia über 80 Mal den Lauf der Sonne erlebt hatte, stand er ebenso aufrecht vor dem Besucher wie sein Sohn, der etwas mehr als die Hälfte an Jahren zählte. Sein edel geschnittenes Gesicht zeigte deutlich die adelige Herkunft. Wie bei den meisten älteren Vineuto war sein Kopf kahl, dafür trug er einen überraschend dichten Bart, der in silbernen Flechten bis zum Gürtel reichte. Im düsteren Zwielicht des großzügig angelegten Wohnraums loderten seine Augen in ungebrochenem Feuer.

„Was führt dich zu mir, alter Freund?“, wandte sich Fehyr an Liadon, nachdem er ihn mit einer knappen Verbeugung geehrt hatte. Dieser erwiderte den Gruß und tauschte auch mit dem Sohn des Patriarchen die traditionellen Höflichkeitsformen aus. Da der Grund für sein Kommen auf der Hand lag, versuchte Fehyr offenbar, durch ein diplomatisches Geplänkel seine Position zu verstärken. Da Liadon auf sein Verhandlungsgeschick vertraute, unterdrückte er den aufsteigenden Ärger und ließ sich auf das Spiel seines Kontrahenten ein.

„Ich habe vor kurzem eine Nachricht erhalten, bei der es sich nur um einen Irrtum handeln kann“, erwiderte er mit möglichst gelassener Stimme. „Niemals würde ich an der Ehrbarkeit des Hauses Viopupia zweifeln.“

Fehyr zog erstaunt eine Augenbraue hoch.

„Was bringt dich überhaupt auf den Gedanken, die Rechtschaffenheit unserer Familie in Frage zu stellen?“

„Nun, haben wir nicht gestern ein Übereinkommen getroffen, das die zukünftige Verbindung deines Sohnes mit meiner Enkelin besiegelt?“

„Die Vermählung von Jokur, der hier an meiner Seite steht, und der Tochter deines Sohnes ist beschlossene Sache“, bestätigte der greise Patriarch. „Sobald das Mädchen das heiratsfähige Alter erreicht hat, werden sich unsere Sippen verbinden. Da mein Sohn einem adeligen Geschlecht entstammt, stellt dies für deine Enkelin eine große Ehre dar.“

Liadon nickte zustimmend, obwohl es in seinem Inneren brodelte. Wie oft wollte ihn dieser aufgeblasene Adelige noch vor den Kopf stoßen, indem er auf seine geringere Abstammung hinwies? Er musste sich gewaltig beherrschen, um bei der Antwort nicht allzu gereizt zu klingen.

„Das Haus Onconia ist entsprechend unserer getroffenen Abmachung bereit, den hohen Preis von je zwei Schwertern, Speeren und Bögen zu bezahlen, um dieser Anerkennung gerecht zu werden.“

„Ich fürchte, dass die von dir vorgeschlagene Anzahl nicht ausreicht“, entgegnete Fehyr. „Ich versprach dir, darüber nachzudenken, und wollte mich noch mit Jokur beraten. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es mindestens die dreifache Menge an Waffen erfordert, um unseren Ansprüchen zu genügen.“

„Aber … das ist …“, stieß Liadon erschüttert hervor.

„… ein reiner Akt der Notwendigkeit“, setzte der Sohn des Patriarchen, der sich bisher schweigsam verhalten hatte, den Satz fort.

„Der Kampf gegen die Jeselo’vione fordert Opfer von uns allen. Damit wir unsere Stadt vor den Angriffen dieser lästigen Feuerkobolde schützen können, müssen alle ihren Beitrag leisten. Wie es aussieht, vermehren sich die Jeselo schneller, als wir sie töten können. Wenn wir diesem Gezücht nicht Einhalt gebieten, werden sie Pykyonav noch in diesem Sonnenzyklus überrennen.“

„Das Haus Onconia leistet seinen Anteil, indem es die Kampftruppen mit einfachen Speeren und Stäben zum halben Preis beliefert“, warf Liadon ein, der seinen Unmut kaum verbergen konnte. „Doch die Waffen, die ich deinem Vater versprochen habe, sind von weitaus höherer Qualität. Ihre Herstellung erfordert hochwertiges Holz und Unmengen an Obsidian.“

„Nichtsdestotrotz vermehrt deine Familie ihren Reichtum jeden Tag, während andere kaum noch die täglichen Ausgaben bestreiten können“, erwiderte Fehyr, dessen Miene sich verdüsterte. „Leiste den geforderten Preis, andernfalls wird die von dir gewünschte Übereinkunft nicht zustande kommen.“

„Dein Bote sprach vorhin von jeweils vier Waffen“, schnaubte Liadon. „Selbst diese Forderung wird meine besten Handwerker viele Mondzyklen beschäftigen. Mehr kann und werde ich nicht als Mitgift für meine Enkelin leisten.“

„Wird die Tochter deines Sohnes die strengen Richtlinien für die Vermählung mit einem Angehörigen der adeligen Kaste erfüllen?“, erkundigte sich Jokur. „Unberührtheit des Körpers, Vollkommenheit des Geistes, Reinheit der Seele?“

„Ich verbürge mich dafür vor Merros Antlitz, dem Gott der Flamme und des Lichts. Das Mädchen wird sich einen Mondzyklus vor dem Tag eurer Vermählung den rituellen Prüfungen stellen“, antwortete Liadon.

