Der Autor und die Autorin
David Scheer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Paderborn, AG Sonderpädagogische Förderung und Inklusion: Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung, hat als Förderschullehrer bereits an mehreren Schulen mit dem Auftrag der Inklusion gearbeitet. In seinem Dissertationsprojekt (angegliedert an die GeSchwind-Projekte »Gelingensbedingungen des gemeinsamen Unterrichts an Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz«) untersucht er die Rolle der Schulleitung für die inklusive Schulentwicklung. Weitere Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen (angehender) Lehrkräfte sowie Diagnose und Förderung bei Auffälligkeiten in der emotionalen und sozialen Entwicklung.
Prof. Dr. Désirée Laubenstein, Professorin an der Universität Paderborn, leitet die AG Sonderpädagogische Förderung und Inklusion: Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung. Im Rahmen der GeSchwind-Projekte (»Gelingensbedingungen des gemeinsamen Unterrichts an Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz«) arbeitet sie zu Fragen der Inklusion und inklusiven Schulentwicklung. Weitere Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung eines Beratungsprofils im Rahmen professioneller Lehrer/innen(aus)bildung und -weiterbildung, Macht- und Gewaltdiskurse in (sonder-)pädagogischen Beziehungen, Umgang mit herausforderndem Verhalten sowie Transitionsprozesse im Übergang Schule-Beruf.
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1. Auflage 2018
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ISBN 978-3-17-032419-0
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Inklusion ist nicht nur eine der schönsten pädagogischen Visionen überhaupt, sondern auch eine gesellschaftliche Vorstellung, die vor allem auf humanistischen Werten und Normen beruht. Im Vordergrund stehen Begriffe wie Gleichheit, Gerechtigkeit, Selbstwert, Teilhabe und Partizipation.
Aktion Mensch hat im Rahmen ihrer Inklusionskampagne 2013 einen kurzen Animationsfilm mit dem Titel Inklusion ist … entworfen, der aufzeigt, mit welchen Hoffnungen der Begriff verbunden ist.
Inklusion ist …
… wenn alle mitmachen dürfen.
… wenn keiner mehr draußen bleiben muss.
… wenn Unterschiedlichkeit zum Ziel führt.
… wenn Nebeneinander zum Miteinander und Ausnahmen zur Regel werden.
… wenn anders sein normal ist.
Anders ausgedrückt: Bei Inklusion geht es also darum, die auf der gesetzlich-strukturellen Ebene formulierten Bestimmungen im täglichen Zusammenleben in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen sichtbar und wirksam werden zu lassen.
Inklusion ist Utopie, Weg, Wertbegriff, Methode und Zielvorstellung zugleich und weckt vielfältige Wünsche und Hoffnung auf Veränderungen und gesellschaftliche Entwicklung. Dabei beschränkt sich Inklusion keinesfalls auf Schule. Dies verdeutlicht auch der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Inklusion, der Bildung als eines von zwölf verschiedenen Handlungsfeldern (u. a. Arbeit und Beschäftigung, Bauen und Wohnen oder Kultur und Freizeit) behandelt.
Viele Autoren verbinden mit Inklusion weitreichende Vorstellungen und Hoffnungen, die sich auf verschiedenen Ebenen lokalisieren lassen.
Auf gesellschaftlicher Ebene ist das Ziel eine solidarische und sozial gerechte, diskriminierungs- und barrierefreie Gesellschaft ohne Ausgrenzung, die Diversität als Normalität ansieht. Chancengerechtigkeit für Menschen mit Behinderung soll unter anderem ermöglicht werden, indem keine Unterscheidungen zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen vorgenommen werden und Behinderung als Zuschreibung und Kategorisierung erkannt wird.
Innerhalb des Bildungssystems soll eine chancen- und bildungsgerechte und weniger selektionsorientierte Schule für ausnahmslos alle Schüler entstehen. Inklusiver Unterricht ist kultur-, sprach- und gendersensibel und begreift Heterogenität nicht als Belastung, sondern als Chance und Bereicherung.
Personenbezogen steht Inklusion für den Versuch, Abhängigkeiten und Barrieren zu reduzieren und so u. a. Teilhabe und Partizipation und einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu erreichen.
Dem geneigten Leser wird schnell deutlich, welch anspruchsvolle und zum Teil idealistische Vorstellungen an Inklusion herangetragen werden. Möglicherweise handelt es sich dabei sogar um eine Aufgabe, die eigentlich nicht zu erfüllen ist: Inklusion soll einen Umbruch, eine gesellschaftliche Transformation bzw. Emanzipation oder gar einen Neuanfang des menschlichen Zusammenlebens markieren, der in eine noch nie vorhandene Dimension vorzustoßen vermag und dabei die zahlreichen Verfehlungen in der Geschichte vergessen macht.
