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Mami Bestseller
– 3 –

Macht es doch wie wir

Zum Streit gehört die Versöhnung

Jutta von Kampen

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74093-066-0

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Vivian Köhlers Augen sprühten vor Zorn blaue Blitze. Sie war dann besonders hübsch. Das fand auch ihr Lebensgefährte, Arnold Weisgruber, der wieder einmal der Grund ihres Zornes war.

»Ich habe das doch nicht mit Absicht gemacht!«, entschuldigte er sich und versuchte, sie in die Arme zu nehmen. Aber sie stieß ihn empört zurück.

»Das würde gerade noch fehlen!«, rief sie außer sich. »Die arme Rosali! Sitzt vor dem Kindergarten und wartet darauf, dass jemand sie abholt! Wenn nicht zufällig die Kinderschwester sie entdeckt hätte –!«

»Aber man hat sie entdeckt, und es gibt also keinen Grund mehr, sich aufzuregen. Liebling, beruhige dich!«

Sie starrte ihn an, und Arnold fand, dass sie wirklich bemerkenswert attraktiv war, wenn sie sich so ärgerte. Ihre blauen Augen blitzten, ihr blondes Haar hatte sich aus der Spange gelöst und fiel ihr über die Schultern, ihre Wangen waren rot, und ihr Busen hob und senkte sich – aufreizend, fand er. Überhaupt, ihre ganze Figur war einfach süß, und dazu dieses Temperament! Trotzdem hatte es Vorteile, wenn sie nicht verärgert war. Deshalb entschuldigte er sich noch einmal. »Es tut mir wirklich leid!«, versicherte er und versuchte wieder, sie an sich zu ziehen.

Vivian musterte ihn sachlich. Ja! Er war attraktiv! Ja, er hatte einen guten Beruf: Steuerberater. Ja, er war großzügig, wenigstens hin und wieder! Und er war zweifellos in sie verliebt. Vielleicht sogar noch mehr. Aber es ging nicht nur um sie – es ging vor allem um Rosali, ihre vierjährige Tochter. Die Hinterlassenschaft dieses unverschämten Medizinstudenten, der, nach beendeten Prüfungen, sich von ihr und dem Kind trennte: Nicht standesgemäß oder was immer der Grund war. Wie hatte sie ihm geholfen! Sie verstand eine Menge von Medizin, denn sie war Sprechstundenhilfe beim Kinderarzt. Ein sehr netter Mann, dieser Dr. Nether. Er hatte sie auch nicht entlassen, als sie schwanger wurde und auch nach der Niederkunft weiterhin angestellt! Leider nicht das Übliche, wenn man sein Baby mit in die Praxis mitnehmen musste, weil man keinen Krippenplatz bekam. Erstens, weil es keinen gab, und zweitens, weil man sein Kind ohnehin lieber selbst versorgte!

»Kannst du mir garantieren –?«

»Nein«, unterbrach Arnold sie gereizt. »Ich kann nicht dafür garantieren, dass ich nicht auf den Kindergartenabholtermin vergesse, wenn ich gerade mit einem wichtigen Klienten spreche.«

»Du könntest wenigstens im Kindergarten oder mir Bescheid sagen.« Vivian bemühte sich, betont ruhig zu sprechen.

»Wenn ich daran denke!«, erwiderte er mürrisch und wendete sich ab.

Eins – zwei – drei!, zählte Vivian in Gedanken. Der Atem ging ihr schwer vor unterdrückter Wut.

»Das genügt nicht«, sagte sie leise.

»Herrje! Jetzt beruhige dich doch endlich! Was verlangst du, dass ich mir den Kopf über ein Kind zerbreche, das nicht einmal der eigene Vater wollte!«, explodierte er.

»Jetzt reicht es!« Vivian sah rot und war nicht weniger laut. »Packe deine Sachen und verschwinde und waaage es nicht, dich noch einmal hier sehen zu lassen! Raus!!!«

Jetzt öffnete sich die Schlafzimmertür, und langsam kam Rosali heraus. Sie war ein süßes kleines Mädel von vier Jahren, mit kurzem, lockigem, dunklem Haar, großen schwarzbraunen Augen, einer winzigen Stupsnase und einem roten Schmollmund. Sie hatte, während sie in ihrer Spielecke ihre Puppe versohlte, die sich in die Hose gemacht hatte, aufmerksam dem Streit ihrer Mutter mit Arnold – sie konnte ihn nicht ausstehen! – zugehört. Jetzt hoffte sie, dass Mami ihn wirklich hinauswarf und er nie wiederkam!

