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Thomas Blasche

Glücksorte am Bodensee

Fahr hin und werd glücklich

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Für Angela und Leonie

Vielen Dank für eure Geduld und die Unterstützung.

Vorwort

Liebe Leser,

tief im Süden gehört die Bodenseeregion zu den beliebtesten Urlaubszielen in Deutschland. Konstanz, Meersburg, Pfahlbauten – schnell hat man die üblichen Highlights der Region ausgemacht. Doch wo findet man dazu auch noch einen Glücksmoment? Das Glück am Bodensee findet sich oft im Detail, in einem Moment, oft auch abseits der Masse und den bekannten Orten.

Die Bodenseeregion – das ist nicht nur eine Landschaft. Sie ist vor allem geprägt von Geschichte, von lebendiger Geschichte und von Geschichten – den Menschen, die heute die Region ausmachen.

Ich empfinde es als persönliches Glück, hier geboren und aufgewachsen zu sein und hier leben zu dürfen. Wenn ich als Fotograf mit der Kamera unterwegs bin, ist es ein besonderes Glück, wenn ich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bin. Die Bodenseeregion ist eine ständige Entdeckung.

Die Auswahl für dieses Buch war nicht leicht. Bekannte Ziele wollte ich nicht ignorieren, aber auch nicht so einfach aufnehmen, wie sie in allen Reiseführern zu finden sind. Daher findet der Leser in diesem Buch individuelle Details der Orte, die das Besondere hervorheben und eben nicht so bekannt sind. Hinzu kommt die persönliche Begegnung mit den Menschen der Region. Das ist vielleicht das Wertvollste und das, was mich während des Schreibens immer wieder glücklich gemacht hat. Ja, die Menschen hier sind etwas wortkarg. Doch lässt der Besucher ihnen etwas Zeit, dann entwickeln sich doch ganz schöne Gespräche. Und das Besondere dabei: Diese sind dann von einer Tiefe und Nähe geprägt, wie man sie selten erlebt – so sind sie, die Alemannen und Schwaben. Glücklich kann der Besucher am Bodensee sicher auch sein, wenn er tagelang am Strand liegt und im Wasser plantscht oder von einem Segel- oder Motorboot aus die Zeit vorwiegend im See verbringt. Doch dabei würde er viel Interessantes und Entdeckenswertes verpassen. In diesem Sinne: Lassen Sie sich von mir mitnehmen auf eine Reise zu den Glücksorten – denn die Bodenseeregion hat noch sehr viel Platz für Entdecker …

