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Vorwort

Portugal steht für Entdeckergeist, Melancholie und Tradition. Doch das heutige Portugal ist alles andere als rückwärtsgewandt. Vor allem die wirtschaftlichen und politischen Demütigungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass sich die älteste Nation Europas gerade neu erfindet. Trotzig werden die Ärmel für die Zukunft hochgekrempelt. Das „Land am Westrand Europas“ entdeckt sich selbst und wird von vielen neu entdeckt. Ein Besucherrekord jagt den anderen, nie zuvor kamen so viele Touristen, Langzeitreisende und Aussteiger auf der Suche nach dem Glück. Noch nie gab es so große weltweite Aufmerksamkeit. Alle schwärmen von der Gastfreundschaft und dem Charme des abwechslungsreichen Reiseziels. Portugal ist sympathisch. Was ist passiert? Bisher fokussierten doch die Schlagzeilen auf Finanzkrise, Rettungsschirm und EU-Problemkind.

Spätestens seit der Fußball-Europameisterschaft 2016 und dem Eurovision Song Contest 2017 ist ins kollektive Bewusstsein eingedrungen, dass Portugal kein iberisches Anhängsel von Spanien ist.

Was aber hat es auf sich mit dieser einst großen Seefahrernation, die noch bis vor wenigen Jahren kaum auf der Weltbühne präsent war? Nun werden mehr und mehr Menschen auf Portugal aufmerksam und fragen sich: Wer und wie sind die Portugiesen eigentlich? Und welche Kulturschocks sollte es überhaupt geben in einem demokratischen EU-Land, das von der Mehrheit der Besucher als positiv empfunden wird?

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Seit der ersten Auflage dieses Buches hat sich Portugal wesentlich verändert. Vieles ist besser geworden, manche Probleme sind zäh und einiges trotzt dem Lauf der Zeit. Der boomende Tourismus hilft der Wirtschaft, bringt gleichzeitig aber auch Herausforderungen mit sich. Dennoch, die Grundstimmung ist gut wie schon lange nicht mehr. Nach den harten Jahren der Einschränkungen sehen die Portugiesen erstmals optimistisch in die Zukunft. Vor allem die junge Generation tritt selbstbewusst und zielgerichtet auf. Man besinnt sich auf den tief verwurzelten Pioniergeist der „Portugalidade“. Noch nie waren Berufseinsteiger in Portugal so gut ausgebildet wie heute. Viele wanderten während der Finanzkrise aus, doch so mancher nutzte die drohende Arbeitslosigkeit als Chance und nahm die Zukunft selbst in die Hand, sei es im Tourismus, der Gastronomie oder in anderen Bereichen wie den digitalen Medien.

Das Ferienziel wird mit touristischen Auszeichnungen und Prämien geradezu überhäuft. 2016 wurde Portugal zum ersten Mal in seiner Geschichte Fußballeuropameister, Cristiano Ronaldo gewinnt sowieso meist den Weltfußballer- und alle anderen Titel, der UN-Generalsekretär heißt seit 2017 António Guterres und war früher portugiesischer Regierungschef, über Europas Finanzen wacht seit 2018 der portugiesische Volkswirt und Finanzminister Mário Centeno als Euro-Gruppen-Chef. Und dann war da noch der 13. Mai 2017: Ein Millionenpublikum verfolgte am Vormittag den Besuch von Papst Franziskus zum 100. Jahrestag der Marienerscheinungen im Wallfahrtsort Fátima. Am gleichen Abend gewann der verträumte Adelsspross Salvador Sobral mit seinem durch und durch portugiesischen und gänzlich untypischen ESC-Beitrag zur Überraschung aller (und vor allem der Portugiesen) den Eurovision Song Contest. „Portugal 12 points“ aus allen Ecken Europas – das gab es noch nie. Das mag manchem banal erscheinen, doch in Portugal kam dies schon fast einem Wunder gleich: Wetten, dass hier die Jungfrau Nossa Senhora de Fátima ihre Hand im Spiel hatte!

Es läuft gut für Portugal, die Daumen zeigen nach oben. Die Schattenseiten waren verheerende Waldbrände im Sommer und Herbst 2017 mit einer tragischen Bilanz von 115 Todesopfern, schleppende Reformen in Justiz-, Bildungs- und Gesundheitswesen, immer noch große soziale Ungerechtigkeiten und medienträchtige Korruptionsskandale wie jener um den einstigen Politstar und Premierminister José Sócrates.

Dieses Buch beleuchtet die portugiesische Mentalität aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Um die tiefgründige Seele Portugals zu verstehen, ist eine Zeitreise in die Geschichte des Landes hilfreich und notwendig. Vom Niedergang der einstigen Seemacht, die zwischen sich und Spanien die Welt aufteilte, zu einem der ärmsten Länder Europas, von 40 Jahren Isolation und Repression der Salazar-Diktatur, die Spuren und Narben in der portugiesischen Gesellschaft hinterließ. Von Aus- und Einwanderung bis hin zum Aufbäumen gegen den Armutsstempel.

Doch gibt es überhaupt den typischen Portugiesen bzw. die typische Portugiesin? Was macht die Portugiesen eigentlich aus: Bacalhau essen und Portwein trinken, Fußballverrücktheit und Fado singen …? Was unterscheidet den portugiesischen Alltag von unserem? Und was ist das für ein Volk aus dem Süden, dessen Nationalgericht Stockfisch aus dem hohen Norden ist, das seinem verlorenen Weltreich mit der melancholischen Wehmut der saudade nachtrauert und das doch modern und zukunftsorientiert die Gegenwart meistert?

Möglicherweise empfinden Nordeuropäer ganz andere Dinge „schockierend“ als Südländer. Was für die einen fehlende Organisation sein mag, ist für die anderen vielleicht Kreativität etc. Letztendlich tragen wir alle unser kulturelles Gepäck mit uns herum und bewerten uns fremd anmutende Dinge instinktiv aufgrund unserer Mentalität. Manchmal hilft es auch, einfach jegliche Klischees aus dem Kopf zu verbannen und sich vorurteilslos auf alles einzulassen, was denn da kommen mag.

Die Portugiesen selbst sind sich weitgehend einig, wenn es um die Definition des Portugiesischseins (Ser Português) geht. Sie glauben an die Einzigartigkeit ihrer Wesensart und sind überzeugt davon, dass ein Nichtportugiese diese nicht nachempfinden kann. Wohl deshalb gibt es auch keine wörtliche Übersetzung für das Wort saudade, den Ausdruck für die nationale Melancholie.

Portugal scheint seit einigen Jahren nicht nur für die Portugiesen selbst, sondern auch für viele Reisende zu einem „Sehnsuchtsland“ zu werden, einer Oase inmitten der turbulenten, aus der Spur geratenen Weltordnung. Was macht dieses Land so besonders und wieso wollen jetzt so viele Menschen hier leben, von Madonna über französische Investoren und chinesische Kaufleute bis hin zu alternativen jungen Familien und Wohngemeinschaften?

