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Damals im Kindergarten mit Haarspange und zahnlosem Lächeln

Ein Bild aus meiner Grundschulzeit

Bei meinem Highschool-Abschluss 1986 mit zwei Freundinnen

Highschool-Dance-Date mit meiner Schwester Erica (links)

Durch Zufall bin ich an einige Modeljobs in Japan gekommen und hatte dort eine sehr prägende und spannende Zeit. Dieses Bild ist aus meiner Sedcard, mit der ich mich überall vorgestellt habe.

Ich in Deutschland 1993, wo ich für einen Modeljob und wegen eines Ex-Freundes gelandet bin. Kurz zuvor habe ich Til kennengelernt.

Dieses Bild aus meiner Sedcard wurde bei einem Shooting in Frankfurt gemacht. Anschließend besuchte ich Til in seiner Schauspieler-»Suite«, die sich leider eher als Abstellkammer herausgestellt hat.

Til und ich 1994 bei der Premiere von Der be-wegte Mann, zu der ich aus Graz angereist bin

Während Tils und meiner Italien-Reise nach Pisa und Südtirol

Til und ich im Garten seiner Eltern, als er mich das erste Mal mit dorthin nahm

Als ich mit Valentin hochschwanger war, verbrachte ich die Tage vor der Geburt im Four Seasons in Berlin, wo Til den Film Männerpension schnitt. Unser Zimmer lag direkt neben dem der Rolling Stones, an deren Security sehr schwer vorbeizukommen war.

Mein geliebtes Surfbrett am Strand von Malibu

Til, Lilli (links) und Luna während unserer Mallorca-Reise im Jahr 2001

Til, Valentin, ich, Luna und Lilli am Meer

Am Strand von Malibu: Valentin, Lilli, Til, ich und Emma (v. l.)

Kurz vor Halloween 2002 war ich hochschwanger mit Emma. Die Kostüme hat meine Mutter genäht.

Zu meinem Geburtstag in Malibu dekorierten mir die Kinder meinen Geburtstagstisch und backten einen wunderbaren Kuchen.

Luna, Lilli und Emma (v. l.) beim Besuch des Weihnachtsmannes in den USA

Ursula und ich bei einem Fototermin für Bellybutton 1999 in Berlin

Die Bellybutton-Shirts habe ich spontan entworfen und wir sind alle immer damit rumgerannt. Im Prinzip habe ich Schleichwerbung erfunden.

Im Jahr 2003, nach Emmas Geburt, zeigten wir in der Neujahrsausgabe der Bunten der Öffentlichkeit das erste Mal unsere ganze Familie. Meine Bedingung war allerdings es bei einem Schwarz-Weiß-Bild zu belassen – so entstand das erste schwarz-weiße Cover der Bunten in 55 Jahren.

Auf einer Motorradtour mit meinem damaligen Freund Marius in Norddeutschland. Mit ihm habe ich das Personality-Format Simply Dana gedreht.

Die ganze Familie beim New Faces Award in Berlin: Valentin, ich, Luna, Lilli, Til und Emma (v. l.)

Während einer Charity Gala 2005 in Hamburg

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Edel Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © 2019 Edel Germany GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edelbooks.com

Projektkoordination und Lektorat: Svetlana Romantschuk

Vermittelt durch: Käfferlein & Köhne GmbH & Co. KG

Layout und Satz: Datagrafix GSP GmbH, Berlin

Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH |

www.groothuis.de

Coverfoto: Jonas Mohr

ePub-Konvertierung: Datagrafix GSP GmbH, Berlin | www.datagrafix.com

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Bildnachweis

Alle Bilder privat, außer:

Dana Schweiger und Ursula Karven bei einem Fototermin für Bellybutton 1999 in Berlin: imago images / Kathrin Schubert; Bunte-Cover vom 02.01.2003: Bunte; Familie Schweiger beim New Faces Award in Berlin: imago images / Mauersberger; Dana Schweiger 2005 bei einer Charity Gala in Hamburg: imago images / Strussfoto

eISBN 978-3-8419-0694-6

VORWORT

Was packst du in deinen Koffer, wenn es um Leben und Tod geht – wenn du nur 60 Minuten Zeit hast, dich zu entscheiden? Seit dem 9. November 2018 kann ich diese Frage beantworten. Es ist nun schon ein Jahr her … Und doch erinnere ich mich an so ziemlich alles, was an diesem Morgen passierte und was ich gedacht habe. Ganz so, als wäre es gestern gewesen.