„Nun gut“, lenkte der Patriarch ein. „Dann sei Caem, die heilige Vier, auch die Zahl unserer Vereinbarung. Sobald deine Enkelin ihr Vor’hos und damit sechzehn Sonnenjahre überschritten hat, wird mein Sohn sie zur Frau nehmen. Dieser Vertrag wird gültig, sobald das Haus Onconia je vier Schwerter, Speere und Bögen allerbester Qualität an das ehrwürdige Geschlecht der Viopupia geliefert hat.“

Bei diesen Worten streckte ihm Fehyr die Hand entgegen und Liadon schlug ein, obwohl ihn das ärgerliche Gefühl überkam, soeben übervorteilt worden zu sein.

„Merro, Gott der Sonne, ist unser Zeuge“, fuhr der Greis mit andächtiger Stimme fort. „Unsere Häuser werden sich vereinen, sobald der Bund zwischen unseren Kindern Früchte trägt. Wenn deine Enkelin einen Sohn zur Welt bringt, wird er den Namen der Viopupia tragen.“

Die beiden Patriarchen tauschten die rituellen Wangenküsse, um den Vertrag zu besiegeln. Das alte Weib, das Liadon eingelassen hatte, brachte den Männern einen Krug mit Wein, um auf die zukünftige Verbindung der Familien anzustoßen. Bald waren die Drei in ein angeregtes Gespräch vertieft, das sich hauptsächlich um die Bedrohung durch die Feuerkobolde drehte. Die Jeselo’vione waren eine überaus lästige Plage. Sie überfielen kleinere Siedlungen, töteten die Männer und vergewaltigten die Frauen, obwohl ihre Körpergröße kaum die Hälfte eines ausgewachsenen Feurigen betrug. Wobei keiner der Anwesenden den Gerüchten Glauben schenkte, dass die Männlichkeit der Kobolde jene der Vineuto in Größe und Stärke übertraf.

„Weiß deine Enkelin davon, dass du sie heute verlobt hast?“, wandte sich Jokur nach einer Weile an den Besucher. „Immerhin zählt ihr zukünftiger Mann viermal so viele Jahre wie sie.“

„Natürlich nicht“, entgegnete Liadon entrüstet. „Ich treffe meine Entscheidungen, ohne die Frauen der Onconia um Erlaubnis zu bitten. Das Mädchen hat in jedem Fall zu gehorchen.“

„Hat sie auch einen Namen?“, erkundigte sich Fehyr. „Bisher hast du stets von der Tochter deines Sohnes gesprochen.“

„Was spielt es bei Frauen für eine Rolle, wie man sie nennt? Ihr Wert erschöpft sich bestenfalls darin, uns Männer zufriedenzustellen.“

„Dennoch würde ich gerne wissen, wie ich meine zukünftige Gattin rufen soll“, warf Jokur lächelnd ein.

„Wenn es dein Wunsch ist …“, antwortete Liadon gelangweilt. „Meine Enkelin heißt Mysuro.“

Image

Geschmeidig wie eine Raubkatze bewegte sich Mysuro durch das kniehohe Gras, stets darauf bedacht, die spärliche Vegetation als Deckung zu benutzen. Vom Schatten eines Schlangenbaums huschte sie zum nächsten, tief nach unten geduckt und sorgsam bemüht, keine sichtbaren Spuren zu hinterlassen. Die Sid’onpyno, wie die Baumriesen von den Feurigen genannt wurden, erinnerten in ihrer Form an Dutzende Schlangen, die beim Stamm miteinander verschlungen waren und in der Krone ihre gierigen Mäuler nach außen streckten. Sie standen einzeln in der trostlosen Landschaft, als würde kein Baum die Nähe eines anderen dulden. Dazwischen wuchsen niedrige Sträucher, deren Blätter in der Hitze des Sommers verdorrten, Disteln und Ranken mit heimtückischen Dornen sowie dürre Gräser.

Mysuro war bewusst, dass sie sich zu weit nach Osten vorgewagt hatte. Sie musste jeden Augenblick damit rechnen, auf eine Patrouille der Feuerkobolde zu treffen. Die Jeselo‘vione, wie die kleinen Biester von den Feurigen genannt wurden, waren in den letzten Jahren zu einer solchen Bedrohung für ihre Heimatstadt Pykyonav geworden, dass der Magistrat ein Kopfgeld auf die Kobolde ausgesetzt hatte. Wer nachweisen konnte, einen Jeselo getötet zu haben, erhielt eine Obsidianscherbe. Die junge Frau hatte in den letzten Mondzyklen eine erkleckliche Menge dieses beliebten Zahlungsmittels eingestreift, womit sie eine gediegene Späherrüstung und einen scharfen Obsidiandolch erworben hatte.

Obwohl Mysuros Familie zu den reichsten Häusern von Pykyonav zählte, wurde sie von ihrem Großvater Liadon ausgesprochen kurz gehalten. Frauen waren in seinen Augen eine nutzlose Spezies, für nichts anderes geeignet als zum Gebären der Kinder und zum Führen des Haushalts. Dass sich seine einzige Enkelin bei der Kompanie der Bogenschützen beworben hatte, stellte für ihn eine Ungeheuerlichkeit dar. Mysuro hatte selber nicht damit gerechnet, aufgenommen zu werden, doch die Lage in der östlichen Grenzstadt war verzweifelt. In normalen Zeiten wurden Frauen bei den Truppen nicht geduldet, nicht einmal bei den Fernkämpfern, die von den Speer- und Schwertträgern belächelt wurden. Da es wegen der ständigen Überfälle zu wenige Männer gab, drückte man beide Augen zu und nahm jene Frauen auf, die sich mit dem Bogen leidlich geschickt anstellten.