All dies und vieles mehr zu Tücken, Fettnäpfchen, Eigenarten und Freud und Leid des portugiesischen Lebens behandelt dieser Titel. Dabei kommen einheimische wie ausländische Stimmen zu Wort.

Wer sich darauf einlässt, auch einmal hinter die zugezogenen Vorhänge und unter den Teppich zu schauen, darf gespannt sein. Denn Portugal ist so viel mehr als nur Fado, Fußball und Fátima.

Bem-vindo!

Silvia Baumann

Extrainfos im Buch

ergänzen den Text um anschauliche Zusatzmaterialien, die vom Autor aus der Fülle der Internet-Quellen ausgewählt wurden. Sie können bequem über unsere spezielle Internetseite www.reise-know-how.de/kulturschock/portugal18 durch Eingabe der jeweiligen Extrainfo-Nummer (z. B. „#1“) aufgerufen werden.

Inhalt

Vorwort

imageVerhaltenstipps A–Z

imageEin Blick zurück – bis heute

Pré-História – Vorgeschichte

Lusitanos und Romanos (5. Jh. v. Chr. bis 6. Jh. n. Chr.)

Mouros und Cristianos (8. Jh. bis 13. Jh.)

Reconquista und das Königreich Portucale (12. Jh. bis 14. Jh.)

Aufbruch zu unbekannten Ufern: mit Entdeckergeist zur Kolonialmacht (15. Jh. bis 17. Jh.)

Monarquias und Repúblicas – von der Monarchie zur Republik (16. Jh. bis 20. Jh.)

Faschismus und Salazarismus: „Stolz und allein“ (1928–1974)

Die Nelkenrevolution (25. April 1974)

Portugal als EU-Land (seit 1986)

Die Geschichte Portugals im Überblick

image„Bagagem Cultural“ – kulturelles Gepäck

Ethnische Einflüsse, Ursprünge der Bevölkerung

Leben am Rand Europas

Religion und Kirche

Glaube und Aberglaube

Feste, Bräuche, Traditionen

Ser e Sentir – vom Sein und Fühlen

Nationale Identität und Patriotismus

Alma Lusa – tiefgründige Volksseele mit komplexer Wirkung

Educação – das portugiesische Bildungssystem

imageDie Gesellschaft – Staat, Politik, Wirtschaft

Staatsaufbau, Regierungsform und Parteien

Außenpolitik

Gesetz und Korruption

Kriminalität

Justiz – die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen langsam

Wirtschaftslage und Konjunktur

Einkommensverhältnisse und Sozialsysteme

Stadt und Land

Ein- und Auswanderung

imageO dia a dia – der Alltag in Portugal

Vícios – Alkohol, Rauchen, Drogen

Trabalho – Arbeitsleben

Hygiene

Kunst und Kultur

Medien

Mode und Zeitgeschmack

Natur- und Umweltschutz

„Goooolo!“ – Sport, Freizeit, Urlaub

Sprache

Tagesrhythmus

Telefon und Kommunikation

Morar – Wohnen

imageMulheres, homens, familia – Frauen, Männer und Familie im Fokus

Demografische Entwicklung

Lusitanische Machos und gestresste Frauen

Frauen in der portugiesischen Gesellschaft

A Vida: Geburt, Jugend, Alter, Tod

imageEstrangeiros – als Fremder in Portugal

Das Bild von Touristen

Typisch portugiesisch

Begegnungen, Begrüßungen, Verabschiedung

Gastfreundschaft

Verabredungen und Ausgehen

Zu Gast in der Familie

Essen und Trinken

Einkaufen

Namen und Anrede

Gesprächsverhalten

Konfliktverhalten

Behörden und Polizei

Zeitverständnis, Professionalität, Verbindlichkeit

Sicherheit

Arbeitskollegen

Umgang mit Tieren

Verkehr und Transportmittel

Auswandern nach Portugal

Enfim – zu guter Letzt

imageAnhang

Glossar

Para Ler – zum Lesen

Portugal im Kino

Informatives aus dem Internet

Musikalische Melancholie zum Einstimmen

Register

Übersichtskarte Portugal

Die Autorin

Exkurse zwischendurch

Lenda da Amendoeira – das Mandelbaum-Märchen

Inês de Castro – Königin nach dem Tod

Das Geschäft mit Menschen

Os Lusíadas – mittelalterliches Entdeckerepos

Manuelinik – portugiesischer Einfallsreichtum

Dom Sebastião – die verloren gegangene Zukunft

Stichwort Erdbeben

Marquês de Pombal – aufgeklärter Erneuerer

António de Oliveira Salazar

Portugiesen und Spanier – ungleiche Geschwister

„Nortenhos“ – die Menschen aus dem Norden

Entschleunigung im Alentejo

Europas größter Stausee

Der Wallfahrtsort Fátima

Das Fest der „Mãe Soberana“ („Höchste Muttergottes“) in Loulé

Stierkampf auf Portugiesisch

Fernando Pessoa – ein einsames Genie

Coimbra – viel besungene Universitätsstadt am Rio Mondego

Die portugiesische Flagge

Der Fall José Sócrates – vom Regierungschef zum Angeklagten

Aldeias Históricas – historische Dörfer in neuem Gewand

António Guterres vs. José Manuel Durão Barroso

Freimaurer versus Opus Dei

Aussterbende portugiesische Handwerksberufe

Nobelpreisträger José Saramago (1922–2010)

Stichwort Azulejo-Kunst

Erosion – eine Gefahr für die portugiesische Küste

Waldbrände gefährden Portugals Zukunft

Problemfall „Água“

Vorsicht Falle – Tücken der portugiesischen Sprache

Pyramidendächer und arabische Türen

Kuriositäten zum Wohnen in Portugal

Häusliche Gewalt

As Três Marias – Die Drei Marias

Kulinarisches Mini-Lexikon

Bacalhau – eine Freundschaft fürs Leben

Weinland Portugal

Kleines Kaffeelexikon à la Portugal – Vamos beber um café

Spitznamen – „alcunha“

Verhaltenstipps A–Z

imageAberglaube: Es gibt zig portugiesische Bauernregeln zum Thema superstição. In ländlichen und stärker katholisch geprägten Regionen sind die Menschen noch eher abergläubisch. Die Zahl 13 ist auch in Portugal mit azar (Pech) verknüpft, schwarzen Katzen geht man gerne aus dem Weg. In ein Haus sollte man immer mit dem rechten Fuß eintreten, wenn das linke Ohr rot und heiß wird, redet jemand schlecht über einen … Mehr dazu im Kapitel „Glaube und Aberglaube“ (s. S. 117).