In der vor Ihnen liegenden Buchreihe geht es keinesfalls darum, Inklusion oder ihre Idee schlecht zu reden. Vielmehr soll vor überzogenen Ansprüchen gewarnt werden, an denen letztendlich jede große Idee scheitern muss. Zu diesem Zwecke erfolgt zunächst eine grundlegende Beschäftigung mit der Thematik, bevor die weiteren Bände konkrete schulische Felder der Inklusion beleuchten und Umsetzungshilfen für Förder- und Regelschullehrkräfte bereitstellen.
Wir hoffen, Sie als Leserinnen und Leser für eine Auseinandersetzung mit dem Themenfeld der Inklusion begeistern zu können und wünschen Ihnen eine abwechslungsreiche Lektüre!
Würzburg, im Dezember 2017
Prof. Dr. Stephan Ellinger und Dr. Traugott Böttinger
Band 1: Inklusion. Gesellschaftliche Leitidee und schulische Aufgabe
Band 2: Exklusion durch Inklusion? Stolpersteine bei der Umsetzung
Band 3: Sonderpädagogische Förderung in der Regelschule
Band 4: Schulische Inklusion entwickeln. Arbeitshilfe für Schulleitungen
Band 5: Kollegiale Kooperation in inklusiven Settings
Band 6: Umgang mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten in heterogenen Lerngruppen
Band 7: Konturen eines inklusiven Fachunterrichts Mathematik
Band 8: Teilhabe durch Grundbildung. Die Förderung Benachteiligter im Sekundarbereich I
Band 9: Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen
Band 10: Lehrergesundheit in inklusiven Settings
Die Aufgaben in einer Zeit sich verändernder Schulstrukturen sind für alle Beteiligten mannigfaltig. Nicht nur die pädagogische Praxis, sondern auch die Wissenschaft sucht aktiv nach Antworten, um mit den sich ergebenden Herausforderungen umgehen bzw. Vorschläge sinnvoller Lösungen für die pädagogische Praxis liefern zu können. Dieses Unterfangen gestaltet sich als schwierig – oftmals auch als unseriös, wenn einzelnen Gruppen ein Handlungswissen suggeriert wird, das, ›richtig‹ angewandt, auch Wirkung zeigen muss.
Dieses Buch stellt den Versuch dar, gerade Personen, die eine Schule leiten, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie mit diesen Aufgaben im Rahmen eines inklusiven Schulentwicklungsprozesses umgehen können – es ist also als eine Hilfe zur Gestaltung der täglichen (und auch zukünftigen) Aufgaben und als eine Anregung für den Umgang mit (zukünftigen) Herausforderung zu begreifen. Gleichzeitig möchte es nicht fertige Rezepte liefern, sondern Impulse für die eigene Selbstreflexion geben.
Aus unserer Erfahrung hat sich gezeigt, dass Prozesse inklusiver Schulentwicklung sich nicht grundsätzlich von jedem anderen Schulentwicklungsprozess unterscheiden, dass jedoch der Aspekt Inklusion prinzipielle Herausforderungen und ›Stolpersteine‹ im Schulentwicklungsprozess deutlich prägnanter sichtbar macht.
Eine ›inklusive‹ Schule zu leiten, heißt also zunächst, eine Schule zu leiten.
Allerdings ist uns bewusst, dass jede Schule ein individuelles System mit je eigenen Strukturen und Organisationsformen bildet, vor allem aber auch mit je individuellen Menschen an dieser Schule.
Obwohl wir also nicht glauben, dass es ein Patentrezept dafür gibt, wie ›gute‹ Leitung an Schule funktionieren kann, zeigen sich unserer Meinung nach aber praktische und durchaus konkrete Möglichkeiten, wie Schulleitungshandeln zur Umsetzung einer inklusiven Schulentwicklung beitragen kann.
Hierfür müssen bestimmte ›Rahmen‹ beachtet werden, die sich unserer Ansicht nach gut aus einem organisationstheoretischen Modell von Leitungshandeln ableiten lassen. Im Sinne dieses Modells kommt sowohl der Perspektivfokussierung auf einzelne Rahmen (strukturell, human-resource, politisch und symbolisch), die wir Ihnen in den einzelnen Kapiteln erläutern, als auch dem Perspektivwechsel zwischen diesen verschiedenen organisationstheoretischen Sichtweisen ein zentraler Stellenwert zu.
