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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Berlin Verlag erschienenen Buchausgabe
1. Auflage 2013

ISBN 978-3-8270-7729-5
Die Originalausgabe erschien 2002 unter dem Titel
L’islam expliqué aux enfants
bei Éditions du Seuil, Paris
© 2002 Tahar Ben Jelloun
Vorwort und Texte im Anhang der erweiterten Ausgabe:
© 2013 Tahar Ben Jelloun
Für die deutsche Ausgabe:
© Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, Berlin 2002
Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg
Datenkonvertierung: psb, Berlin

Erster Tag

Die Schreckensbilder vom 11. September 2001 haben auch vor unseren Kindern nicht Halt gemacht. Die Kommentare in Funk und Fernsehen zu den Terroristen und ihrer Zugehörigkeit zur arabischen und islamischen Welt beschäftigen und beunruhigen sie.

Meine jüngere Tochter fragte mich:

– Papa, bin ich eine Muslimin?

– Ja, genau wie deine Eltern.

– Bin ich auch Araberin?

– Ja, du bist Araberin, auch wenn du nicht arabisch sprichst.

– Aber du hast doch im Fernsehen gesehen: Die Muslime sind bösartig, sie haben viele Menschen getötet, ich will keine Muslimin sein.

– Und? Was willst du nun tun?

– In der Schulkantine werde ich jetzt auch Schweinefleisch essen.

– Wie du willst. Aber bevor du aufhörst, eine Muslimin zu sein, muss ich dir erst mal erklären, dass die Bösen, von denen du redest, keine wahren Muslime sind. Außerdem weißt du, dass es böse Menschen überall gibt.

– Aber sie haben gesagt, das sind Araber …

– Man darf nicht alle in einen Topf werfen. Nicht alle Araber sind Muslime. In Ägypten, Palästina, im Libanon und im Sudan zum Beispiel gibt es christliche Araber.

– Ich habe einen alten bärtigen Mann gesehen, der wie Großvater betet. Dann nimmt er ein Gewehr und schießt auf Bilder. Ist das ein Muslim?

– Wenn er wie dein Großvater betet, ja.

– Warum sind die, die das gemacht haben, dann keine wahren Muslime?

– Allah untersagt, genau wie der Gott der Juden und der der Christen, sich selbst zu töten, also den Selbstmord. Er untersagt auch, andere Menschen zu töten. Deshalb sind diese Leute, die in Flugzeuge gestiegen sind, die Piloten mit Messern umgebracht und die Maschinen in die Hochhäuser in New York gelenkt haben, Ignoranten, die die islamische Religion nicht kennen. Und es sind Fanatiker.

– Was ist ein FANATIKER?

– Einer, der immer Recht zu haben glaubt, er will der Stärkste sein. Wenn du nicht seiner Meinung bist, wird er sehr bösartig.

– Die USA waren nicht ihrer Meinung. Haben sie deshalb die Flugzeuge in die Türme gerammt?

– Das heißt aber noch lange nicht, dass wir Verständnis für ihre Taten aufbringen können. Sie haben etwas Furchtbares getan. Das kann niemand hinnehmen.

– Was hat Amerika ihnen denn angetan, dass sie so grausam geworden sind?

– Amerika, besser gesagt die US-Regierung, hat viele Fehler und Ungerechtigkeiten begangen. Seit zehn Jahren bombardieren sie die irakische Bevölkerung. Viele irakische Kinder sind an den Folgen dieser Bombardierungen gestorben. 1991 ist die irakische Armee in das Nachbarland Kuwait eingedrungen und hat es besetzt. Daraufhin haben die Vereinten Nationen den Irak bestraft. Doch bestraft wurde das Volk und nicht sein Regierungschef. Du siehst, die Dinge sind kompliziert. Es ist nicht so einfach, wie du denkst. Die USA sind eine Großmacht und müssen darauf achten, gerecht zu handeln. Dennoch kann es keine Rechtfertigung für die Massaker vom 11. September geben.

– Aber haben denn die Iraker diese Attentate begangen?

– Nein, es waren Menschen, die sich als Araber und Muslime bezeichnen. Für mich sind es Verrückte.

– Aber wieso sind sie verrückt?

– Als sie noch klein waren und zur Koranschule gingen, hat man ihnen beigebracht, dass Allah sie auffordere, die Feinde des Islam zu töten, und ihnen nach getaner Arbeit zur Belohnung einen Platz im Paradies garantiere.