imageAIDS: In Portugal „SIDA“ genannt, sind HIV-Infektionen immer noch ein aktuelles Thema. Die Zahl Neuinfizierter ist zwar seit 2008 stetig prozentuell gesunken, dennoch weist Portugal eine der höchsten Infektionsraten von HIV (hier VIH) in Europa auf.

imageAlkohol: Laut Weltgesundheitsorganisation belegt Portugal im weltweiten Vergleich beim Alkoholkonsum den 10. Platz. Der obligatorische Wein zum Essen mit einem Schnaps zum Abschluss ist eher die Regel als die Ausnahme. Portugal ist ein Weinland und so ist der Konsum auch kulturell und traditionsbedingt in den Alltag integriert. Auch Bier und Spirituosen erfreuen sich großer Beliebtheit. Zwischen 2014 und 2016 ist die Zahl der Alkoholabhängigen und Alkoholgefährdeten besonders gestiegen, was viele auch auf die Finanzkrise und deren soziale Folgen zurückführen. Alkohol ist auch die häufigste Ursache bei Verkehrsunfällen. Siehe auch „Vícios“ im Kapitel „Der Alltag in Portugal“ (s. S. 208).

imageAnsehen: Das Image des Landes und der Nation in den Augen von Fremden oder der Welt ist den Portugiesen ein besonderes Anliegen. Man legt großen Wert darauf, nicht mit allen „Latinos“ in einen Topf geworfen zu werden. Im täglichen Umgang wird man vorwiegend auf sehr höfliche, zurückhaltende, aber durchaus hilfsbereite Einheimische treffen. Die Portugiesen definieren sich gerne als die „diskreteren, tiefgründigeren Südländer“ und möchten auch so wahrgenommen werden.

imageArmut/Bettelei: Trotz der sich langsam erholenden Wirtschaft waren nach Angaben des Instituto Nacional de Estatísticas im Jahr 2016 über 2,6 Mio. Portugiesen von Armut und sozialem Ausschluss bedroht – und das oftmals trotz Arbeit. Die Lage hat sich zwar leicht verbessert, doch immer noch ist pobreza für viele Familien ein Thema. Obdachlose (sem-abrigo) sind vorwiegend in den Großstädten und Ballungsräumen anzutreffen, 2017 wurden allein in Lissabon 2051 Menschen ohne festen Wohnsitz registriert – und das sind nur die offiziellen Zahlen. Ein Viertel davon lebt auf der Straße, die anderen essen und schlafen in sozialen Einrichtungen oder von der Stadt angemieteten Zimmern in Pensionen. Mit zunehmendem Tourismus werden die Wohnangebote nun langsam rar und kaum noch bezahlbar, denn private Hostels und touristische Unterkünfte schießen wie Pilze aus dem Boden und nehmen sozialen Wohnraum weg. Auch in Porto, Braga, Setúbal, Faro, Coimbra oder Aveiro sieht man leider noch viele Menschen, die sich in Bahnhöfen, Metro-Stationen, in der Nähe von Kirchen oder auf Parkbänken einrichten. Gründe für die soziale Notlage sind oft Arbeitslosigkeit, Verschuldung, Scheidung oder Drogen- und Alkoholabhängigkeit. Unter den Betroffenen sind auch viele junge Frauen und Mütter, die wegen häuslicher Gewalt auf die Straße flüchten. Betteln ist nicht sehr häufig, ab und an sieht man osteuropäische Familien mit Kleinkindern, die um Almosen bitten. Jeden Winter versuchen Sozialarbeiter der Stadtverwaltungen, die größte Not in kalten Nächten mit Decken und warmen Mahlzeiten zu lindern. Vor manchen Supermärkten verteilen karitative Organisationen insbesondere vor Weihnachten Einkaufstüten, die man mit Grundnahrungsmitteln füllen und am Ausgang für bedürftige Familien spenden kann.

imageAusländer/Touristen: Seit das Land immer beliebter wird, ist das Zusammenleben mit Vertretern aus allen Ecken der Welt ein Normalzustand geworden. Generell sind Touristen und Nichtportugiesen gern gesehen und willkommen, auch wenn es in manchen sehr touristischen Stadtteilen in Lissabon und Porto für die Anwohner bisweilen schon etwas zu viel des Guten wird und es zu Problemen wie Wohnungsnot und überteuerten Preisen kommt. Andererseits ist der Tourismusboom auch ein wichtiger Motor für die in Fahrt kommende Wirtschaft. Generell sind die Portugiesen aufgrund ihrer eigenen Auswanderungsgeschichte an den Umgang mit anderen Nationalitäten gewöhnt. Seit 2016 gibt es in den Großstädten eine „Touristengebühr“: In Lissabon beträgt diese 1 €/Tag bis max. 7 € für sieben Übernachtungen, in Porto sind ab 2018 pro Übernachtung 2 €. Diese Art Kurtaxe wird in den Hotels, Hostels und lokalen Unterkünften berechnet (siehe auch „Das Bild von Touristen“ ab S. 274).

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Touristen-Doppeldeckerbus in Lissabons Unterstadt

imageAutofahren: Verkehrserziehung und -kontrollen sind wesentlich besser geworden. Doch lieben die Portugiesen eine rasante und risikoreiche Fahrweise. Die ansonsten gelebte Zurückhaltung wird hinter dem Steuer über Bord geworfen und offensives Überholen, Hupen, Telefonieren oder dichtes Auffahren sind der Normalzustand. Wer mit einem Mietwagen unterwegs ist, muss alle Sinne offen halten. Telefonieren am Steuer ist nicht erlaubt und die Promillegrenze liegt in Portugal bei 0,5, für Fahranfänger und Berufsfahrer sogar bei 0,2.

imageBaden/Nacktbaden: Portugal bietet von Nord bis Süd insgesamt mehr als 526 Badestrände (Meerestrände und Flussstrände), davon sind 320 (Stand 2017) mit der Blauen Flagge für gute Wasserqualität und gute Infrastruktur ausgezeichnet. Während der Saison (Juni–September) sind die offiziellen Badespots bewacht. In der Nebensaison gibt es keine Rettungsschwimmerstationen. An manchen Naturstränden ist auf eine starke Unterwasserströmung und heftigen Wellengang zu achten. Beliebt sind auch die zahlreichen Fluss- und Stauseestrände, die vor allem im Sommer sehr stark frequentiert sind. Nacktbaden ist an normalen Stränden nicht üblich, es gibt aber eine Reihe speziell markierter FKK-Strände. Oben-ohne-Baden ist vor allem an der Algarve mittlerweile normal und toleriert.

