817461_Ein_Kindermaedchen_zum_Verlieben_S003.pdf

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Ich verstehe nicht, warum du Carolines Bitte, das Kindermädchen zu entlassen, nicht nachgekommen bist.“

Everett riss seinen Blick von den vielen Einspännern los, die langsam durch die Bellevue Avenue rollten und in denen die High Society von Newport zu ihrem täglichen Nachmittagsausflug unterwegs war. Dudley hatte Everett angeboten, ihn nach Hause zu bringen, nachdem sich Caroline geweigert hatte, ihn auch nur einen Fuß in ihre Kutsche setzen zu lassen, nachdem er sich wiederum geweigert hatte, Millie zu entlassen.

„Ich glaube nicht, dass Caroline eine Bitte geäußert hat. Es war eher ein Befehl, und ich sehe nicht ein, warum ich mich ihm beugen sollte“, antwortete Everett schließlich.

„Deinem Kindermädchen ist es gelungen, Caroline vor den Augen aller Casino-Besucher in Verlegenheit zu bringen. Das allein hätte für dich schon Grund genug sein müssen, Miss Longfellows Kündigung zuzustimmen.“

„Wenn Caroline in Verlegenheit geraten ist, trägt sie selbst die Schuld daran. Sie wollte schließlich, dass Millie in diesem Tennismatch gegen sie spielt.“

Dudley zog eine Braue in die Höhe. „Es ziemt sich wohl kaum, dass du dein Kindermädchen mit dem Vornamen ansprichst, auch wenn ich Gerüchte gehört habe, dass sie mit Miss Hannah Peabody befreundet ist. Miss Peabody mag zwar jetzt mit Oliver Addleshaw verlobt sein, aber dadurch ist es noch lange nicht akzeptabel, dass du auf so vertrautem Fuß mit deinem Kindermädchen stehst. Das schadet deiner Stellung in der Gesellschaft.“

Ein unerklärliches Gefühl regte sich in Everetts Magengegend. Ihm war nicht entgangen, dass alle seine Freunde – mit Ausnahme von Nora Niesen – ein wenig zu eifrig gewollt hatten, dass Millie Tennis spielte. Everett wusste ganz genau, dieser Eifer rührte daher, dass alle erwartet hatten, dass Millie sich blamieren würde. Aber als sie sich nicht blamiert und die Situation sogar hervorragend gemeistert hatte, war der Eifer seiner Freunde in Feindseligkeit umgeschlagen.

Seine Freunde hatten sich auf grausame Weise amüsieren wollen …

„Normalerweise halte ich zwar nichts davon, meine Freunde auf ihre Fehler hinzuweisen“, sagte Dudley und riss Everett damit unsanft aus seinen Gedanken, „aber du benimmst dich wie ein Idiot.“

„Und du sagst das, weil …?“

Dudley fuhr sich mit den Fingern durch seine schütteren Haare. „Weil du das große Glück hast, die Zuneigung der begehrtesten Frau der New Yorker Gesellschaft zu besitzen, aber du behandelst Caroline in keiner Weise so, wie sie es verdient.“

„Ehrlich gesagt bin ich nicht so sicher, ob ich ihre Zuneigung besitze, da sie in letzter Zeit alles andere als freundlich zu mir ist.“

„Sie ist zu dir nicht freundlich, weil du ihr nicht die nötige Aufmerksamkeit entgegenbringst.“

„Ich finde es interessant, dass du dich qualifiziert fühlst, mir Ratschläge zu erteilen. Und das obwohl du deine Zuneigung immer noch nicht auf eine bestimmte Frau gerichtet hast.“

Dudley fuhr sich erneut mit den Fingern durch die Haare, dann beugte er sich vor und schaute Everett durchdringend an. „Ich wollte dir das eigentlich nie verraten, da ich keinen Sinn darin sehe, dir diese etwas delikate Information zu geben, aber … du hast mir die einzige Frau gestohlen, auf die ich je meine Zuneigung richten wollte.“

Die Zeit schien stillzustehen, während Everett einfach nur wortlos dasaß und mit zunehmender Verwirrung über Dudleys Worte nachdachte. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass du Caroline so sehr schätzt“, war alles, was ihm schließlich dazu einfiel.

„Ich habe doch beim Patriarchenball vor über zwei Jahren erwähnt, dass ich von Caroline sehr angetan bin.“

„Ich dachte, du hättest das nur gesagt, weil du meintest, dass ich mich gut mit ihr verstehen würde und dass ich mich um sie bemühen sollte.“

„Nein, das war nicht der Grund, warum ich dich auf sie hingewiesen habe.“

„Oh. Mmh. Verstehe.“ Everetts Kragen fühlte sich plötzlich unglaublich eng an. „Vergib mir, Dudley, denn mir fehlen im Moment nicht nur die richtigen Worte, ich habe auch keine Ahnung, was du jetzt von mir erwartest. Ich hoffe, dir ist bewusst, dass ich gewiss keine Beziehung zu Caroline begonnen hätte, wenn ich geahnt hätte, dass du dich für sie interessierst. Aber … warum sprichst du das jetzt an?“

„Ich habe zwar vielleicht nicht Carolines Zuneigung gewonnen, aber sie betrachtet mich als loyalen Freund. Und als solcher ist es meine Pflicht, mich für sie einzusetzen. Deshalb rate ich dir, sie mit größerem Einfühlungsvermögen zu behandeln.“

Da er kein Ahnung hatte, wie er mit dieser Situation, die ziemlich rasch unbehaglich und unangenehm wurde, umgehen sollte, machte sich Erleichterung in Everett breit, als die Kutsche von der Bellevue Avenue abbog und in die Einfahrt rollte, die zu seinem Sommerhaus führte. Während sie langsamer wurden und schließlich stehen blieben, schaute er Dudley an. „Es tut mir aufrichtig leid, dass wir uns offenbar völlig missverstanden haben. Glaube mir, ich bin dir für deine Worte sehr dankbar und werde sie mir zu Herzen nehmen und mich mehr um Caroline bemühen.“

„Tu das.“

Everett bedachte Dudley mit einem letzten Nicken, obwohl er das Gefühl hatte, dass das angesichts dessen, was ihm sein Freund gerade anvertraut hatte, bei Weitem nicht genügte. Er wartete, bis ihm der Fahrer die Tür aufhielt, und stieg aus der Kutsche. Einen Moment später rollte diese wieder die Auffahrt hinab auf die Straße. Everett starrte ihr nach und dachte über alles nach, was Dudley gesagt hatte, aber vor allem beschäftigte ihn, was Dudley nicht gesagt hatte.

