Kühl, Prof. Dr., Michael; Kühl, Dr., Susanne Prüfungen erfolgreich bestehen

Johannes Wöstemeyer
Lisa Siegmund

Prüfungen erfolgreich bestehen im Fach Mikrobiologie

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Haupttitel

Die UTB-Reihe

Inhaltsverzeichnis

Über den Autor

Impressum

Reihentitel

Vorwort

1Bakterien

Übungen zu Kapitel 1

2Archäen

Übungen zu Kapitel 2

3Bakteriophagen

3.1Genome

3.2Formen

3.3Phagen bilden Plaques

3.4Lebenszyklen

3.5Restriktion

3.6Anwendung im Labor

Übungen zu Kapitel 3

4Pilze

4.1Allgemeines

4.2Organismische Vielfalt

4.2.1Chytridiomycota und Nachbargruppen

4.2.2Zygomycota und Nachbargruppen

4.2.3Ascomycota

4.2.4Basidiomycota

4.3Pilzähnliche Organismen

4.3.1Oophyten

4.3.2Mycetozoa

Übungen zu Kapitel 4

5Protozoen

Übungen zu Kapitel 5

6Lebensentstehung

6.1Ursuppe

6.2Urpizza

6.3Hydrothermale Quellen der Tiefsee

6.4Bildung von Kompartimenten

Übungen zu Kapitel 6

7Grundlegende Arbeitstechniken

7.1Organismische Vielfalt – fast gleiche Arbeitstechniken

7.2Das Medium

7.3Sterilisation

7.4Herstellung von Reinkulturen

7.5Arbeiten mit Stammlösungen

7.6Photometrie

7.7Dünnschichtchromatographie

7.8Gelelektrophorese

7.9Mikroskopie

7.10Umgang mit Messwerten

Übungen zu Kapitel 7

8Wachstum von Mikroorganismen

8.1Petrischalen und andere Kulturgefäße

8.2Medium

8.3Wachstumskinetik

8.4Bestimmung des Titers

Übungen zu Kapitel 8

9Energiestoffwechsel: Gärung, Atmung, Photosynthese

9.1Woher kommt die Energie zum Leben?

9.2Atmung liefert viel ATP

9.3Kopplung von Katabolismus und Synthesestoffwechsel

9.4Gärung – die Alternative zur Atmung

9.5Photosynthese

9.6Elektrolithoautotrophie

Übungen zu Kapitel 9

10Bakteriengenetik

10.1Genstruktur

10.2Genomstruktur

10.3Mutationen und Mutanten

10.4Parasexualität

10.5Entwicklungsgenetik

Übungen zu Kapitel 10

11Krankheitserreger

Übungen zu Kapitel 11

12Hygiene

Übungen zu Kapitel 12

13Antibiotika

Übungen zu Kapitel 13

14Biotechnik

Übungen zu Kapitel 14

15Antworten

Kapitel 1: Bakterien

Kapitel 2: Archäen

Kapitel 3: Bakteriophagen

Kapitel 4: Pilze

Kapitel 5: Protozoen

Kapitel 6: Lebensentstehung

Kapitel 7: Grundlegende Arbeitstechniken

Kapitel 8: Wachstum von Mikroorganismen

Kapitel 9: Energiestoffwechsel: Gärung Atmung, Photosynthese

Kapitel 10: Bakteriengenetik

Kapitel 11: Krankheitserreger

Kapitel 12: Hygiene

Kapitel 13: Antibiotika

Kapitel 14: Biotechnik

Literatur

Über den Autor

Johannes Wöstemeyer stammt aus dem Ruhrgebiet und ist seit 1993 Professor für Mikrobiologie und Mikrobengenetik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf der Entwicklungsgenetik sexueller und parasitischer Prozesse bei evolutionär alten Pilzen und auf der Bedeutung des horizontalen Gentransfers für die Evolution.

