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Kapitel 19 – Der große Schwindel


Commissioner Warner, Captain McGrath und mehrere FBI-Männer betraten eilig das Haus der überraschten Viola King.

„Wir wissen noch nicht, was das alles zu bedeuten hat“, sagte Warner zu ihr. „Lassen Sie uns bitte einfach nur warten. Ich erwarte noch einige andere Männer.“

Halton und Lockwood erschienen fünf Minuten später, ebenso verwirrt wie die Anderen. Sie alle betraten das Wohnzimmer. Warner ging zu einem der rückwärtigen Fenster und schob es weit nach oben. Dann setzte er sich.

Im hinteren Teil des Hauses bewegte sich jemand. Hank Standish trat ein und schaute ein wenig verlegen.

„Ich ... schätze, es kommt ihnen etwas seltsam vor, dass ich nicht eher erschienen bin. Aber Tatsache ist ... ich wusste einfach nicht, wer Sie waren. Viola bat mich, hierzubleiben und sie zu beschützen.“

Viola trat an seine Seite. „Von diesen Männern ist nichts zu befürchten, Darling.“

„Das“, verkündete eine Stimme von irgendwo hinter ihnen, „ist die Wahrheit.“

Alle drehten sich schnell herum. Die Schwarze Fledermaus stand direkt vor dem offenen Fenster.

„Aber“, fuhr er fort, „ein Mann hier muss gefürchtet werden, weil er sich als extrem gefährlich entpuppt hat. Mit dem Patrioten ist es vorbei, meine Herren. Ein Spion namens Miller war bereit, die Todesmaschine zu ­erwerben, die der Patriot zum Verkauf angeboten hat. In diesem Augenblick befindet sich Miller gefesselt und eingesperrt in einer Kammer seines Hauses. Einer von euch Regierungsangestellten wird in seinem Büro anrufen und ihn umgehend abholen lassen.“

„Aber das Acme-Gebäude.“ Captain McGrath wollte vortreten und blieb dann stehen, denn nun hielt die Schwarze Fledermaus eine Waffe in der Hand. „Wir sollten jetzt dort sein.“

„Das Acme-Gebäude ist sicher“, sagte die Schwarze Fledermaus. „Indem Sie es sofort durchsucht und niemanden hineingelassen haben, haben Sie das Gebäude gerettet, Captain.“

„Was meinen Sie damit?“, wollte Halton wissen.

„Nur, dass es keine weiteren Explosionen geben wird. Mister Halton, Sie haben unwissentlich die Bemühungen des Patrioten unterstützt. Ich hoffe, dass Sie aus dieser Angelegenheit lernen, dass die Polizei in der Lage ist, sich um ihre eigenen Aufgaben zu kümmern. Und Sie, Mister Lockwood, waren immer dabei, wenn Halton vor Ort war. Warum haben Sie ihn niemals aus den Augen gelassen?“

Lockwood leckte sich über die Lippen. „Ich ... nun ... ich bin Geschäftsmann. Halton ist Kongressabgeordneter, und ich habe versucht, gewisse Dinge durchzubekommen. Ich ... habe ihn finanziell unterstützt, indem ich einige seiner Besitztümer gekauft habe. Ich ... wollte nur sicherstellen, dass er kein doppeltes Spiel mit mir spielt. Dann weckte diese Angelegenheit mein Interesse, und ich ... war einfach immer dabei. Manchmal dachte ich sogar, dass Halton dahintersteckt, und auch aus dem Grund wollte ich ihn beobachten.“

„Schwarze Fledermaus“, schrie McGrath auf. „Wer ist der Patriot? Ich weiß, es muss irgendjemand in diesem Raum sein. Schließlich wollten Sie, dass wir uns hier versammeln, um zu sehen, wie er entlarvt wird. Was ist mit Joel King geschehen?“

„Ja“, rief Viola. „Bitte ... geht es ihm gut?“

„Hervorragend. Tatsächlich steht er genau jetzt in der Tür.“

Alle schauten in die Richtung. Joel King tat einige Schritte ins Zimmer. An seiner Seite war ein blasses, ängstlich aussehendes Mädchen. Plötzlich schrie Viola, und Hank Standish hielt eine Waffe in der Hand. Fluchend wirbelte er herum, auf die Schwarze Fledermaus zu. Ein einzelner Schuss fiel, und der stammte aus Captain McGraths Dienstpistole. Hank Standish ließ seine Waffe fallen. Seine Finger bluteten.

