Eisprinzessin küssen erlaubt

Winterküsse

Ella Green


ISBN: 978-3-95573-340-7
1. Auflage 2015, Bremen (Germany)
Klarant Verlag. © 2015 Klarant GmbH, 28355 Bremen, www.klarant.de

Titelbild: Unter Verwendung eines Bildes von istockphoto.

Sämtliche Figuren, Firmen und Ereignisse dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Inhalt

Prolog

Frühjahr 2005 – Graz

„Er ist so süß“, schwärmte ich und konnte meine Augen nicht von ihm abwenden.

„Er ist achtzehn und du dreizehn! So ein Typ interessiert sich doch nicht für eine, die fünf Jahre jünger ist als er“, sagte meine beste Freundin und boxte mir in die Seite.

Wie jeden Tag in der Pause stand ich da und hatte nur Augen für diesen Jungen. Er war der süßeste auf dem ganzen Albert-Schweitzer-Gymnasium. In meinen Gedanken träumte ich von ihm und malte mir aus, wie er mich doch irgendwann einmal wahrnehmen würde und mit mir zum Eisessen ging. So wie er es letztens mit Franziska, einem Mädchen aus seiner Jahrgangsstufe, gemacht hatte. Ich hatte die beiden in der Eisdiele Dolce Vita in Graz gesehen und mein kleines Herz schmerzte. Aber irgendwann würde er sehen, was ich für ein tolles Mädchen war, und dann würde er nur noch Augen für mich haben. Die Mädels, mit denen er in der Pause zusammenstand, waren zwar gleich alt wie er und hatten auch schon größere Brüste als ich, aber ich wusste, dass er sich irgendwann auch mit mir unterhalten würde.

„Schau doch mal, wie süß er lächelt“, seufzte ich und starrte ihn an.

„Alicia, du bist zu jung für ihn!“

„Oh mein Gott, er lächelt mich an. Schau halt mal!“

Meine beste Freundin blickte zu ihm hinüber, drehte sich um und begann laut zu lachen. „Er lächelt nicht dich an! Er lächelt Franziska, die ein paar Meter hinter dir steht, an.“

Langsam drehte ich mich um, und tatsächlich, dort stand Franziska und lächelte bis über beide Ohren. Mit hängenden Schultern seufzte ich laut auf. So war es nun mal, mein heimlicher Schwarm lächelte nicht mich an, sondern Franziska. Mein kleines Teenagerherz begann zu schmerzen und eine kleine Träne kullerte über meine Wange.

Mark Reichelt, irgendwann siehst du mich!

Alicia

„Niedernbach“, murmelte ich, schüttelte den Kopf, verließ die Eisfläche und stapfte zu den Umkleidekabinen.

Mein Trainer Manfred Bach hatte uns heute beim Training eröffnet, dass das diesjährige Trainingslager nicht wie gewohnt in Wien, sondern in Niedernbach stattfinden würde. Er hatte nur drei Tage vor Abfahrt nach Wien das komplette Trainingslager umgebucht. Ich war angefressen darüber, und das aus zwei Gründen. Erstens liebte ich Wien und seine Eislaufhalle, und zweitens war Niedernbach ein kleines Dorf in der Nähe von Salzburg. Dass dort womöglich abends nicht viel mit Weggehen sein würde, war mir klar. Und das war wahrscheinlich auch der Hauptgrund, warum Manfred das Trainingslager in diesem kleinen Dorf machen wollte. Zu oft hatten wir Eiskunstläuferinnen es die letzten Jahre ausgenutzt und uns nach dem Training in Wiens Discotheken amüsiert.

„Das Trainingslager kann doch trotzdem ganz lustig werden, auch wenn es in Niedernbach sein wird“, versuchte Natascha, meine Eislaufkollegin, mich aufzumuntern und setzte sich neben mich.

„Dieses Dorf hat wahrscheinlich nicht mal eine ordentliche Eislaufhalle“, schnaubte ich verächtlich. „Und zum Feiern können wir dort wahrscheinlich auch nicht gehen. Es werden dort nur alte Leute auf Skiurlaub sein.“

„Ach, Alicia. Mal doch nicht den Teufel an die Wand. Wir zwei machen es uns schon richtig toll.“

Wie konnte Natascha nur so optimistisch sein?

Mürrisch öffnete ich die Schnürsenkel meiner Schlittschuhe, zog sie aus und ließ sie achtlos auf den mit Gummimatten ausgelegten Kabinenboden fallen.

„Jetzt lach doch mal!“

„Es gibt keinen Grund zum Lachen“, keifte ich sie an und stopfte meine Schlittschuhe in meine Eiskunstlauftasche.

Seit meinem vierten Lebensjahr war ich dem Eis verfallen und hatte mich in den letzten Jahren zu einer richtig guten Eisprinzessin entwickelt. Mein Trainer Manfred Bach war einer der besten, die es in Österreich gab, und hatte mir zu einigen Titeln verholfen. In den letzten Jahren konnte ich mir immer wieder den Weltmeistertitel sichern, und das war auch in diesem Jahr mein Ziel. Ich war gut, und das wusste auch meine Konkurrenz und erstarrte jedes Mal, wenn ich die Eishalle betrat und meine Kür auf dem Eis zum Besten gab. Natascha war noch nicht so gut wie ich, aber auch sehr stark. Doch obwohl wir Konkurrentinnen waren, verstanden wir uns sehr gut.

„Ich fahr nach Hause. Wir sehen uns dann am Samstag, wenn es nach Niedernbach geht“, sagte ich und rollte dabei mit den Augen.

„Bis Samstag und Kopf hoch, es wird bestimmt toll“, rief sie mir hinterher, als ich die Tür öffnete und die Umkleide verließ.

Noch immer sauer auf meinen Trainer ging ich zum Ausgang der Eishalle von Graz, öffnete die Tür und trat hinaus in den eiskalten Winterabend. Seit heute Morgen schneite es ununterbrochen und hörte einfach nicht auf. Der Schnee knirschte unter meinen Winterstiefeln, als ich über den großen Parkplatz zu meinem Auto ging. Wie kann er nur das Trainingslager von Wien nach Niedernbach verlegen?