imageBegrüßung/Verabschiedung: Wenn man jemanden zum ersten Mal trifft, sind ein Handschlag und ein „Prazer, como vai?“ („Sehr erfreut, wie geht es?“), bei Jüngeren auch ein simples „Olá“ üblich. Bei näherer Bekanntschaft oder auch unter jüngeren Menschen sind zwischen Frauen und Frau und Mann angedeutete Wangenküsschen gängig (rechts und links, jeweils einmal). Ein etwas weniger förmliches „Tudo bem?!“ („Alles bestens?!“) gehört dazu. Männer geben sich die Hand oder auch einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Unter männlichen Freunden ist eine Umarmung (abraço) angebracht. Für den Abschied gilt das gleiche mit einem „Adeus, até logo“ („Auf Wiedersehen, bis bald“) oder „Tudo de bom!“ („Alles Gute!)“. Mehr dazu unter „Begegnungen, Begrüßungen, Verabschiedung“ ab S. 283.

imageBekleidung: Für Besucher gibt es keine besonderen Kleidungsregeln zu beachten, es sei denn, man betritt Kirchen und Klöster, wo allzu legere Strandkleidung nicht gerne gesehen wird. Generell sollte man für Wärme wie auch kühle Nächte ausgerüstet sein. Gute Wanderschuhe und bequeme Stadtschuhe sind ebenso nützlich. Die Portugiesen kleiden sich gerne modebewusst und klassisch bis konservativ. Man legt Wert auf ein gepflegtes Äußeres und stilsicheres Auftreten, zumindest was die ältere Generation anbelangt. Bei den jüngeren Leuten geht es unkonventioneller zu. Selten aber sieht man Portugiesen außer Haus in Jogginghosen oder Trainingsanzügen und nie mit Socken in Sandalen.

imageBeleidigungen: Abwertende und diskriminierende Schimpfwörter können in Portugal mit Bußgeldern bestraft werden. Die Portugiesen selbst nehmen dies nicht immer ganz so genau und Begriffe wie „pretos“ für farbige Menschen afrikanischer Abstammung oder „ciganos“ für einheimische Roma-Gemeinden hört man häufig. „filha(o) da puta“ ist die portugiesische Version für „Hurentochter(sohn)“, die man zwar oft vernimmt, aber selbst lieber nicht verwenden sollte. Derbe Vulgarismen wie „merda“, „carralho“ oder „porra“ sind die am meisten verwendeten Schimpfwörter, die man nicht übersetzen möchte beziehungsweise muss. Die meisten Beleidigungen kommen wenig überraschend im Straßenverkehr oder bei Fußballspielen vor.

imageBerührungen/Körperkontakt: Auch wenn die Portugiesen beim Körperkontakt nicht so überschwänglich sind wie etwa die Spanier, Italiener oder Brasilianer, sind Berührungen doch gängiger als im vergleichsweise etwas unterkühlten Deutschland, vor allem bei Begrüßungen und Verabschiedungen (s. S. 16). Besonders Babys und Kleinkinder werden gerne getätschelt. Generell praktizieren und respektieren die Portugiesen aber eine höfliche Distanz in Warteschlangen oder beispielsweise in Bussen und Bahnen und im täglichen Miteinander. Drängeln ist nicht gerne gesehen.

imageBestechung/Schmiergelder: Im portugiesischen Alltag wird man keine offen sichtbaren Bestechungen oder Schmiergeldzahlungen erleben. Wer versuchen sollte, einen Polizisten oder Staatsbeamten mit einem Geldschein zu schmieren, macht sich strafbar und kann mit gravierenderen Konsequenzen rechnen. Das heißt nicht, dass diese Praktiken nicht vorkommen. Sie werden sich aber für Touristen oder Kurzbesucher kaum offenbaren, sondern sich eher im Alltag bei längeren Aufenthalten bemerkbar machen. In der Politik, im Fußball und in der Wirtschaft sind dies durchaus aktuelle Themen.

imageBürokratie: Bei Behördengängen hat sich einiges verbessert und man kann vieles, was man früher bei zeitraubenden Vorortbesuchen erledigen musste, online oder in Bürgerbüros (Lojas do Cidadão) abwickeln. Dennoch sind die Wirren der Bürokratie nach wie vor ein Problem. Langwierige Genehmigungsverfahren für z. B. Geschäfts- oder Baulizenzen, im Gesundheitssektor oder in der Justiz sind Bremsfaktoren und Geduldsproben im portugiesischen Alltag.

imageDrogen: Die Situation in Bezug auf Straßendrogen hat sich gebessert, der Markt für Opiate und Kokain wächst aber seit einigen Jahren. In Lissabon kommt es vor allem in der Rua Augusta immer wieder vor, dass man ganz offen auf der Straße von Dealern angesprochen wird, die „haxiche“ anbieten. Obwohl die Polizei dieses Problem und auch die Personen kennt, greift sie nicht ein, weil das angebliche Haschisch ein undefinierbares Gemisch von Gewürzen und sonstigem Allerlei ist und sein Verkauf deshalb nicht als „Drogenhandel“ verfolgt werden kann. Generell gilt: lieber Finger weglassen von solchen Angeboten. Die „Droge“ Nr. 1 ist in Portugal mit Abstand der Alkohol. Seit dem Entkriminalisierungsgesetz von 2001 ist der Eigenkonsum von Drogen keine Straftat mehr, sondern nur noch eine Ordnungswidrigkeit. Mehr zu dem Thema findet sich unter „Vícios“ ab S. 208.

imageEinkaufen/Märkte: Im ganzen Land findet der Besucher ein gutes Netz von modernen Einkaufszentren (centros comerciais) mit allen gängigen Handelsmarken. Im Lebensmittelbereich gibt es von einheimischen, gut sortierten Supermarktketten (oft mit integrierten Cafés und diversen Läden) bis zu ausländischen Discountern ein umfangreiches Angebot. In den Hipermercados (größeren Supermärkten der Einkaufszentren) kann man an einigen automatischen Kassen seine Produkte selbst einscannen und mit Bargeld oder Karte bezahlen. Frisches Gemüse, Zitrusfrüchte und anderes Obst, aber auch Trockenfrüchte, kauft man am besten auf dem Wochenmarkt. Fast jeder Ort hat eine Markthalle und dort ist es meistens auch etwas günstiger. Kunterbunte Monatsmärkte (feiras oder mercados mensais), die normalerweise am Ortsrand auf extra ausgewiesenen Großparkplätzen oder -flächen stattfinden, sind besonders beliebt. Feilschen wird in Portugal nicht gerne gesehen. Generell gelten Festpreise. Allerdings kann man auf den Feiras schon mal nachfragen, ob es auf den ein oder anderen Artikel noch etwas Nachlass gibt. Das Risiko einer Antwort wie „Wir sind hier nicht in Marokko“ muss man aber einkalkulieren. Technische Geräte, Hygieneartikel und besonders Produkte für die Zahnhygiene sind in Portugal etwas teurer als in Deutschland, Grundnahrungsmittel und Werkstattpreise dagegen günstiger bzw. niedriger (siehe auch S. 305).