Ihr Thomas Blasche

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Inhaltsverzeichnis

1Vogl – nicht Vogel …

Das Voglhaus in Konstanz

2Natur pur

Der Mindelsee in Radolfzell

3Ein persönlicher Glücksort

Der Landgarten in Überlingen

4Sommer, Sonne, Strand

Am Sandseele auf der Insel Reichenau

5Brautschau in der Nacht

Glühwürmchen auf dem Waldfriedhof Schaffhausen

6Mit Blick über den Bodensee

Kässpätzle beim Seibl-Wirt in Lochau

7Mehr als nur ein Bett

Das Mietwerk in Lindau

8Der Spätzle Highway

Der Hegaublick von der A81

9Kloster ohne Kirche

Der Campus Galli in Meßkirch

10Aus wenig viel machen

Glasart Roy Braunwarth in Konstanz

11Wenn die Sonne lacht

Im Strandbad Ludwigshafen

12Kultur trifft Genuss

Der Theaterstadl am Gehrenberg

13Ein Café, das man nie vergisst

Das Vergissmeinnicht auf der Insel Mainau

1415 Minuten Glück

Die Autofähre Konstanz-Meersburg

15Dresscode nicht nötig

Das Restaurant Schloss Seeburg in Kreuzlingen

16Glück braucht Geduld

Unterwegs am Rohrspitz

17Der, der die Fäden zieht

Die Marionettenoper in Lindau

18Edles vom Bodensee

Das Weingut Aufricht in Meersburg

19Lebendige Architektur

Die Naturata Überlingen

20Wenn es eng wird …

Schifffahrt Untersee und Rhein

21Einmal Cowboy sein

Kuhtrekking beim Bolderhof in Hemishofen

22Zwischen Eis und Büchern

Spaziergang an der Promenade Überlingen

23Flammkuchen auf Badisch

Die Wirtschaft zum Kranz in Liggeringen

24Mein Name ist Bond

Die Seebühne in Bregenz

25Das flüssige Brot

Die Ruppaner Brauerei in Konstanz

26Da fließt noch viel Wasser

Der Rheinfall bei Schaffhausen

27Zwei, die sich verstehen

Wissingers im Schlechterbräu und valentin in Lindau

28Vom Glück der Heimat

Maria im Stein

29Deutschlands beste(r) Bäcker

Die Bäckerei Neyer in Heiligenberg

30Wie Napoleon hierhin kam

Das Napoleonmuseum im Schloss Arenenberg

31Steine balancieren und baden

An der Malerecke in Langenargen

32Lass dein Haar herunter …

Der Mangturm am Lindauer Hafen

33Es glitzert und glänzt

Der Weihnachtsmarkt in Konstanz

34Wo einst der Galgen stand

Auf der Blattform bei Bohlingen

35Fischers Fritz …

Die Fischerei Lang in Iznang

36Unterwegs in Mostindien

Die Mosterei Möhl in Arbon

37Achtung Elch

Hinauf zum Höhengasthaus Haldenhof

38Eine Oase für die Kunst

Handwerk auf der Hochwart

39Bretter für die Welt

Das Theater Konstanz

40An Gaul buddza

Der schwäbisch-alemannische Mundartweg

41Hoch hinaus

Der Säntis

42Natur zum Anfassen

Die inatura Dornbirn

43Hopfen und Malz …

Das Hopfengut No 20 in Tettnang

44Auf den Gleisen strampeln

Eine Fahrt mit dem Schienenvelo bei Etzwilen

45Ein kleiner Italiener …

Die Bodensee-Schiffsbetriebe

46Mehr als 32 Zähne

Zum Witzweg bei Walzenhausen

47Wo die Liebe hinfällt

Ekkehard auf dem Hohentwiel

48Straubeze und Holundermus

Das Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck

49Die Kurtisane von Konstanz

Die Imperia

50Herbstblues adé

Beim Fesslerhof am Eichenberg

51Wilhelma am Bodensee

Das Wasserschloss Montfort in Langenargen

52Jahrhundertbauwerk

Das Rhein-Schauen Museum mit Bahn

53Das Auge liest mit

Die Stiftsbibliothek in St. Gallen

54Zur eigenen Mitte finden

Auf der Klosterinsel Werd

55Es piekst überhaupt nicht

Das Strohhotel in Frasnacht

56Veronika, der Lenz ist da…

Der Blütenweg bei Sipplingen

57An der Mole, letzter Baum

Sepp Bögle in Radolfzell

58Der liebe Augustin

Das Lesecafé Augustin in Lindau

59Einfach mal die Klappe halten

Das Kloster Salem

60Rien ne vas plus

Das Spielcasino in Konstanz

61Die Zeit steht still

Die Hofanlage Milz bei Kressbronn

62Film ab – Film läuft

Kammer, Tivoli und Cinegreth in Überlingen

63Wo Herzen höher schlagen

Das Wolford Outlet in Bregenz

64No e wili

Die Fassadenmalereien von Stein am Rhein

65Ein königliches Schiff

Der historische Raddampfer Hohentwiel

66Auf Sand gebaut

Das Sandskulpturenfestival in Rorschach

67Alte Kost neu entdeckt

Die Dietrich-Kostbarkeiten in Lauterach

68Glück auf den zweiten Blick

Das Naturfreundehaus Bodensee in Radolfzell

69Von Dagobert – nicht Duck

Die alte Burg Meersburg

70Der über das Wasser läuft

Stand-Up-Paddling

71Kraftort im Thurgau

Die Kartause Ittingen

72Und hinten noch ein Kringel

Unterwegs mit der Wutachtalbahn

73Neue Tracht für Lampen

Strolz Leuchten in Bregenz

74Wasserturm mit Kaffee

Im esszimmer in Konstanz

75Man soll nicht alles glauben

Das Kavalierhaus Langenargen

76Geist sticht Kapital

Das Dornier-Museum in Friedrichshafen

77Der Ball ist rund …

Verrücktes Golf im Seepark Linzgau

78Eine Perle der Renaissance

Das Schloss Heiligenberg

79Auf in den See

Die Badhütte in Rorschach

80Im siebten Himmel

Die Wallfahrtskirche Birnau

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Vogl – nicht Vogel …

1Das Voglhaus in Konstanz

Es hat nichts mit dem alemannischen Dialekt zu tun, dass das Voglhaus ohne „e“ geschrieben wird. Der Name der Besitzerin ist eben Vogl und nicht Vogel – auch wenn das Voglhaus von den Konstanzern so ausgesprochen wird, als hätten sie das „e“ nur verschluckt (was im alemannischen Dialekt durchaus oft vorkommt).