„Danke, Captain“, sagte die Schwarze Fledermaus. „Ich habe bemerkt, dass sie mit Problemen gerechnet haben. Daher habe ich nicht geschossen. Ja, Standish ist der Patriot. Viola, die Viola, die wir kannten, ist seine Komplizin. Sie hat den Platz der echten Viola King eingenommen, die entführt worden war, als sie auf dem Weg von der Schule nach Hause war. Joel King hat seiner Tochter nur selten erlaubt, nach Hause zu kommen. So nahm die falsche Viola ganz einfach ihren Platz ein, ohne irgendwelche Aufmerksamkeit zu erregen. Joel King war natürlich ebenfalls entführt worden.“

Hank Standish funkelte die Schwarze Fledermaus an. „In Ordnung“, sagte er drohend. „Sie haben mich. Aber alle anderen hier werden sterben. Es sei denn, man gestattet mir, allein von hier zu verschwinden. Die Todes­maschine ist eingerichtet und bereit zum Einsatz. Sie wird uns alle hinwegfegen, wenn Sie nicht tun, was ich sage.“

Die Schwarze Fledermaus lachte. „Ihr Schwindel funktioniert nicht mehr, Standish. Tatsächlich hat er, soweit es mich betrifft, schon vor langer Zeit aufgehört zu funktionieren. Sie haben keine Todesmaschine, mit der sie Dinge nach Belieben in die Luft jagen können. Die Kameraflugzeuge wurden sabotiert. Man hatte eine hoch explosive Chemikalie in die Kameras getan. Die Explosion war so geplant worden, dass sie synchron mit Leuchtgeschossen erfolgte, die man abwarf. Die Schnellboote wurden ebenfalls so vorbereitet, dass sie mit Hilfe von Zeitbomben explodierten, die in den Geschwindigkeitsmessern waren, die eingebaut wurden, nachdem die Boote durchsucht worden waren. Sie haben eine Maschine entwickelt, ja. Aber die war ebenso falsch wie Sie. Alle glaubten, ich sei bei der Explosion in dem Haus an der Klippe am Fluss getötet worden. Einer Ihrer Männer hat dort Bomben platziert. Die Maschine wurde für den Effekt eingeschaltet, weil sie wussten, dass irgendjemand es sehen würde. Viola, die falsche Viola, sorgte als Joel Kings Tochter für die notwendige Publicity hinsichtlich der Todes­maschine. Sie sagte, sie existiere. Ich schätze, sie hat ihre Geschichte jedem erzählt, der ihr zuhörte. Neben Ihrer Terroraktion haben Sie das Land glauben lassen, dass Sie ein solches Instrument besitzen. Selbst Miller ist darauf hereingefallen, was Sie selbstverständlich die ganze Zeit über beabsichtigt haben. Sie haben sogar ein Versteck in einer seiner Wohnungen eingerichtet, um sicherzustellen, dass er Sie kontaktiert.“

„Aber was ist mit dem Mann, der am Flughafen in Stücke gerissen wurde?“, fragte McGrath.