Lisa Siegmund hat ihre Wurzeln in Thüringen und arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena am Lehrstuhl für All-gemeine Mikrobiologie und Mikrobengenetik. Sie promoviert mit licht- und elektronenmikroskopischen sowie genetischen Ansätzen über die mechanistischen Ursachen der Entstehung von Endosymbiosen bei Protozoen.

Impressum

Quellennachweis

Alle Abbildungen in diesem Buch sind von Bernd Burkart auf Grundlage der Darstellungen der Autoren neu erstellt.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2017 Eugen Ulmer KG

Wollgrasweg 41, 70599 Stuttgart (Hohenheim)

E-Mail: info@ulmer.de

Internet: www.ulmer-verlag.de

Produktion: primustype Hurler GmbH | v1

ISBN 978-3-8252-4680-8 (Print)

ISBN 978-3-8463-4680-8 (E-Book)

Reihentitel

Prüfungen erfolgreich bestehen

herausgegeben von

Prof. Dr. Michael Kühl und Dr. Susanne Kühl

weitere Titel in Planung:

Prüfungen erfolgreich bestehen im Fach …

bereits erschienen:

Prüfungen erfolgreich bestehen im Fach …

Vorwort

Der Anspruch an ein Übungsbuch kann sehr hoch sein. Manch ein Leser erhofft sich, exakt die richtigen Fragen zu finden, also am besten ausschließlich solche, die in Prüfungen demnächst gestellt werden. Diese Erwartung können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfüllen. Gerade die Mikrobiologie ist ein breit angelegtes Fach mit hohem integrativen Charakter. Die Trennung in Teildisziplinen, etwa Morphologie, Systematik, Physiologie und Genetik, ist hier lange nicht so ausgeprägt wie in anderen Fächern. Außerdem befasst sich kaum eine andere Disziplin mit allen drei Domänen der Lebewesen, den Bakterien, Archäen und Eukaryonten. Es liegt nahe, dass schon wegen dieser inhaltlichen Breite das Fach Mikrobiologie überall anders definiert und ausgefüllt wird. Dennoch gibt es Grundlagen, die an fast allen Orten in irgendeiner Form berücksichtigt werden. Darauf haben wir uns konzentriert.

In mancher Hinsicht kann man sich mit einem Übungsbuch eine Abkürzung zum Prüfungserfolg erarbeiten. Allein der Umgang mit Fragen, nämlich den damit verbundenen Recherchen und der Notwendigkeit, sich klar für eine Antwort entscheiden und diese auch in verständlicher Form formulieren zu müssen, hilft erheblich.

Unser Übungsbuch stellt Fragen an den Leser. In den Einführungen zu den Themengebieten wird der Rahmen aufgespannt, in den sich die Fragen einordnen. Da es jedoch kein Lehrbuch ist, kann man nicht erwarten, ausschließlich mit Hilfe des Buchs selbst alle Fragen beantworten zu können. Die Zusammenstellung soll den Leser trainieren, aus den Inhalten von Vorlesungen, Praktika und Seminaren und natürlich aus Lehrbüchern das benötigte Wissen zusammenzutragen. Wir haben zur Verdeutlichung oft Zeichnungen angefertigt. Diese sind stilistisch in etwa so gehalten, wie man sie von Ihnen als Skizzen in Prüfungen erwartet. Ganz sicher wird man Sie in Klausuren häufig bitten, einen Sachverhalt zeichnerisch darzustellen. In mündlichen Prüfungen ist so etwas ebenfalls die Regel. Die hier verwendete Form soll Ihnen als Orientierungshilfe dienen.

Die meisten Fragen haben eine Vorgeschichte und sind in unserem eigenen Umfeld vielfach gestellt und beantwortet worden, entweder als Vorbereitungsaufgaben für das Mikrobiologische Anfängerpraktikum, als Klausurfragen zur Mikrobiologischen Grundvorlesung oder zum Praktikum. Zusätzlich haben wir die Themen der Staatsexamensabschlussklausuren für das Lehramt aufgenommen, sofern sie in den Kontext passen.