Das ursprüngliche Voglhaus ist der kleine Laden in der Münzgasse. Mit einigen Tischen wurde hier eine Kombination aus einem Kaufhaus und Kaffee geschaffen. Erst später kam noch das Kaffee an der Ecke Münzgasse/Wessenbergstraße dazu. Wie so oft befindet man sich hier in einem echten historischen Gebäude der Konstanzer Altstadt. Nur mit dem Unterschied, dass hier noch das „echte“ alte Parkett auf dem Boden liegt. Es knarzt und knarrt, wenn man darüber geht – und genau das macht diesen Ort auch zu einem Original. Wer das Glück hat, begegnet auch einmal Frau Vogl, die dann in einem netten schwäbischen Dialekt für jedes Gespräch offen ist.

Der Ausflug ins Voglhaus ist eine Entdeckungsreise. Das beginnt bei den exotischen Kaffee- oder Teesorten und geht weiter über das Sortiment an Kleinigkeiten für das Bad, das Wohnzimmer oder außergewöhnlichen Kleidern. Es ist die Mischung aus der Provence und Indien, die diesen Ort ausmacht. Was auf den ersten Blick wie die Auslage einer guten Konditorei scheint, entpuppt sich als Badepralinen, angereichert mit Kräutern oder Blüten. Und dem Liebhaber süßer Leckereien sind unbedingt die dunkelbraunen Schoko-Cookies zu empfehlen. Mehr Schokolade im Gebäck geht nicht.

Ein kleiner Tipp – man (frau) sollte hier unbedingt auf die Toilette gehen. Eine schmale Steintreppe führt in den Keller und verbindet das alte Voglhaus mit dem neuen Voglhaus-Kaffee. Neben Vogelgezwitscher (hier richtigerweise mit „e“) gibt es einige Überraschungen mehr … Soviel sei schüchternen Frauen verraten: Nicht von der durchsichtigen Toilettentür irritieren lassen – sobald sie geschlossen ist, sind Sie vor indiskreten Blicken geschützt. Wie’s funktioniert? Zauberei …

 

image Voglhaus, Wessenbergstraße 8, 78462 Konstanz
www.das-voglhaus.de

image ÖPNV: Ab Bahnhof Konstanz ca. 5 Minuten Fußweg

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Natur pur

2Der Mindelsee in Radolfzell

Gibt es etwas schöneres, als bei großer Hitze die Kleider abzuwerfen und einfach ins Wasser zu springen? Oder in einer sommerlichen Vollmondnacht in einem kleinen See zu baden? Genau diese spontanen und besonderen Erlebnisse sind an den kleineren Seen möglich, die sich rund um den Bodensee finden. Oft sind es zugängliche Naturschutzgebiete, kein Privatgrundstück, kein abgezäuntes öffentliches Bad – einfach Natur pur.

Der Bodensee ist ein Relikt der Würm-Eiszeit, das Becken wurde durch den aus dem Rheintal austretenen Rheingletscher geformt. Auch die kleineren Becken rund um den großen See entstanden durch diese letzte Eiszeit. Besonders schön ist der Mindelsee, der zwischen Markelfingen und Möggingen liegt. Von der ursprünglichen Länge von 10 Kilometern sind noch gerade zwei übrig, bei einer Breite von fast 600 Metern. Die maximale Wassertiefe beträgt lediglich 8 Meter – daher wärmt sich der Mindelsee im Frühsommer auch recht schnell auf. Wem das Bodenseewasser noch zu frisch ist, wird hier schon angenehme Badetemperaturen finden.

Schon seit 1938 ist der Mindelsee als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Sowohl zum Erhalt des Sees als auch zum Schutz seltener Pflanzen und des Lebensraums für Wasservögel. Im Frühsommer freut sich der Pflanzenfreund über das Traunsteiner Knabenkraut oder das sehr seltene Sumpf-Glanzkraut. Auch Mittelspecht und Drosselrohrsänger geben sich hier ein Stelldichein. Am nordwestlichen Ende gibt es einen kleinen Badeplatz mit einem langen Holzsteg, der mitten ins kühle Nass führt. Wer mit dem Auto anfährt, parkt am besten kurz nach dem Ortsausgang von Möggingen auf dem Wanderparkplatz. Von dort geht es gut einen Kilometer zu Fuß zum Badeplatz.