Für ihren Großvater war Mysuro ein Fehlgriff der Natur, weil sie sich wie ein Mann kleidete und ein anstrengendes Kampftraining den häuslichen Tätigkeiten vorzog. Wenn es nach seinem Willen gegangen wäre, hätte er sie an ihrem sechzehnten Geburtstag mit einem deutlich älteren Mann aus dem adeligen Haus der Viopupia verheiratet. Zu Mysuros Freude war ihr zukünftiger Gemahl vor mehr als einem Sonnenjahr zu einer Expedition aufgebrochen und bis zum heutigen Tag nicht zurückgekehrt.

Die junge Frau hatte diesen willkommenen Aufschub genutzt, um ihre Fertigkeit mit dem Bogen zu perfektionieren. Trotz ihrer Jugend gehörte sie zu den besten Schützen der Kompanie. Sie traf einen Kobold auf einhundert Schritt mitten ins Herz und stellte damit deutlich erfahrenere Kämpfer in den Schatten. Zum Verdruss der männlichen Mitglieder ihrer Familie war sie beim letztjährigen Turnier als Siegerin hervorgegangen und durfte seither einen ausgezeichneten Bogen aus dem geschmeidigen Holz des Isobaums ihr Eigentum nennen. Die Waffe war ihr ganzer Stolz und begleitete sie auf Schritt und Tritt. Die Pfeile fertigte Mysuro selbst und zeigte bei dieser Arbeit eine erstaunliche Sorgfalt und Präzision. Unter den Männern ihrer Truppe gab es nur wenige, die ihr bemerkenswertes Talent respektierten, die meisten beäugten sie mit Argwohn und Neid. Zu ihrem Glück hatte sie in Viacum, dem Hauptmann der Kompanie, einen Verbündeten, der sie vor allzu drastischen Übergriffen ihrer Rivalen beschützte. Sie brachte dem grauhaarigen Kämpfer, der sie weder bevorzugte noch ungerecht behandelte, eine Zuneigung entgegen, die sie für den eigenen Vater nicht empfand.

Wenn die junge Frau an ihre Eltern dachte, überkam sie ein Gefühl hilfloser Wut. Opelia, ihre Mutter, las ihrem Gemahl jeden Wunsch von den Augen ab. Trotzdem behandelte er sie mit geringerer Wertschätzung als die männlichen Diener des Hauses. Er ließ keine Gelegenheit aus, sie zu demütigen und ihre Leistungen für das Haus Onconia zu schmälern. Leider entwickelte sich Mysuros älterer Bruder in dieselbe Richtung. Was zählte, war politischer Einfluss und geschäftlicher Erfolg. Dafür opferten die drei Männer des Hauses ihre gesamte Zeit und Energie. Dass sich ihre jugendliche Verwandte zur Bogenschützin ausbilden ließ, nahmen sie rein deshalb in Kauf, weil der Magistrat von Pykyonav es begrüßte, wenn sich zumindest ein Mitglied der Familie an der Verteidigung der Stadt beteiligte. Ihr Großvater Liadon ging davon aus, dass Mysuros künftiger Mann ihr diese Flausen zur rechten Zeit austreiben würde.

Ein sechster Sinn, den sich die junge Frau bei ihren Streifzügen durch die Wildnis erworben hatte, mahnte sie zur Vorsicht. Sie verharrte in ihrem Schritt und lauschte. Kein Vogel war zu hören, nur das leise Plätschern des Piam’pydor drang an ihre Ohren. Der Fluss der Flammen schlängelte sich ein gutes Stück nördlich ihres Standorts durch die Steppe. Die plötzliche Stille deutete auf die Anwesenheit feindlicher Kreaturen hin, von denen sie neben den Jeselo’vione vor allem die Raubkatzen und die Potayr zu fürchten hatte. Letztere waren fünf bis acht Schritt lange Echsen, deren geschuppter Leib wie flüssiges Feuer schimmerte. Ein Schlag ihres gezackten Schwanzes fegte einen erwachsenen Mann von den Beinen und mit ihren dolchartigen Klauen rissen sie fürchterliche Wunden. Am gefährlichsten war der giftige Atem, den sie Angreifern entgegenspien. Mysuro war erst einmal auf ein Gelege der Potayr gestoßen und den aufgebrachten Tieren mit knapper Not entkommen.

Zur stillen Freude der Jägerin handelte es sich dieses Mal um vier Kobolde, die laut schnatternd durch das dichte Unterholz stapften. In der Hoffnung, die kleinen Kreaturen aus der Ferne erledigen zu können, überlegte sie nicht lange und griff zum Bogen. Mysuro schmiegte sich an den knorrigen Stamm eines Sid’onpyno und verschmolz mit seinem Schatten. Sie zog einen Pfeil aus ihrem Köcher, brachte den Bogen in Anschlag und wartete geduldig, bis die Jeselo in Reichweite waren. Wie Viacum es sie gelehrt hatte, suchte sie sicheren Stand, hielt den Atem an und konzentrierte sich auf ihr Ziel. Obwohl die Kobolde mehr als hundert Schritt entfernt waren, zog ihr inneres Auge das Amulett über dem Herzen ihres Opfers so nahe heran, als wäre es eine Handbreit entfernt. In einer einzigen flüssigen Bewegung spannte sie den Bogen und schoss.

Die kleinwüchsigen, dafür umso stämmigeren Scheusale schienen sich zu streiten, da sie weder das Sirren der Sehne noch das Zischen des Pfeils wahrnahmen. Erst als einer aus ihrer Mitte in seiner Bewegung erstarrte und wie ein gefällter Baum zu Boden krachte, erkannten sie die tödliche Gefahr. Entsetzt schauten sie auf den Pfeil, der aus der Brust ihres Gefährten ragte. Bis sie auf die Idee kamen, nach Deckung zu suchen, fiel der Zweite einem tödlichen Geschoss zum Opfer. Vor Wut brüllend stürmten die beiden Überlebenden auf Mysuro zu, wobei sie so schlau waren, im Zickzack und geduckt zu laufen.