Ich lag an diesem Tag gegen sechs Uhr morgens noch in meinem Bett, in dem Haus in Malibu, das Til und ich uns 1998 in glücklichen Zeiten gemeinsam gekauft hatten. Durch die Fenster fielen Sonnenstrahlen – es sah ganz danach aus, als würde es wieder ein richtig schöner kalifornischer Herbsttag werden, als ich per SMS von der Behörde alarmiert wurde, dass alle Bewohner Malibus ihre Häuser zu verlassen haben. Am Vortag waren mehrere Feuer ausgebrochen. Das wusste ich natürlich aus den Nachrichten, aber das war ja nichts Ungewöhnliches zu dieser Jahreszeit. Oktober und November werden hier nicht umsonst »Fire Season«, Feuer-Saison, genannt. Dass es irgendwo oberhalb der Küstenstädte in den Hügeln brennt, gehört in Kalifornien genauso dazu wie der Ozean und die Erdbeben. Ach, nur eine Vorsichtsmaßnahme – so schlimm wird’s schon nicht sein …, tat ich die Nachricht ab. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste, war, dass die Santa-Ana-Winde aufgekommen waren. Sie werden nicht umsonst auch Teufelswinde genannt, denn sie fegen heiß, trocken und mit bis zu 40 Kilometern pro Stunde über Land und Meer. Und leider hatten sie über Nacht dafür gesorgt, dass sich die Brände in rasendem Tempo und völlig unkontrolliert ausbreiten konnten. Die Feuerwehr war machtlos. Ich dachte zunächst nur daran, endlich nach unten zu gehen, die Espressomaschine anzuschmeißen und mir meinen ersten Kaffee des Tages und meiner Tochter ihren geliebten Avocado-Toast zu machen. So schnell wie möglich unser Haus zu verlassen, fand ich in diesen frühen Morgenminuten undenkbar und regelrecht skurril. Ich war noch im Pyjama und schmiss mich gerade in meine Lieblingsjogginghose und ein T-Shirt, als mir Emma eine SMS schickte. Sie hat ihr Zimmer direkt unter meinem und schickt mir oft aus dem Bett heraus Nachrichten. Diesmal fragte sie mich, ob sie zu Hause bleiben dürfe, weil sie Bauchschmerzen habe. Ich sagte natürlich Ja und dachte: Na, dann kann ich mich ja heute früher mit meiner Freundin Eva treffen und durch die Santa Monica Mountains wandern … Das mache ich morgens wahnsinnig gern, nachdem ich Emma in die Schule gefahren habe. Es gibt wundervolle Wanderwege in den Hügeln, die durch die Natur führen und je nach Wetterlage einen unglaublichen Blick über die Küste bieten. Selbst nach 20 Jahren kann ich mich daran nicht sattsehen. Und da ich sowieso viel zu wenig Sport mache, gibt mir dieser halbstündige Spaziergang bergauf mit Lunas Hunden Banksy und Yoda, auf die ich aufpasste, während sie in Paris studierte, das Gefühl, dass es um mich noch nicht total verloren ist. Evas Antwort fiel allerdings anders aus als erwartet: »Sweetie, ich sitz längst mit meiner Familie im Auto, raus hier. Das solltest du auch tun. Und zwar sofort.«