Dass der Mann immer noch in Caroline verliebt war, war nicht zu übersehen, aber was war der wahre Grund dafür, dass Dudley ihm so sensible Dinge anvertraut hatte?

Hatte er gehofft, Everett würde seine Verbindung zu Caroline überdenken und dann beiseitetreten, um Dudley die Gelegenheit zu geben, die Frau seiner Träume doch noch zu umwerben?

Angesichts von Carolines Benehmen in letzter Zeit hatte dieser Gedanke sonderbarerweise sogar einen gewissen Reiz, aber …

Everett verdrängte diese völlig lächerliche Vorstellung und richtete seine Gedanken in eine andere Richtung. Er zählte alle positiven Eigenschaften auf, die Caroline besaß, statt sich auf ihre Schwächen zu konzentrieren. Als er schon nach wenigen Augenblicken Mühe hatte, weitere positive Eigenschaften zu finden, entschied er, dass er einfach nicht in der richtigen Verfassung war, um sein Gehirn derart zu strapazieren.

Er drehte sich zu seinem Ferienhaus um, atmete tief durch und verdrängte alle unangenehmen Gedanken, während er sich einen Moment Zeit nahm, um die Schönheit des Seaview Cottage zu bewundern. Er hatte dieses Gebäude seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen.

Der Geschäftsmann in ihm betrachtete die eleganten Linien des Daches und die hohe Qualität der Baustoffe, während er sich gleichzeitig darüber freute, dass er das Cottage zu einem mehr als fairen Preis hatte erwerben können, da der ursprüngliche Eigentümer den Kauf schnell und mit so wenig Aufhebens wie möglich hatte abschließen wollen.

Barclay und seine Frau hatten den Fehler begangen, den viele Neureiche in Bezug auf Newport machten, besser gesagt in Bezug auf die gesellschaftliche Oberschicht von Newport: Sie waren davon ausgegangen, dass sie von der Gesellschaft mit offenen Armen willkommen geheißen würden, da sie ein großes Vermögen in der Eisenindustrie erworben hatten.

Als das nicht geschehen war und als auch keine Menschenseele zu dem luxuriösen Ball erschienen war, den Mrs Barclay gegeben hatte, hatten sie sich mit dieser peinlichen Situation nicht lange aufhalten wollen. Deshalb hatte Everett die wunderbare Gelegenheit erhalten, ein Sommerhaus zu einem mehr als günstigen Preis zu erwerben. Dieses Sommerhaus würde sicher noch eine Wertsteigerung erleben, da Mrs William Astor entschieden hatte, dass Newport jetzt der Ort für die Sommerfrische war. Das bedeutete, dass der größte Teil der New Yorker Gesellschaft bald Ferienhäuser in Newport haben wollte, sofern man nicht bereits eines erworben hatte, und das wiederum bedeutete, dass Everett tatsächlich eine sehr lukrative Investition getätigt hatte.

Seine Stimmung verbesserte sich deutlich, denn er hatte wieder einmal weise investiert. Er stieg die Stufen zum Seaview Cottage hinauf, fand sich aber vor einer verschlossenen Haustür wieder. In der Hoffnung, dass ihn auf der anderen Seite dieser Tür nicht schon wieder eine Katastrophe erwartete, öffnete er sie und trat langsam ein. An der Schwelle blieb er stehen, um einen Eindruck von der Atmosphäre zu bekommen. Leider war der einzige Eindruck, den er bekam, der, dass etwas nicht stimmen konnte, da weit und breit niemand zu sehen war.

Als er gedämpfte Stimmen hörte, schritt er den langen Flur hinunter, der zur Rückseite des Hauses führte, wo er schließlich sein gesamtes Personal erblickte, das ihm den Weg versperrte. Alle standen auf Zehenspitzen und verrenkten sich den Hals. Niemand nahm auch nur die geringste Notiz von ihm, bis er sehr laut hustete und damit die Aufmerksamkeit eines Zimmermädchens auf sich zog. Die Frau stieß das Zimmermädchen an, das vor ihr stand, sich umdrehte und blinzelte, bevor sie wiederum die Person anstieß, die vor ihr stand. So ging es weiter, bis alle Bediensteten plötzlich eine Gasse bildeten und Macon auf Everett zukam.

„Ah, wie nett! Noch ein unerwarteter Gast“, sagte sein Butler, als er vor Everett stehen blieb.

„Was meinen Sie mit ‚noch einer‘? Es sollte Sie wirklich nicht überraschen, mich hier zu sehen, da mir dieses Haus gehört und … Was haben Sie da in den Haaren?“

„Mehl, und mir ist natürlich sehr wohl bewusst, dass Ihnen das Seaview Cottage gehört, Sir. Aber da es hieß, dass Sie Miss Dixon nach einem desaströsen Tennisdebakel nach Hause begleiten, hatte ich Sie noch nicht so früh erwartet. Und ich habe ‚noch ein‘ gesagt, weil Ihre Eltern hier sind.“

„Ich dachte, sie wären in Paris.“

„Sie haben ihre Weltreise offenbar früher als geplant beendet.“ Macon schüttelte den Kopf. „Leider haben sie einen sehr ungünstigen Zeitpunkt gewählt, um zu uns zu stoßen.“