Wir haben verschiedene Fragentypen aufgenommen – diese reichen von sehr einfach strukturierten Entscheidungen anhand richtiger oder falscher Aussagen, über Lückentexte, Rechnungen, experimentelle Auswertungen bis hin zur frei formulierten Antwort in Aufsatzform. Damit decken wir einen großen Bereich möglicher Prüfungsfragen ab.

Bei der Auswertung von Klausuren sehen wir eine ganze Reihe sich ständig wiederholender Schwächen. Dieses Übungsbuch gibt uns die Möglichkeit, Tipps für die Vermeidung gerade solcher Fehler zu geben und die wichtigsten Anforderungen der Trainingsaufgaben kurz zusammenzufassen:

Unser Dank geht besonders an die Mitarbeiter im Mikrobiologischen Praktikum, die in Gesprächen über Lehre in erheblichem Maße beigetragen haben, dieses Buch an den Anforderungen der Studierenden auszurichten. Zurzeit sind das gemeinsam mit uns Frau Sabrina Ellenberger, Frau Emilia Schulz und Frau PD Dr. Anke Burmester. Dank gebührt auch den Herausgebern der Buchreihe, Herrn Professor Dr. Michael Kühl und Frau Dr. Susanne Kühl, und besonders der hilfreichen Frau Sabine Mann vom Verlag, die auch dann noch geduldig ist, wenn alles länger dauert als gedacht.

Unseren Lesern wünschen wir viel Erfolg bei der Prüfungsvorbereitung und hoffen mit Ihnen auf gute Bewertungen.

Jena, im November 2016

Lisa Siegmund, Johannes Wöstemeyer

1Bakterien

Die bakterielle Welt ist genetisch, physiologisch und sogar morphologisch außerordentlich vielfältig. Dennoch entdeckt man bei der Betrachtung grundlegender zellbiologischer Eigenschaften genügend Gemeinsamkeiten, um einen bakteriellen Typus definieren zu können. Die Größe der Zellen gehört durchaus nicht dazu. Die kleinsten bekannten Bakterien sind nicht länger als 0,3 µm (1 µm = 10–3 mm), die größten kann man mit etwa 1 mm Länge bequem mit bloßem Auge sehen. Charakteristischer ist der Blick auf die Kompartimentierung der Zellen mit Membranen. Eukaryontische Zellen haben mehr morpho­logisch abgegrenzte Reaktionsräume als Bakterien. Zellkern, Mito-chondrien und Plastiden sind gut erkennbar und anhand der dort stattfindenden Reaktionen sehr gut charakterisiert. Allerdings darf man sich die bakterielle Zelle durchaus nicht wie einen Sack vor­stellen, in dem die Reaktionen unkoordiniert ablaufen. Auch hier sind sehr viele Reaktionen membrangebunden und es gibt sogar Bakterien, aus der Planctomyces/Gemmata-Gruppe, deren Genom zellkern­artig von Membranen umschlossen ist (Abb. 1.1).

Abb_1_1

Abb. 1.1 Bakterien der Planctomyces/Gemmata-Gruppe haben das Zellkernprinzip erfunden: Das Genom ist in eine Membranhülle verpackt.

Das bakterielle Genom besteht im typischen Fall aus einem einzigen, ringförmigen DNA-Molekül. Diese Regel gilt jedoch nicht für alle Bakterien. Die Größe bakterieller Genome variiert zwischen 0,6 und etwa 14 Millionen bp (Basenpaare) (Tab. 1.1). Somit gibt es durchaus Genome in Prokaryonten, die größer sind als die Genome einfacher Eukaryonten (Bäckerhefe: ca. 12 Millionen bp). Tendenziell haben die Genome obligater Parasiten kleinere Genome, weil sie im Laufe der Evolution Gene verlieren. Typisch für viele bakterielle Gruppen sind Plasmide, meist kleine, ringförmige DNAs, die zusätzlich zum Genophor vorkommen und oft für zusätzliche Stoffwechselwege oder Antibiotikum-Resistenzen kodieren. Auch scheinbar kleine DNA-Moleküle sind ausgestreckt sehr lang. Eine DNA von 3 Millionen bp ist etwa 1 mm lang. Da bakterielle Zellen im typischen Fall nur wenige µm lang und 1 µm dick sind, wird die DNA in engen Schleifen um basische Proteine gewickelt, damit sie in der Zelle Platz findet.