Okaaaaay, dachte ich da, das erste Mal mit einem wirklich mulmigen Gefühl im Bauch. Vielleicht solltest du das doch mal ernst nehmen. Ich ging auf den Balkon, der direkt an meinem Schlafzimmer im ersten Stock liegt. Von da aus kann ich nicht nur ein Stück des Pazifischen Ozeans sehen, sondern auch in Richtung der Hügel – und auf einmal wurde die SMS durch eine gigantische, schwarz-graue und bedrohlich nahe Rauchwolke zur Wirklichkeit. Ich bin nicht der Typ, der schnell hysterisch wird, im Gegenteil: Je mehr um mich herum los ist, desto ruhiger werde ich. Wer vier Kinder hat, wird wohl in jeglicher Hinsicht stressresistent, würde ich sagen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich selbst da noch dachte: Kaffee. Der wird erst einmal helfen. Und dann kannst du immer noch entscheiden. Als ich jedoch durch das stille Haus nach unten in die Küche ging und vor der Espressomaschine stand, drängte sich ein Gedanke immer weiter nach oben und weil es noch so leise im Haus war, war er auf einmal so laut in meinem Kopf, als hätte ich ihn ausgesprochen: Verlasst das Haus, Dana, verlasst sofort das Haus. Als sei das der Startschuss gewesen, begann mein Handy mit einem pausenlosen Piepen, eingehende Nachrichten anzuzeigen. Es kamen immer mehr – von anderen Freunden, die auf der Flucht waren und fragten, ob es uns gut ginge. Von einem Nachbarn, der auf der Suche nach einem Anhänger für sein Pferd war. Von einer Freundin, die völlig verzweifelt schrieb, dass ihr Haus bereits in den frühen Morgenstunden abgebrannt sei. Ich lief zu meiner Tochter Emma und sagte so ruhig wie möglich: »Emma, du musst aufstehen. Wir werden evakuiert. Malibu brennt.« Sie war sofort völlig durch den Wind, erst recht, als eine Freundin ihr schrieb, dass die gemeinsame Schule bereits dem Feuer zum Opfer gefallen sei. »Mom, Mom«, rief sie. »Was sollen wir denn tun?« Ich versuchte sie zu beruhigen: »Keine Angst, Sweetie, wir kriegen das hin. Pack deine Sachen. Alles wird gut.« Sie nahm als Erstes ihre geliebten Kurt-Cobain-, Nirvana- und David-Bowie-Poster und die gemeinsamen Fotos mit ihrem Vater und ihren Geschwistern von den Wänden, denn die bedeuteten ihr am allermeisten, und verschwand im Kleiderschrank, um ihre Lieblingsklamotten von den Bügeln zu reißen. Sie ist mein jüngster Schatz, war gerade vor ein paar Wochen 16 Jahre alt geworden und lebt als einzige ihrer vier Geschwister noch bei mir. Ich liebe sie über alles, natürlich. Aber wie es zwischen Mama und Teenager so ist, beschränken sich unsere Konversationen derzeit meistens auf Kurzinfos wie »Aufstehen!«, »Hast du was gegessen?« meinerseits und »Man, Moooooom!« »———« und »Wo. Ist. Mein. Schwarzer. Hoodie?« ihrerseits. Auf einmal stand das Haus, in dem sie so glücklich geworden war, der realen Bedrohung gegenüber, bald nicht mehr zu existieren. Ihr verzweifelter Aktionismus zerbrach mir das Herz, ich hätte sie am liebsten sofort auf den Schoß genommen. Aber selbst wenn sie es zugelassen hätte, hätte ich mich ohnehin nicht allzu lange um sie kümmern können, denn ich musste unsere Mitbewohner wecken. Wie immer war das Grundstück randvoll mit den Freunden meiner Kinder aus Deutschland. Wer eine Anlaufstation in Los Angeles braucht, meldet sich bei mir und natürlich sage ich zu allen immer und gern »Ja, klar, stay with us.« Ich mag es, ein volles Haus zu haben. Und auch wenn es manchmal hart ist, nicht loszubrüllen, wenn mal wieder keine Milch, keine Avocado oder kein Kaffee mehr da sind und alle mich mit großen »Ich war das nicht«-Augen anschauen, macht es mich wahnsinnig glücklich, sie bei mir zu haben. Natürlich fühlte ich mich verantwortlich für diese jungen Menschen, alle Anfang 20, alle dabei, im Leben durchzustarten. Der schlagfertige Marvin und sein höflicher kleiner Bruder Alan, die zusammen einen Abi-Crash-Kurs entwickelt haben, die durchtrainierte blitzgescheite Jana, die in Los Angeles studieren und eine Karriere im Fashion-Marketing starten will, die rothaarige Carla, die nach dem Abi für ein paar Wochen aus Hamburg rauswollte und mir ein bisschen im Haushalt hilft und die eloquente Lina, die einen erfolgreichen Travel-und-Lifestyle-Blog hat. Ich klopfte an die Tür meines kleinen Gästehauses, das hinten im Garten steht, und weckte Carla und Lina. Jana war schon wach und kümmerte sich um die Hunde und die Jungs steckten verschlafen ihre Köpfe aus dem vintage Airstream-Wohnwagen, der in unserer Auffahrt steht. Sie konnten gar nicht glauben, was ich sagte und mussten sich erst einmal die Brandwolke von meinem Balkon aus ansehen. »Krass«, »Heftig«, »Guck mal, ganz schön nah« waren ihre Kommentare, als sie ungläubig Fotos machten. Die beiden sind aus Hamburg angereist – »Schietwetter« ist ihnen ein Begriff, aber nicht die Gefahr von Flächenbränden wegen einer weggeworfenen Zigarette, eines nachlässig gelöschten Campingfeuers oder eines kleinen Funkens aus einer defekten Stromleitung. Die wahren Ausmaße der Katastrophe erahnten wir natürlich alle noch nicht am Morgen des 9. November 2018. Dieses Feuer vernichtete in einer Minute eine Fläche von sechs Fußballfeldern, 88 Menschen verloren ihr Leben in den Flammen – an die vielen, vielen Tiere mag ich gar nicht denken – und über 9700 Wohnhäuser brannten nieder. Und es traf, das kann ich nach so vielen Jahren hier weiß Gott beurteilen, nicht, wie viele immer denken, nur Reiche. Malibu ist eine sehr gemischte Gemeinde, in der Wohlhabende neben Althippies und Großfamilien mit durchschnittlichem Einkommen neben alten Menschen leben. Das Feuer hat keinen Unterschied gemacht – es wird sicher Jahre dauern, bis alles wiederaufgebaut ist.

Bei uns im Haus, es war mittlerweile gegen halb sieben am Morgen, schwirrten alle umher. Die Kids, in meinen Augen sind sie das natürlich noch, versuchten, die Ruhe zu bewahren, aber ich merkte: Das war nur Fassade. Verständlich. Die Angst »Was ist, wenn uns doch was passiert?« schlummerte wohl in jedem von uns. Sie schauten mich mit großen Augen an und es stand ihnen ins Gesicht geschrieben, dass sie dachten: Was macht Dana? Und weil es als vierfache Mama seit jeher mein Job ist, habe ich das gemacht, was ich am besten kann: die Kontrolle übernehmen. »Lina, du fährst mit Carla.« »Packt genug Wasser ein.« »Vergesst nicht, Essen für die Hunde mitzunehmen.« »Nein, wir werden nicht sterben.« »Wir fahren alle den Pacific Coast Highway, bleibt möglichst dicht beisammen.« »Habt ihr alles gepackt?« Alles ein bisschen zackig im Ton, um Autorität und Sicherheit auszustrahlen. Das war es schließlich, was in der Situation alle brauchten.

Als alle ihre Anweisungen hatten, holte auch ich meine Koffer und schmiss sie aufs Bett. Da lagen sie geöffnet vor mir – mein Kleiderschrank keine zwei Meter entfernt. Was sollte ich einpacken? Was von meinem Leben musste in diese Koffer? Ich, 50 Jahre, vier Kinder, geschieden, Single, mit so vielen wunderbaren Erinnerungen und auch ein paar richtig traurigen.