Da sie kein sicheres Ziel hatte, wartete die Jägerin, bis die Kobolde sie fast erreicht hatten. Sie konzentrierte sich auf einen der Gegner und jagte ihm einen Pfeil in den Hals. Aus der grässlichen Wunde schoss eine Fontäne aus Blut, ein schrecklicher Anblick, der Mysuro für einen Augenblick lähmte. Torkelnd kam der Jeselo zum Stehen, ließ seine Waffe fallen und griff sich mit entsetzt aufgerissenen Augen an die Kehle. Im selben Lidschlag krachte der verbliebene Kobold in ihre Seite und stieß sie zu Boden. Mit einem triumphierenden Heulen riss die Kreatur ihre Keule in die Höhe, um sie dem vermeintlich wehrlosen Opfer auf den Schädel zu schmettern.

In einer verzweifelten Abwehrbewegung schlug Mysuro mit dem Bogen gegen den Arm ihres Kontrahenten, sodass der Hieb sie um Haaresbreite verfehlte. Durch die Wucht des Schlages wurde ihr die Waffe aus der Hand geprellt. Der Kobold verlor sein Gleichgewicht und stürzte auf die junge Frau, die vergeblich versuchte, sich rechtzeitig zur Seite zu rollen. Vineuto und Jeselo starrten einander in die Augen, die eine voller Abscheu, der andere mit einem hämischen Grinsen, das eine Reihe spitz zulaufender Zähne in dem weit aufgerissenen Mund zeigte.

„Merro, roh dune si – Merro, steh‘ mir bei!“, flehte Mysuro zum Sonnengott, dem die Feurigen als einziges Volk eine größere Hochachtung entgegenbrachten als der Mondgöttin Dea.

Die Antwort des Kobolds bestand aus einem dröhnenden Gelächter, das entfernt an das Blöken eines Schafs erinnerte. Mit der rechten Hand packte er sie am Hals und drückte ihr mit einer Kraft die Kehle zu, die sie dem kaum drei Fuß großen Geschöpf nicht zugetraut hätte. Sie krallte die Linke in seinen nackten Arm, um sich zu befreien, doch ihre scharf geschliffenen Nägel fanden an der ledrigen Haut der Kreatur keinen Halt. Hilflos bäumte sie sich auf, schlug in panischer Angst mit Armen und Beinen auf ihren Gegner ein. Dieser hing an ihr wie eine Klette und drückte sie mit seinem ganzen Körpergewicht zu Boden. Als ihre Sinne zu schwinden drohten, fand sie mit einem Mal tief in sich einen Ort der Ruhe. In diesem Dämmerzustand erinnerte sie sich an den Dolch in ihrem Gürtel und schaffte es, ihn mit den Fingern ihrer Rechten zu ertasten. In einer letzten gewaltigen Anstrengung, die sie fast ersticken ließ, schaffte sie es, ihren Körper ein Stück zu drehen und die Waffe aus dem Gürtel zu reißen. Blindlings stach sie zu und stieß dem Kobold einige Male den Dolch in den Leib.

Wie durch einen Schleier hörte sie sein Brüllen, das mit einem röchelnden Quieken verstummte. Gleichzeitig ließ

der Druck um ihren Hals nach und sie fühlte deutlich wie nie zuvor in ihrem Leben, wie die Luft in ihre Lungen strömte. Mit dem Atem kehrte ihre Besinnung zurück und die Dankbarkeit für den Gott, der sie vor dem Tod bewahrt hatte. Bevor sie den Körper des Jeselo von sich hinunterwälzte, sandte sie ein kurzes, dafür umso innigeres Gebet an die Sonne.

„Lyrjo Merro, lir pumd renyhr cidonehur veine dum – danke, Merro, dass dein Licht weiterhin für mich strahlt!“, flüsterte sie andächtig.

Taumelnd kam sie auf die Beine, immer noch atemlos und mit zitternden Knien. Ihr ganzer Leib schmerzte, besonders der Hals und die Seite, wo der Kobold in sie hineingekracht war. Zum Glück waren keine weiteren Feinde in der Nähe, da sie im Moment nicht in der Lage gewesen wäre, sich zur Wehr zu setzen. Ihre Rüstung sah aus, als hätte sie sich in Blut und Schlamm gewälzt. Mit einem tiefen Seufzer nahm sie ihren Bogen auf und schleppte sich nordwärts zum Fluss. Auf dem Weg dorthin überzeugte sie sich, dass die vier Jeselo tatsächlich tot waren, und nahm ihre Amulette an sich. Die Obsidianscherben, die sie vom Magistrat dafür erhalten würde, hatte sie sich redlich verdient.

Der Piam’pydor machte seinem Namen alle Ehre, denn durch das lavagesteinhaltige Flussbett schimmerten die Wellen im Sonnenlicht, als würden sie brennen. Weit und breit war kein Lebewesen zu sehen oder zu hören, weshalb Mysuro das verschmutzte Gewand abstreifte und nackt ins seichte, ufernahe Wasser sprang.

„Puh“, schnaubte sie. „Kalt, aber erfrischend!“

Sie tauchte einige Male unter, wusch sich ausgiebig und schwamm ein kleines Stück gegen die Strömung, um sich anschließend zurücktreiben zu lassen. Merro hatte in der Zwischenzeit den Zenit seiner Bahn überschritten, weshalb sie an die Heimkehr denken musste. Die Männer des Hauses Onconia kümmerten sich zwar nicht darum, wo sie sich herumtrieb, doch wenn sie zu lange ausblieb, hatte sie mit unangenehmen Fragen zu rechnen. Demzufolge kletterte sie an Land, streifte das Unterhemd über und machte sich daran, ihre Rüstung zu säubern. Diese bestand aus einem Ober- und einem Unterteil sowie Stiefeln, allesamt aus fest verwobenem Stoff gefertigt. Brust, Schultern und Fußsohlen waren mit robustem Leder verstärkt. Um die Unterarme trug sie lederne Armschützer, weniger um Hiebe der Gegner abzufangen, als den Schlag der Bogensehne zu dämpfen.