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Paulo Braz schwört auf seinen Bergkäse der Serra da Estrela (Centro Comercial, Torre)

imageEinladungen nach Hause sind in Portugal nicht sehr gängig. Meistens trifft man sich mit Freunden in einem Restaurant, einem Café oder einer Bar. Wer auf einen Kaffee eingeladen wird, sollte sich bei Gelegenheit revanchieren. Zu beachten gilt es, dass man Einladungen zu was auch immer (die man nicht annehmen möchte oder kann) nicht einfach ablehnen sollte, ohne weitere Begründungen zu nennen oder eine andere Gelegenheit offenzulassen. Ein trockenes „Nein danke“ ist nicht sehr höflich, mit „Danke, vielleicht ein andermal gerne“ gibt man dem Gegenüber keine Abfuhr und lässt ihn das Gesicht wahren, ohne seinen Stolz zu verletzen. Mehr dazu unter „Zu Gast in der Familie“ ab S. 285.

imageEss- und Trinksitten: Vor allem das Mittagessen (almoço) ist in Portugal heilig, auch das Abendessen (jantar) fällt eher üppig aus. Das Frühstück (pequeno almoço) spielt eine geringere Rolle. Wer also auf sein geliebtes ausgiebiges Frühstück mit Müsli & Co. schwört, wird im Café selbst improvisieren müssen. Es sei denn, man kommt in einem internationalen Hotel unter, dort gibt es generell auch reichhaltige Frühstücksbüfetts. Kleinere Mittelklassehotels oder auch einfache Pensionen bieten auf Wunsch des Kunden meist auch ein Frühstück. Mittagessen gibt es in den Restaurants in der Regel von 12.30 Uhr bis 15 Uhr und Abendessen ab 19 Uhr. Zeitunabhängige Alternativen sind die zahlreichen Angebote der Gastronomiemeilen in den Einkaufszentren. Im Restaurant ungefragt auf den Tisch gestellte „entradas“, also Appetitmacher wie Oliven, Brot oder Käse, sind kein Angebot des Hauses, sondern werden separat berechnet. Am liebsten isst und trinkt man in Gesellschaft, zum Toast stoßen die Portugiesen mit dem Glas an und sagen „saúde!“, was unserem „Zum Wohl“ entspricht und wörtlich übersetzt „Gesundheit“ heißt. Mehr zu Ess- und Trinksitten steht im Kapitel „Essen und Trinken“ ab S. 286.

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Rui und Paula Carvalho aus Mértola genießen ihre Mahlzeiten am liebsten auf der Terrasse mit Blick auf den Guadiana

imageFotografieren: Wenn man Menschen fotografiert, dann gehört es auch in Portugal zum guten Ton, vorher um Erlaubnis zu fragen. Gerade in ländlichen Gebieten und in den von Touristen stark frequentierten Altstadtvierteln von Lissabon und Porto kommt es neuerdings vor, dass sich ältere Menschen nicht gerne fotografieren lassen, und das sollte man respektieren. Sie fühlen sich oft wie unfreiwillige Statisten und gerade in Zeiten des „unkontrollierten“ Selfie-, Smartphone- und Tablet-Knipsens wird die Privatsphäre von Einwohnern nicht selten missachtet. Junge Leute lassen sich in der Regel gerne und bereitwillig ablichten. In vielen Museen, Kirchen etc. und den meisten Einkaufszentren sind Fotografieren und Filmen nicht erlaubt, manchmal ist nur Blitzlicht nicht gestattet. Öffentliche Gebäude wie das Parlament oder der Präsidentensitz können für die private Nutzung abgelichtet werden. Alles was über die Amateurfotografie hinausgeht und in irgendwelcher Form veröffentlicht werden soll, bedarf einer schriftlichen Genehmigung.

imageFrauen und Männer: Trotz Emanzipation und erweiterten Frauenrechten ist die Rollenverteilung von Mann und Frau im portugiesischen Familienleben und Alltag noch sehr traditionell geprägt. In jüngeren Generationen ist die Arbeitsteilung im Haushalt etwas demokratischer und auf beide Partner verteilt. Die portugiesische Verfassung garantiert seit der Implementierung der Demokratie im Jahr 1974 das Recht auf Gleichstellung von Mann und Frau. Dennoch gilt nach wie vor: Portugal ist ein Macho-Land. Das zeigt sich in der Partnerschaft, in der Familie und im Beruf. Portugiesische Frauen arbeiten im Schnitt wesentlich mehr als Männer und verdienen dennoch deutlich weniger. Sie sind berufstätig und organisieren im Regelfall den Haushalt und die Kinderversorgung. Besonders auf dem Land wird man immer noch vorwiegend Männer in den Bars und Cafés sitzen sehen, während die Senhoras die anfallenden Arbeiten erledigen. Eine Tendenz zur maskulinen Dominanz in der Beziehung ist diversen aktuellen Studien zufolge kurioserweise wieder in der Altersklasse von 15 bis 25 Jahren zu verzeichnen, was auf einen gesellschaftlichen Rückschritt beim Thema Gleichberechtigung hinweist. Siehe auch das Kapitel „Frauen, Männer und Familie im Fokus“ ab S. 255.

imageGast sein heißt auch, sich auf die landesspezifischen Eigenarten einzustellen und dementsprechend anzupassen. Offenheit und Toleranz spielen dabei eine wichtige Rolle. Wer Gast in einem Land oder bei Familien ist, sollte die Spielregeln befolgen. Nun unterscheidet sich Portugal von anderen europäischen Ländern in diesem Punkt nicht sehr. Die Portugiesen sind sehr stolz auf ihre Heimat und erwarten von Besuchern, dass sie ihr Land respektieren und die lokalen Gewohnheiten achten. Das alte Sprichwort: „Em Roma devemos ser Romanos“, frei übersetzt „In Rom sollten wir Römer sein“, definiert sehr passend die portugiesische Haltung zu diesem Thema. Mehr dazu steht im Kapitel „Estrangeiros – als Fremde in Portugal“ ab S. 273.

imageGeschenke: Immer passende presentes sind Blumen, ein gutes Buch oder Deko-Artikel. Bei Weinen kann man oft ins Fettnäpfchen treten, es sei denn, man besorgt einen ausgewählten und nicht unbedingt für den Alltag gedachten edleren Tropfen. Kinder freuen sich über Spielsachen oder Malbücher. Souvenirs aus dem Heimatland des Gastes kommen immer gut an.

imageGespräche: Die Portugiesen kommunizieren sehr gerne, untereinander und auch mit fremden Besuchern. Für einen kleinen Schwatz über Wetter, Fußball oder Gott und die Welt ist immer Zeit. Da viele Einheimische Englisch oder auch Französisch sprechen, manche auch Deutsch, ist es nicht sehr schwierig, ein paar Worte zu wechseln und etwas Smalltalk zu praktizieren. Jeder Portugiese und jede Portugiesin wird ein paar Tipps für schöne Orte bereit haben, die man unbedingt besuchen sollte. Auch bei der Suche nach einem typischen Lokal hat es Sinn, mal bei den Anwohnern selbst nachzufragen und deren Rat zu folgen. Es macht sich immer gut, wenn man zumindest „bom dia“ und „obrigado“ im Wortschatz hat.