„Könnten Sie bitte versuchen, sich etwas verständlicher auszudrücken?“

„Ich halte es für das Beste, es Ihnen einfach zu zeigen, Sir. Es ist ein wenig schwierig, die Situation zu erklären.“

Alles andere als beruhigt folgte Everett Macon durch die Gasse, die seine Angestellten bildeten, die wiederum alle irgendwie schuldbewusst aussahen. Bevor er jedoch nach dem Grund dafür fragen konnte, bedeutete Macon zwei Dienern, aus dem Weg zu gehen und Everett in den Raum treten zu lassen. Dann meinte er an Everett gewandt: „Nach Ihnen, Sir.“

Da er ganz genau wusste, dass man ihn für einen Feigling halten würde, wenn er sich weigerte weiterzugehen, atmete Everett tief durch und trat ein paar Schritte vor. Abrupt hielt er inne, als er vor sich einen Raum sah, der ganz mit Weiß bedeckt war. Rechter Hand sah er seine Mutter und seinen Vater, die nebeneinanderstanden und beide den Blick auf etwas gerichtet hatten, das sich auf der anderen Seite des Raumes befand.

Er nickte seinen Eltern zur Begrüßung zu, was ihnen jedoch entging, da sie offenbar noch nicht bemerkt hatten, dass er hier war. Dann wanderte sein Blick auf die linke Seite des Raumes. Angesichts des Anblicks, der sich ihm bot, verschlug es ihm die Sprache.

Elizabeth, Rose und Thaddeus standen regungslos wie Statuen da. Sie waren von Kopf bis Fuß mit einer weißen, klebrigen Masse bedeckt, während Millie ein Stück von ihnen entfernt stand und auch sehr nass aussah. Allerdings war ihre Kleidung nur mit wenig Mehlstaub bedeckt.

„Was ist denn hier passiert?“, brachte er mühsam über die Lippen.

„Oh, Everett! Gott sei Dank, dass du da bist.“ Seine Mutter, Dorothy Mulberry, eilte zu ihm und umarmte ihn. Das war überhaupt nicht ihre Art. Sonst hielt sie ihm zur Begrüßung lediglich die Hand hin, die er küssen durfte. „Du siehst ein wenig angespannt aus, mein Junge. Hast du in letzter Zeit nicht gut geschlafen?“

„Mir geht es gut, Mutter, obwohl man manchmal wirklich zu wenig Schlaf bekommt, wenn man hinter drei Kindern herjagt. Aber vergessen wir meine Schlafprobleme. Was macht ihr hier? Ich dachte, ihr reist von Paris weiter nach Indien.“

Sein Vater, Fletcher Mulberry, trat zu ihnen, schüttelte Everett die Hand und sah ausgesprochen ernst aus. „Deine Mutter hatte deinetwegen beunruhigende Träume, mein Junge. In letzter Zeit hat sie so oft von dir geträumt, dass wir beschlossen, unsere Reisepläne zu ändern und nach Hause zu kommen, um uns zu vergewissern, dass es dir gut geht.“

„Ihr habt einen ganzen Ozean überquert, weil Mutter schlecht geträumt hat?“, fragte Everett langsam.

„Und es ist gut, dass wir das getan haben“, erklärte Dorothy, bevor ihr Mann etwas entgegnen konnte. „Es ist nicht zu übersehen, dass du Probleme hast, mein Junge. Aber keine Angst! Ich bin ja jetzt da und eine Sache habe ich schon für dich erledigt.“ Sie wandte den Kopf und schaute Millie mit zusammengekniffenen Augen an. „Ich habe dieses furchtbare Kindermädchen entlassen, und ich werde es mir persönlich zur Aufgabe machen, eine Frau zu finden, die geeigneter ist.“

„Du hast Millie entlassen?“, fragte er und schaute Millie an, die resigniert nickte. Aber irgendetwas stimmte da nicht …

Er betrachtete sie genauer. „Gütiger Himmel, Millie! Hast du da etwa eine Beule am Kopf?“

Ohne Millie die Gelegenheit zu geben, ihm darauf zu antworten, baute sich seine Mutter vor ihm auf und versperrte ihm den Blick auf die junge Frau.

„Warum sprichst du das Kindermädchen mit dem Vornamen an? Das entspricht wohl kaum der Etikette für einen Herrn in deiner gesellschaftlichen Stellung.“

Everett runzelte die Stirn. „Interessanterweise bist du nicht die einzige Person, die mir das heute zu verstehen gegeben hat. Ich muss jedoch sagen, dass ich die unverhohlene Arroganz und den Snobismus, dem ich in letzter Zeit begegne, völlig inakzeptabel finde.“

„Vergib mir, Schatz, aber das klingt fast so, als würdest du mir vorwerfen, ich wäre ein Snob.“ Dorothy verdrehte suchend den Hals und deutete dann aus einem unerklärlichen Grund mit dem Kopf auf Macon. „Meiner Meinung nach bin ich kein größerer Snob als dein Butler.“

„Entschuldigen Sie, Mrs Mulberry“, mischte sich Macon ein, „aber ich bin in diesem konkreten Fall nicht das beste Beispiel, da ich ungeniert zugebe, dass ich ein Snob bin.“

„Sie sind nicht gerade hilfreich, Macon“, stellte Everett fest, bevor er seine Mutter wieder anschaute. „Aber unabhängig davon, wer hier ein Snob ist, möchte ich deine Frage beantworten, warum ich Millie mit dem Vornamen anspreche: Erinnerst du dich an den Brief, den ich dir wegen Oliver und Miss Peabody geschickt habe?“

„Natürlich erinnere ich mich daran. Und da wir gerade von dem lieben Oliver sprechen: Ich hoffe, du hast daran gedacht, ihm meine herzlichsten Glückwünsche auszurichten.“

„Ich dachte, ehrlich gesagt, dass du die Umstände, die ich in jenem Brief dargelegt habe, nicht genau beachtet hast, und habe deshalb deine Glückwünsche noch nicht ausgerichtet.“