Als ich mit meinen Koffern dann nach unten kam, wollte Marvin sie gleich ins Auto tragen, hob sie an und setzte sie überrascht ab. »Die sind leer. Soll ich die überhaupt mitnehmen?« »Ja«, antwortete ich. »Nimm sie mit.« Ich weiß nicht, warum ich nichts reingepackt habe. Meinen Laptop mit den Familienfotos, den Pass, das Portemonnaie hatte ich natürlich dabei. Aber ansonsten landete nur ein völlig unbedeutendes Sommerkleid in der Handtasche – zusammen mit der Jogginghose war das mein Outfit für die nächsten sieben Tage. Ich kann es mir nur so erklären: Kleidung, Handtaschen, Schmuck, die Bilder an den Wänden – davon scheint mir nichts wirklich wichtig zu sein. Ich habe schon so oft alles losgelassen, bin umgezogen mit einer ungewissen Zukunft – und habe immer neu begonnen. Egal, wie schwierig es war. Alles, was mir wichtig ist, trage ich als Erinnerung in meinem Herzen oder kann ich an die Hand nehmen. Wie meine Tochter Emma.

ICH WAR EINE EINZELGÄNGERIN

Teenager im Seattle der 80er-Jahre gewesen zu sein, war ziemlich cool. Weil ich Zeitzeugin einer Aufbruch-Ära geworden bin, die aus einer ruhigen Stadt im Bundesstaat Washington eine der innovativsten Metropolen in ganz Amerika machte. Es macht mich wahnsinnig stolz, aus dieser liberalen und fortschrittlichen Stadt zu kommen – in der die Arbeitslosenquote so niedrig ist wie nirgendwo im Land, der Umweltschutz selbstverständlich, Radwege kein Fremdwort sind und die Zebrastreifen regenbogenfarben.

In den 70ern ging es noch beschaulich zu. Die Nachfahren der Goldgräber aus dem 19. Jahrhundert mischten sich mit asiatischen und skandinavischen Einwanderern wie meiner Familie. Dazu gesellten sich die Althippies in ihren Birkenstocks, die die Stadt authentischer und weniger anstrengend fanden als San Francisco oder Los Angeles und uns Kombucha, Yoga und die Liebe zu Marihuana mitbrachten (was man übrigens völlig legal in einem der 45 Pot-Shops Seattles kaufen kann). Alle freuten sich über die wundervolle Natur zwischen Pazifik und Gletschern, das damit verbundene Sportangebot und die niedrigen Lebenshaltungskosten. Musikalisch, kulturell und modisch war Seattle allerdings eher provinziell. Auf Trends bezogen hieß es immer: Fünf Jahre hinter Los Angeles zurück, zehn hinter New York. Das einzig Spektakuläre, was Seattle damals aus Sicht eines Teenagers hervorgebracht hatte, war Jimi Hendrix – nur war der zu meiner Zeit schon zehn Jahre tot.

Aber Ende der 70er fing die Stadt auf einmal an zu vibrieren und das war selbst für eine Jugendliche aus einem endöden Vorort 20 Autominuten entfernt zu spüren. Zu verdanken hatten wir das allen voran Bill Gates. 1979 war er mit seinem Unternehmen Microsoft von Albuquerque in New Mexico zurück in seine Heimat gezogen – und sein Siegeszug mit Windows bescherte der Stadt immensen Wohlstand. Bisher war Boeing der attraktivste Arbeitgeber gewesen – bei über 100 000 Arbeitern kannte damals wohl jeder jemanden, der zur Boeing-Family gehörte. Auf einmal wollten alle, die jünger als 30 waren, bei Microsoft mitmischen oder ihr eigenes Hightech-Start-up ins Leben rufen. 1985 ging Bill Gates an die Börse und mit ihm wurden ziemlich viele Menschen über Nacht reich.

Die Wirtschaft boomte. Apartmenthäuser und Büros entstanden in großer Geschwindigkeit und es verging kaum ein Monat, in dem keine neuen Clubs, Restaurants und Cafés eröffnet wurden. Das war auch der Startschuss für Starbucks – 1987 expandierte das Seattler Unternehmen und wuchs von einer auf elf Filialen. Stand 2018 sind es übrigens weltweit über 29 000. Es war also in Seattle damals schon en vogue, überteuerten Kaffee zu kaufen. In der Mall, in der ich oft abhing, gab es eine der neuen Filialen, direkt neben einem Designershop. Die ganzen Tech-Nerds, Banker und wohlsituierten Hausfrauen holten sich nach dem Shoppen einen Pappbecher mit Starbucks-Emblem, um demonstrativ damit rumzulaufen. Ich hatte Freunde, die ihr Taschengeld direkt dorthin trugen, und ich wette, manch einer lief schon mal mit einem leeren Becher rum – egal, es war ein Prestige-Objekt … Übrigens war die Meerjungfrau im Logo bei der Gründung 1971 tatsächlich noch oben ohne. Erst zu meiner Zeit bedeckten dann Haare ihre Brüste, weil es dem Unternehmen für die Expansion zu unanständig schien. Die hatten Angst, dass sie sonst noch »Slutbucks« genannt werden würden.

