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Der Kuss des dunklen Gottes

Eine Geschichte im Schatten der Todessteine

 

von Alice Camden

 

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2017

http://www.deadsoft.de

 

© the author

 

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

 

Bildrechte:

© CURAphotography – shutterstock.com

 

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-159-8

ISBN 978-3-96089-160-4 (epub)

 

 

Inhalt:

Höllengott Korus wird wegen einer Verfehlung auf die Erde verbannt und hat nur eine Möglichkeit zurück in seinen Höllenpalast zu gelangen – seinen Tod. Nur darf er diesen nicht selbst herbeiführen. Da kommt ihm der hübsche, junge Dieb Larin gerade recht. Der soll sein Mörder werden, beschließt Korus und versucht von diesem Zeitpunkt an alles, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Doch seine Dämonenessenz schwindet unaufhörlich und zurück bleiben neuartigen Gefühle für Larin. Ein mächtiger Gegner taucht auf, der unbedingt Korus Rückkehr in die Hölle verhindern will. Und dann steht Korus plötzlich vor einer Wahl, die alles verändern kann.

 

Kapitel 1

 

Seufzend lehnte sich Korus mit dem Rücken gegen den Stamm des Baumes. Jede der unzähligen Erhebungen in der Rinde presste sich schmerzhaft in seinen geschundenen Rücken. Stiche, wie von Messern verursacht, zuckten durch seine gekreuzten Beine. Sein Kopf tat ihm weh, die Lippen waren aufgesprungen und sein Mund fühlte sich an, als hätte er in trockene Erde gebissen. Ab und an krampfte sich sein Magen zusammen und trieb einen kurzen, heftigen Schmerz durch seinen Körper.

Durch diesen widerlich starken Menschenkörper, den er schon seit fünf Tagen und Nächten der Sonne und dem Nachtwind aussetzte. Ohne Nahrung, ohne Wasser. Wie lange musste er denn noch auf das Ende dieses elenden Daseins warten? Langsam schloss er die Augen und fühlte, wie sich der graue Nebel in seinem Kopf ausbreitete. Endlich, dachte er erfreut. Endlich fühlte er, wie sich seine Kraft langsam dem Ende zuneigte. Hoffentlich ging sein Plan auf. Es würde nicht mehr lange dauern und es wäre vollbracht. Dann könnte er die Welt verlassen und in die Höllen zurückkehren, aus der er vor ein paar Tagen gekommen war. Dorthin, wo er wieder ein Gott der Dämonen sein konnte, kein armseliger Mensch.

Noch verblieb etwas dämonische Essenz in ihm. Was, wenn er diese auch noch verlieren würde? Oh nein! Niemals! Niemals würde er vollständig zu einem dieser Menschen werden. Was für ein ekelhafter Gedanke.

Der Kuss des warmen Sommerwindes streifte seine ausgetrockneten Lippen. Die sanfte Berührung fühlte sich schmerzhaft an. Gut so, freute sich Korus. Bevor ihn die Erschöpfung zwang, seine Lider vollkommen zu schließen, ließ er seine müden Augen ein letztes Mal über die Landschaft schweifen.

Nichts hatte sich in den fünf Tagen verändert. Dort drüben war der Baum mit der hohen Krone. Sanft wiegten sich dessen Blätter im Sommerwind. Die Heimat des Baumes war eine Blumenwiese und in einiger Entfernung war der Fluss zu erkennen, der sich ruhig durch den farbenfrohen Landstrich wand. Langsam verschwammen die Blumen der Wiese und der Fluss in der Ferne vor Korus‘ Augen. Immer mehr wurden sie zu einer Einheit aus ineinanderlaufenden Farben, bis sie sich schließlich in einen grauen Nebel verwandelten. Seine ganze Existenz schien zu einem einzigen grauen Nebel zu werden.

„Hey! Hey du! Grünthaler! Wach auf. Was ist mit dir? Du siehst nicht gut aus.“

Was war das? Korus zuckte zusammen, doch er öffnete seine Augen nicht. Sicher war es nur eine Wahnvorstellung, die Hunger und Durst in ihm auslösten. Er würde sie ignorieren.