Dorothy zog die Brauen hoch. „Welche Umstände?“

„Dass Hannah in einem Hutsalon gearbeitet hat, als Oliver sie das erste Mal sah, und dass sie sich in einem der ärmeren Viertel von New York eine Wohnung mit einem Kindermädchen, Miss Longfellow, und einer Schauspielerin, Miss Plum, geteilt hatte.“

„Ich erinnerte mich ganz genau daran, dass du das geschrieben hast, Everett, aber du hast auch geschrieben, dass sich herausstellte, dass Miss Peabody weit mehr ist als nur eine Hutverkäuferin. Deshalb war ich so entzückt, als ich von ihrer bevorstehenden Hochzeit hörte.“

„Und wenn Hannah nicht herausgefunden hätte, dass sie mehr ist als nur eine Hutverkäuferin, wärst du dann nicht absolut entzückt gewesen?“

„Wirfst du mir wieder vor, ein unverbesserlicher Snob zu sein, wenn ich zugebe, dass du recht hast?“

Everett lächelte. „Wahrscheinlich. Aber ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus: Die Miss Longfellow, von der ich sprach, ist keine andere als Millie. Sie ist nicht nur eine gute Freundin von Miss Peabody, sondern auch sehr eng mit Mrs Charles Hart befreundet, die, wie es der Zufall will, auch über den Sommer nach Newport gekommen ist und –“

„Ich weiß, wer Abigail Hart ist“, unterbrach Dorothy ihn. „Aber hast du nicht auch geschrieben, dass Abigail die Finger im Spiel hatte, als sich Oliver und Hannah verlobt haben?“

Everett weigerte sich, eine Miene zu verziehen. „Es könnte sein, dass ich etwas in dieser Richtung erwähnt habe.“

Dorothy drehte sich auf dem Absatz um und gesellte sich zu Everetts Vater, der in sicherer Entfernung von dem Mehl stand. „Wir sind gerade noch rechtzeitig gekommen, Schatz. Augenscheinlich führt Abigail Hart etwas im Schilde. Das bedeutet, dass ich mich bald mit ihr unterhalten muss. Aber im Moment …“ Sie deutete mit dem Kopf auf Millie. „Gehen Sie und packen Sie Ihre Sachen. Ich dulde nicht, dass Sie auch nur eine Sekunde länger unter dem Dach meines Sohnes leben, da Sie gerade deutlich gezeigt haben, dass Sie voller frevelhafter Ideen stecken.“

Millie steckte die Hand in ihre Tasche, zog ein Wörterbuch heraus, das ebenfalls ausgesprochen durchnässt aussah, und blätterte durch die Seiten. Schließlich hielt sie inne und fuhr mit dem Finger über eine Seite. „Frevelhaft, frevelhaft, ah … hier steht es!“ Sie hob den Kopf. „Also, das ist doch ein bisschen zu hart, Mrs Mulberry, denn ich kann Ihnen versichern, dass ich absolut nichts Gesetzeswidriges im Sinn hatte.“

Everett war sicher, seinen Vater lachen zu hören, bevor seine Mutter dem armen Mann den Ellbogen in die Rippen stieß.

„Also wirklich, Fletcher! Es besteht kein Grund zur Belustigung“, tadelte Dorothy ihn, bevor sie Millie mit einer Kopfbewegung erneut aufforderte zu gehen. „Worauf warten Sie noch? Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Ihre Dienste hier nicht länger erwünscht sind.“

Millie steckte das Wörterbuch in ihre Tasche. „Da ich nicht dazu neige, zu bleiben, wenn ich nicht erwünscht bin, hole ich nur meine Tasche. Allerdings müssten Vorkehrungen getroffen werden, um die Truhen abzuholen, die Abigail –“

„Miss Longfellow sollte ihre Stelle nicht verlieren. Das, was heute passiert ist, diese ganze Unordnung hier, war nicht ihre Schuld. Es war meine Schuld.“

Everett war überrascht, als Elizabeth plötzlich vortrat, auch wenn sie sich nur schwerfällig bewegen konnte, da ihre Schuhe am Boden festklebten. Schließlich gelang es ihr, zu ihnen zu kommen. Vor Everett blieb sie stehen.

„Du kannst Miss Longfellow nicht entlassen, Onkel Everett. Das alles war meine Schuld.“ Sie deutete mit der Hand auf das Chaos, auf ihre Geschwister und dann auf Millie. Als sie eine schwungvolle Bewegung machte, flog ein Mehlklumpen an die Decke und blieb dort kleben.

Everett wandte den Blick von dem Klumpen ab, der sicher bald herunterfallen würde, und schaute Elizabeth an. „Ich bin nicht ganz sicher, wie das alles deine Schuld sein kann, da du viel schlimmer aussiehst als Millie.“

Elizabeth atmete tief ein und richtete sich dann zu ihrer vollen Größe auf. „Miss Longfellow hat mich geärgert, weil … nun, das tut jetzt nichts zur Sache. Aber deshalb habe ich beschlossen, dafür zu sorgen, dass sie ein für alle Mal verschwindet. Ich habe eine Waschschüssel mit Wasser gefüllt und sie oben auf meine Tür gestellt, die ich einen kleinen Spaltbreit offen ließ. Ich wusste, dass Miss Longfellow in mein Zimmer kommen und nach mir sehen würde, da ich dafür gesorgt habe, dass Rose mich weinen hörte, beziehungsweise, dass sie dachte, ich würde weinen.“

Sie runzelte die Stirn. Zumindest vermutete Everett, dass sie das tat. Genau konnte er es nicht sagen, da das Mehl auf ihrem Gesicht zu trocknen begann und ihre Mimik einschränkte. „Ich habe aber nicht daran gedacht, dass die Schüssel auch von der Tür fällt. Das war sehr dumm von mir, weil sie Miss Longfellow direkt auf den Kopf gefallen ist und … ich dachte, ich hätte sie getötet.“

„Rose und ich bekamen es mit der Angst zu tun, als wir dachten, dass Miss Longfellow tot wäre. Deshalb sind wir weggelaufen“, ergänzte Thaddeus und warf ihm den kläglichsten Blick zu, den Everett je gesehen hatte. Dieser Anblick wurde durch den nassen Mehlklumpen, der von Thaddeus’ Kinn tropfte, noch verstärkt. „Das war sehr schlimm von uns.“

„Ich wollte nicht, dass Miss Longfellow tot ist“, mischte sich jetzt auch Rose ein. „Sie hat versucht, mich vor den Pfauen zu retten.“

„Du hattest Probleme mit den Pfauen?“, fragte Everett besorgt.