Der Transkriptionsapparat der Bakterien weist über alle Gruppen hinweg sehr große Ähnlichkeiten auf. Die Promotoren teilen funktionell vergleichbare Sequenzmotive, und die Zusammensetzung der Untereinheiten der RNA-Polymerase ist sehr ähnlich (Abb. 1.2). Für die Erkennung der Promotoren ist insbesondere die σ-Untereinheit der Polymerase zuständig. Viele Bakterien benutzen mehrere verschiedene σ-Faktoren und schaffen damit die Basis für eine zeit- oder entwicklungsabhängige Regulation der Transkription.

Tab. 1.1 Genomgrößen ausgewählter Bakterien

Bakterium

Vorkommen

pathogen?

Genomgröße/Mbp
(Megabasenpaare)

Mycoplasma genitalium

Schleimhäute Mensch

ja

0,58

Mycoplasma pneumoniae

Lunge Mensch

ja

0,82

Borrelia burgdorferi

Zecke/Säugetiere

ja

0,91

Treponema pallidum

Mensch (Syphilis)

ja

1,1

Helicobacter pylori

Magenwand/Mensch

ja

1,67

Synechocystis sp.

Süßwasser (Photosynthese)

nein

3,57

Escherichia coli

Dickdarm Mensch

nein

4,64

Bacillus subtilis

Boden (Endosporenbildner)

nein

4,21

Streptomyces coelicolor

Boden (Exosporenbildner)

nein

8,67

Ktedonobacter racemifer

Boden (Chloroflexus-Gruppe)

nein

13,66

Abb_1_2

Abb. 1.2 Schematischer Aufbau der bakteriellen RNA-Polymerase

Bakterien haben charakteristische, biochemisch eindeutig erkennbare Ribosomen mit weitgehend konstanten Eigenschaften. Der grundsätzliche Aufbau aus zwei Untereinheiten mit definierten Sedimentationskonstanten, 30 S (Svedberg-Einheit) und 50 S, ist immer gleich, während das komplette Ribosom in der Ultrazentrifuge mit 70 S sedimentiert (Abb. 1.3). Auch Anzahl und Größe der ribosomalen RNAs und der ribosomalen Proteine sind sehr gut vergleichbar. Die Funktion bakterieller Ribosomen ist besonders bei den beiden großen Modellorganismen, dem Gram-negativen Enterobakterium Escherichia coli und dem Gram-positiven Sporenbildner Bacillus subtilis, im Detail studiert. Hier wurden die meisten Erkenntnisse über Ablauf und Regulation der Translation gewonnen.

Abb_1_3

Abb. 1.3 Schematischer Aufbau bakterieller Ribosomen

Die bakterielle Zelle ist von der Zellmembran umgeben, die wie in allen anderen Zellen die Reaktionsräume des Cyto-plasmas nach außen abschließt und mithilfe zahlreicher, biochemisch sehr verschiedener Transportkanäle und Transportmechanismen den Im- und Export benötigter bzw. nicht mehr benötigter Substanzen vermittelt. Für alle Substanzen, die durch die Membran transportiert werden müssen, gibt es sehr spezifisch arbeitende Transporter. Die Grundstruktur der Membranen, nämlich die Doppelschicht aus Fettsäure-
estern des Glycerins, ist für alle wasserlöslichen Substanzen und natürlich auch für Wasser selbst undurchlässig. Die Membraneigenschaften werden in erheblichem Maße von den Verhältnissen zwischen den vielen möglichen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren beeinflusst. Eine Besonderheit bakterieller Membranen ist die Einlagerung der Hopanoide, die wie Sitosterin in Pflanzen, Ergosterin in Pilzen oder Cholesterin in Tieren für die Stabilität der Membranen sorgen und wegen wechselnder Mengen auch helfen, die Membranfluidität zu mo­dulieren.