Wer etwas mehr Zeit hat, der sollte unbedingt den Fußweg rund um den Mindelsee auf sich nehmen. Die 10 Kilometer schafft der Naturfreund in 2 bis 3 Stunden, da der Weg kaum Steigungen hat. Und zur persönlichen Belohnung gibt es ja das verdiente Bad im See.

 

image Mindelsee, 78315 Radolfzell

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Ein persönlicher Glücksort

3Der Landgarten in Überlingen

„Head, Heart and Hands“ – alles muss in einer Balance sein. Hört man Sonja Frick sprechen, fällt zuerst ihr englischer Akzent auf. Geboren und aufgewachsen am Bodensee in einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Gastronomie, flüchtete sie in jungen Jahren in die Welt. London wurde zum Mittelpunkt ihres Lebens. Hier studierte Sonja Frick Design und unterrichtete später an Universitäten.

Doch das Herz blieb am Bodensee. So stellte sie sich nach 30 Jahren die Frage: „Springe ich oder fliege ich?“ Sie entschied sich für das Fliegen und kam wieder zurück in die Heimat. In Überlingen übernahm sie dann gleich einen kleinen Garten. Ihre Liebe zu Gärten hatte sie in England gefunden. Die Engländer haben ein Talent für die gepflegte Wildnis. Keine klaren Abgrenzungen wie in Deutschland, sondern bunte Mischungen und das Anliegen, die Dinge auch mal so sein zu lassen, wie sie sind.

Sonja Frick ist die Initiatorin des Landgartens Überlingen. Angeregt von den Prinzipien der Permakultur hat sie angefangen, im Herbst 2014 eine Wiese an der Schreibersbildkapelle mit Hilfe der Bodenlebewesen in ein Biotop für Menschen, Tiere und Pflanzen umzuwandeln. Das gepflegte Ungepflegte bietet Nahrung für Körper, Geist und Seele. Inspiration fand sie auch in den Menzinger Gärten – Gärten, die schon im Mittelalter der Versorgung der Bevölkerung in Überlingen dienten.

Heute unterrichtet Sonja Frick noch an verschiedenen Universitäten der Bodenseeregion. Aber ihr persönlicher Glücksort ist ihr Landgarten – hier tankt sie Kraft für den Alltag. Wenn sie da ist, steht die Tür offen und jeder ist willkommen, um sich umzuschauen, sich zu unterhalten, zu lernen und zu genießen. In Zusammenarbeit mit Naturfreunden bietet Sonja verschiedene Workshops an, bei denen es dann zum Beispiel eine Gänseblümchensuppe oder Küchenkräuter zum Mitnehmen gibt. Das herzliche Zusammensein und der Austausch von Informationen stehen dabei im Vordergrund. Für jeden Besucher ist der Landgarten eine Oase des Glücks, die man nicht mehr verlassen möchte.

 

image Der Landgarten, Wilhelm-Beck-Straße 35, 88662 Überlingen
www.derlandgarten.org

image ÖPNV: Ab Bahnhof Überlingen Therme ca. 10 Minuten Fußweg

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Sommer, Sonne, Strand

4Am Sandseele auf der Insel Reichenau

Die Insel Reichenau ist die größte Insel im Bodensee, vor allem bekannt als Gemüseinsel und wegen des Klosters. Als der heilige Pirmin im Jahr 724 die Insel betrat, sollen Schlangen, Kröten und Gewürm die Insel fluchtartig verlassen haben. Die bildliche Darstellung dieses Ereignisses ist im Münster Mittelzell zu sehen. Durch einen Damm ist die Insel mit dem Festland verbunden. Wenn einmal so richtig Hochwasser ist, wie z.B. 1993, dann kann es für die Reichenauer schon einmal einsam werden. Denn dann ist der Damm nicht mehr mit dem Auto befahrbar und die Versorgung erfolgt nur noch mit Booten und Schiffen. Vielleicht auch deshalb kennt man die Reichenauer als ein etwas eigenes, aber durchaus nettes Volk.