„Er war ein Drucker. Er wurde entführt, damit er diese Flugblätter für den Patrioten druckt. Man hat ihn entkommen lassen, und der Taxifahrer, der ihn zum Flughafen fuhr, gehörte zu den Männern des Patrioten. Wenn Sie zurückkehren, finden Sie ihn im Polizeihauptquartier. Dieser Fahrer musste dem Drucker aus seinem Wagen helfen, weil der Mann verletzt war. Dabei ließ er eine dieser kleinen, aber starken Bomben in dessen Tasche gleiten. Es gab keine Todesmaschine, und es wird sie nie geben. Nun, meine Herren, haben Sie Ihren Mann. Ein Experte in Sachen Propaganda. Seine Bande von Ganoven verbreitete die Tonaufnahmen, die falschen Zeitungen, warf Flugblätter von Gebäudedächern ab. Und weil Standish ins Filmbusiness involviert war, fiel es ihm nicht schwer, durch seine Männer einige Filmvorführer bestechen zu lassen, damit diese den Ausschnitt aus dem Propagandafilm in die Rolle mit den regulären Nachrichten legten.“

Halton tat einen langen Seufzer und setzte sich schwerfällig hin. Als die Schwarze Fledermaus ihn ansprach, wischte er sich über die Stirn.

„Halton, sie waren in diesem Haus, als Joel King mit Gewalt hergebracht wurde, um seinen Tresor zu öffnen. Das war nur eine List, um die Annahme zu bestärken, dass er freiwillig für den Patrioten arbeitete. Sie wurden von den Männern des Patrioten misshandelt. Können Sie mir sagen, warum?“

„Sicher“, sagte Halton. „Als sie reinkamen, packte ich eine Vase und versuchte, einem von ihnen eins überzuziehen. Wir kämpften miteinander, die Vase flog durchs Fenster, und dann ... Nun, das ist alles, woran ich mich erinnern kann.“

„Genau“, sagte die Schwarze Fledermaus. „Kurz darauf kam ich dazu. Standish war von seinen eigenen Männern gefesselt worden, aber nicht verletzt. Um Viola hatte man sich ebenfalls sehr sanft gekümmert. Standish sagte mir, er habe die Vase durch das Fenster gestoßen, aber ... der Mann war straff gefesselt. In der Nähe des Fensters war kein Tisch. Wie also konnte er die Vase aufgenommen und benutzt haben? Ich habe ihn damals schon verdächtigt, aber nicht die falsche Viola. Sie ist eine kluge und einfallsreiche Gaunerin. Das Geld, das an sie ausbezahlt wurde, finden Sie hier im Haus. Es ist nie zu dem Leichenwagen gebracht worden. Einer von denen, die ihr angehalten habt, war mit ihr in Kontakt getreten. Aber selbstverständlich hatten sie nur so getan, als seien die Pakete dorthin gebracht worden. Das erinnert mich daran ... Der Patriot hat einige Ganoven, die für ihn arbeiten. Einige davon befinden sich in strategischen Verteidigungspositionen. Finden Sie diese schnell heraus. Das sollte nicht schwer sein, wenn Sie seine ­Verhaftung geheim halten. Ich ... sehen Sie, die echte Viola King ist kränker, als ich dachte. Helfen Sie ihr!“

Als man Viola King auf ein Sofa gelegt hatte, war die Schwarze Fledermaus verschwunden!


*


Als die Schwarze Fledermaus zurückkehrte, waren Butch, Silk und Carol in Tony Quinns Labor. Während er seine Montur gegen Tony Quinns bequemere Tweedkleidung tauschte, berichtete er ihnen, was gerade geschehen war.

„Und Sie wussten, dass es keine Todesmaschine gibt.“ Silk seufzte tief. „Ich wünschte, ich hätte das gewusst, denn ich habe mir noch nie in meinem Leben solche Sorgen um etwas gemacht. Sie hätten auch ihre Zweifel gehabt ... Wenn Sie mit Carol zusammen gewesen wären, als sie begannen, den Golfplatz um uns herum in die Luft zu jagen.“

Quinn lachte. „Das gab mir den ersten Hinweis auf die Wahrheit. Wenn eine tödliche Maschine, die Verbindung mit drei schnell fliegenden Flugzeugen hoch am ­Himmel während eines kompletten Blackouts aufnehmen, dich und Carol aber nicht erwischen kann, während ihr über eine offene Fläche im Mondlicht lauft ... Nun, das gab mir zu denken. Der Golfplatz war schlicht vermint. Sie hatten vor, ihn bei irgendjemandem einzusetzen, um vorzutäuschen, dass ein Todesstrahl am Werk sei. Diese Idee aufzubauen, war die größte ­Aufgabe des Patrioten. Es war Propaganda, ganz schlicht und einfach.“

„Und du hast Standish die ganze Zeit verdächtigt?“, wollte Carol wissen.