Den Erfolg von Bill Gates habe ich quasi hautnah mitbekommen, denn er stattete meine und andere Schulen mit den neuesten Computern aus. Ich meine, wie cool ist das, so im Nachhinein?! Wir durften als Erste auf diesen Computern lernen! Eine Zeit lang wollte ich wie die meisten meiner Mitschüler selbst Programmiererin werden. Ich habe sogar mein eigenes Programm entwickelt. Es sollte die Lottozahlen vorhersagen. Und funktionierte natürlich nicht. Mein Lehrer hat mir trotzdem ein A+, die Bestnote, gegeben – der Kreativität wegen.

Es war auch die Zeit von Ronald Reagan, der 1981 amerikanischer Präsident geworden war. Und somit die Zeit des Wettrüstens mit Russland. Meine Mitschüler und ich haben uns oft mit der Möglichkeit eines Atomkriegs beschäftigt. An der Schule wurde durchgenommen, wie man sich »richtig« verhält – das hat uns sehr beeinflusst. Vor allem aber hat es uns eine Absolution fürs Kiffen und Feiern gegeben, weil wir dachten: Wir werden ja eh sterben. Wir haben richtige Endzeitszenarien entwickelt: Falls es losgeht, treffen wir uns alle auf dem Tiger Mountain, nehmen noch schnell LSD und sterben glücklich. Wir konnten uns alle gut mit Filmen wie Footloose, The Breakfast Club und Flashdance identifizieren, die als provokant galten. Außerdem liebte ich Top Gun. Wegen Pete »Maverick« Mitchell aka Tom Cruise habe ich mich sogar bei der U.S. Air Force beworben. Ich wollte unbedingt Kampfpilotin werden und habe die Tests tatsächlich bestanden. Als ich aber erfahren habe, dass die Ausbildung vier Jahre dauern sollte, erschien mir das viel zu lang und ich ließ den Wunsch wieder sausen.

Jetzt erzähle ich nicht als nächstes, dass ich Sängerin werden wollte, aber natürlich war Musik eine Riesensache in meiner Jugend. 1981 war MTV on air gegangen und Madonna, Michael Jackson und Musikvideos standen weltweit bei jedem Teenager hoch im Kurs. Aber die wenigsten können sich wohl damit rühmen, dass in ihrem Beisein eine ganz neue Musikrichtung entstanden ist. In Seattle war das aber so. Denn in meiner Teenagerzeit wurde Grunge geboren. Der, was viele gar nicht wissen, auch Seattle-Sound genannt wird. Endlich hatten wir Los Angeles und New York mal etwas voraus. Es gab wohl Hunderte Garagenbands in der Gegend. Manche meiner Mitschüler hetzten nach dem Unterricht sofort zurück an ihre E-Gitarre und nutzten dann jede sich bietende Möglichkeit für öffentliche Auftritte, bei Geburtstagspartys oder in Einkaufszentren. Die etwas professionelleren schafften den Sprung in richtige Clubs und ortsansässige Plattenfirmen wie Sub Pop Records boten ihnen mit Glück einen Vertrag für eine Single an.

Alice in Chains habe ich in einem Vereinsheim für Veteranen gesehen, weil sie woanders keine Gigs bekamen. Meine Mom kegelte mit der Mutter eines der Bandmitglieder und sagte: »Geh da doch mal hin, die brauchen Applaus.« Nirvana spielten im The Vogue anfangs gerade mal vor einer Handvoll Kids, ich inklusive. Ich glaube, ich habe alle gesehen, die es zu was gebracht haben. Natürlich, ohne es damals zu ahnen. Ich war ständig in der Innenstadt am Pioneer Square, wo sich etliche Clubs befanden, in denen sie sich drängten, um aufzutreten, und wo alles laut, verschwitzt und familiär zuging: Da spielten Pearl Jam, Soundgarden, Adam Ant und so viele mehr. Zum Glück kannte immer irgendjemand den Türsteher, denn viele von uns waren jünger als 21 und wir hätten eigentlich gar nicht reingedurft. Ich mag mir gar nicht ausdenken, was ich alles verpasst hätte …

Oft genug hatte ich aber auch keine Lust auf Geschreddel und Geschwitze, dann bin ich einfach auf die andere Straßenseite gegangen. Dort befanden sich die besten Blues- und Jazzclubs der Stadt, und zwar immer mit Livemusik. Durch den Einfluss meiner Eltern liebte ich diese Musik fast noch mehr als Grunge. Auch da habe ich Legenden wie Stevie Ray Vaughan, John Lee Hooker, B. B. King und Robert Cray hautnah gesehen.

