Guy de Maupassant

Marroca & Allouma

Zwei erotische Novellen des Autors von: Bel Ami, Die Nichten der Frau Oberst - Die Schwestern Rondoli - Die Wirtin - Das Zeichen (4 erotische Klassiker), Tag- und Nachtgeschichten und Der Horla

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
musaicumbooks@okpublishing.info
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1699-4

Marroca

Inhaltsverzeichnis


Lieber Freund, Du hast mich gebeten, Dir vom Afrikanischen Boden aus, der mich solange schon anzog, Eindrücke, Erlebnisse und vor allem meine Liebesabenteuer zu beschreiben. Du sagtest, schon im voraus müßtest Du über meine schwarzen Liebschaften lachen und sähest mich bereits in Begleitung einer großen ebenholzdunklen Frau wiederkommen, mit gelbem Kopftuch und in schlotternden auffallenden Gewändern.

Die Maurenmädchen kommen schon noch an die Reihe, denn ich habe schon mehrere gesehen, die mich reizten, in diese Tinte zu tauchen, aber vor der Hand habe ich was Besseres und ganz Eigenes gefunden.

In Deinem letzten Briefe schriebst Du: »Wenn ich die Liebe in einem Lande kenne, kenne ich auch das Land so genau, daß ich es beschreiben könnte, ohne es je gesehen zu haben.« Also höre: hier liebt man mit wahnsinniger Leidenschaft. Vom ersten Tage ab fühlt man eine Art zitternder Glut, ein plötzliches Erwachen der Begierden, eine Schwäche bis in die Fingerspitzen, die unsere Liebesfähigkeit und all unsere Empfindungen bis zur Verzweiflung überreizt. Das geht von der einfachen Berührung der Hand bis zu jenem unnennbaren Zwange, der uns soviel Dummheiten begehen läßt.

Wohlverstanden, ich weiß nicht ob es das, was man Herzensneigung, Seelenliebe, ideale, kurz platonische Liebe nennt, unter diesen Breiten giebt. Ich zweifle sogar daran. Aber die andere Liebe, die der Sinne, die auch ihr Gutes hat, wird in diesem Klima wirklich fürchterlich. Diese Hitze, diese fiebererregende fortwährende Siedetemperatur der Luft, diese erstickenden Südwinde, diese Feuerfluten aus der nahen großen Wüste, dieser schwere Sirokko, der mehr brennt und frißt denn Flammen, diese unausgesetzte Feuersbrunst in der der ganze Erdteil steht, den die ungeheuere sengende Sonnenglut bis zu den Steinen in Brand gesetzt — alles das macht das Blut kochen, entzündet das Fleisch, weckt das Tier.

Aber ich komme zu meiner Geschichte. Über die erste Zeit meines Aufenthaltes in Algerien will ich nicht weiter reden. Nachdem ich Bona, Constantine, Biskra und Setif besucht, kam ich über den Chabet-Paß. Ein unvergleichlicher Weg ist das, mitten durch Kabylenwälder, zweihundert Meter über dem Meere hin in Serpentinen bis zum wundervollen Meerbusen von Bougie! Er ist ebenso schön als die von Neapel, Ajaccio und Douarnenez, die prachtvollsten die ich kenne, vielleicht abgesehen von der von rotem Granit umsäumten Wunderbucht von Porto an der Westküste Korsikas.

Ehe man das wogenstill daliegende große Becken umgangen, sieht man schon von weitem, ganz fern Bougie liegen. Es ist auf den Abhängen eines hohen bewaldeten Berges erbaut. Und erscheint einem wie ein weißer Fleck auf dem grünen Abhang, als wäre es der Gischt eines dort sich ins Meer stürzenden Wasserfalles.

Sobald ich nur einen Fuß in dieses winzige Städtchen gesetzt, wußte ich, daß ich dort länger verweilen würde. Überall bietet sich dem Auge ein weiter Kreis von Bergspitzen, die krumm, zersägt, als Hörner und Zacken sich so eng zusammenschließen, daß man kaum das offene Meer erkennen kann, und der Meerbusen wie ein See aussieht. Das blaue, milchblaue Wasser ist wunderbar durchsichtig, und darüber wölbt sich in märchenhafter Schönheit der azurblaue Himmel, der ausschaut als trüge er eine doppelte Farbschicht! Eines scheint sich im andern zu spiegeln und seine Strahlen zurückzuwerfen.

Bougie ist eine Ruinenstadt. Wenn man ankommt erblickt man am Quai ein so prachtvolles altes Gemäuer, daß man denken könnte, es wäre eine Theaterdekoration. Es ist das alte, epheuumrankte Sarazenenthor. Und rings um die Stadt liegen in den Wäldern am Bergeshang überall Ruinen, stehengebliebene römische Mauern, Überbleibsel Sarazenischer Denkmäler, Reste arabischer Bauten.

Im hochgelegenen Teile der Stadt hatte ich ein kleines maurisches Haus gemietet. Du kennst diese Wohnungen. Sie sind oft beschrieben worden. Nach außen haben sie keine Fenster, aber der Innenhof giebt ihnen Licht von oben bis unten. Im ersten Stock enthalten sie einen großen kühlen Raum, in dem man sich den Tag über aufhält und ganz oben eine Terrasse, wo man die Nacht verbringt.

Sofort nahm ich die Sitten der heißen Länder an, das heißt, ich hielt meine Siesta nach dem Frühstück. Das ist die heißeste Zeit in Afrika. Da kann man kaum atmen. Dann sind Straßen, Ebenen und die langen, das Auge blendenden Wege menschenleer. Alles schläft, oder sucht doch wenigstens zu schlafen und zwar so wenig bekleidet als nur irgend möglich.

In meine arabische Säulenhalle hatte ich ein großes weiches Divan gestellt, mit einem Djebel-Teppich bedeckt. Dort streckte ich mich — beinahe in Adamskostüm aus. Aber ich fand keine Ruhe, so quälte mich meine Enthaltsamkeit.

Ach lieber Freund, hier giebt es zwei Qualen, die ich Dir nicht wünsche: Wasser-und Weibermangel. Ich weiß nicht, welches von beiden schlimmer ist. Um ein Glas klares, frisches Wasser würde man in der Wüste jede Gemeinheit begehen. Und was gäbe man wohl in gewissen Küstenstädten um ein schönes, frisches, gesundes Mädchen? Mädchen fehlen nämlich nicht in Afrika! Im Gegenteil, es giebt ihrer im Überfluß, aber, um bei meinem Vergleiche zu bleiben, sie sind dort alle ebenso ungesund und verfault, wie das Schlammwasser der Brunnen in der Sahara.

Wie ich nun eines Tages, noch entnervter als sonst, vergeblich zu schlafen suchte, meine Kniee zitterten, und ich mich wie in Beklemmungen unruhig auf dem Teppich wälzte, hielt ich’s nicht mehr aus, stand auf und ging aus.

Es war ein glühender Julinachmittag. Das Straßenpflaster war so heiß, daß man darauf hätte Brot backen können. Das Hemd war sofort naß und klebte am Körper. Und über den ganzen Horizont zog sich weißer Dunst, jene glühende Sirokkolauge, greifbarer Hitze zu vergleichen.

Ich stieg zum Meere hinab und ging um den Hafen herum längs der hübschen Bucht, wo die Bäder liegen. Der schroffe, mit Büschen und starkduftenden Pflanzen bewachsene Berg zieht sich im Bogen um die Bucht, in die das Ufer entlang mächtige braune Felsen tauchen.