„Gott im Himmel, nein. Wenn ich irgendwelche Beweise gehabt hätte, dann hätte ich schon lange vorher gestoppt. Ich bin teilweise per Ausschlussverfahren auf ihn gestoßen. Während der Patriot sehr beschäftigt war, hielten sich Halton und Lockwood in Washington auf und taten ihr Bestes, um andere Staatsmänner von der Auszahlung zu überzeugen. Halton war wirklich aufrichtig. Sicher, wenn solch ein Instrument existiert hätte, dann wären zwanzig Millionen ein geringer Preis dafür gewesen. Ihr werdet feststellen, dass Washington nicht lange gezögert hat. Aber Standish wurde klar, dass die Summe ungeheuerlich hoch ist. Um also wenigstens etwas zu bekommen, verlangte er eine symbolische Zahlung. Und wenn er später feststellen würde, dass die Sache immer noch sicher wäre, hätte er mehr verlangt. Standish rief die falsche Viola an, damit sie den Ruf der Maschine noch bestärkt. Sie wussten, dass das Kabel von FBI-Leuten angezapft worden war. Tatsächlich ist Viola von ihrem Kurs abgewichen, indem sie diese ins Haus gelassen hat. Standish hat den Anruf von Haltons Sommerresidenz getätigt. Das weiß ich, weil ich den Anruf überprüft habe. Ich sah, wie zwei Männer das Haus verließen. Mit Hilfe meiner Augen, die in der Dunkelheit sehen können. Ich habe keinen von ihnen erkannt. Aber sie waren ziemlich groß, und Joel King ist von kleinem Wuchs. Außerdem wusste ich, dass Gus beim Patrioten war und dass er natürlich mit ihm fortgegangen wäre, als die Schießerei am Strand begann. Daher war ich sicher, dass Joel King nicht im Sommerhaus gewesen war. Und dass entweder der Patriot Viola angerufen hatte oder Gus. Als sie schwor, dass es ihr Vater gewesen war, wusste ich, dass sie log. Standish gab vor, ihr Verlobter zu sein. Er hat sogar einen Streit mit ihr vorgetäuscht, als sie sich einverstanden erklärte, dem Patrioten zu helfen. Das war alles Theater. Wenn Viola involviert war, wusste ich, dass auch Standish beteiligt war. Ich ... jemand kommt auf das Haus zu. Silk, mach schon.“

Captain McGrath trat ein, nachdem die Geheimtür zum Labor geschlossen worden war, und ging zu Tony Quinn, der auf einem Stuhl saß und mit blicklosen Augen ins Leere starrte.

„Mister Quinn“, sagte McGrath. „Ich komme, um mich zu entschuldigen. Sie sind nicht die Schwarze Fledermaus. Da bin ich sicher. Wir haben den ­Patrioten demaskiert und den gesamten Fall gelöst. Das heißt ... äh ... die Schwarze Fledermaus hat den größten Teil erledigt. Aber ... erinnern Sie sich an Steve Cobb, den Taxifahrer, den Sie engagiert haben? Er wurde ebenfalls geschnappt.“

„Steve?“, fragte Quinn mit überraschter Stimme. „Gütiger Himmel, weswegen?“

„Er war einer der Männer des Patrioten und abgestellt, um Sie zu überwachen. Denn Viola, die nicht die echte war, hat Sie ebenfalls benutzt, um Propaganda über die Todesmaschine zu verbreiten, die ebenfalls nicht existiert. Die ...“

„Warten Sie mal.“ Quinn drehte sich auf seinem Stuhl. „Das kommt mir alles sehr seltsam vor. Steve Cobb ein Agent des Patrioten. Das kann ich nicht glauben.“