„Hey! Nicht einschlafen!“

Da war wieder das Geräusch einer menschlichen Stimme. Ausgerechnet eine dieser unsäglichen Stimmen drang jetzt an sein Ohr. Sei’s drum. Er war Korus, der gnadenlose Verschlinger, und er würde sich doch von so einer Unwichtigkeit nicht vom Sterben abhalten lassen.

„Hier, trink das“, hörte er kurz darauf und im nächsten Moment wurde etwas Kühles an seine rissigen Lippen gehalten. Plötzlich bahnte sich eine kalte Flüssigkeit ihren Weg in seinen ausgetrockneten Mund und durch seine Kehle, hinab in den ausgezehrten Körper. Bevor er seinen benebelten Kopf darauflenken konnte, war er schon dabei, gierig alles aufzusaugen, was in seinen Mund gegossen wurde. Etwas anderes folgte. Es war erst sauer, dann süß. Ein kleines Stück, saftig, und es wurde wie von selbst von seinen Zähnen zu einem Brei geraspelt. Apfel! Das war ein Apfelstück. Schon war es in seinem Magen gelandet. Entsetzt riss Korus die Augen auf und spuckte den Rest des Apfelbreis, der sich mit Wasser vermischt hatte, auf die Erde. Ein heftiger Hustenanfall schüttelte ihn. Oh, er hasste diesen Menschenkörper. Er hatte das Wasser und die Nahrung gierig angenommen, noch ehe sein Kopf es verhinderte. Dieser widerliche Körper hatte ihn schon wieder betrogen.

„Du hast zu hastig getrunken. Sicher ist dir deshalb übel geworden. Kannst du mich eigentlich verstehen? Ich habe deine Sprache in der Schule gelernt, aber ich sprech sie nicht sonderlich gut.“

Korus lehnte sich zurück gegen den Baum und öffnete ganz langsam die Augen. Ah, ein Käfer, wie er gedacht hatte. Nun, es war ein Mensch, aber ebenso gut hätte es ein Käfer sein können. Beide waren von etwa gleichem Wert für ihn. Unwichtige, überflüssige Kreaturen, stinkend, auf der Erde kriechend. Er antwortete nicht. Der Käfer sollte einfach davonkrabbeln.

„Du musst noch mehr Wasser trinken. Hier, du kannst meinen Schlauch haben. Siehst du den Fluss? Er ist nicht weit. Komm, ich bringe dich dorthin. Was ist dir denn nur geschehen? Bist du verletzt?“, plapperte der Käfer und musterte Korus von Kopf bis Fuß.

Ja, ich wünschte, ich wäre verletzt. Dann hätte ich es schon hinter mir, dachte Korus erschöpft. Bei seinen verfluchten Brüdern, was gab dieses Insekt nur ständig von sich?

„Hörst du mich? Antworte doch! Ich kann dich auch zu einem Heiler bringen, aber die Stadt ist noch weit entfernt.“

Warum denkst du, bin ich so weit gelaufen, du elender Wurm? Damit ich die Stadt voller stinkender Menschen weit genug hinter mir lasse und nicht gestört werde!

„Zieh ab, du …“ Der Fluch erstarb auf Korus‘ Lippen.

„Oh nein, du hast Wahnvorstellungen. Wie lange hast du nichts mehr getrunken? Warte, wenn du aufstehen kannst, helfe ich dir, und wir gehen zusammen zum Fluss“, erwiderte der menschliche Käfer und schon fühlte Korus, wie sein immer noch viel zu muskulöser Körper um die Schulter gepackt wurde und jemand versuchte, ihn nach oben zu ziehen. „Los jetzt! Du musst mithelfen.“

Ah, würde dieser Mensch, jemals still sein? Er könnte mit ihm kämpfen – nein, er war nicht mehr bei Kräften. Würde der Kerl ihn in Ruhe lassen, wenn er ihm zum Fluss folgte? Aber dann würde alles von vorn beginnen. Hmm, sicher würde sein geschwächter Körper nicht noch einmal fünf Tage brauchen, um die Schwelle des erlösenden Todes zu erreichen.