Von Natur aus großgewachsen, mit schwach ausgeprägten weiblichen Rundungen, breiten Schultern und schmalen Hüften, gab ihr die Rüstung eher das Aussehen eines jungen Mannes als einer Frau. Mysuro unterstrich diese Täuschung, indem sie die schulterlangen, rotbraunen Haare zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. In ihrem schmalen, kantigen Gesicht leuchteten unter den hübsch geschwungenen dunklen Brauen auffällig grüne, mandelförmige Augen. Ihre Nase war zu klein, und der schmallippige Mund zu breit, als dass man ihre Besitzerin als schön bezeichnen konnte. Sie legte keinen Wert darauf, diese Mängel mit Schminke auszugleichen, wie die meisten anderen Frauen der Vineuto. Im Gegenteil, sie war froh, wenn sie als Jüngling angesehen wurde und ihr dadurch Spott und Häme der männlichen Kämpfer erspart blieben.

Nachdem sie ihre Ausrüstung leidlich gereinigt hatte, schlüpfte sie in Wams, Hose und Stiefel, band die Armschützer oberhalb der Handgelenke fest und griff nach ihrem Bogen. Glücklicherweise hatte die Waffe durch den wuchtigen Schlag des Kobolds keinen Schaden erlitten, was sie der Zähigkeit des Isoholzes und der hochwertigen Verarbeitung zu verdanken hatte.

Nach einem schnellen Blick auf den Stand der Sonne verließ sie das unwegsame Flussbett und marschierte zunächst in südliche Richtung. Die üppigere Vegetation in der Nähe des Wassers verhinderte nicht nur ein rasches Vorankommen, sondern bot vielen Tieren Unterschlupf. Darunter waren gefährliche Räuber, denen Mysuro nach Möglichkeit aus dem Weg ging. Zwar hatte die jugendliche Späherin im vergangenen Sonnenzyklus bewiesen, dass sie weder Wildkatzen noch Hyänen fürchten musste, trotzdem sah sie keinen Grund, das Schicksal an diesem Tag ein weiteres Mal herauszufordern. Als sie die freie Steppe erreicht hatte, wandte sie sich nach Westen, wo ihre Heimatstadt Pykyonav lag, und beschleunigte den Schritt. Trotz ihrer Eile blieb sie wachsam. Mysuro wusste, dass sich größere Horden der Feuerkobolde bis in die unmittelbare Nähe der Stadtmauern vorwagten, wo alleinstehende Gehöfte reiche Beute versprachen. Viele verlassene oder niedergebrannte Gebäude legten ein trauriges Zeugnis von diesen Überfällen ab. Die Truppen der örtlichen Kompanie erschlugen bei ihren Streifzügen unzählige der kleinen Kreaturen, doch für jeden getöteten Jeselo‘vione tauchten kurze Zeit später drei neue auf. In der Stadt kursierte schon das Gerücht, dass sich die Kobolde auf übernatürliche Weise vermehrten.

Die Hilfstruppen, die der Magistrat in Ryn’vione angefordert hatte, der bedeutendsten Stadt des Feuerlandes, waren bis zum heutigen Tag nicht eingetroffen. Angeblich richtete der Städtebund seine Aufmerksamkeit nach Südwesten, um neue Siedlungsgebiete im fruchtbaren Tal des Piam’pydor auf seinem Weg zum westlichen Meer zu erobern. Dass Pykyonav in der Koboldplage auf sich allein gestellt blieb, hatte zu einer gehörigen Verstimmung im Rat der Patriarchen geführt. Für das Haus Onconia indes waren die ständigen Kämpfe ein wahrer Segen. Der Verkauf von Waffen und Rüstungen florierte, wodurch sich der Reichtum der Familie in den letzten Jahren vervielfacht hatte.

Für Mysuro war die Gier ihres Großvaters Liadon unbegreiflich, ebenso wie sein Streben nach Macht. Dass er sie schon vor Jahren an ein adeliges Haus verschachert hatte, um auch dem Ansehen nach zum elitären Kreis der Familien zu gehören, bereitete ihr schlaflose Nächte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, ein Leben wie das ihrer Mutter zu führen. Die Veränderungen ihres Körpers, die sich in den letzten Jahren vollzogen hatten, waren für sie mehr Ärgernis als Freude gewesen. Die wenigen gleichaltrigen Freunde, mit denen sie in der Kindheit ihre Zeit verbracht hatte, betrachteten sie seitdem mit anderen Augen. Mädchen wie Jungen lehnten sie ab, weil sie sich männlich kleidete und lieber kämpfte als nähte oder kochte. Die verwirrenden Gefühle, die sie manchmal des Nachts überkamen, bereiteten ihr Unbehagen. Ihre Mutter hatte sie vor längerer Zeit darüber aufgeklärt, was es bedeutete, eine Frau zu sein. Doch Mysuro widerstrebte es, sich einem Mann unterzuordnen oder mit ihm die körperlichen Freuden der Liebe zu genießen, von denen Opelia gesprochen hatte.