Das war vor allem nach meinem Highschool-Abschluss meine Welt und in der Zeit lernte ich jede Menge coole Leute kennen. Mit ihnen habe ich auch tagsüber viel unternommen, wenn ich nicht arbeiten musste. Es war ein bisschen wie ein Befreiungsschlag. Hinter mir lagen ziemlich einsame Jahre – an der Middle- und Highschool war ich so etwas wie eine Einzelgängerin. Die ganzen Collegefilme, in denen alles so schön überzeichnet wirkt, in denen die attraktiven Sportler mit den arroganten Cheerleadern zusammensitzen und die unscheinbaren Mathecracks oder die nerdigen Gothic-Verehrer lieber unter sich bleiben – für mich war das Realität. Zu manchen Zeiten hatte ich wirklich niemanden, mit dem ich zusammensitzen konnte. In der Mittagspause ging ich deshalb lieber den langen Weg nach Hause, als allein in der Kantine zu sitzen. Wie unsicher ich war, hat mir vermutlich keiner angemerkt, denn schrägerweise wurde ich mehrere Jahrgänge hintereinander zum »Most Popular Girl« gewählt. Ich war nicht unbedingt unbeliebt und kam mit meinen Mitschülern gut klar, aber eben nur oberflächlich. Woran das lag? Während des Unterrichts war es schwierig, Freundschaften aufzubauen. Man hetzte in dem Riesengebäude von Stunde zu Stunde und dann ging der Unterricht auch schon weiter. Nicht viel Zeit, um die BFF – Best Friend Forever – zu finden. Das passierte nach der Schule. Und das Fatale war: Da war ich raus. Die meisten meiner Mitschüler lebten im Bezirk Issaquah, einem wohlhabenden Vorort von Seattle. Die Siedlungen dort waren so richtig schön typisch amerikanisch: Gleich aussehende Häuser standen auf exakt gleich großen Grundstücken, umrundet von weißen Palisadenzäunen, alles schön ordentlich und konservativ.

Meine Eltern aber hatten ein Haus in einem Viertel weiter außerhalb gekauft, weil es dort günstiger war. Da lebten viele ältere Menschen und es gab keine Nachbarn mit Kindern in meinem Alter. Aber genauso lief das nun einmal damals: Wenn du jemanden kennenlernen wolltest, bist du einfach vor die Tür gegangen. Da hast du dann die anderen getroffen, um Rad zu fahren, Fußball zu spielen oder abzuhängen. Und am nächsten Tag triffst du dich in der Schulkantine und stellst das Tablett neben das deiner neuen Freunde. Aber was machst du, wenn vor deiner Tür niemand auf dich wartet?

Ich war so unendlich happy, als ich in der achten Klasse doch mal eine Freundin fand, Krista Johnson. Mit ihr habe ich alles zusammen gemacht, wir trugen die gleichen Klamotten, quatschten stundenlang – bis ich in der neunten Klasse mit CJ zusammenkam. Er war zwei Jahre älter als ich und wohnte in eben jener Nachbarschaft, in der alle lebten, nur ich nicht. Er fuhr einen cheesy roten Datsun und kam sich unglaublich cool darin vor. Ich fand das Auto zwar furchtbar, aber immerhin, er hatte eins. Das war damals die Hauptsache.

CJ hat Krista und mich immer von der Schule mitgenommen und ist mit uns durch die Gegend gefahren. Das fanden Kristas Eltern überhaupt nicht witzig. Die haben ein Drama gemacht, weil sie nicht wollten, dass ihre 15-jährige Tochter bei einem älteren Jungen in den Wagen steigt und vom ländlichen Vorort einfach so downtown in die »gefährliche« Innenstadt fährt. Sie waren davon überzeugt, dass CJ und ich einen schlechten Einfluss auf sie hätten. Krista musste tatsächlich auf eine andere Schule wechseln, damit ihre Noten nicht schlechter wurden – schließlich sollte sie ja studieren … Das war das Ende meiner einzigen guten Mädchenfreundschaft in der Schule.

CJ und ich sind etwa zwei Jahre zusammengeblieben. Ich hatte Glück mit ihm, er war echt lieb und wollte mich nie zu irgendetwas drängen. Aber natürlich passierte »es« irgendwann mit ihm. In der Schule war ich gefühlt die Letzte, die ihre Jungfräulichkeit verlor. Die haben mich immer schon »Virginia« genannt. CJ hat meinen uncoolen Ruf aber locker wieder wettgemacht, denn auf einmal war ich es, die mit einem zwei Jahre älteren Jungen zusammen war, der schon einen Wagen hatte – während meine Mitschülerinnen »nur« mit Gleichaltrigen gingen, die die Tage zählten, bis sie ihre Ellenbogen auch endlich betont lässig aus dem Fenster der Fahrerseite raushängen lassen konnten.

Die Beziehung zu CJ hat mich sicher selbstbewusster werden lassen, aber als ich 16 wurde, musste ich ohnehin schlagartig erwachsen werden, weil sich mein Leben radikal veränderte. Vor allem, weil ich mich, wie angekündigt, weitestgehend selbst versorgen musste. Als Erstes habe ich den Führerschein gemacht und mir sofort einen Job in einem Baumarkt gesucht. Weil ich vor allem am Wochenende gearbeitet habe, bin ich kaum noch mit meinen Eltern und Erica in die Skihütte gefahren – sondern blieb allein zu Hause. Das habe ich vor allem ausgenutzt, um zu feiern. Fatalerweise übertrugen mir meine Eltern auch noch die Verantwortung für die Schule: Am Anfang eines Schuljahres mussten die Eltern immer ein Formular unterzeichnen, damit die Unterschrift mit den Entschuldigungen bei Abwesenheit verglichen werden konnte. Meine Mutter schob mir den Zettel zu und sagte: »Hier ist das Formular, unterschreib du das. Ist ja schließlich dein Leben.« Ich habe mit Freuden Joyce Carlsen druntergeschrieben. Was für ein Teenagertraum: Ich war ab sofort in der Lage, meine eigenen Entschuldigungen zu schreiben und zu schwänzen, wann immer mir danach war. Und mir war oft danach. »Dana konnte leider nicht am Unterricht teilnehmen … Ein Alien hat ihr Auto gegessen.«