Damit das Ganze nicht theoretisch-abstrakt bleibt, haben wir uns bemüht, immer wieder Beispiele für die Umsetzung unserer theoretischen und empirisch fundierten Bedingungen für erfolgreiches Schulleitungshandeln zu geben. Wir hoffen so, sinnvolle Arbeitshilfen anbieten zu können, die dann an die jeweils individuellen Begebenheiten vor Ort angepasst werden müssen, unserer Ansicht nach aber auch angepasst werden können.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren, beim Gestalten, beim Umstrukturieren und bei der Innovation an Ihrer Schule.
David Scheer und Désirée Laubenstein Paderborn, im Januar 2018
Eine einfache Suchanfrage bei einem nicht näher benannten Buchhandelskonzern zeigt schnell: Die Fülle an Ratgeber-, Praxis- und Werkzeugkastenliteratur für Schulleitung ist nahezu unüberschaubar. Das Gleiche gilt, wenn man statt des Schlagworts Schulleitung Inklusion eingibt. In beiden Fällen wird man viele unterschiedliche Denkansätze finden (»Wertschätzende Schulleitung«, »Dialog als Führungsinstrument«, »Schulmanagement« etc. in der Schulleitungsliteratur oder »Jedes Kind wertschätzen«, »Sinnvolle Förderung«, »Inklusions-Illusion« etc. in der Literatur zu Inklusion). Manches wird einem seriöser vorkommen und manches weniger seriös. Doch welche Theorien sind in sich stimmig und tragfähig? Was wissen wir aus der Forschung zu Schulleitung? Zu Schulentwicklung? Zu Inklusion? Diese Fragen wird das erste Kapitel dieses Bandes in den Blick nehmen, womit wir nach einer inklusionsorientierten Schulentwicklung einsteigen werden.
Gedanken zur Inklusion sind nicht neu, wurden jedoch seit den 1970er Jahren unter dem Begriff Integration behandelt, wobei auch dieser in seiner allgemein sozialen Bedeutung bereits auf »die Durchsetzung der uneingeschränkten Teilhabe und Teilnahme behinderter Menschen an allen gesellschaftlichen Prozessen« (Bundschuh et al. 2007, 136) zielt. Die Frage hingegen, wie Schule ihre Schülerinnen und Schüler zur Bildungsaneignung befähigen kann, ist wesentlich älter und zeigt sich in der Betrachtung der Historie (sonder-)pädagogischer Entwicklungslinien (vgl. hierzu z. B. Ellger-Rüttgardt 2007; Möckel 2007; Myschker/Stein 2014). Was also ist neu?
Neu ist sicherlich der Gedanke, dass bei der derzeitigen Bildungsdiskussion nicht nur Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SFB) im Zentrum der Betrachtung stehen, sondern alle Kinder und Jugendlichen, die mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen aufgrund sozialer Herkunftsbedingungen, des kulturellen oder religiösen Kontextes, ihres Geschlechts oder behinderungs-/benachteiligungsbedingter Unterstützungsbedarfe ihre Schullaufbahn beginnen. Die Ambivalenz der Begriffsverständnisse von Integration im Sinne einer Wiedereinschließung bei vorherigem Ausschluss und Inklusion im Sinne eines gar nicht erst erfolgten Ausschlusses »mag damit im Zusammenhang stehen, dass in der Öffentlichkeit Inklusion zumeist mit der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) in Verbindung gebracht wird, obgleich diese ja lediglich festlegt, dass Menschen mit Behinderung im Kontext von Inklusion gleichberechtigt mitgedacht werde müssen« (Scheer et al. 2016, 242). Der pädagogische Auftrag der Inklusion fordert dazu auf, Schülerinnen und Schüler nicht mehr in Gruppen zu klassifizieren und diese separierend voneinander zu erziehen und zu bilden, sondern gemeinsam Bildungswege zu beschreiten. Gleichwohl handelt es sich hierbei nicht um eine reine Programmatik. Inklusion ist »als Herausforderung für bildungstheoretische Reflexion, didaktische Theoriebildung und empirische Forschung« (Musenberg/Riegert 2016, 7) zu verstehen. »Im Mittelpunkt schulischer Bemühungen um Inklusion steht die Frage, wie konzeptionelle Ansätze sowie Erziehungs- und Unterrichtspraktiken verbessert werden können, um Barrieren für das Lernen und die Teilhabe an Schule abzubauen« (Scheer et al. 2016, 246). Damit wächst der Blick auf die Heterogenität an Schulen, die in gewisser Weise schon immer bestand, heute jedoch im Zentrum pädagogischer Bemühungen steht und durch Schulgesetznovellen in den einzelnen Bundesländern, die die gemeinsame Unterrichtung aller Kinder und Jugendlichen hervorheben, unterstützt wird.