Ein fürchterlicher Laut riss die jugendliche Späherin aus ihren Gedanken. Sie erstarrte für einen Moment, schaute sich hektisch um und lauschte. Aus der Ferne drangen Kampfgeräusche zu ihr, das Klirren von Waffen und erstickte Schmerzensschreie. Kurz überlegte sie, den Kampfplatz großräumig zu umgehen, weil sie auf keinen Fall in eine offene Auseinandersetzung mit den Feuerkobolden hineingezogen werden wollte. Letztendlich siegte die Neugier über ihre Bedenken und sie setzte den Weg im Laufschritt fort.

Image

Als Mysuro den Ort der Auseinandersetzung erreichte, packte sie das blanke Entsetzen. Ein Trupp von vier Feurigen, von denen einer leblos am Boden lag, wurde von einer ganzen Horde von Jeselo’vione bedrängt. Obwohl sich die drei Kämpfer tapfer gegen die Übermacht zur Wehr setzten, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Kobolde sie überwältigten. Die größte Gefahr ging in diesem ungleichen Gefecht nicht von den Nahkämpfern aus, die mit ihren primitiven Knüppeln gegen die Schwerter der Vineuto wenig ausrichten konnten, sondern von den Kreaturen aus der zweiten Reihe. Diese bewarfen die drei Feurigen mit allem, was sie in die Hände bekamen: Erdklumpen, Steine, Felsbrocken und abgestorbene Äste. Ihre Vordermänner beschränkten sich darauf, den Schwerthieben der Krieger auszuweichen und deren Vorstöße abzublocken.

Mysuro überlegte krampfhaft, was sie unternehmen sollte. Wenn sie in den Kampf eingriff und damit die Aufmerksamkeit der Jeselo auf sich lenkte, würde sie zum zweiten Mal an diesem Tag ihr Leben aufs Spiel setzen. Unschlüssig verharrte sie auf der Stelle, weil sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren konnte, die drei Männer im Stich zu lassen. Diese kämpften wie Berserker, obgleich sie aus vielen Wunden bluteten. Der Größte von ihnen schwang sein Schwert mit beiden Händen und schlug breite Schneisen in die Reihen der Kobolde. Die anderen fochten mit zwei Waffen, dem traditionellen Oncono und einem Langdolch.

Mehr als ein Dutzend erschlagener Feinde zu ihren Füßen waren ein deutliches Zeichen ihrer Tapferkeit und Kampfkunst. Doch der Hagel an Geschossen nahm kein Ende, und mit einem Mal kam einer der Drei ins Wanken und taumelte zu Boden. Sofort stürzten sich die Jeselo auf ihn und prügelten mit ihren Keulen auf seinen Körper ein.

„Merro, tosor dune omym – Merro, gib mir Kraft!“, brüllte der hünenhafte Krieger.

Mit wutverzerrtem Gesicht sprang er mitten unter die Feinde und ließ seine Klinge in einem tödlichen Zirkel kreisen. Knochen zersplitterten, als wären sie aus brüchigem Holz, und über den mächtigen Kämpfer ergoss sich ein Schwall aus Blut. Heulend stoben die Kobolde auseinander und brachten sich vor dem gewaltigen Schwert in Sicherheit. Während der Riese dem einen Gefährten ein wenig Luft verschaffte, geriet der andere in immer größere Bedrängnis. Unzählige Steine und Felstrümmer flogen auf ihn zu, sodass er den Geschossen nicht mehr ausweichen konnte und mehrmals aus dem Gleichgewicht geriet. Die Nahkämpfer setzten nach und schlugen mit ihren Knüppeln gegen seine Beine. Durch eine wagemutige Rolle zur Seite brachte er sich in eine bessere Position, doch sofort setzten die Kobolde nach und umringten ihn.

Mysuro befürchtete, dass der tapfere junge Mann nicht mehr lange standhalten würde und riss kurz entschlossen ihre Waffe nach oben. Sie verdrängte ihre Angst, zwang sich zu einem tiefen Atemzug und zur inneren Ruhe. Mit einem Schlag verblassten die Geräusche des Kampfes, das Brüllen des Berserkers und das Kreischen der Feinde. Als sie eins wurde mit dem Bogen, ließ die ungeheure Anspannung das Blut in ihren Adern pochen. Der erste Pfeil zischte von der Sehne. Bevor sich die tödliche Spitze in den Rücken eines Feindes bohrte, folgte bereits das zweite Geschoss. Pfeil um Pfeil jagte Mysuro in die dicht aneinandergedrängte Horde und setzte mit jedem Schuss einen Gegner außer Gefecht. Durch ihr mutiges Eingreifen gewann der Schwertkämpfer sicheren Stand, nutzte die Verwirrung der Kreaturen und brachte mehrere von ihnen zu Fall.

Das war der Umschwung in diesem Kampf. Die Kobolde rannten davon, als wären ihnen Hunderte Dämonen auf den Fersen. Zurück blieben die Erschlagenen und Schwerverwundeten, denen der hünenhafte Vineuto erbarmungslos den Garaus machte. Sein Kamerad überzeugte sich mit einem schnellen Blick auf Mysuro, dass von ihrer Seite keine Gefahr drohte, und kniete sich dann zu seinen leblosen Gefährten.

Die junge Frau blieb zunächst auf Distanz, weil sie davor zurückscheute, den Kampfplatz mit den verstümmelten Leichen zu betreten. Jetzt, wo ihre Aufregung nachließ und ihr das Ausmaß dieser Schlacht bewusst wurde, zitterten ihre Hände und Knie. Nie zuvor hatte sie derart viele Tote auf einem Haufen gesehen und der Gestank des vergossenen Koboldblutes bereitete ihr Übelkeit. Die beiden Männer schenkten ihr keinerlei Beachtung. Der eine war damit beschäftigt, die Jeselo zu untersuchen und die Siegestrophäen an sich zu nehmen, der andere kümmerte sich um die Wunden seiner Kameraden. Schließlich überwand Mysuro ihren Widerwillen und trat zögernd näher. Da sie ohnehin nicht grußlos verschwinden konnte, sammelte sie ihre Pfeile ein, deren Herstellung viele Stunden an Arbeit gekostet hatte.