„Nein, aber das wusste Miss Longfellow ja nicht. Sie kam angelaufen, um mich zu retten. Dabei wurde sie von den Pfauen ganz oft gebissen. Du kannst sie nicht wegschicken, das kannst du einfach nicht, denn sie sagt ‚Rose‘ zu mir.“

Everett beugte sich nach unten und schaute Rose an. „Dir gefällt ‚Rose‘ besser als ‚Rosetta‘?“

„Ja, aber Thaddeus will nicht ‚Thad‘ genannt werden, sondern ‚Thaddeus‘, auch wenn das ein sehr langes Wort ist. Eigentlich will er lieber ‚Chip‘ genannt werden, aber ich nenne ihn nicht so, weil Elizabeth sonst wieder böse wird.“

Everett schmunzelte, doch dann wich seine Belustigung schnell Schuldgefühlen, als ihm bewusst wurde, was Rose soeben gesagt hatte. Er war seit Monaten für die Kinder verantwortlich, aber er war kein einziges Mal auf den Gedanken gekommen, sie zu fragen, wie sie angesprochen werden wollten. Millie hatte diese wichtige Information in nur wenigen Tagen herausgefunden, was –

„Du kannst sie also wirklich nicht entlassen, Onkel Everett“, sagte Elizabeth und riss ihn damit aus seinen Gedanken. „Wenn hier jemand bestraft werden muss, dann ich und nur ich.“

Millie eilte zu Elizabeth. „Es ist wirklich sehr lieb, dass du die Schuld auf dich nehmen willst, Elizabeth, aber du sollst wissen, dass das hier allein meine Schuld ist.“

„Ich habe aber damit angefangen“, argumentierte Elizabeth.

„Ja, das hast du, Liebes. Aber ich habe dir den Fehdehandschuh hingeworfen, als ich das Wasserspiel gewonnen habe, und dann habe ich auch noch gewonnen, als ich euch alle festbinden konnte. Ich wusste ganz genau, dass du weiter versuchen würdest, mich aus dem Haus zu ekeln. Und ich hätte wissen müssen, dass du irgendwann den alten Trick mit dem Wasser über der Tür anwendest.“ Sie rieb sich lächelnd den Kopf. „Wenn ich meinen Pflichten als Kindermädchen gewissenhafter nachgekommen wäre, hätte ich dir gezeigt, wie man diesen Streich richtig macht. Apropos, wenn du dir diese Tür anschaust, siehst du ein wunderbares Beispiel dafür, wie man es macht. Ein kurzes Seil, ein Nagel und ein Haken an der Decke. Damit stellst du sicher, dass dieser Streich mühelos klappt, ohne dass jemand erschlagen wird.“

Sie seufzte. „Rückblickend muss ich jedoch sagen, dass ich es mit dem Mehl vielleicht übertrieben habe. Ich sollte wohl diesen Raum erst noch sauber machen, bevor ich zu Abigail ziehe.“

„Wenn Sie ausziehen, komme ich mit“, verkündete Thaddeus, der jetzt neben Millie auftauchte und ihre Hand ergriff.

Elizabeth trat ebenfalls zu ihr. Sie legte den Arm um Millies Taille und lehnte den Kopf an ihre Seite. „Ich komme auch mit“, sagte sie und schmiegte sich enger an sie, als Millie lächelte und Elizabeth rasch einen Kuss auf ihre mit Mehl beklebte Stirn drückte.

Everetts Herz schlug schneller, was zweifellos an Millies selbstverständlicher Art lag, ihre Zuneigung zu zeigen. Damen der Gesellschaft machten immer ein großes Aufhebens darum, ihre Kinder zu küssen, wenn andere zusahen. Aber Millies Kuss war echt gewesen, und sie hatte damit einem Kind ihre Liebe gezeigt, das ihr das Leben schwer gemacht hatte.

Da er davon ausging, dass Rose ebenfalls verkünden würde, dass sie auszöge, wenn Millie gehen musste, schaute sich Everett suchend im Raum um. Schließlich entdeckte er sie: Sie bewegte sich auf die Glastür zu und beäugte die Pfauen, die vor den Glasscheiben aufgeregt herumliefen, als wollten sie ins Haus kommen.

„Rose, nein!“, rief er, als er sah, dass sie die Hand auf den Türgriff legte. Aber es war zu spät.

Erneut brach Chaos aus, als die Vögel hereinströmten und das Mehl aufwirbelten, das auf dem Boden lag. Hastig strömten seine Bediensteten in den Raum und versuchten, die Pfauen einzufangen, was jedoch noch mehr Chaos anrichtete. Rose schrie aus voller Kehle, als die Pfauen sie umringten, doch dann schwang Millie das Mädchen auf die Arme und stürmte zur Tür hinaus ins Freie. Zu Everetts Entsetzen rannten alle Pfauen hinter Millie und Rose her.

Als er wenige Sekunden später durch dieselbe Tür rannte, hielt ihn eine kleine Hand fest. Er blieb abrupt stehen und drehte sich um. Elizabeth stand neben ihm. Während all der Zeit, die er schon für Elizabeth und ihre Geschwister verantwortlich war, hatte sie ihn kein einziges Mal berührt.

„Warte“, sagte sie nur und lächelte.

Er zwang sich, den Blick von Elizabeth abzuwenden, auch wenn ihr Lächeln einfach allerliebst war. Stattdessen schaute er zu der Stelle, an der Millie stehen geblieben war. Sein Atem stockte, als die Pfauen sie umringten.