– Das verstehe ich nicht: Muss man jemanden umbringen, um ins Paradies zu kommen?

– Natürlich nicht. Aber das hat man ihnen eingetrichtert.

– Und die glauben das auch noch! Erklär mir mal, wie man sie dazu bringt …

– Man wiederholt immer wieder das Gleiche, führt als Beispiele Soldaten an, die im Kampf gefallen sind, oder zitiert einen Koranvers: »Und sagt nicht von denen, die um der Sache Gottes willen getötet werden, (sie seien) tot. (Sie sind) vielmehr lebendig (im Jenseits)« (Sure 2, Vers 154). Am Ende glauben sie, was man ihnen Tausende von Malen vorgebetet hat.

– Aber das ist ja wirklich bösartig. Leute umbringen, um ins Paradies zu kommen!

– Es beruht alles auf Lügen.

– Aber warum erzählen ihnen ihre Anführer all diese Dinge?

– Weil sie Krieg führen gegen Andersdenkende. Sie lieben das Leben nicht, deshalb opfern sie ihr eigenes Leben, sofern sie möglichst viele andere Menschen dabei mit in den Tod reißen können. Es sind Terroristen.

– Papa, was ist ein TERRORIST?

– Im Begriff Terrorist steckt das Wort »Terror«, das heißt ein großer Schreck, eine gewaltige Angst in einer Gemeinschaft, ein Entsetzen, eine kollektive Furcht, etwas, das Zittern und Panik hervorruft. Ein Horror. Terror hat es in der Geschichte der Menschheit zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gegeben. Zum Beispiel hatte im Jahr 1794 während der Französischen Revolution »der Terror« die Herrschaft übernommen.

– Ich verstehe nicht, warum Leute, die ins Paradies wollen, sich nicht alleine dorthin aufmachen. Warum töten sie und versetzen alle, die sie nicht umbringen, in großen Schrecken?

– Das weiß ich nicht, meine Liebe. Da geht es mir wie dir: Ich verstehe nicht, wie junge Menschen, die studiert haben, die in der Welt herumgekommen sind, die die Freiheit und den Luxus Amerikas genossen haben, eines Tages beschließen können, ein Massaker anzurichten und dabei ihr eigenes Leben zu opfern. Sie tun es im Namen des Islam. Sie schaden damit ihren Familien, dem Islam und allen Muslimen. Das ist keine Religion mehr, die dahinter steht, denn keine Religion fordert das Töten Unschuldiger. Islam bedeutet, »sich dem Frieden unterordnen«, es bedeutet nicht, »Unschuldige töten«. Das ist ein Wahn, den weder du noch ich verstehen.

– Wusstest du als Kind, dass du ein Muslim bist?

– Ja, ich wurde in einer Familie geboren, in der ich meine Mutter und meinen Vater regelmäßig ihre Gebete verrichten sah.

– Und du selbst?

– Auch ich betete, aber ich war faul, besonders im Winter, wenn man früh aufstehen und sich mit eiskaltem Wasser waschen musste. Denn vor jedem Gebet muss man sich unbedingt waschen, das nennt man die Waschungen.

– Ach, und du hast dich also nicht gewaschen?

– Doch, aber mein Vater merkte, dass ich es oberflächlich tat und das sehr kalte Wasser nicht mochte.

– Was hat er da gesagt?

– Eines Tages hat er meinen Bruder und mich zu sich gerufen und uns gesagt: »Meine Söhne, ihr seid im Islam geboren, ihr schuldet euren Eltern und Gott Gehorsam. Aus Prinzip müsst ihr die fünf täglichen Gebete verrichten und den Fastenmonat Ramadan einhalten. Im Islam gibt es aber keinen Zwang. Niemand hat das Recht, euch zu zwingen, die Gebete zu verrichten, weder Gott noch euer Vater. Das Sprichwort sagt: Am Tag des Jüngsten Gerichts wird jedes Schaf an seiner eigenen Pfote aufgehängt. Daher seid ihr frei. Denkt darüber nach. Das Wesentliche ist, weder zu stehlen, noch zu lügen, noch auf Schwache und Kranke einzuschlagen, keinen Verrat zu begehen, die Besitzlosen nicht zu beschämen, seine Eltern nicht zu misshandeln und vor allem keine Ungerechtigkeit zu begehen. Das ist es, meine Söhne, den Rest müsst ihr selbst herausfinden. Ich habe meine Pflicht getan. Es ist nun an euch, ein Leben in Würde zu führen.«

– Ja und …?