Er blinzelte zu dem Käfer. Ein junger Kerl, groß und mit dunklem, glattem Haar, stand vor ihm. Für Korus‘ verbliebene Dämonenessenz sah der aus wie alle anderen Kreaturen dieser Welt. Aber sein menschliches Hirn zwang ihn, den jungen Mann für einen Moment schön zu finden. Hatte er nicht große, dunkelbraune Augen, die ihn fragend anblickten? Und noch etwas lag in diesen Augen. Frechheit! Frech und verwegen war der Blick dieses niederen Wesens. Korus sah genauer hin.

Eine gerade Nase und schön geformte, nicht zu breite Lippen. Das Gesicht war ebenfalls schmal, die Wangenknochen hoch angesetzt und das Kinn war energisch. Ein tiefer Seufzer brach aus Korus heraus. Dieses verdammte menschliche Hirn war einer der Gründe, warum er überhaupt hier saß. Wenn er nicht auf der Hut war, zwang es ihm närrische Gedanken auf. Gedanken, würdig eines Käfers, aber nicht eines Gottes der achtzehnten Hölle. Schwach hob er seine Hand in einer abwehrenden Geste, doch der Kerl ließ einfach nicht locker.

„Kannst du mithelfen? Du bist zu schwer, alleine schaffe ich es nicht.“ Der Kerl sprach ganz dicht an Korus‘ Ohr.

Das Wasser und das Apfelstück gaben ihm gerade genug Kraft, um seine Muskeln anzuspannen und sich von dem ächzenden Kerl nach oben ziehen zu lassen. Er fühlte, wie er gegen den Baum gelehnt wurde, und schon wieder rann Wasser seine Kehle hinunter. Dieses Mal kämpfte er nicht dagegen an. Er würde das Spiel einfach mitspielen. Sein Körper würde bald erholt wirken und der Mensch von ihm ablassen.

„Was ist denn mit dir? Bist du überfallen worden? Bist du krank?“

Da! Schon ging das Geplapper weiter! Korus überlegte, ob er genug Kraft in sich hatte, diesem widerlichen Menschen kurzerhand den Hals zu brechen. Doch dann fiel ihm ein … dieser elende Wurm könnte seine Erlösung sein! Er müsste es nur geschickt genug anstellen, dann würde dieser Menschenmann ihn schon töten! Langsam kam wieder Leben in seinen ausgezehrten Körper.

„Ja, krank … ich bin krank! Nach der langen Zeit, konnte er die Wörter nur krächzen. „Hilf mir! Kä … Mensch.“

Der junge Kerl, den Korus gerade zu seinem Mörder, nein, seinem Erlöser erkoren hatte, schüttelte den Kopf und verengte die Augen. „Was tue ich denn die ganze Zeit? Sieht es aus, als würde ich hier Beeren sammeln? Ich helfe dir doch schon. Wenn du meine Sprache sprichst, dann hilf gefälligst mit! Ich bringe dich zum Fluss, aber du musst auch etwas tun. Sonst … sonst ziehe ich dich an den Armen über den Boden.“

Frech! Die Dreistigkeit stand diesem Kerl also nicht nur in den Augen. Gleich, Junge, gleich wirst du erleben, wie Korus der Verschlinger seinen Kiefer aushakt und dich mit einem Bissen in seinen Magen befördert, wollte er rufen. Da fiel ihm ein, dass er seinen Kiefer nicht mehr aushaken konnte, und so ein großer Menschenmann passte ebenfalls nicht mehr in seinen Mund. Außerdem, wenn er dieses Insekt aus der oberen Welt auffressen würde, dann … dann könnte der ihn nicht mehr töten. Korus rollte mit den Augen, seufzte und legte angewidert einen Arm um den frechen Kerl. Obwohl dieser Mensch schlank war, wirkte sein Körper gestählt und seine Schultern stark. Ja, der starke Mensch würde ihn mit Sicherheit töten können.