Der Schwertkämpfer, der nach wie vor neben seinem verletzten Gefährten kauerte, zog ihre Blicke auf sich. Wenig größer als sie und für einen Mann schmächtig gebaut, wurde Mysuro von seinem edel geschnittenen Gesicht gefesselt, das von hellblonden, schulterlangen Haaren umrahmt wurde. Die hohe Stirn zeugte von Intelligenz, der Ausdruck seiner goldfarbenen Augen von einem außergewöhnlichen Feingefühl. Er mochte ein paar Jahre älter sein als sie, obwohl auf den glatten Wangen keine Barthaare sprossen.

Der Mann, den er versorgte, zeigte ein erschreckend blasses Gesicht. Ein rotes Flammensymbol auf der Brust wies ihn als Anführer des Trupps aus. Graue Strähnen in den kurz geschnittenen rotbraunen Haaren sowie zwei tiefe Furchen auf der Stirn legten ein deutliches Zeugnis dafür ab, dass er die Tage der Jugend hinter sich gelassen hatte. Er blutete aus mehreren offenen Wunden, von denen keine für sich allein gefährlich schien. Mysuro befürchtete jedoch, dass ihm die Keulen der Jeselo’vione innere Verletzungen zugefügt hatten. Trotz der Bemühungen seines Kampfgefährten gab er keine Lebenszeichen von sich.

„Ist er … tot?“, erkundigte sich Mysuro. Sie hatte eine klangvolle Altstimme, die auch einem Jüngling gehören konnte.

„Noch atmet Nesum“, erwiderte der Feurige. „Wie lange und ob er den Transport nach Pykyonav überlebt, weiß nur Merro.“

„Und was ist … mit ihm?“, fragte sie stockend, während sie auf den vierten Kämpfer deutete, der ein Stück abseits lag.

„Ihn hat Dea bereits zu sich genommen“, antwortete er traurig. „Itari hat heute seinen letzten Kampf ausgefochten.“

„Die verdammten Kobolde haben uns eine Falle gestellt“, ergänzte der Hüne, der unterdessen herangetreten war.

„Wie konnte das passieren?“, forschte Mysuro nach. „Hier ist weit und breit nichts, wo sich eine solche Meute hätte verbergen können.“

„Das ist richtig“, bestätigte ihr Gegenüber unwirsch. „Diese Biester sind schlauer, als wir dachten.“

„Während wir uns unglaublich dumm verhalten haben“, fuhr der Sympathischere der beiden fort. „Die Jeselo haben uns zwei von ihnen als Lockvögel geschickt, denen wir blind hinterhergelaufen sind. Allen voran Itari, der jede Vorsicht außer Acht gelassen hat. Der Rest der Horde lag hier im hohen Gras. Als Itari angestürmt kam, stürzten sie sich von allen Seiten auf ihn und schlugen ihm den Schädel ein.“

„Dann war es sein Todesschrei, den ich gehört habe“, stellte Mysuro fest.

„Gut möglich“, erwiderte er. „Wie es aussieht, sind wir dir zu Dank verpflichtet. Du hast großen Mut bewiesen, als du uns zu Hilfe geeilt bist.“

„Und ebenso große Treffsicherheit“, fügte der mürrische Krieger hinzu. „Kein einziger Schuss daneben, als hätte Merro selbst den Bogen geführt.“

Er warf Mysuro einen Packen blutiger Pfeile zu, den diese geschickt auffing. Obwohl sie ihm hätte dankbar sein müssen, dass er ihr die grässliche Arbeit abgenommen hatte, ihre Munition einzusammeln, brachte sie kein Dankeswort über die Lippen. Der massige Vineuto, größer und muskulöser als alle Männer, die sie kannte, flößte ihr Unbehagen ein. Dies lag sowohl an seinem barschen Verhalten wie an dem äußeren Erscheinungsbild. Brennrotes, strähniges Haar fiel ihm in das grobschlächtige Gesicht, dessen untere Hälfte von einem struppigen Bart bedeckt wurde. Über der plumpen Nase standen zwei grimmig funkelnde Augen, die Mysuro auf eine Weise musterten, dass es ihr die Schamesröte in die Wangen trieb. Im Gegensatz zu seinem Gefährten, dessen Körper von einer kompletten Rüstung aus festem Stoff und Leder bedeckt war, trug er einen offenen Kürass, der nur die wichtigsten Stellen schützte und wahre Muskelpakete an den Armen und Beinen offenbarte.

„Wie kommt es, dass ein junger Bursche wie du allein in dieser Wildnis umherstreift?“, herrschte er sie an.

„Lass ihn in Ruhe!“, fuhr sein Gefährte dazwischen, der sich vom Boden erhob. „Er hat uns soeben das Leben gerettet, du hast also keine Veranlassung, ihn zur Rede zu stellen!“

Obwohl er neben dem riesenhaften Kämpfer wie ein halbwüchsiger Jüngling wirkte, flammten seine Augen in kraftvollem Stolz. Zu Mysuros Erstaunen gab der Hüne klein bei und wandte sich grollend ab.

„Ich bin Lykul“, stellte sich der freundliche Vineuto vor. „Und der riesige Kerl hier an meiner Seite hört auf den Namen Sorfydur. Wir sollten im Auftrag des Magistrats die Gegend nach Jeselo’vione absuchen, doch wie es aussieht, haben diese uns gefunden.“

„Die Kobolde sind zur Landplage geworden“, stimmte die junge Frau zu. „Ich habe im letzten Mondzyklus Dutzende von ihnen erschossen, aber es werden täglich mehr.“

Lykul neigte nachdenklich den Kopf.