An die Membran schließt sich nach außen die Zellwand an. Zellwände sind in der Natur zwar durchaus keine Seltenheit, schließlich sind sie charakteristisch für die Archäen, Pilze und Pflanzen, doch hat die gesamte Tierwelt auf Zellwände verzichtet. Die bakterielle Zellwand ist chemisch gut definiert. Die typische Substanz ist das Murein. Das ist primär ein einfaches Copolymer aus N-Acetylglucosamin und N-Acetylmuraminsäure. Die Muraminsäure bringt ein über eine Ether­brücke gebundenes Milchsäuremolekül ein. Das Carboxylende dieser Säure erlaubt der Zelle, die linearen Polysaccharidketten über Peptid­seitenketten zu einem einzigen, mehrdimensionalen Makromolekül rings um die Zelle zu vernetzen. Diese sehr widerstandsfähige Wand schützt die bakterielle Zelle vor den Auswirkungen starker Turgor-Schwankungen und auch vor mechanischen Einflüssen. Andererseits sollte man sich gelegentlich fragen, welchen biochemischen Aufwand diese gepanzerten Zellen treiben müssen, um überhaupt wachsen und sich teilen zu können?

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Hans-Christian Gram eine Färbetechnik, die nur manche Bakterien gut färbte, während andere durch Waschen mit Ethanol sehr schnell entfärbt wurden. Der Farbstoff, das Kristallviolett, bildet in Gegenwart von Iod und Iodid einen gut sichtbaren violetten Farblack, der besonders gut von dicken Wänden zurückgehalten wird (Gram-positiv), während er aus dünnen Wänden mit Ethanol schnell ausgewaschen wird (Gram-negativ). Fast alle bakteriellen Gruppen verhalten sich in der Färbung Gram-negativ. Die wichtigste Gram-positive Gruppe bildet ein Monophylum, zu dem neben anderen die sporenbildenden Bacillus-Arten gehören.

Bakterien lagern viele verschiedene Stoffe im Cytoplasma ab. Ein wichtiger Speicherstoff ist etwa die Poly-β-hydroxybuttersäure, ein plastisch verformbarer Polyester mit durchaus erwähnenswerter technischer Bedeutung. Dazu kommen viele andere Zelleinschlüsse, wie etwa die Magnetosomen aus paramagnetischen Eisenoxiden solcher wasserbewohnender Bakterien, die sich mithilfe der vertikalen Komponente des magnetischen Erdfeldes orientieren können und damit „oben“ und „unten“ unterscheiden.

Bakterielle Zellen erscheinen auch an der Außenseite erstaunlich komplex. Eine Reihe von Anhängseln mit sehr verschiedenen Funktionen zwischen Adhäson, Motilität und parasexuellem Gentransfer kann man elektronenmikroskopisch gut unterscheiden. Fimbrien, Geißeln und Pili (Singular: der Pilus) sind sehr häufig. Dazu kommen bei etlichen Bakterien zum Teil sehr ausgedehnte Kapseln und Schleimhüllen aus Proteinen (eher seltener) und Polysacchariden (sehr häufig), die für die Adhäsion auf dem Substrat wichtig sind und etwa bei Krankheitserregern wichtige Funktionen zum Schutz der Bakterien vor den Attacken der Immunabwehr übernehmen.