„Ja. Steve gibt sogar damit an, wie er Sie getäuscht hat. Wenn ich mir das jetzt so ansehe, und wenn Sie die Schwarze Fledermaus wären, dann hätten Sie innerhalb kürzester Zeit Bescheid gewusst. Steve ist der Schwarzen Fledermaus tatsächlich begegnet, während sie genau hier zu Hause waren. Der Patriot hat eines dieser großen Herrenhäuser am Riverside Drive bezogen. Er hat es einfach übernommen, als der Bewohner fort war. Dort haben wir Steve gefangen. Ich dachte nur, Sie würden gern erfahren, dass ich meine Meinung geändert habe. Die Schwarze Fledermaus hätte Steve niemals damit davonkommen lassen.“

„Meine Güte“, sagte Quinn. Er grinste breit, als McGrath aus dem Haus eilte.

Captain McGrath glaubte wirklich, hervorragende Arbeit geleistet zu haben, indem er vor Tony Quinn eingestanden hatte, dass er nicht die Schwarze Fledermaus sei. Er sonnte sich weiterhin in diesem Gedanken, bis er das Polizeihauptquartier betrat und ein lautes Lachen hörte.

„Sagen Sie mal, Captain. Ich sehe, Sie waren mal wieder in der Nähe der Schwarzen Fledermaus. Da kleben ungefähr fünf seiner Aufkleber auf Ihren Schultern.“

Captain McGrath schlug die Tür zu seinem Büro so heftig zu, dass das Glas vibrierte. Er war sich nun nicht mehr so sicher. Dann lachte er leise. Genauso wollte er es auch.


DIE SCHWARZE FLEDERMAUS
Band 19


In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones



G. W. Jones


Die Todesmaschine



Aus dem Amerikanischen
von Swantje Baumgart





G. Wayman Jones – hinter diesem Pseudonym verbirgt sich meistens der amerikanische Autor Norman A. Daniels, so auch beim vorliegenden Roman.

Daniels wurde am 3. Juni 1905 in Connecticut geboren, brach sein Studium aus finanziellen Gründen ab und begann 1931 eine beispiellos produktive Karriere als Autor. Allein in den folgenden drei Jahrzehnten veröffentlichte er über 2.000 Geschichten: Comics, Bücher, Radio­hörspiele, aber vor allen Kriminal- und Superheldenromane. Für den Chicagoer Verlag Thrilling Publications erschuf er die Figur der Schwarzen Fledermaus und verfasste einen Großteil ihrer 62 Abenteuer, die zwischen 1939 und 1952 in den USA erschienen. Daniels starb am 19. Juli 1995 im Alter von 90 Jahren in Kalifornien.

Das Abenteuer Die Todesmaschine erschien im März 1942 unter dem Titel The Blackout Murders in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.


Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung
ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.
Infos unter: 
www.BLITZ-Verlag.de

© 2019 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Harald Gehlen
Fachberatung: Dr. Nicolaus Mathies
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Logogestaltung: Mark Freier
Illustration: Dorothea Mathies
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-019-2

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!



Kapitel 1 – Flucht in den Tod


Es herrschte wohl eine gewisse Aufregung wegen des Blackouts in New York City, der für zehn Uhr geplant war. Jeder wollte wissen, wie der Times Square, die eleganten Straßen und die Billigläden in der Innenstadt in völliger Dunkelheit aussehen würden.

Ein Feuerwerk hatte man ebenfalls versprochen, denn nachdem Flieger der Army und der Navy den Blackout aus der Luft untersucht hatten, sollten drei große Aufklärungsbomber über die Stadt fliegen und Leuchtgeschosse abwerfen, Millionen von Lichtstärken produzieren und die Umgebung mit Kameras fotografieren, die auf die Explosionen der Leuchtgeschosse abgestimmt waren.