– Ich habe die Hand meines Vaters geküsst, wie ich es jeden Tag tat, und habe mich frei gefühlt. An dem Tag habe ich begriffen, dass ich ein Muslim sein konnte, ohne die Regeln und Gesetze des Islam sehr diszipliniert befolgen zu müssen. Ich erinnere mich auch an unseren Koranlehrer, der sagte: »Gott ist barmherzig!« Er wiederholte: »Gelobt sei Gott, der Barmherzige.« Das bedeutet, dass er zu verzeihen weiß.

– Ja gut, aber hast du denn nun deine Gebete verrichtet oder nicht?

– Hör mal, das ist eine Frage, die man nicht stellen darf. Man soll solche Fragen auch nicht beantworten, denn sie berühren die Freiheit des Individuums. Wenn ich bete, geht das nur mich etwas an. Wenn ich bete, so nicht, um den anderen zu zeigen, dass ich ein guter Muslim bin. Manche gehen in die Moschee, um dort gesehen zu werden, andere, weil sie aufrichtig ihrer Pflicht als Gläubige nachgehen.

– Papa, ich habe Angst. Ich kann nicht einschlafen.

– Beruhige dich. Entspanne dich.

– Ich habe gehört, es gibt Krieg.

– Was für ein Krieg?

– Ich weiß nicht. Sogar in der Schule haben sie gesagt, wir sollen aufpassen. Wenn wir eine Tasche in einer Ecke herumliegen sehen, sollen wir die Lehrerin rufen. Ich weiß nicht. Ich habe Angst.

– Beruhige dich. Das Leben ist trotz alledem schön!

Zweiter Tag

Ich habe mir ausgemalt, wie eine solche Diskussion mit zehn- bis fünfzehnjährigen Kindern und Jugendlichen weiter verlaufen wäre.

Ich habe mir ihre Fragen, ihre Sorgen und ihre Ungeduld vorgestellt. Deshalb will ich hier meinen Kindern, die als Muslime geboren sind, aber auch allen anderen Kindern den Islam und die arabische Zivilisation erklären. Allen Kindern, egal, wo sie leben, aus welchem Land sie stammen, welcher Religion sie angehören, welche Sprache sie sprechen und welche Hoffnungen sie in sich tragen. Das hier soll vor allem keine Predigt und kein Plädoyer sein. Ich versuche nicht, zu überzeugen, ich erzähle so objektiv und so klar wie möglich die Geschichte eines Mannes, der zum Propheten wurde, die Geschichte einer Religion und einer Zivilisation, die der Menschheit sehr viel gegeben hat. Ich habe den Koran erneut gelesen, mich in Bücher von Experten vertieft, in der Enzyklopädie des Islam nachgesehen und versucht, in wenigen Seiten fünfzehn Jahrhunderte Geschichte nachzuerzählen. Meine Hoffnung ist, dass dies ein wenig beitragen kann zum besseren Verständnis der jetzigen Ereignisse.

– Papa, ich habe nicht sehr gut verstanden, was der Islam ist. Ich bin Muslimin, aber was bedeutet das?

– Ich nutze diese Gelegenheit, zu dir und zu allen Kindern, die darüber mehr wissen wollen, zu sprechen. Ich werde euch die Geschichte dieser Religion wie ein Märchen erzählen.

Es war einmal vor sehr langer Zeit, es ist nun mehr als vierzehnhundert Jahre her, ein kleiner Junge, der um das Jahr 570 herum in Mekka geboren wurde. Das ist eine kleine Stadt in der arabischen Wüste. Er hieß Mohammed. Seinen Vater hat er nicht gekannt, der war vor seiner Geburt gestorben. Er ging nicht zur Schule und wuchs auf, ohne lesen und schreiben zu lernen. Damals lebten die Menschen dort von Viehzucht und vom Handel. Dazu durchstreiften Karawanen das Land von Stadt zu Stadt. Mekka war ein wichtiges Handelszentrum. Die Karawanen aus dem Norden, Osten oder Süden passierten Mekka. Nicht weit von dort liegt die Hafenstadt Djeddah.

– Wie heißen die Bewohner dieser Gegend?

– Man nennt sie Araber. Damals waren sie Beduinen, Karawanenführer, Nomaden. Sie lebten in Zelten.