„Vertrau mir“, sagte Elizabeth.

Er konnte den Blick nicht von Millie abwenden, die weiterhin Rose auf den Armen hielt. Alles in ihm schrie, dass er dorthin eilen sollte, besonders als Millie Rose etwas ins Ohr flüsterte und das Mädchen dann zu seinem Entsetzen auf den Boden stellte.

„Ist sie denn verrückt?“, sagte er.

„Sie hat drei unschuldigen Kindern Wasser und Mehl über den Kopf gekippt, Onkel Everett“, entgegnete Elizabeth. „Natürlich ist sie verrückt. Aber sie ist auch irgendwie genial, denn bis jetzt konnte uns niemand bei unseren eigenen Spielen schlagen.“

„Und sie ist richtig nett, Onkel Everett“, fügte Thaddeus hinzu, der jetzt zu ihnen trat. „Auch wenn sie gesagt hat, dass ich nicht versuchen darf, auf einem Pfau zu reiten.“

„Pfauen sind keine Haustiere, mit denen man spielen kann, Thaddeus.“

„Sag das mal den Pfauen.“ Elizabeth grinste, als einer der Vögel auf Rose zuging und sie mit seinem Schnabel stupste.

Everett musste ebenfalls grinsen, doch sein Grinsen verschwand, als Thaddeus ihn mit großen Augen anschaute.

„Da Rose jetzt Haustiere hat, könnte ich doch vielleicht auch eines bekommen, oder? Zum Beispiel einen Hund?“

„Du willst einen Hund?“, wiederholte Everett.

Mit einem Nicken kratzte Thaddeus an der klebrigen Masse auf seinem Arm. „Er würde dir überhaupt keine Arbeit machen, Onkel Everett. Ich würde mich um ihn kümmern, aber … der Hund müsste ein Junge sein.“ Er begann, sich am anderen Arm zu kratzen. „Ich bin in letzter Zeit nur mit Mädchen zusammen.“

Seine Worte sprachen Bände. Everett begriff in diesem Moment, in dem die Sonne auf seinen Kopf schien und die Pfauen glucksten, statt mit ihrem ohrenbetäubenden Kreischen die Luft zu erfüllen, dass er Thaddeus vernachlässigt hatte, ebenso wie Elizabeth und Rose.

„Ich hätte nichts gegen einen Hund einzuwenden“, sagte er, ohne über die Folgen seiner Worte nachzudenken.

Thaddeus’ Augen begannen zu strahlen. „Wir könnten ihn ‚Chip‘ nennen, denn so wollte ich den Hund nennen, den mir mein Papa eines Tages kaufen wollte.“ Das Strahlen verschwand aus seinem Blick. „Aber daraus wurde nichts, weil Papa nicht mehr da ist.“

Ohne nachzudenken, bückte sich Everett und nahm Thaddeus in seine Arme. Er ließ sich nicht beirren, als der kleine Junge sich versteifte, sobald Everett ihn berührte. Zu Everetts Erleichterung schlang er aber schon eine Sekunde später die Arme um seinen Hals und lehnte seinen kleinen Körper an ihn.

„Heißt das, dass du mir einen Hund kaufst?“, flüsterte Thaddeus.

„Ich glaube, genau das könnte es heißen, aber … bevor wir das weiter besprechen, wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn wir dich und deine Schwestern sauber machen. Wenn dieses Mehl trocknet, juckt es noch mehr.“

„Ich muss also in die Badewanne?“, fragte Thaddeus missmutig.

„Ich denke, es könnte eine andere Möglichkeit geben, die dir vielleicht mehr Spaß macht.“

Everett drehte sich um und nickte Elizabeth zu. „Wer zuerst beim Springbrunnen ist!“ Er gab ihr einen Vorsprung, bevor er hinter ihr herlief. Dabei wurde Thaddeus in seinen Armen so durchgeschüttelt, dass er in lautes Gelächter ausbrach. Während Everett hinter Elizabeth herlief, aber darauf achtete, dass er sie nicht überholte, hörte Everett auch sie kichern. Dieser Klang ließ sein Herz schmelzen.

Ehe er sich versah, hatte er sein Ziel erreicht. Ohne sich die Mühe zu machen, seine Schuhe auszuziehen, sprang er, immer noch den Jungen auf dem Arm, in den großen Springbrunnen, der sich zwischen dem Haus und den Klippen befand. Er watete zum Wasserfall, der sich genau in die Mitte des Springbrunnens befand, und hielt Thaddeus darunter.

Der Junge kreischte begeistert und begann zu zappeln. Durch die Mehlschicht, mit der er weiterhin überzogen war, war er nun sehr glitschig. Da er Angst hatte, er könnte ihn fallen lassen, stellte Everett ihn auf die Beine. Als er sich wieder aufrichtete, sah er, dass Elizabeth zu ihnen in den Springbrunnen gesprungen war, während er mit Thaddeus beschäftigt gewesen war. Ohne Vorwarnung bespritzte sie ihn mit Wasser. Als Rose plötzlich auch noch im Springbrunnen auftauchte, wurde er von allen Seiten nass gespritzt, während die Kinder sich einfach wie Kinder benahmen. Er stolperte zum Rand des Springbrunnens und wollte sich schon geschlagen geben, als ihn ein Wasserschwall mitten ins Gesicht traf. Er prustete laut. Als er endlich wieder Luft bekam und sich die Haare aus den Augen schob, sah er, dass Millie ihn angrinste und erneut Wasser in einen Eimer füllte, den sie irgendwie beschafft hatte.