Ab dem Zeitpunkt bin ich immer weiter abgerutscht mit den Noten. Meine Eltern haben da wirklich keine besonders gute Arbeit geleistet. Sie interessierten sich null für meine schulischen Leistungen und haben sich nicht einmal mit mir hingesetzt, um die Hausaufgaben anzusehen (die ich kaum noch machte). Auch wenn sie es auf ihre Art ganz bestimmt gut gemeint haben, war dieses hohe Maß an Eigenverantwortung sicher etwas zu viel für mich. Als pubertierende 16-Jährige trifft man ja nicht immer die klügsten Entscheidungen für sich und seine Zukunft – auch wenn man zu dem Zeitpunkt felsenfest davon überzeugt ist, alles besser zu wissen. Ich wusste also mit Sicherheit, dass das Beste für mich alles war, was außerhalb der Schule stattfand. Und CJ war, wie ich zugeben muss (Kristas Eltern, lest ihr das?), wirklich nicht der beste Einfluss. Wir haben immer öfter Unsinn angestellt. Harmlos zwar, aber dem Lernprozess eher abkömmlich. So etwas wie ein Sixpack Bier von Zuhause mitgehen lassen, um sich mit seinen älteren Freunden in den Bergen zu treffen und gemeinsam abzuhängen. Oder ein bisschen kiffen und danach »Donut fahren«, das heißt, man fährt stumpf in der Gegend rum. Das Gebiet rund um Seattle eignete sich prima für solche Aktionen: Wer Twin Peaks gesehen hat, weiß, was ich meine – alles ist ein bisschen düster, ein bisschen neblig, ein bisschen deprimierend. Optimal für Pick-up-Partys mit Lagerfeuern und endlose Autotouren durch die Berge. Man muss uns allerdings zugutehalten, dass alles, was wir gemacht haben, selbst Teenagerblödsinn mitten in der Schulzeit, immer mit der Natur zusammenhing. Einfach, weil wir auf einem einzigen riesigen Outdoorspielplatz lebten. Wir waren immer draußen, auch wenn es regnete (und in Seattle gibt es verdammt viele Regentage. Da kann Hamburg einpacken). Wir schlichen uns abends auf Golfanlagen, segelten und surften für unser Leben gern und fuhren Ski, Ski, Ski. Einmal wollten CJ und ich unbedingt in die Berge zum Ski fahren, weil so viel Schnee gefallen war. Wir wollten morgens die Ersten sein. Das hieß natürlich, dass wir im Wagen schlafen und am nächsten Tag die Schule schwänzen würden. CJ kam spätabends, um mich abzuholen. Ich schlich mich durch mein Zimmerfenster raus, das direkt über der Garage lag, und reichte CJ gerade meine Skier durchs Fenster, als mein Vater aus dem anderen Fenster rausguckte und ganz trocken sagte: »Ihr wisst schon, dass wir auch eine Haustür haben?«

An den Wochenenden, an denen meine Eltern in der Skihütte waren und ich nicht, sind wir abends auf Partys in Downtown oder auf eines der Konzerte, die in den Vineyards stattfanden, gefahren. Dort traten Stevie Wonder oder Earth, Wind & Fire auf Bühnen auf, die mitten in den Weinanbaugebieten lagen. Wir haben anschließend im Auto geschlafen, weil keiner von uns noch in der Lage gewesen wäre, zu fahren. Ich hatte immer ein paar frische Klamotten und meine Zahnbürste dabei, damit ich vor der Arbeit im Baumarkt Katzenwäsche machen konnte.

Die Partys blieben, CJ ging. Als er auf die Universität kam, machte er mit mir Schluss – das kleine Highschool-Girl war nicht so interessant wie die Uni-Mädels. Ich litt unter heftigstem Liebeskummer, schließlich war er mein erster Freund. Eine der wenigen emotionalen Angelegenheiten, bei denen meine Mutter mal nicht »Stell dich nicht so an!« gesagt, sondern mich liebevoll getröstet hat. Bei späteren Trennungen war sie nicht mehr so sensibel. Da durfte ich mir eher anhören: »Ach, du benutzt Männer doch wie Klopapier. Was soll das Geheule jetzt?« Mit nur einem Mann in ihrem Leben stellte sich das für sie offensichtlich bei jedem meiner Freunde nach CJ so dar … Es war jedenfalls schön, sie damals an meiner Seite gehabt zu haben. CJ lebt übrigens immer noch in Seattle, verkauft Marihuana (legal natürlich) und hat Kontakt zu meinen Eltern. Ab und zu schreiben wir uns einen Gruß über Facebook.