imageHierarchien/Höhergestellte: Portugal ist das Land der Senhores Doutores und Senhores Engenheiros. Titel und Hierarchien sind stark ausgeprägt und ziehen sich durch die gesamte Gesellschaft. Besonders in der öffentlichen Verwaltung sind die Hierarchien sehr straff. Die Machtbefugnisse beschränken sich auf wenige meist männliche Chefs, die kaum delegieren. Entscheidungen dauern deshalb oft länger, weil der oder die Verantwortliche alleine entscheidet und meistens nicht vor Ort oder verfügbar ist. Die Angestellten haben kaum Kompetenzbefugnisse, was von den Entscheidern auch so gewollt ist. In neuen Start-Up-Unternehmen zeichnet sich aber eine Änderung und Tendenz zu flachen Hierarchien und Teamwork ab.

imageHochzeit: Eine Hochzeit wird in Portugal ähnlich wie im restlichen Europa zelebriert. Heutzutage kann man das Aufgebot online organisieren und sich einen speziellen Ort für die Trauung aussuchen. Wer dies möchte, kann sich also z. B. auch am Strand trauen lassen. Wer auf eine portugiesische Hochzeit eingeladen ist, sollte sich eher festlich elegant als zu leger kleiden, denn auf dem Hochzeitsfoto möchte man „präsentable“ Gäste zeigen. Als Hochzeitsgeschenk wählt man normalerweise einen angemessenen Geldbetrag, denn damit wird die Feier überwiegend finanziert. Die Höhe des Geldgeschenkes hängt vom Ausmaß und Stil des Festes und natürlich auch vom eigenen Einkommen ab. Im Schnitt kann man zwischen 50 und 150 Euro einplanen. Mehr zum Thema Hochzeiten findet sich ab S. 268.

imageHöflichkeit: Die Portugiesen, vor allem der älteren Generation, legen großen Wert auf einen höflichen Umgang miteinander. Man grüßt sich mit „bom dia“, bittet um Verlaub mit „com licença“, sagt Danke („obrigado“/„obrigada“) und Bitte („por favor“/„se faz favor“) und fragt mit „como vai“ nach dem Befinden. Vor allem in kleineren Orten läuft man nicht einfach grußlos aneinander vorbei, sondern nickt wenigstens mit dem Kopf oder winkt zum Gruß.

imageHomosexualität: Die gleichgeschlechtliche Ehe ist seit 2010 im portugiesischen Gesetz verankert, sie birgt die gleichen Rechte und Pflichten wie eine heterosexuelle Ehe. Auch ein Recht auf Adoption ist seit 2015 vorgesehen. Die portugiesische Verfassung garantiert das Recht auf Gleichbehandlung von Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung. Im Alltag ist homosexualidade heute kein Tabu mehr und gays und lesbicas müssen mit keinen offenen Diskriminierungen rechnen. Die katholische Kirche in Portugal machte sich allerdings im November 2017 mehrheitlich unbeliebt, als sie homosexuellen Theologieanwärtern den Zugang zu Priesterseminaren und damit die Priesterlaufbahn verwehren wollte.

imageHygiene: Die öffentliche Hygiene ist in Portugal generell sehr gut. Gaststätten, Cafés und öffentliche Sanitäreinrichtungen sind in der Regel sehr sauber und werden regelmäßig von der Aufsichtsbehörde ASAE (Autoridade de Segurança Alimentar e Económica) kontrolliert. Es gibt natürlich auch Ausnahmen, aber die sind heutzutage eher selten. Mehr dazu ab S. 214.

imageKinder: Portugal hat im Vergleich zu Spanien oder Frankreich und ähnlich wie Deutschland eine sehr niedrige Geburtenrate. Das hängt hauptsächlich mit der Finanzkrise und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten junger Menschen zusammen. Ein bis zwei filhos sind der Standard. Viele Paare entscheiden sich aber auch gegen Kinder, weil sie zunächst ihre Zukunft sichern müssen. Portugiesische Kinder verbringen einen Großteil ihres Tages in Kindertagesstätten oder Schulen, da im Regelfall beide Elternteile berufstätig sind. Kinder (crianças) sind gerne gesehen, auch wenn die Portugiesen den lieben Kleinen gegenüber nicht ganz so tolerant sind wie ihre spanischen Nachbarn.

imageKriminalität: Portugal ist insgesamt gesehen eines der sichersten und friedlichsten Länder der Welt. Die Kriminalitätszahlen sind im internationalen Vergleich gering und insbesondere seit 2015 wieder rückläufig. Als Besucher muss man generell keine besonderen Vorkehrungen treffen. Taschendiebstähle in überfüllten Bussen oder Straßenbahnen der Metropolen und Einbrüche in Pkws kommen häufiger vor, aber gewaltsame Raubüberfälle sind doch eher selten. Drogenkriminalität gibt es allerdings auch in Portugal. Am ehesten Vorsicht geboten ist in den Großstädten und an stark frequentierten Stränden. Mehr dazu steht unter „Kriminalität“ (s. S. 175) und „Sicherheit“ (s. S. 313).

imageKritik (im Gespräch) ist ein heikles Thema, vor allem im Gespräch zwischen Nichtportugiesen und Portugiesen. Kritik von Besuchern an Land und Leuten kommt generell nicht gut an. Es wird als unhöflich und respektlos empfunden, wenn ein Besucher interne Dinge kritisiert. Auch wenn die Portugiesen selbst sehr gerne jammern und damit selten auf Widerspruch stoßen, sollte man diplomatisch sein und sich unerwünschte und ungefragte Kommentare besser verkneifen. Das gilt auch, wenn die obligatorische und tückische Frage gestellt wird: „Wie finden Sie unser Land? Gibt es etwas, was Sie nicht mögen?“ Siehe auch das Kapitel „Gesprächsverhalten“ ab S. 309.

imageMenschen mit Behinderung: Barrierefreie Zugänge und rollstuhlgerechte Infrastrukturen wurden in den letzten Jahren wesentlich verbessert. Dennoch machen die üblichen Kopfsteinpflastergassen und die oftmals fehlenden Gehwege sowie steile Treppen in den Stadtzentren es Rollstuhlfahrern und Geh- oder Sehbehinderten nicht gerade einfach. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel sind nicht durchgängig barrierefrei.