Damit war die Wasserschlacht eröffnet, auch wenn er ganz genau wusste, dass er keine Chance hatte zu gewinnen. Die Kinder bespritzten ihn weiter und Millie schüttete eimerweise Wasser nach ihm. Als Millie ausglitt und ins Wasser fiel, sah er eine Gelegenheit, der er nicht widerstehen konnte. Er nahm den Eimer, der neben ihr trieb, füllte ihn mit Wasser und zielte auf Thaddeus, der sein rosa Kleid ausgezogen hatte und nur in Unterhosen bekleidet im Wasser planschte. Er holte mit dem Eimer aus und das Wasser flog schwungvoll in Thaddeus’ Richtung. Aber der Junge bückte sich und das Wasser landete direkt auf … Everetts Mutter.

Selbst die Pfauen, die genauso laut gekreischt hatten wie die Kinder, schienen sich der Schwere dieser Situation bewusst zu sein. Sie verstummten und die Kinder hörten auf zu kreischen. Doch Millie schob sich ihre nassen Locken aus den Augen und lächelte seine Mutter nur an.

„Sie können gern zu uns kommen, Mrs Mulberry, da Sie jetzt sowieso schon nass sind.“

Einen kurzen Moment lang glaubte Everett ein sehnsüchtiges Funkeln in den Augen seiner Mutter zu sehen, aber dann hob sie das Kinn. „Es wäre wohl kaum angemessen, wenn ich in einem Springbrunnen herumtolle, Miss Longfellow. Ebenso wenig wie für Sie.“ Sie hob das Kinn noch ein wenig höher und schaute ihren Sohn an. „Du hast meinen Hut ruiniert und mich völlig durchnässt.“

Mit großer Belustigung betrachtete er seine Mutter von Kopf bis Fuß. „Ich kaufe dir einen neuen Hut, Mutter. Aber ansonsten kann ich dir nur empfehlen, dir entweder ein Handtuch zu holen oder, wie Millie vorgeschlagen hat, zu uns zu kommen. Es macht wirklich Spaß, in einem Springbrunnen herumzutollen, auch wenn die Gesellschaft darüber die Nase rümpfen würde.“

Dorothy warf einen weiteren, noch sehnsüchtigeren Blick auf den Springbrunnen, doch dann begann sie, ihren Rock auszuwringen. „Dein Vater und ich hatten kürzlich Gelegenheit, in England Pools zu sehen, die nur zu dem Zweck gebaut wurden, um darin zu schwimmen.“ Sie hob den Blick. „Da die Kinder so begeistert vom Wasser zu sein scheinen, aber die Gesellschaft es nicht befürwortet, wenn man in etwas so Gewöhnlichem wie einem Springbrunnen herumtollt, solltest du vielleicht darüber nachdenken, dir hier einen Pool bauen zu lassen.“ Everett sah sie mit großen Augen überrascht an, als sie hinzufügte: „Ich könnte mir vorstellen, wenn du der Erste wärst, der sich ein Schwimmbecken baut, würde die Gesellschaft bald beschließen, dass diese in Mode kommen.“

„Das wäre wahrscheinlich realistischer, als der Gesellschaft einreden zu wollen, dass Pfauen bald der letzte Schrei sein werden“, hörte er Millie murmeln.

Er tat, als hätte er sie nicht gehört, da er im Moment keine Lust hatte, seiner Mutter zu erklären, warum die Pfauen hier waren, und lächelte Dorothy an. „Der Vorschlag, ein Schwimmbecken zu besitzen, ist zwar unglaublich reizvoll, aber es wäre wesentlich leichter, wenn ich mit den Kindern einfach im Meer schwimme, da es hier in Newport viele Strände gibt.“

„Das ist natürlich richtig, obwohl du dann jemanden einstellen musst, der schwimmen kann, damit diese Person dich begleitet, wenn du mit den Kindern im Meer schwimmen gehst. Es sei denn …“ Sie schaute Millie an. „Können Sie schwimmen?“

„Leider nicht, Mrs Mulberry, aber da Sie mich entlassen haben, spielt es eigentlich keine Rolle, ob ich schwimmen kann oder nicht.“

„Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass ich in dieser Hinsicht vielleicht etwas voreilig war. Außerdem hat mein Mann mich daran erinnert, dass Kindermädchen um diese Jahreszeit schwer zu bekommen sind.“ Sie schaute Millie mit zusammengekniffenen Augen an. „Aber Sie sollen wissen, dass ich dafür sorgen werde, dass Sie entlassen werden, falls Sie noch mehr verrückte Sachen anstellen.“

„Ich stelle nicht absichtlich verrückte Dinge an, Mrs Mulberry. Sie passieren mir manchmal einfach.“

Dorothy kniff die Augen erneut zusammen. „Wollen Sie wirklich riskieren, dass ich es bereue, Ihnen noch eine Chance gegeben zu haben?“

„Natürlich nicht. Und ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar dafür, aber ich möchte noch einmal betonen, dass es wirklich nicht so ist, dass ich –“

„Sie sollten lieber nicht weitersprechen“, fiel Dorothy ihr ins Wort, bevor sie sich an Everett wandte. „Ich werde mir etwas Trockenes anziehen. Aber ich erwarte, dich in nicht allzu ferner Zukunft in der Bibliothek zu sehen, wo dein Vater und ich ein paar Dinge mit dir besprechen müssen.“

„Was müssen wir denn besprechen?“, fragte Everett.