– Was sind BEDUINEN?

– Es sind die Ureinwohner Arabiens. Sie lebten in der Wüste und auf dem Land. In dem Wort steckt das arabische Wort »bada’a«, das so viel wie »erscheinen« heißt. Die Beduinen sind die ersteingesessenen Völker.

– Und NOMADEN?

– Das sind Menschen, die immer unterwegs sind, keinen festen Wohnort haben. Die Beduinen zum Beispiel waren kleine Klan-Gruppen, die ständig auf der Suche nach Weidegründen und Wasserstellen umherzogen. Es waren Nomaden. Sie ritten auf Kamelen.

– Und da wurde der kleine Mohammed geboren! Was tat seine Mutter denn?

– Sie hieß Amina. Auch sie starb, bevor er sechs war. Er wurde sehr schnell zum Vollwaisen. Die Amme Halima hat ihn aufgezogen. Sein Großvater kümmerte sich um seine Ausbildung. Er wuchs in Mekka bei seinen Onkeln auf, die Wächter der Kaaba waren. Die Kaaba ist ein würfelartiger Bau, in dessen Mauer ein berühmter Stein, der Schwarze Stein, eingelassen ist, auf den der Prophet Abraham, der von Gott Geliebte, seinen Fuß gesetzt haben soll. Es ist ein heiliger Stein. Ein Mal im Jahr reisten die Bewohner Arabiens nach Mekka, um den Stein zu berühren. Man nennt das eine Pilgerfahrt. In jener Region lebten damals auch Christen und Juden, das heißt Beduinen, die an einen einzigen Gott glaubten. Die jüdische Religion, auch Judaismus genannt, existiert seit 5762 Jahren. Die christliche Religion gibt es seit 2001 Jahren. Damals gab es noch nicht viele jüdische und christliche Gläubige in jener Gegend. Die meisten beteten eine Vielfalt von Statuen, Steingebilden an, so genannte »Götzen«. Es sollen um die Kaaba herum dreihundertsechzig Götzenbilder aufgestellt gewesen sein. Aber nicht alle Araber beteten Götzenbilder an. Manche glaubten auch an die Kraft der Natur, die Macht des Lichts, die Gewalt des Windes oder die Erinnerung an die Ahnen, das heißt an jene, die vor uns gelebt haben.

– Was hat Mohammed da gemacht?

– Nach den ersten Jahren bei seiner Amme lebte er bei seinem Onkel Abu Talib, einem armen, aber sehr aufrechten, guten Menschen. Mohammed lernte durch ihn den Wert von Treue, Ehrlichkeit und Güte zu schätzen. Er sah ihn als seinen Vater an. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren arbeitete Mohammed für eine Frau, die reiche Witwe Chadidscha. Sie besaß mehrere Karawanen. Sie war vierzig Jahre alt, also viel älter als er. Er heiratete sie und sie hatten drei Söhne und vier Töchter. Unglücklicherweise starben alle Söhne bereits im Kindesalter.

– Warum hat er eine ältere Frau geheiratet?

– Das ist Schicksal. Sie besaß Karawanen und übertrug dem jungen Mohammed immer mehr Aufgaben. Eines Tages schlug sie ihm vor, mehr als ihr Bediensteter zu sein. Er war einverstanden.

– Behielt er ein enges Verhältnis zu seinem Onkel, der ihn aufgezogen hatte?

– Ja. Dessen Sohn Ali, der um 600 geboren wurde, wurde ein enger Vertrauter von Mohammed. Er war nicht nur sein Vetter, sondern auch sein Freund. Nach dem Tode Mohammeds wird Ali eine wesentliche Rolle spielen.

– Wie ist Mohammed denn Religionsgründer geworden?

– Er hat es nicht vorher gewusst. Er war ein diskreter, vernünftiger Mensch. Er muss wohl gespürt haben, dass er anders war als die anderen. Er zog sich oft in der Umgebung von Mekka in die Berge zurück. Dort hielt er sich in einer Grotte auf, dachte nach und sinnierte über das Leben, die Natur, das Gute und das Böse. Er meditierte.

– Was bedeutet MEDITIEREN?

– Das heißt tief nachdenken, nach dem Sinn des Lebens forschen. Vor langer Zeit bedeutete dieses Wort »einen Kranken pflegen«. Mohammed muss in der Stille und Einsamkeit ein Heilmittel für das Leben gesucht haben, in dem manche arm und andere reich, manche gesund, andere schwach und krank sind.