Wenn man ein junges Mädchen ist und seinen ersten Liebeskummer hat, denkt man, dass der Schmerz niemals aufhört. So war das natürlich auch bei mir, ich hörte lauter deprimierende Lieder und gab mich meinem Weltschmerz (ein tolles deutsches Wort) hin. Für einige Wochen jedenfalls – dann traten auch schon Jim und Danny in mein Leben. Die beiden Jungs waren ein Windsurfimport aus Miami und kamen in den Jahrgang unter mir. Sie waren ultrahot und exotisch, weil sie die Haare anders trugen als die meisten Jungs. Wenn sie übers Schulgelände gingen, passierte das in Slow Motion. Und alle Mädchen hielten die Luft an und linsten rüber. Sie trugen zerschlissene, ausgeblichene Jeans zu schlabbrigen T-Shirts, waren braun gebrannt, leicht muskulös, mit blonden dicken Locken. Das war insofern geradezu exotisch, weil die Jungs aus Seattle gefühlt nur einen Dresscode kannten: Holzfällerhemd kombiniert mit dunkler Bluejeans. Jim und Danny waren mit einem Schlag die begehrtesten Typen in der Schule – und ich habe sie mir geschnappt. Da war mir CJ mit einem Schlag egal. Mit Danny hatte ich ein liebevolles Techtelmechtel, mit Jim irgendwann auch, aber vor allem waren sie beide meine besten Freunde. Wir windsurften zusammen, kifften oder machten die Pisten unsicher. Es hatte etwas von einer hippieesken Dreiecksbeziehung auf einem harmlosen Teenagerniveau. Wir fanden uns in der Kombi natürlich extrem cool und unwiderstehlich, aber ich schätze, dass mich diese Liaison-à-trois noch unnahbarer gemacht hat. Denn als der Abschlussball nahte, wurde ich von keinem einzigen Jungen aus meinem Jahrgang gefragt, ob ich ihn begleiten würde. Gut, dachte ich, das überstehe ich auch noch und fragte Danny und Jim. Ich trug ein Cocktailkleid, das schön kurz war, weil ich ein Ballkleid albern fand. Ich gehe doch nicht auf die Oscars – warum soll ich etwas Langes anziehen?, dachte ich.

Ich hatte die Highschool gerade so eben geschafft und keinen blassen Schimmer, was ich tun sollte, während die meisten anderen sich schon aufs College freuten. Aber das war mir zumindest in dem Sommer egal. Wenn einem jahrelang eingetrichtert wird »Aus dir wird eh nichts, also vergiss es …«, genießt man irgendwie eine gewisse Narrenfreiheit. Es gibt keinerlei Erwartungen, die man erfüllen muss. Die Monate nach dem Abschluss habe ich daher als extrem unbeschwert in Erinnerung. Ich hing quasi ununterbrochen mit den Jungs rum und wir fühlten uns in der Konstellation wie Kinder der freien Liebe. Meine Mutter hat mir ein paar Jahre später erzählt, dass Dans und Jimmys Eltern nicht besonders begeistert davon waren, dass wir so zu dritt rumhingen.

So richtig habe ich erst rückblickend verstanden, wie ich wohl auf andere gewirkt haben muss. Hätte man mich damals gefragt, hätte ich mich als schüchtern und verschlossen beschrieben. Im Nachhinein war ich selbstbewusster als die meisten anderen, vielleicht sogar aufsässig und rebellisch. Das hat auch mein Aussehen ausgestrahlt: Ich lief mit kurzen Haaren Marke Eigenschnitt rum, war mehr Tomboy als Vorzeigemädchen. Ich trug Größe 32, am liebsten schön rustikal-derbe Klamotten im Grunge- oder Wave-Look, immer secondhand – weil ich mir was anderes nicht hätte leisten können.

Und dennoch war ich wohl ziemlich hübsch, ohne das so richtig zu wissen. Ein Freund aus der Schule, der Fotograf werden wollte (und es auch wurde), fragte mich nämlich: »Dana, da macht eine Agentur einen Fotowettbewerb, bei dem ich gern mitmachen würde. Ich brauche aber noch ein Model dafür. Darf ich dich fotografieren?« Ich dachte: Warum nicht? Nach der Fotosession haben wir die Bilder persönlich in die Agentur gebracht – natürlich mussten wir dafür die Schule schwänzen … Die haben die Bilder gesehen und gleich gesagt: »Die Fotos mögen wir – und das Mädchen auch. Wer ist sie denn?« Sie waren gleich Feuer und Flamme: »Wir würden dich gern unter Vertrag nehmen.« Aber ich sagte nur: »Danke, aber ich mag Lippenstift nicht besonders gern. Und Make-up auch nicht.« Und weg war ich.

Sehr, sehr viel lieber mochte ich Autos. Allen voran meinen kanariengelben Opel GT, mein ganzer Stolz.

Meine Vorbilder waren nicht Madonna, Whitney Houston oder andere Popstars, sondern starke Frauen wie die US-Außenministerin Madeleine Albright. Weil sie als erste Frau so viel Einfluss genommen hat in einer totalen Männerwelt. TV-Moderatorin Oprah Winfrey fand ich auch toll, weil sie in ihren Interviews aus allen Perspektiven gefragt hat. Von ihr habe ich gelernt, dass man nicht immer von sich ausgehen sollte, um andere zu verstehen. Jacqueline Onassis liebte ich, weil sie so fein und niveauvoll war und nie schlecht über andere gesprochen hat, nicht einmal über Marilyn Monroe, obwohl sie doch genau wusste, dass ihr Mann eine Affäre mit ihr hatte.