„Deine Fortschritte mit den Kindern, besser gesagt, deine mangelnden Fortschritte, nach allem, was ich gesehen habe.“

Elizabeth watete durch das Wasser und ergriff zu seiner Überraschung seine Hand. „Onkel Everett macht sich in letzter Zeit viel besser. Er kümmert sich wirklich richtig gut um uns. Erst heute hat er mir gesagt, dass ich mit einer Bestrafung rechnen muss, weil ich mit einem Krocketball auf Miss Dixons Kopf gezielt habe. Wenn Sie mich fragen, ist das ein großer Fortschritt, auch wenn es mir nicht gefällt, den Rest des Nachmittags in meinem Zimmer zu verbringen.“

Dorothy blinzelte. „Warum in aller Welt wolltest du denn mit einem Krocketball auf Carolines Kopf zielen? Sie ist doch eine liebenswerte junge Dame.“

„Sie will mich und meine Geschwister in ein Internat schicken, damit sie sich nicht mehr mit uns herumschlagen muss.“

Dorothy blinzelte verwirrt und schaute dann Everett mit hochgezogener Braue an. „Stimmt das? Will Caroline die Kinder wirklich in ein Internat schicken?“

„Ich glaube nicht, dass jetzt der beste Zeitpunkt ist, darüber zu reden, Mutter.“

Dorothy warf einen Blick auf die Kinder und nickte. „Wie du meinst, aber wir werden auf jeden Fall darüber sprechen.“

Sie drehte sich um und lächelte Elizabeth an. „Schon als du noch ganz klein warst, hast du gern Streiche ausgeheckt. Aber du entwickelst dich schnell zu einer hübschen jungen Frau, und das bedeutet, dass es Zeit wird, deine Begeisterung für Streiche etwas zu zügeln. Du solltest also in Zukunft auf niemanden mehr mit Krocketbällen zielen.“

„Woher wissen Sie denn, dass ich schon immer gern Streiche ausgeheckt habe?“, fragte Elizabeth.

„Mr Mulberry und ich haben zusammen mit Everett jeden Sommer in Saratoga Springs verbracht“, erklärte Dorothy. „Wir haben dort deine Eltern besucht, da dein Vater Fred in seiner Jugend ein gern gesehener Gast in unserem Haus war.“ Dorothy lächelte. „Er war als Junge auch für jeden Streich zu haben. Deshalb war ich glücklich, als ich erfuhr, dass du diese Eigenschaft geerbt hast. Man musste nur das schelmische Grinsen in deinem Gesicht sehen und wusste gleich, dass du am Ende deinen Kopf durchsetzen würdest, selbst wenn das bedeutete, dass du einmal stundenlang in heißen Quellen sitzen geblieben bist.“

Everett wurde schwer ums Herz, als sie seinen alten Freund erwähnte. Sein Leben war so turbulent geworden, seit er die Kinder zu sich genommen hatte, dass er keine Zeit gehabt hatte, an all die Dinge zurückzudenken, die er mit Fred und Violett erlebt hatte.

Er hatte sich auch nicht zugestanden, um seinen Freund zu trauern. Diese Erkenntnis erfüllte ihn nun mit Scham und Schmerz.

„Du bist früher mit meiner Familie in die Ferien gefahren?“, wollte Elizabeth wissen, die seine Hand jetzt losgelassen hatte.

Everett setzte ein Lächeln auf, das hoffentlich verbarg, wie sehr in dieses Gespräch aufwühlte. „Dein Vater und ich sind zusammen aufgewachsen, Elizabeth, und wir sind in unserer Jugend jedes Jahr miteinander in die Ferien gefahren, auch als wir schon Studenten waren. Dann hat er deine Mutter kennengelernt und sie haben geheiratet. Aber ich habe ihn weiterhin oft getroffen. Entweder bin ich nach Saratoga Springs gefahren oder ich habe euch alle zu Hause in Boston besucht.“

Er schüttelte den Kopf. „Als du ungefähr vier warst und die Zwillinge noch Babys waren, haben deine Eltern angefangen, mit euch um die Welt zu segeln. Damals haben wir auch aufgehört, jedes Jahr zusammen Urlaub zu machen, obwohl ich immer hoffte, dass wir wieder mehr Zeit miteinander verbringen würden, wenn alles ein wenig ruhiger werden würde.“

Elizabeth schaute ihn lange an. „Hast du mich zufällig mal im Wasser hoch in die Luft geworfen und dann gelacht, als mein Vater sagte, dass er durch dich noch einen Herzinfarkt bekäme?“

„Ja, ich muss zugeben, dass ich das getan habe.“

Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Daran kann ich mich noch erinnern.“

Dorothy trat an den Springbrunnen und räusperte sich. „Und ich kann mich noch daran erinnern, dass du Wasserschlachten schon immer geliebt hast.“ Sie wischte sich mit der Hand über die Augen, räusperte sich und lächelte Elizabeth dann an. „Es war nicht richtig, dass Everett mich mit einem Eimer voll Wasser übergossen hat. Deshalb musst du mir versprechen, dass du ihn kräftig nass machst.“

Nun nickte Dorothy Everett vielsagend zu und zwinkerte den Kindern. Dann betrachtete sie Millie, als wisse sie immer noch nicht genau, was sie von der jungen Frau halten sollte, drehte sich um und schritt ohne ein weiteres Wort davon.

„Ich kann sie gut leiden“, verkündete Elizabeth, als Dorothy schon fast am Haus angelangt war. „Sie hat es sich anders überlegt und Miss Millie doch nicht entlassen. Das zeigt, dass sie eine kluge Frau ist.“

Everett warf einen Blick auf Millie und sah, dass sie sich ebenfalls über die Augen wischte, so wie seine Mutter. Da er keine Ahnung hatte, was der Grund für ihre Tränen war, wollte er nachfragen, wurde aber von Elizabeth unterbrochen.

„Sie haben doch nichts dagegen, dass ich ‚Miss Millie‘ zu Ihnen sage, oder?“

Jetzt erkannte Everett, warum die junge Frau weinte, und er war sehr stolz auf Millie. Sie trug dazu bei, dass die Kinder wieder zu ihrer alten Fröhlichkeit zurückfanden.

„Natürlich kannst du ‚Miss Millie‘ zu mir sagen, Elizabeth“, entgegnete die junge Frau. „Aber wir sollten nicht vergessen, worum dich Mrs Mulberry gebeten hat. Also: Hol dir den Eimer! Die Wasserschlacht kann beginnen!“

Bevor er protestieren konnte, liefen Millie und Elizabeth schon auf ihn zu und bespritzten ihn laut lachend mit Wasser. Ihm wurde bewusst, dass sich seine Welt mit den drei kleinen Rabauken und dem ungewöhnlichen Kindermädchen für immer verändert hatte.