– Aber was konnte er denn für die unglücklichen Leute tun?

– Er dachte nach und suchte nach einem Weg, sie ein wenig glücklicher zu machen. Eines Tages oder vielmehr eines Nachts, als er in einer Grotte auf dem Berg Hira war, hatte er eine Vision. Das heißt, er sah ein sehr starkes, schönes Licht vor sich, das zu ihm sprach. Es war ein mächtiger Engel, der ihm zu lesen gebot. Der Engel sagte: »Lies!« Doch Mohammed, der zu jenem Zeitpunkt vierzig Jahre alt war, antwortete: »Ich kann nicht lesen!« Er war, wie du weißt, ja nicht zur Schule gegangen und konnte daher weder lesen noch schreiben. Da forderte der Engel, Gabriel hieß er, ihn auf, ihm nachzusprechen: »Rezitiere im Namen deines Herrn, der geschaffen hat! Geschaffen hat den Menschen aus einem Blutklumpen. Rezitiere! Dein Herr ist der edelmütigste, der durch das Schreibrohr gelehrt hat, den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste!« (96. Sure: Der Embryo) Mohammed war aufgewühlt und zitterte, doch er wiederholte die Worte des Engels Gabriel.

– Was bedeutet BLUTKLUMPEN?

– Das arabische Wort ist »alak«, was so viel bedeutet wie klebrige Masse. Manche haben das Wort mit »geronnenes Blut« übersetzt. In Wirklichkeit handelt es sich um den von Spermien gebildeten Schleim, den man auch »Sperma« nennt. Die Fortpflanzung der Menschen beruht auf den Spermatozoiden.

– Was heißt SCHREIBROHR?

– Das arabische Wort hier ist »Kalam«, das ist das Schilfrohr, aus dem man einen Stift oder eine Feder zum Schreiben schnitzte.

– Was tat Mohammed nach diesem Besuch? Hatte er Angst?

– Er war sehr beunruhigt. Mohammed war ein einfacher Mensch. Er war aber klug und befürchtete, in eine Falle zu tappen, die ihm vielleicht der Dämon gestellt hätte. Er ging nach Hause und vertraute sich seiner Frau Chadidscha an. Sie suchte in Mekka einen christlichen Gelehrten namens Waraqa ibn Naufal auf und bat ihm um seine Meinung zu dem Geschehnis und um seinen Rat. Dieser weise und gebildete Mann sagte ihr, Mohammed sei der Prophet, auf den die Menschen warteten. Gott wollte den Menschen einen Boten senden, er sollte der letzte Prophet sein, ein Mensch, der zu seinesgleichen sprechen und ihnen mitteilen sollte, was das Licht des Lebens ihm diktierte.

– Warum spricht Gott nicht direkt zu den Menschen?

– Er hat es vorgezogen, einen einfachen, guten Mann zu erwählen und ihm Botschaften zu übermitteln, die er seinen Mitmenschen verkünden soll. Jenes strahlende, herrliche Licht brachte Mohammed die Offenbarung.

– Was ist eine OFFENBARUNG?

– Etwas, das sich zeigt und offensichtlich wird wie die Wahrheit, nach der man sucht. Wenn sie erscheint, sagt man: »Es ist offenbar.« Mohammed wird das Wort Gottes verkünden. Mehrere Jahre lang werden seine Gefährten und Freunde es aufschreiben. Dann wird ein Buch daraus, das Buch des Islam, der Koran.

– Was bedeutet das Wort KORAN?

– Es kommt von dem arabischen Wort »qur’an«, was so viel heißt wie lesen, rezitieren. Zweiundzwanzig Jahre lang empfing Mohammed dieses auf seine Art einzigartige Buch Satz um Satz, später wird man sagen, Vers um Vers. Daraus werden dann Suren, das heißt Kapitel. Der Überbringer der Botschaft Gottes war immer der Engel Gabriel, der ihm als riesiges blendendes Licht erschien.

– Was sagte Gabriel zu Mohammed?