Prokaryonten weisen eine unglaublich hohe Vielfalt an Möglichkeiten zur Bestreitung ihres Energiestoffwechsels auf. Als Grundregel mag dienen, dass nahezu jede in dem Milieu der lebenden Zelle mögliche Reaktion, deren Energiedifferenz ausreicht, die Synthese von ATP zu treiben, bei irgendwelchen Bakterien auch gefunden wird. Der allergrößte Anteil dieser Vielfalt ist auf dem evolutionären Pfad von den Prokaryonten zu den Eukaryonten wieder verloren gegangen. Tabelle 1.2 gibt eine Übersicht über die grundsätzlichen Möglichkeiten in den Organismengruppen.

Tab. 1.2 Grundsätzliche Wege zur Energiegewinnung der Organismen

Organismengruppe

Energiequelle

Kohlenstoffquelle

Fachausdruck

Pflanzen

Licht

CO2

Photoautotrophie

Tiere

organische Verbindungen

organische Verbindungen

Chemoheterotrophie

Pilze

organische Verbindungen

organische Verbindungen

Chemoheterotrophie

Bakterien

organische Verbindungen

organische Verbindungen

Chemoheterotrophie

Bakterien

anorganische Verbindungen

CO2

Chemolithoautotrophie

Bakterien

anorganische Verbindungen

organische Verbindungen

Chemolithoheterotrophie

Bakterien

Licht

organische Verbindungen

Photoheterotrophie

Bakterien

Licht

CO2

Photoautotrophie

Bakterien

Elektronen

CO2

Elektrolithoautotrophie

Wie eukaryontische Organismen auch können Bakterien Energie, also letztlich ATP, aus Atmungs- oder Gärungsprozessen beziehen.

Das Wesen der Atmung besteht in der Verwendung externer Elek­tronenakzeptoren zur Oxidation des beim Abbau energieliefernder Substrate unvermeidbar entstehenden NADH. Bei Eukaryonten ist der externe Elektronenakzeptor zur Oxidation des NADH aus der Substratkettenphosphorylierung Sauerstoff, der zu Wasser reduziert wird. Daher verbinden wir Atmung normalerweise mit aerober Lebensweise. Das muss nicht so sein. Bei Bakterien und Archäen werden außer Sauerstoff sehr viele verschiedene andere Elektronenakzeptoren benutzt. Außer O2-Atmung gibt es Nitrat-Atmung, Sulfat-Atmung etc. Man kann also problemlos auch anaerob atmen.

Das Wesen der Gärung besteht darin, die Oxidation des NADH zum NAD+, das für die Substratkettenphosphorylierung dringend gebraucht wird, ohne die Verwendung externer Elektronenakzeptoren zu schaffen. Das NADH aus der Substratkettenphosphorylierung wird folglich durch Übertragung der Elektronen auf einen internen Elektronen­akzeptor wieder zu NAD+ oxidiert. Viele Bakterien, aber auch Eukaryonten, benutzen dazu die Brenztraubensäure (Pyruvat), die zu Milchsäure (Lactat) reduziert wird. Bei Bakterien werden sehr viele verschiedene andere Elektronenakzeptoren benutzt. Der Gärungstyp wird nach dem Endprodukt der Elektronenübertragung benannt. Die Namen, etwa Milchsäuregärung, Ethanolgärung, Propionsäuregärung, Gemischte Säuregärung etc., beschreiben also schon recht genau den Typus des Energiestoffwechsels eines Bakteriums.

Uebung Übungen zu Kapitel 1

Ü 1.1

Geben Sie an, welche der folgenden Aussagen zur bakteriellen Sporulation richtig oder falsch sind!

Aussage

richtig

falsch

Bacillus subtilis sporuliert am besten in guten, glucosereichen Medien.

Vor der Initiation der Sporulation wertet Bacillus subtilis Umweltparameter aus.

Die Sporenmutterzellen geben die Sporen durch Knospung ab.

Eine Sporenmutterzelle erzeugt während ihres Wachstums ca. zwei bis drei Sporen.

Sporenspezifische Gene von Bacillus subtilis werden vom Transkriptionsapparat mithilfe alternativer σ-Faktoren erkannt.

Sporen von Bacillus subtilis sind wegen ihres hohen Gehalts an Dipicolinsäure besonders hitzeresistent.