„So ist es besser“, sagte der Kerl nun, als würde er mit einem Kind reden. Korus schnaufte verächtlich und versuchte, einen Schritt im Gras zu tun. Sofort gaben seine geschwächten Beine nach. Sein Erlöser fasste ihn schnell um die Brust und hielt ihn aufrecht.

„Bei allen Höllenkreaturen, so wird das nichts! Hier. Iss den Apfel ganz auf. Vielleicht geht es dir dann besser.“

Korus ließ zu, dass der Kerl mit dem flotten Mundwerk und dem unverschämten Blick ihm den Apfel so lang immer wieder in den Mund steckte, bis er völlig abgenagt war. Achtlos warf der Mensch die Überreste ins Gras. „Schaffst du es jetzt?“, fragte er.

Korus atmete die warme Sommerluft tief in seine Lungen ein. Zum ersten Mal seit Tagen roch er wieder etwas. Roch den süßen Duft der Blumen und sein Menschenhirn wollte ihm weismachen, dies sei ein angenehmer Geruch.

„Hmm?“, fragte der junge Mann und zeigte ungeduldig mit dem Kinn auf Korus.

„Ja, es geht schon wieder“, brummte er, und versuchte erneut, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Seine Beine waren immer noch wie mit Wasser gefüllt, doch langsam schien es zu gefrieren und sein Stand wurde fester, seine Schritte sicherer. Der Mensch stützte ihn, doch es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie endlich das Flussufer erreichten.

Der Wasserlauf war an dieser Stelle nur so tief wie zwei Männerhände und große, flache Steine lagen im Flussbett. Korus klammerte sich widerwillig an seinen Begleiter und setzte behutsam einen Fuß in das seichte Flussbett. Der Käfer schob ihn ein Stück weiter und schließlich stand Korus aufrecht, an seinen Begleiter gelehnt, im Fluss. Er wollte den Arm des Menschen wegschieben, doch im nächsten Moment verließen ihn erneut die Kräfte. Plötzlich rutschte er auf einem Stein aus. Die starken Arme des Kerls verhinderten, dass er ungebremst aufschlug, aber er konnte Korus nicht halten. Langsam ließ er ihn in den Fluss hinunter, bis Korus auf einem der glatten Steine saß und die Beine ausstrecken konnte.

Oh es tat so gut! Das war mit Abstand das beste Gefühl, dass er seit seiner unfreiwilligen Ankunft auf dieser Ebene verspürte. Das kühle Nass umspülte seine trockene Haut, wusch den Staub und Schmutz der letzten Tage ab und schien seine Kraft zu speisen. Ahhh, nein er würde nicht noch einmal versuchen, das Leben einfach so aus sich herauslaufen zu lassen. Sein verfluchter Menschenkörper war jung und stark, es dauerte viel zu lange und war zu anstrengend, ihn dem Tod zu überlassen. Wenn er sich nur einfach selbst töten könnte. Doch nein, selbst diese Möglichkeit hatten sie ihm nicht gelassen. Verfluchte Dämonenbrut! Es wäre völlig nutzlos, wenn er seinen Tod kraft eigener Gewalt herbeiführen würde. Ein Hauch von Anerkennung schwang in Korus’ Gedanken, während er seine Hände ins Wasser tauchte, und sie über seine Beine streichen ließ.

Jetzt hatte er ja endlich einen Ausweg gefunden. Korus musste grinsen. Das rettende Nass wusch die vertrockneten Schuppen von seiner spröden Haut. Dieser Mensch da, der vor ihm im Fluss stand und jetzt die Hand ausstreckte, dieser vorlaute Kerl, der würde es für ihn tun. Der würde ihn töten! Korus wusste nur noch nicht genau wie, aber wenn er erst wieder bei Kräften war, würde es ihm schon einfallen.