»Vivian!«, versuchte Arnold einzulenken.

»Ich habe sooo gefroren, Mami!«, rief Rosali, damit ihre Mutter nicht auf die Idee kam, Arnold nicht hinauszuwerfen.

Der drehte sich verärgert zu ihr um.

»Geh ins andere Zimmer, du Balg! Wenn deine Mutter und ich sich …«

Weiter kam er nicht, denn Vivian rief zornig: »Sie bleibt! Und du gehst!«

Rosali streckte ihm triumphierend die Zunge heraus. Worauf er das tat, was er schon oft gern getan hätte, er klebte ihr eine.

Rosali heulte wie ein getretener Hund, und Vivian stürzte sich auf ihn. Er packte sie an den Handgelenken.

»Sei unbesorgt: Ich gehe! Aber du wirst es noch bedauern!«

»Niemals!«, schrie sie. Dann rannte sie zur Garderobe, wo sein Mantel und Schal hingen, und warf beides vor die Wohnungstür. Als Nächstes packte sie sein Waschzeug ein, während er im Schlafzimmer die Sachen zusammensuchte, die er für seine Übernachtungsbesuche bei ihr gelassen hatte.

Rosali stand im Weg herum und beobachtete befriedigt, wie dieser grässliche Arnold, weiß vor Wut, seine Sachen zusammensuchte. Als er sie einmal zur Seite schieben wollte, erhob sie ihre Stimme sofort zu lautem Wehgeschrei.

»Ich habe sie noch nicht einmal angefasst!«, brüllte er wütend, weil Vivian sofort wieder auf ihn losging.

»Das ist meine Wohnung! Ich erlaube nicht mehr, dass du hierherkommst!«, schrie Rosali, in der Sicherheit, dass die Mami auf ihrer Seite war. Die fing prompt an, laut zu lachen, während Arnold, wutschnaubend, seine Sachen vor der Wohnungstür aufsammelte.

»Bedauern werdet ihr es noch!«, zischte er, bevor er in den Aufzug stieg.

Rosali warf die Wohnungstür zu und schaute ihre Mutter an, die immer noch laut lachte.

»Warum lachst du? Weil du so froh bist, dass er weg ist?«

»Nein!« Vivian wischte sich die Lachtränen aus den Augen.

»Weil du ihn aus deiner Wohnung geworfen hast!«

Rosali sah sie erstaunt an.

»Aber das ist doch meine Wohnung, Mami!«

»Natürlich, dein feiner Papi hat sie dir zum Abschied geschenkt! Und ich darf bei dir wohnen, solange du es erlaubst!«

»Du darfst immer bei mir wohnen, Mami! Immer und immer!« Rosali lief zu ihrer Mutter und umarmte sie.

»Da bin ich aber froh«, erwiderte Vivian und umarmte und küsste ihre kleine Tochter. Und dann kamen ihr die Tränen.

»Warum weinst du denn, Mami? Du bist doch auch froh, dass er weg ist?«, fragte Rosali besorgt.

»Und wie froh ich bin!«, schluchzte Vivian. Ach, es war nicht einfach als alleinerziehende Mutter! Es war ja nicht so, dass sie nicht schnell wieder jemanden kennenlernen würde. Aber – die meisten Männer zogen sich schon zurück, wenn sie von der Vierjährigen hörten. Zudem glaubten sie oft, dass sie mit ihr leichtes Spiel hätten. Eine unverheiratete Frau mit einem Kind – die musste doch leichtfertig sein!

Und sie war doch erst siebenundzwanzig – da fällt einem das Alleinsein nicht leicht! Ach, sie hatte so gehofft, dass Arnold und Rosali mit der Zeit … Aber es war immer schlimmer geworden.

»Nein!«, sagte sie energisch »Nein! Ich bin wirklich froh, dass er weg ist. Ich habe mich nur – so aufgeregt!« Und sie weinte wieder.

*

Renate Bucher schaltete mit einem tiefen Seufzer das Handy aus. Sie arbeitete als medizinisch-technische Assistentin bei Dr. Nether und war mit Vivian befreundet. Oder was man so nennt. Sie waren Kolleginnen – ihre Stellung war besser und auch besser bezahlt – und es hatte sich so ergeben, dass sie sich anfreundeten. Gerade hatte sie sich den Wutausbruch von Vivian angehört und auch ehrlich versucht, sie zu trösten.