– Er sagte ihm, dass es nur einen Gott gibt, der allmächtig und barmherzig ist. Er sagte ihm, dass man das Wort Gottes treu befolgen, an seine Botschaft glauben muss, dass es ein anderes Leben nach dem Tod gibt, dass der Mensch nach seinen Taten gerichtet werden wird und dass jedes Glied des menschlichen Körpers Rechenschaft über sein Lebenswerk ablegen muss, dass die Guten und Gerechten mit dem Paradies belohnt und die anderen, die Schlechten, die Ungläubigen, die Verbrecher, gerichtet und in die Hölle geschickt werden. Er sagte ihm, man müsse das Gute tun und das Böse meiden, man müsse weise und gläubig sein, vor allem dürfe man keine Steine anbeten und nicht an fremde Götter glauben.

– Aber unsere Lehrerin ist Christin und die lehrt uns genau das Gleiche!

– Ich habe dir ja gesagt, vor dem Entstehen von Mohammeds Religion gab es bereits zwei andere Religionen, das Judentum und das Christentum, die auch einen einzigen Gott verehrten. Auch sie haben Propheten, Moses und Jesus. Die Juden, die Christen und die Muslime müssen »eine einzige Gemeinschaft der Gläubigen« bilden. Der Islam hat sich zu den beiden anderen Religionen gesellt. Man nennt sie monotheistische Religionen oder auch Religionen der Schrift. Die Schrift der Juden ist die Thora, die der Christen die Bibel und die der Muslime der Koran.

– Mono… Ich weiß, was das heißt: ein Einziger!

– Genau! Monotheistisch heißt: an einen einzigen Gott glaubend.

– Wenn wir den gleichen Gott haben, warum bekriegen sich dann die Juden und die Muslime?

– Du verwechselst da etwas. Es sind nicht die Juden und die Muslime, die sich bekriegen. Es sind zwei Völker, die sich um das gleiche Land streiten. Das ist keineswegs ein Religionskrieg. Der Islam erkennt die Propheten der Juden und der Christen an.

– Wie erkennt er die an?

– Die Muslime lieben und verehren ihren Propheten Mohammed, den Boten Gottes, doch sie schulden Moses und Jesus den gleichen Respekt. Vergiss nicht, dass der Islam etwa sechs Jahrhunderte nach Jesus Christus entstanden ist. Er ist also die letzte monotheistische Religion in der Geschichte der Menschheit.

– Und was halten die Christen von den Muslimen?

– Das ist eine lange Geschichte. Doch beachte, dass 1965 im Vatikan in Rom, da, wo der Papst lebt, eine Versammlung wichtiger Kirchenleute stattgefunden hat, die anerkannt haben, dass »der Islam kostbare Werte in sich trägt«. Die Versammlung heißt »Zweites Vatikanisches Konzil«.

– Erklär mir, warum man das, was Mohammed widerfahren ist, Islam oder muslimische Religion nennt!

– Im Wort Islam steckt das Wort Salam, und das bedeutet Frieden. Der Islam ist die Unterordnung unter Gott, das Symbol des Friedens. Es handelt sich um eine Unterordnung unter einen einzigen Gott, einen Gott, dem man Gehorsam, Treue und Loyalität schuldet.

– Wie kann man jemandem gehorchen, den man nicht sieht?

– Als ich noch klein war, hat man mir gesagt, Gott wisse alles, höre und sehe alles. Ich fragte meine Mutter: »Sieht und beobachtet er sogar mich, der ich so klein und schmächtig bin?« Sie sagte zu mir: »Genau, er ist allmächtig. Er sieht dich, und wenn du Dummheiten machst, ärgert ihn das.« Einmal habe ich ein Stück Kuchen gestohlen und habe mich in eine Truhe verkrochen, um es zu essen. Ich sagte mir: »Hier wird Gott mich nicht sehen!« Nachher hatte ich Bauchweh, weil ich den Kuchen ohne Kauen hinuntergeschlungen hatte!

– Wenn du dich gut versteckst, kann Gott dich nicht sehen!

– Eben nicht. Gott hat die Macht, selbst das Unsichtbare zu sehen.

– Die Menschen, die böse sind, Krieg führen und gleichzeitig beten und behaupten, Gott zu verehren, sind Lügner.

– Gott nennt sie »Scheinheilige«. Gott hat Mohammed ein ganzes Kapitel über die Scheinheiligen übermittelt. Er verurteilt sie.

– Erkläre mir das Wort SCHEINHEILIGE.

– So nennt man Leute mit zwei Gesichtern, die die Wahrheit verraten und so tun, als sagten sie die Wahrheit. Der Scheinheilige ist ein Verräter und ein Lügner.