„Ich kenne keinen Späher deines Alters, der den Bogen mit solcher Treffsicherheit führt“, stellte er fest. „Verrätst du mir deinen Namen?“

„Ich heiße My… Myseru“, stammelte sie verlegen, „und gehöre zur Kompanie von Hauptmann Viacum.“

Wenn sie an den Ärger dachte, der sie zuhause erwartete, war es besser, wenn die beiden Schwertkämpfer ihren tatsächlichen Namen nicht kannten. Mochten sie in dem Irrglauben bleiben, dass ein Jüngling ihnen geholfen hätte.

„Myseru …“, wiederholte Lykul mit einem gewinnenden Lächeln. „Ein außergewöhnlicher Name für einen bemerkenswerten jungen Vineuto.“

Mysuros Wangen brannten vor Verlegenheit, sodass sie schnell den Kopf senkte. Kein Mann hatte sie jemals auf solche Weise angesehen und derart freundliche Worte an sie gerichtet.

„Wie lange wollt ihr noch Süßholz raspeln?“, grollte Sorfydur. „Wir sollten besser zusehen, dass wir nach Pykyonav kommen, bevor die Kobolde mit einer noch stärkeren Streitmacht zurückkehren!“

„Du mahnst uns zurecht“, gab sein Gefährte zu. „Vor allem gehört Nesum in die Hände erfahrener Heiler. Und auch wir sollten unsere Wunden versorgen lassen, bevor sie sich entzünden.“

„Die paar Kratzer werden uns nicht umbringen“, brummte der Hüne. „Aber Merro wird sich bald hinters Gebirge zurückziehen und ich habe keine Lust, mich im Dunkeln außerhalb der Stadt herumzutreiben.“

Sie beschlossen, Itaris Leichnam provisorisch mit Steinen zu bedecken und am nächsten Tag nach Pykyonav zu holen, um ihn den Flammen zu übergeben. Sorfydur und Mysuro machten sich umgehend an die Arbeit, während Lykul Nesums blutende Wunden mit sauberen Tüchern verband. Als die junge Frau an dem größten Haufen mit toten Kobolden vorbeikam, hörte sie ein leises Stöhnen. Aufmerksam geworden, trat sie an die Leichen heran und unterzog sie einer genaueren Untersuchung.

„Was treibst du dort drüben?“, wollte Sorfydur wissen. „Ich habe die Amulette vorhin eingesammelt und sonst tragen die Kerle nichts Brauchbares mit sich.“

„Dieser hier ist noch am Leben“, antwortete sie und deutete auf einen Jeselo, der bis auf ein paar Schrammen unverletzt war. Ihr fiel auf, dass er bessere Kleidung trug als der Rest der Kobolde, die sich nur schmutzige Felle oder Stofffetzen um den Leib geschlungen hatten.

„Dann schneide ihm die Kehle durch!“, forderte sie der grobschlächtige Krieger auf. „Wir haben keine Zeit, uns mit diesen Biestern herumzuärgern.“

In diesem Moment riss der Kobold die froschartigen Augen auf und warf Mysuro einen verängstigten Blick zu. Die Jägerin schöpfte den Verdacht, dass er schon längere Zeit bei Bewusstsein war und sich nur totgestellt hatte.

„Rumd … dedor! – Nicht … töten!“, stieß er hervor.

Die Kreatur hatte eine hohe Fistelstimme und quetschte die Worte zwischen den wulstigen Lippen heraus, als würde ein Kind mit vollem Mund quengeln.

„Du sprichst die Sprache der Vineuto?“, staunte Mysuro. „Furfu … klug. Viel wissen“, antwortete er.

„Du heißt also Furfu?“, hinterfragte sie.

„Furfu … ja“, bestätigte er. „Nicht böse.“

Ob der Kobold damit sagen wollte, dass er nicht böse sei oder seine Feinde ihn freundlich behandeln sollten, blieb ungeklärt, da Sorfydur wie ein wütender Bär heranstapfte.

„Bring es endlich hinter dich!“, fauchte er. „Oder willst du dieses Scheusal in euer Haus einladen?“

„Ich kann ihn nicht einfach abstechen!“, verteidigte sich die junge Frau. „Er trägt keine Waffe und …“

„Feiges Gewäsch!“, schnauzte der Hüne sie an.

Er packte sein Schwert, um dem Kobold den Kopf abzuschlagen. Dieser hob abwehrend die Hände und kreischte vor Angst.

„Nicht!“, brüllte er. „Kenne … Schatz, großen Schatz!“ Sorfydur hielt mitten im Schwung inne und warf der Kreatur einen finsteren Blick zu.

„Ein Schatz?“, knurrte er. „Nichts als eine Lüge, um dein armseliges Leben zu retten!“

„Nein … nicht Lüge!“, heulte Furfu mit sich überschlagender Stimme. „Kenne Schatz … in Feuerhöhle!“

„Nehmen wir den Kerl mit!“, schlug Lykul vor, der ebenfalls herangetreten war. „Ob er einen Schatz kennt oder nicht … lebend nützt er uns in jedem Fall mehr als tot.“

„Wir sollten ihn dem Magistrat ausliefern“, meinte Mysuro. „Vielleicht kann er den Patriarchen ein paar Dinge erzählen, die im Kampf gegen sein Volk nützlich sind.“

„Außer Lügen ist von einer solchen Kreatur nichts zu erwarten“, entgegnete Sorfydur mürrisch. „Wenn ihr ihn unbedingt mitschleppen wollt, kann er beim Tragen von Nesum helfen.“