»Jetzt heul nicht so! Das macht es auch nicht besser! Außerdem hat der Kerl dich ausgenützt. Das habe ich dir immer schon gesagt!«

Vivian hatte das zugeben müssen, aber geholfen gegen ihre Tränenfluten hatte es nicht. Dann hatte sie ihr erzählt, wie Rosali ihn aus ›ihrer‹ Wohnung geworfen hatte. Das war natürlich komisch, und sie hatten beide gelacht. Aber Renate fand im Stillen, dass Rosali furchtbar verzogen war. Kein Wunder, dass sich Vivian mit dem Liebesleben schwertat, wenn das Kind immer an erster Stelle stand! Selbstverständlich hatte sie das für sich behalten.

»Warte ab«, hatte sie versucht, sie zu beruhigen, »morgen taucht er mit einem Blumenstrauß wieder auf!«

»Ach, ich weiß nicht«, schluchzte Vivian.

Sie, Renate, wüsste es schon: ein Steuerberater! So jemand verdiente doch super! Sie würde den nicht so ohne Weiteres laufen lassen, nur, weil der verzogene Balg nicht mit ihm auskam! Außerdem sah er gut aus. Bestimmt wäre es von Vivian vernünftiger gewesen, wenn sie sich damals von seinem Vorgänger die Abtreibung hätte bezahlen lassen. Aber sie hatte ja so altmodische Ansichten.

»Wir können heute Abend zusammen ins Kino gehen«, schlug sie freundschaftlich vor.

»Das geht doch nicht! Ich kann Rosali doch nicht allein lassen!«,

Was sollte man da sagen? Eigentlich war es erstaunlich, dass dieser Steuerberater es so lange mit ihr ausgehalten hatte.

»Jetzt höre auf zu weinen. In ein paar Jahren ist Rosali alt genug, um allein in der Wohnung zu bleiben!« Und als Vivian weiterweinte, schloss sie etwas ungeduldig: »Tut mir leid, aber ich muss mit Sir John noch um die Ecke gehen, wenn er heute Abend allein in der Wohnung bleiben muss.«

Sir John war ihr Dackel. Renate liebte ihn sehr, schließlich verdankte sie ihm schon viele nette Bekanntschaften mit tierlieben Herren. Sie behandelte ihn wirklich gut, und verglichen mit dem Tierheim war es das reinste Paradies, fand auch Sir John.

»Grüß ihn von uns«, erwiderte Vivian traurig. »Vielleicht habt ihr beide einmal Lust, mit uns in den Tierpark zu gehen?«

»Warum nicht«, war die vage Antwort. »Aber jetzt muss ich wirklich Schluss machen. Kopf hoch! Wir sehen uns morgen!« Und damit legte sie auf. »Uff!« Eigentlich hatte sie keine Lust, allein ins Kino zu gehen. Aber runter mit Sir John musste sie, er schaute sie schon so vorwurfsvoll an. Dackel konnten das fabelhaft!

»Ja, ja, gleich!« Sie schleuderte gekonnt ihre Pantoffel von den Füßen und schlüpfte in ein Paar schicke Pumps. Man wusste ja nie, und hohe Absätze machten einfach mehr her.

Da läutete es an der Wohnungstür.

Sie machte die Tür auf und: »Ach«, sagte sie perplex, »ich habe gerade mit Vivian telefoniert! Komm doch herein.« Sir John musste warten.

»Entschuldige, dass ich so hereinplatze«, begann Arnold Weisgruber, der sie natürlich kannte. Man war gelegentlich zu viert ausgegangen. Er küsste sie rechts und links auf die Wangen. »Hm, du riechst gut!«

»Danke!«, gab sie kokett zur Antwort. Schließlich war er jetzt frei!

Er schien es nicht weiter zu bemerken, denn er fuhr fort: »Ich hatte gerade einen fürchterlichen Auftritt mit Vivian. Es geht immer um ihre Tochter! Die ist für sie der Mittelpunkt der Welt! Und frech ist das Gör jetzt schon, mit gerade vier!«

»Ich weiß«, erwiderte Renate sanft, »ich habe ihr schon oft gesagt, dass sie sich keinen Gefallen tut, wenn sie Rosali alles durchgehen lässt.« Geduldig hörte sie sich die ganze Geschichte noch einmal aus Arnolds Sicht an. »Ich wollte mit ihr ins Kino gehen. Zum Trost. Na ja, nun muss ich mir eben den ›Teufelsgeiger‹ allein ansehen!«

Arnold beobachtete sie genauer, während sie von ihren vergeblichen, freundschaftlichen Trostversuchen berichtete.