Endosporen sind wegen der Akkumulation einer aromatischen Säure besonders hitzeresistent.

Sporen von Bacillus subtilis sind wegen ihres hohen Gehalts an Dipicolinsäure besonders UV-resistent.

Bacillus subtilis ist ein Gram-negatives, stäbchenförmiges Bakterium.

Bacillus subtilis bildet nur unter aeroben Wachstumsbedingungen Sporen.

Bacillus subtilis-Sporen sind resistent gegen Hitze, Austrocknung, UV-Bestrahlung und gegen viele organisch-chemische Lösungsmittel.

Zur Inaktivierung der Sporen von Bacillus subtilis reicht ein normaler Laborautoklav mit 2 Bar Gesamtdruck nicht aus.

Bacillus-Sporen überstehen die Behandlung mit kochendem Wasser.

Bacillus-Mutterzellen nehmen während der Sporulation besonders viele Calcium-Ionen auf.

Die Sporenwand von Bacillus subtilis ist vielschichtig.

Die Sporenwand von Bacillus subtilis wird zum Teil von der Mutterzelle gebildet.

Bacillus-Sporen können Jahrtausende überdauern.

Myxosporen werden als Exosporen an myzelartig wachsenden Mutterzellen gebildet.

Myxosporen entstehen durch Umwandlung der Mutterzelle zur Spore.

Myxosporen sind besonders hitzeresistente Endosporen.

Clostridium-Sporen überstehen die Behandlung mit kochendem Wasser.

In der Gattung Clostridium werden ausschließlich Endosporen gebildet.

Clostridium-Sporen werden ausschließlich unter anaeroben Bedingungen gebildet.

Bakterien der Gattung Clostridium wachsen zwar anaerob, bilden jedoch Sporen nur unter aeroben Bedingungen.

Die Sporen der Streptobakterien werden als Exosporen an myzelartig wachsenden Mutterzellen gebildet.

Der Differenzierungsweg zur Sporenbildung ist sowohl bei Bacillus als auch bei Streptomyces von mehreren sukzessiv agierenden σ-Faktoren abhängig.

Die Sporen der Streptobakterien überstehen die Behandlung mit kochendem Wasser.

Die Sporen der Streptobakterien sind im Vergleich zu anderen bakteriellen Sporen besonders kälteresistent.

Ü 1.2

Geben Sie an, welche Aussagen zu den genannten bakteriellen Gruppen richtig oder falsch sind!

Aussage

richtig

falsch

Thermotoga-Bakterien zeichnen sich durch Carotinoidbildung aus.

Thermotoga-Bakterien wachsen am besten bei Temperaturen um 80 °C.

Deinokokken sehen wegen ihrer Carotinoide in Kultur oft rötlich aus.

Deinococcus radiodurans übersteht besonders hohe Belastungen mit radioaktiver Strahlung.

Die für die PCR verwendete Taq-Polymerase stammt aus Deinokokken.

Bakterien der Gattung Salmonella sind darmbewohnende, fakultativ anaerobe Sporenbildner.

Bei Bakterien sind die hydrophoben Seitenketten der Membranlipide nicht immer über Esterbindungen an Glycerin gebunden. In der Thermodesulfobacterium-Gruppe findet man Etherbindungen.

Enterococcus faecalis leitet die Konjugation mithilfe eines Quorum-Sensing-Systems auf Peptid-Basis ein.

Bei den Proteobakterien gibt es keine Nitrifizierer, die in Reinkultur Ammoniak zu Nitrat oxidieren können.

Die mit Pseudomonas-Bakterien verwandten Zymomonas-Bakterien können zur Herstellung berauschender Getränke verwendet werden.

Bakterien der Gattung Salmonella sind fakultativ anaerobe, coliforme Enterobakterien.

Aquifex-Bakterien benutzen als Elektronendonoren oft Wasserstoff oder Schwefel in
elementarer Form.