 

Kapitel 2

 

Der Mensch stand vor Korus im seichten Wasser und füllte den Wasserschlauch erneut. Korus saß immer noch im Fluss und hatte nicht vor, das türkisfarbene Wasser heute wieder zu verlassen. Es fühlt sich so gut an, dachte er. Mit den Fingern tastete er vorsichtig nach seinen wunden Lippen.

„Trink das! Am besten alles. Was glotzt du eigentlich so?“ Der junge Kerl hielt ihm den Wasserschlauch vor die Nase.

Korus verengte wütend die Augen. Alle bösen Flüche wollte er diesem Krabbeltier an den Kopf werfen. Dann fiel ihm sein Vorhaben wieder ein. Er verzog den Mund zu etwas, das an ein menschliches Lächeln erinnern sollte, und nahm das Getränk. Er dachte nicht einmal mehr nach. Schon rann die rettende Flüssigkeit durch seine Kehle und füllte seinen Magen. Hastig trank er den Inhalt des Schlauches in einem Zug. Das Wasser schien sich von seinem Magen aus durch seinen Körper auszubreiten, und alle ausgetrockneten, durstigen Stellen saugten es gierig auf.

Langsam lichtete sich der Nebel in seinem Kopf. Er tauchte den Wasserschlauch selbst erneut ein und trank ihn noch einmal leer. Dieses Mal spülte das kühle Nass auch die Übelkeit aus seinem Körper. Selbst hier im Wasser fühlte Korus, wie seine Bewegungen schneller, kraftvoller wurden. Mit zwei Händen schöpfte er aus dem Fluss und begann, sein Gesicht zu waschen. Dann goss er sich immer und immer wieder Wasser über den Kopf. Seine Lebensgeister, die er so mühevoll hatte vertreiben wollen, kehrten zurück. Er schüttelte seine nassen Haare und sah zu dem Kerl. Der stand immer noch vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt, und blickte ihn kopfschüttelnd an.

„Na, dir hat scheinbar nur Wasser gefehlt. Wirklich krank bist du wohl nicht, sonst würde es dir nicht so schnell besser gehen. Na, komm jetzt raus. Oder willst du im Fluss übernachten?“

„Was geht es dich denn an, wo ich übernachte, du elender Käfer!“, brach es jetzt aus Korus heraus. Sofort schlug er die Hand vor den Mund.

Wut blitzte aus den Augen seines Gegenübers. „Hör mal, du Held aller Wanderer, du bist Gast in meinem Land und ich habe gerade dein Leben gerettet. Und was tust du? Beschimpfst mich und starrst mich schon die ganze Zeit an, als wäre ich eine widerliche Schwarzspinne!“ Für einen Augenblick musterte ihn der Kerl. Dann wandte er sich zum Gehen ab, drehte den Kopf ein wenig und sagte: „Tu jeden Tag etwas Gutes! Das belohnen die Geister des Lichts, hat mir mal ein Priester gesagt. Ich glaube, für heute habe ich den Geistern genug gedient. Es sollte goldene Äpfel für mich regnen. Hab noch viel Spaß in Valan, Grünthaler! Und hol dir keinen Schnupfen im Fluss.“ Und schon war er aus dem Flussbett gestiegen und machte Anstalten, weiterzuziehen.

„Warte! … Bi… Warte noch“, rief Korus ihm laut hinterher. Oh nein, nein, er durfte den Menschen nicht beleidigen. Der Kerl sollte ihn doch töten! Wenn das geschafft war, wenn er nur wieder in seine Hölle gefahren war, dann … dachte Korus verächtlich, dann könnte er in all seiner Pracht wiederkommen und diesen dreisten Käfer foltern, verfluchen und verschlingen. Aber bis zu diesem Zeitpunkt musste er sich zusammenreißen. Wie nannten die Menschen es noch mal? Freundlichkeit! Er müsste freundlich sein. Die wenigen Reste seiner Dämonenessenz zwangen Korus schon bei dem Gedanken an Freundlichkeit, zu würgen. Er fühlte seine Gesichtszüge erst versteinern und schließlich schob er seine Mundwinkel Stück für Stück nach oben. Offensichtlich wirkte das nicht ganz so, wie er beabsichtigt hatte. Sein zukünftiger Mörder drehte sich auf dem Absatz seiner Stiefel herum und zuckte sofort mit dem Kopf zurück.