imageMinderheiten: Die einzigen ethnischen Minderheit im Land sind die Volksgruppen der Sinti und Roma, die hier ciganos oder Portuguêses de etnia cigana genannt werden. Hier gilt es, als ausländischer Besucher zu beachten, dass sich die Menschen der Cigano-Kommunen nicht gerne fotografieren lassen, und das sollte man respektieren. Mehr zu dem Thema siehe „Ethnische Einflüsse“ ab S. 88.

imageMüll und Mülltrennung: Vor 20 Jahren wurde die Marke Grüner Punkt eingeführt. Im Bewusstsein der Bevölkerung hat sich seither vieles zum Positiven verändert. 43.000 Ecopontos mit Wertstoffbehältern aus Metall oder Kunststoff wurden seither im ganzen Land aufgestellt. Die Recyclingquote ist dennoch weit vom europäischen Mittel entfernt. Nur 13 % des produzierten Mülls (lixo) werden in Portugal im Vergleich zu 30 % im gesamteuropäischen Durchschnitt verwertet. Viele der Wertstoffbehälter (grün = vidro/Glas, gelb = plástico/Kunststoff, blau = papel/Papier, grüne oder schwarze Container = resíduos não recicláveis/nicht verwertbarer Haushaltsmüll) gammeln oftmals vor sich hin und mit dem korrekten Entsorgen nimmt es nicht jeder so genau. Mehr zu dem Thema steht im Abschnitt „Natur- und Umweltschutz“ ab S. 227.

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Die Portugiesen lieben ihre Nationalflagge

imagePatriotismus: Für einen gesunden Patriotismus und gegen fanatischen Nationalismus sprach sich ein führender portugiesischer Politiker anlässlich des brandaktuellen Themas Populismus aus. Die Portugiesen sind sehr patriotisch, wenn es um Sport, Musik oder ihre Geschichte geht. Besonders die jungen Leute besinnen sich wieder auf die viel beschworenen Tugenden der Portugalidade: Kreativität, Flexibilität, Zähigkeit und Anpassungsfähigkeit. Rechtsradikale Parteien oder Gruppierungen gibt es erfreulicherweise keine. Näheres dazu unter „Nationale Identität und Patriotismus“ (s. S. 147).

imagePolitik ist ein viel diskutiertes Thema, ob in den Radio- und Internetforen, im Café oder zu Hause bei den 20-Uhr-Nachrichten. Insgesamt gesehen haben Politiker kein gutes Image. Mit dem 2016 gewählten Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa und seinem ausgleichenden Harmoniekurs hat sich dies etwas verbessert. Der bekannte Politiker, Professor und ehemalige TV-Kommentator baut Brücken zwischen der links- und der rechts-wählenden Bevölkerung. Portugal ist heute eine gefestigte Demokratie. Die Beziehungen zu den europäischen Nachbarn und ehemaligen Kolonien sowie anderen Handelspartnern sind gut und Portugal sieht sich aufgrund seiner historischen Handelsverbindungen auch gerne als Vermittler zwischen Europa, Afrika und Asien.

imageProstitution: Seit 2017 ist die gewerbliche Sex-Arbeit gesetzlich geregelt und unterliegt den gleichen Rechten und Pflichten wie andere gewerbliche Tätigkeiten. Immer wieder gibt es Schlagzeilen zu illegalem Menschenhandel und sklavereiähnlicher Ausbeutung von meist ausländischen Frauen in Nachtklubs und Bordellen.

imageRauchen: In Gastronomie und öffentlichen Einrichtungen ist Rauchen untersagt (rotes Schild Proibido Fumar oder Não Fumadores). In einigen Restaurants gibt es einen ausgewiesenen Raucherbereich, meist im Freien, oder ein separates, mit einem blauen Schild (Fumadores) ausgewiesenes Zimmer. Knapp 19 % der Portugiesen sind nikotinabhängig und das macht sich auch bei den Todesfällen infolge von Lungenkrebs bemerkbar (s. S. 208).

imageReklamationen: Alle Serviceeinrichtungen im Land, z. B. Hotels, Restaurants, Cafés, Tankstellen etc., sind verpflichtet, ein Reklamationsbuch (Livro de Reclamações) für die Kunden offen sichtbar und zugänglich auszulegen. Bei gravierenden Mängeln oder begründeten Beschwerden (z. B. falsche Rechnungen im Restaurant, mangelhafter Service oder verdorbene Ware etc.) kann man hier seine Reklamation (auch auf Englisch) hineinschreiben. Die Seiten sind vornummeriert und mit Durchschrift. Eine Kopie muss vom Betreiber an die zuständige Behörde für Reklamationen weitergeleitet werden und damit dies auch geschieht, wird regelmäßig kontrolliert. Die Portugiesen selbst reklamieren nicht so gerne, zumindest nicht direkt und offen.

imageReligion: Portugal ist laizistisch, Staat und Religion sind in der Verfassung getrennt. Es gibt auch keine Kirchensteuer wie beispielsweise in Deutschland. Knapp 80 % der Portugiesen bekennen sich zum katholischen Glauben. Vor allem im Norden spielt die Religion im täglichen Leben eine Rolle. Hier ist man etwas konservativer und auch als Gast sollte man darauf zum Beispiel mit angemessener und nicht allzu freizügiger Kleidung in Kirchen oder Klöstern eingehen. Den Sonnenhut nimmt man in der Kirche ab und lautes Reden ist im Kircheninnern ein Tabu, von geführten Gruppen einmal abgesehen. Mehr zum Thema steht unter „Glaube und Aberglaube“ auf S. 117.

imageSex: Bis zur Nelkenrevolution 1974 und dem Ende der Diktatur war Sexualität ein Tabuthema. Heute werden Fragen rund um Sex & Co. relativ offen diskutiert (siehe auch „Sexo“ ab S. 256).

imageSouvenirs: Typische Souvenirs aus Portugal sind Keramikwaren wie bemalte Kacheln (azulejos), Produkte aus Kork, Naturseifen, Olivenöl, Webteppiche, Wein, Fruchtliköre und Fischkonserven. Der bunte Hahn von Barcelos (siehe „Portugiesische Sagen und Legenden“, S. 118) ist das bekannteste portugiesische Symbol und Souvenir aus Portugal.

imageSprache: Viele Deutsche und andere Besucher kommen nach Portugal und sprechen nur Spanisch, in der Annahme, dass man dies schon verstehen würde. Das kommt nicht gut an. Ein paar Brocken Portugiesisch können auch bei einem ersten Besuch im Land nicht schaden. Statt „gracias“ sagt man lieber „obrigado/a“ und statt „buenos dias“ besser „bom dia“ – auch wenn in den touristischen Regionen vorwiegend Englisch gesprochen wird (siehe auch S. 241).