Sowohl Rickettsien als auch Chlamydien sind intrazellulär wachsende Bakterien.

Deinokokken haben ein mit Dipicolinsäure quervernetztes Murein.

Viele Purpurbakterien gewinnen Energie aus anoxygener Photosynthese.

In der Planctomyces/Gemmata-Gruppe wurde das Zellkern-Prinzip verwirklicht.

Ü 1.3

Geben Sie an, welche der folgenden Aussagen zu den Enterobakterien richtig oder falsch sind!

Aussage

richtig

falsch

Enterobakterien haben statt der Cytochrom-Oxidase eine alternative Oxidase.

Enterobakterien sind obligat anaerob.

Enterobakterien haben einen chemoorganoheterotrophen Stoffwechsel.

Das Enterobakterium Serratia marcescens bildet den Farbstoff Prodigiosin.

Alle coliformen Bakterien sind Katalase-bildende Enterobakterien.

Escherichia coli phosphoryliert Lactose bei der Aufnahme in die Zelle.

Escherichia coli kann Lactose hydrolysieren.

Escherichia coli kann Lactose nur in Gegenwart von Glucose hydrolysieren.

Enteroinvasive Escherichia coli-Stämme werden in Darmzellen häufig internalisiert.

Enterohämorrhagische Escherichia coli-Stämme haben durch horizontalen Gentransfer Toxin-Gene aufgenommen, die aus Shigella-Bakterien stammen.

Pathogenitätsrelevante Gene in EHEC-Bakterien sind die Konsequenz einer Phagenkonversion.

Enterohämorrhagische Escherichia coli-Stämme haben durch Phagenkonversion Toxin-Gene aufgenommen, die aus Shigella-Bakterien stammen.

Die Pathogenität der EHEC-Bakterien ist das Ergebnis natürlicher horizontaler Gentransferereignisse.

Das Enterobakterium Pseudomonas aeruginosa verhält sich in der Gram-Färbung Gram-negativ.

Ü 1.4

Sie haben in Reinkultur ein Bakterium mit den folgenden Eigenschaften isoliert:

Beantworten Sie anhand dieser Testergebnisse die folgenden Fragen:

Wie nennt man in der Diagnostik das Ergebnis mit Trimethyl-p-phenylendiamin?

Was schließen Sie aus der Bläschenbildung mit Wasserstoffperoxid?

Was bedeutet die Rotfärbung auf Fuchsin/Sulfit/Lactose?

In welche bakterielle Gruppe gehört dieser Organismus?

In welche bakterielle Gattung gehört der Organismus sehr wahrscheinlich?

Ü 1.5

Welche der folgenden Aussagen zur Zelloberfläche der Bakterien sind richtig, welche falsch?

Aussage

richtig

falsch

Bakterielle Zellwände haben eine fibrilläre Struktur.

Bakterielle Zellwände bilden ein einziges Riesenmolekül, das die gesamte Zelle umgibt.

Die Zellwand der Gram-positiven Bakterien ist dünner als die der Gram-negativen
Bakterien.

Die Grundbausteine bakterieller Zellwand-Polysaccharide sind N-Acetylglucosamin und ein Derivat des N-Acetylglucosamins, das mit Milchsäure verknüpft ist.

Die Grundbausteine bakterieller Zellwand-Polysaccharide sind N-Acetylglucosamin und N-Acetylmuraminsäure.

Teichonsäuren findet man in vielen Zellwänden der Archäen.

Teichonsäuren sind in erheblichem Maße für den anionischen Charakter der Zellaußenseite verantwortlich.

Schleimhüllen sind bei Streptococcus pneumoniae ein wichtiger Pathogenitätsfaktor.

Schleimhüllen verleihen bakteriellen Kolonien eine glänzende Oberfläche.

Schleime pathogener Bakterien stimulieren besonders gut die Immunabwehr der Wirte.

Ü 1.6

Geben Sie an, welche der folgenden Aussagen zur Genetik von Escherichia coli richtig oder falsch sind!