„Ich … ich war nur verwirrt. Verzei… also es war nicht so gemeint. Komm zurück und hilf mir hier raus“, hörte Korus sich sagen. Ja. Ja doch. Das klang recht freundlich, fand er.

Für einen Moment legte der junge Mensch den Kopf zur Seite und sah ihn prüfend an. Mit einem gemurmelten: „Bei allen verfluchten Höllen“, kam er zurück und reichte Korus erneut eine Hand. Korus griff um den Unterarm, um sicherer in den Stand zu kommen. Der Kerl ächzte und zog ihn mit einem Ruck hinauf. „Verdammte Dämonen!“, brummte er und unter weiteren Flüchen, die Korus freuten, schob er ihn aus dem Fluss.

 

Kapitel 3

 

Erleichtert fühlte Korus, dass er eigenständig stehen konnte. Tatsächlich, der Käfer ist ebenso groß wie ich, dachte er überrascht. Für einen Moment sah er in die dunklen Augen, die ihn immer noch misstrauisch anblickten.

„Wo ist eigentlich dein Gepäck?“, fragte der Mensch und trat einen Schritt von Korus zurück.

„Ahhh, siehst du … das ist es ja, was mir passiert ist … Wölfe, ja genau, Wölfe haben mich überfallen. Ich bin vor ihnen weggelaufen und sie müssen mein Gepäck geschnappt haben. Völlig erschöpft konnte ich mich unter diesen Baum retten. Immerhin … bin ich ja ein Gast in deinem Land und kenne mich hier nicht aus.“ Korus musste unwillkürlich mit den Augen rollen. Todesflüche und Höllenfeuer! Er hatte schon tausend Mal besser gelogen. Kein Wunder, dass der junge Kerl jetzt die Augen schon wieder zu engen Schlitzen verengte, und da! Er hatte auch erneut das freche Grinsen im Gesicht.

„Ahhh, Wölfe sagst du? Sag mal, du Grünthaler Riese, hast du heute vielleicht von den blau schimmernden Beeren gegessen, die an den Büschen in den Hainen hier wachsen? Das sind nämlich Tollbeeren, die lassen dich Dinge sehen, die es nicht gibt.“

Korus zuckte mit den Schultern. Nun gut, seine Lüge war nicht so elegant und ausgereift wie üblich, aber was wollte der Mensch nur von ihm?

„Weißt du eigentlich, wo du hier bist?“, fragte der große Kerl und Korus blickte sich um. Es war ihm doch gleich, wo er hier war. Ein widerlich riechender Ort auf der oberen Erde war ihm so unrecht wie der andere. „Hast du dich in den Todessteinen verlaufen? Du bist hier in Valan, mein Freund. Hier gibt es keine wilden Wölfe! Und weißt du warum nicht? Weil hier alle Männer sich in Wölfe verwandeln können. Na? Erinnerst du dich? Du warst doch sicher auf dem Weg in den Tempel? Jetzt im Hochsommer kommt ihr Grünthaler Heiler doch zu Scharen und pilgert in unsere Hauptstadt.“

Grünthal? Valan? Wölfe? Korus verstand kein Wort und war sich sicher, absolut kein Interesse an diesem Geschwätz zu haben.

Jetzt zog der Kerl eine Augenbraue nach oben. „Wer weiß. Vielleicht haben dich wirklich ein paar Jungwölfe erschreckt. Wenn dich die Verwandlung mit vierzehn zum ersten Mal packt, kannst du schon übermütig werden, und mit deinen Freunden durch die Gegend stromern, um arglose Wanderer aus Grünthal zu erschrecken.“ Erneut musterte er Korus und schüttelte den Kopf. „Du bist aber auch zu albern gekleidet. Wie hast du es in dieser Aufmachung nur über die Todessteine geschafft?“