imageStatussymbole: Das vielleicht wichtigste Statussymbol der Portugiesen ist dieser Tage unbestritten das Smartphone. Jeder möchte das neueste und angesagteste Modell haben und trägt dieses auch dementsprechend zur Schau. Auch deutsche Automodelle haben einen hohen Stellenwert und Markenkleidung sowie Uhren und Sonnenbrillen werden gerne vorgezeigt. Seit der Finanzkrise hat sich dies bei der am stärksten betroffenen Mittelschicht etwas geändert. Dennoch gibt der Durchschnittsportugiese mehr Geld für Telefon & Co. aus als beispielsweise für Zahnbehandlungen.

imageTabus: Abgesehen von dem Tabu, als Ausländer Kritik an Land und Leuten zu üben, fällt es schwer, Tabus zu finden. Portugal ist generell sehr liberal ausgerichtet, was meistens positiv, manchmal aber auch negativ ist. Der Norden ist etwas konservativer und katholisch geprägt, wo Tabus noch eher eine Rolle spielen.

imageTiere: In Sachen Tierfreundlichkeit hat sich Portugal seit der Jahrtausendwende sehr verbessert. Hunde und Katzen werden heute fast schon als Familienmitglieder gesehen. Mittlerweile gibt es mehr Haustiere in portugiesischen Haushalten als Kinder. Misshandlungen von Tieren sind seit 2016 als Straftat im portugiesischen Strafgesetz integriert. Seit es die kleine Partei PAN (Pessoas, Animais, Natureza) in das Parlament geschafft hat und diese sich dort für die Rechte von Personen, Tieren und der Natur stark macht, hat sich auch viel Positives im Umgang mit Tieren ergeben.

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Der Iberische Esel wäre beinahe ausgestorben

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Die Lissabonner Eléctrico der Linie 12 passiert auch die Sé Catedral

imageTrinkgeld: Als Trinkgeld (gorjeta) sind 5–10 % des Rechnungsbetrags üblich. Man hinterlässt die Münzen auf einem Tellerchen, auf dem die Rechnung gebracht wurde. Gar nichts zu geben, ist nicht sehr höflich, es sei denn, man war mit dem Service überhaupt nicht zufrieden.

imageVegetarier: Auch wenn die portugiesische Küche vorwiegend auf Fisch und Fleisch basiert, finden Vegetarier und auch Veganer in Portugal mehr und mehr Alternativen und Angebote in überall entstehenden neuen kreativen Restaurants und auf den Wochenmärkten, wo es eine große Auswahl an Obst und Gemüse gibt. Auch Trockenfrüchte sind sehr zahlreich, genau wie Sojaprodukte.

imageVerkehrsmittel: Die meisten Besucher sind mit Mietwagen oder neuerdings gemieteten Campingbussen im Land unterwegs. Das portugiesische Straßennetz ist gut ausgebaut. Wer viel sehen und flexibel sein will, kommt um ein Fahrzeug nicht herum. Bus und Bahn bieten ebenso günstige und gute Verbindungen für eine Reise durch das Land. In den Großstädten ist der öffentliche Nahverkehr die beste Lösung. Ausführliche Infos zu diesem Thema stehen ab S. 316.

imageVerkehrsunfall: Im Fall eines Verkehrsunfalls ruft man am besten die Polizei, bei Personenschäden zusätzlich eine Ambulanz über die Notrufnummer 112. Beim Verlassen des Fahrzeuges muss eine Warnweste getragen werden und die Unfallstelle in entsprechendem Abstand mit einem Warndreieck gesichert sein. Es empfiehlt sich unbedingt, ein Formular des mehrsprachigen standardisierten Europäischen Unfallberichts (erhältlich z. B. beim ADAC) auszufüllen, damit man nicht auf seinen Kosten sitzenbleibt. Wer mit einem Mietwagen unterwegs ist, sollte vorab beim Vermieter nachfragen, was diesbezüglich zu tun ist.

imageVorurteile: Das vielleicht am meisten verbreitete Vorurteil (und das von Portugiesen am meisten beanstandete) ist das von Besuchern, die Portugal zu einer Art spanischem Abklatsch degradieren. Viele Ausländer differenzieren kaum zwischen den beiden iberischen Nachbarn, obwohl Portugiesen und Spanier in Sachen Mentalität komplett unterschiedlich sind. Auch werden die Portugiesen sehr zu ihrem Unmut gerne als die „verschwenderischen und unverantwortlichen Südländer“ vereinfachend und mit anderen über einen Kamm geschert. Dies wiederum sorgt vor allem umgekehrt bei der einheimischen Bevölkerung für Vorurteile gegenüber den arroganten und diskriminierenden Nord- und Mitteleuropäern, die von den Finanzproblemen der armen Südländer profitieren. Das Image Deutschlands hat insbesondere während der Finanzkrise sehr gelitten und der ehemalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte daran einen wesentlichen Anteil.

imageZeitverständnis: Wenn man sich in Portugal mit jemandem verabredet, darf man die Pünktlichkeit nicht überbewerten. Es wäre sicherlich zu verallgemeinernd, alle Portugiesen als unpünktlich abzustempeln, doch ist der Zeitbegriff etwas dehnbarer und vor allem im Umgang mit Öffnungszeiten von Behörden, Fahrplänen oder bei Terminen mit Handwerkern sind bisweilen Toleranz und Geduld erforderlich. Wenn das Mittagessen der Angestellten etwas ausgedehnter war, dann kann es schon mal vorkommen, dass die Kunden vor verschlossener Tür warten müssen. Auch als Gast kann man bei Verabredungen das akademische Viertel für sich in Anspruch nehmen, ohne dass dies übel genommen wird.

Ein Blick zurück – bis heute

Pré-História – Vorgeschichte

Man geht davon aus, dass das Gebiet des heutigen Portugal schon vor 500.000 Jahren besiedelt war. Ein Sensationsfund gelang Wissenschaftlern im Jahr 2014 in einer Höhle bei Aroeiro südlich von Lissabon. Dort fand man zufällig einen menschlichen Schädel, der sich ganz eindeutig auf ein Alter von 400.000 Jahren festlegen ließ. Noch nie wurde so weit westlich ein menschliches Fossil aus der Epoche des Pleistozäns (ca. 800.000–125.000) gefunden. Die ältesten Funde stammen aus Atapuerca in der Nähe des nordspanischen Burgos.

Während der letzten Eiszeit um 40.000 v. Chr. kam ein neuer Mensch von den Steppen Zentralasiens nach Südeuropa. Seine genetische Basis unterschied sich kaum von unserer heutigen: Cro-Magnon – Nomade, Jäger und Sammler – bevölkerte auch die Iberische Halbinsel. Er traf vermutlich auf die letzten Neandertaler, die im Laufe der Zeit ausstarben. Dieser Homo Sapiens des Paläolithikums (Altsteinzeit) war anpassungsfähiger und weiter entwickelt als die Neandertaler. Wo er lebte, hinterließ er zahlreiche Spuren seiner Kunstfertigkeiten wie Höhlenmalereien und Zeichnungen.

Felsgravuren von Foz Côa