Die Umsetzung der Ratifizierung der UN-BRK durch die Bundesrepublik Deutschland seit 2009 erfordert damit neben konzeptionellen Schulentwicklungsprozessen auf der Mesoebene des bildungspolitischen Systems eine Umstrukturierung von Organisation- und Personalplanung auf der Mikroebene jeder einzelnen Schule. Die Frage nach den sogenannten »Gelingensbedingungen« für eine inklusive Schulentwicklung stellt sich aktuell vehement und fordert Akteure aus Wissenschaft und Praxis in den unterschiedlichen Bundesländern zu einer gemeinsamen Sondierung und kritischen Überprüfung bestehender Praktiken heraus, z. B. in Nordrhein-Westfalen durch die Projekte BiLieF (Bielefelder Längsschnittstudie zum Lernen in inklusiven und exklusiven Förderarrangements) und »Wissenschaftliche Begleitung im Rahmen der Umsetzung zur inklusiven Schule im Kreis Mettmann«, in Brandenburg durch PING (Pilotprojekt Inklusive Grundschule), in Bayern durch B!S (Begleitforschungsprojekt inklusive Schulentwicklung) oder in Rheinland-Pfalz durch die Forschungsprojekte GeSchwind (Gelingensbedingungen des gemeinsamen Unterrichts an Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz) und GeSchwind Sek I (Gelingensbedingungen der inklusiven Schulentwicklung an Schwerpunktschulen der Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz).
Welches Zwischenresümee lässt sich bis zu diesem Zeitpunkt skizzieren?
Bei Einführung von Schulen des Gemeinsamen Lernens (NRW) resp. Schwerpunktschulen (RLP) oder Schulen mit dem Profil Inklusion (Bayern) legten weder die Landesregierungen noch die zuständigen Ministerien ein Rahmenkonzept für eine inklusive Schulentwicklung vor. »Der Prozess der inklusiven Schulentwicklung geht von der jeweiligen Schule als Entwicklungseinheit im Sinne der Eigenverantwortlichkeit bzw. Autonomie aus. Allgemeine Schulen stehen vor der Aufgabe, ein inklusives Profil zu entwickeln« (Heimlich et al. 2016, 131). Die Schulen soll(t)en demnach ein schuleigenes Konzept zu ihrer Umsetzung erarbeiten. »Schwerpunktschulen entwickeln ein schuleigenes Konzept zur individuellen Förderung eines jeden Kindes und Jugendlichen; dies ist Teil ihres Qualitätsprogramms« (Ministerium für Bildung Wissenschaft Jugend und Kultur [MBWJK] 2007, 5). Dies bot den Schulen auf der einen Seite die Chance, Visionen im Sinne einer ›Schule für alle‹ zu formulieren und Schritte in diese Richtung zu realisieren – wenn auch begrenzt durch zumeist limitierte personelle, räumliche und sächliche Ressourcen; gleichzeitig zeigen die Studien in den Bundesländern, dass Schulen mit der Entwicklung eines eigenen Profils ›Inklusion‹ überfordert sind, wenn noch keine Kultur der Vielfalt gelebt wird, d. h. Visionen erst grundlegend entwickelt werden müssen. Die inhaltlich-konzeptionelle Offenheit zeigt sich damit in einer ambivalenten Dichotomie, da sie einerseits Spielraum für die Entwicklung passgenauer Konzepte für die lokal vorhandenen individuellen Bedürfnisse an Schulen lässt, gleichwohl aber auch die Komplexität der Vorbereitungs- und Entwicklungsprozesse in Richtung einer inklusiven Schule in einem Maße erhöht, die von einzelnen Beteiligten als überfordernd erlebt werden kann (vgl. Laubenstein et al. 2015, 97). Die Bundesländer reagier(t)en hierauf ganz unterschiedlich. So bot Rheinland-Pfalz den Schulen Orientierungen in Form von Handreichungen oder eines »Kompendium Schwerpunktschule«. Das Bundesland Bayern dagegen gründete 2010 einen wissenschaftlichen Beirat Inklusion, »der den Entwicklungsprozess hin zum inklusionsorientierten Unterricht und zur inklusiven Schule in Bayern begleitet und berät« und der »u. a. einen Leitfaden ›Profilbildung inklusiver Schule‹« entwickelte, »der im Schuljahr 2012/2013 vom Bayrischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus an alle Schulen verteilt wurde« (Heimlich et al. 2016, 7).