Alle Polizisten waren im Dienst, und sie alle hatten den Auftrag, die Augen nach Verbrechen offenzuhalten, die während der halben Stunde völliger Dunkelheit geschehen mochten. Streifenwagen mit zusätzlichen Scheinwerfern und speziellen blauen Lampen würden durch die Haupt- und Nebenstraßen kreuzen. Während dieser dreißig Minuten würde sich außer ihnen kein Fahrzeug auf den Straßen bewegen.

All das ließ den Krieg näher rücken, und entsprechende Vorkehrungen waren notwendig. Wachleute, die nach Luftangriffen Ausschau hielten, würden auf ihren Posten, Feuerwehren und Krankenhäuser in Alarmbereitschaft sein.

Man hatte Schritte unternommen, um tatsächliche Bedingungen so gut wie möglich zu simulieren, die im Falle eines Luftangriffes herrschen würden. Alles würde da sein ... außer den Bomben.

Zwanzig Minuten vor der Stunde null schlief der Verkehr bereits ein. Vor den Fenstern der Hotels hingen schwarze Vorhänge, Wohnhäuser waren darauf vorbereitet worden, die Schalter umzulegen, sodass jedes Zimmer im Dunkeln lag.

In einem der ärmeren Bereiche der Stadt standen drei große Mietshäuser, die nun verlassen waren und auf die Abbruchteams warteten. Sie standen dicht beisammen, getrennt durch schmale, düstere Gassen. Keiner von denen, die sich auf der Straße aufhielten, bemerkte das Fenster im ersten Obergeschoss des mittleren Gebäudes, das langsam geöffnet wurde. Ein Mann mit vom Schrecken gezeichneten Gesichtszügen streckte seinen Kopf hinaus und schaute sich um. Als er sich der Entfernung zu der betonierten Straße bewusst wurde, schwand die Farbe aus seinem Gesicht, doch er zögerte nur kurz.

Er schwang ein Bein über die Fensterbank und blieb kurz rittlings darauf sitzen, während er die Straße unter sich in beiden Richtungen betrachtete. Als er sicher war, dass ihn niemand beobachtete, klammerte sich der Mann mit den Fingern an der Fensterbank fest, um sich dann nach unten fallen zu lassen. Offensichtlich hatte er die Kraft in seinen Fingern überschätzt. Als sein gesamtes Körpergewicht daran hing, glitten seine Finger von der Fensterbank, und er ließ los. Wie ein Bleigewicht fiel er zu Boden und blieb für einige Sekunden liegen.

Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung, die er wohl nur aus einem zwingenden Grund überhaupt aufbringen konnte, gelang es ihm, aufzustehen. Er ging ein paar Schritte und brach erneut zusammen.

Noch einmal kam er auf die Füße und lehnte sich erschöpft gegen die Backsteinmauer. Dann bewegte er sich humpelnd weiter. Alle paar Schritte wandte er sich um, so als erwarte er düstere Schatten, die ihn aus der Dunkelheit anspringen mochten. Der Mann war ganz offensichtlich verängstigt und anscheinend ebenso entschlossen.

Als er die Mündung der Gasse erreichte, sah er ein Taxi langsam die Straße hinunterrollen. Er winkte heftig, und das Taxi fuhr an den Straßenrand. Der Mann humpelte darauf zu und zuckte bei jedem Schritt zusammen. Er öffnete die Tür und fiel geradezu in den Fahrgastraum.

Zum Flughafen ... und fahren Sie, so schnell Sie können!“, sagte er keuchend zu dem Fahrer. „Zu dem Flughafen, von dem aus diese Kameraflugzeuge gleich starten werden. Beeilen Sie sich!“

Der Fahrer zog eine Grimasse.

„Das kann ich nicht, Kumpel. In zwanzig Minuten gibt es einen Blackout, und nichts und niemand kommt von der Stelle, verstehst du? Ich werde annähernd so lange brauchen, bis ich am Flugfeld bin. Warte mal ... es wird ruhiger. Vielleicht kann ich es schaffen.“

„Fünfzig Dollar, wenn Sie’s schaffen ... Aber beeilen Sie sich. Es geht um Leben und Tod. Wenn ich nicht rechtzeitig am Flughafen bin, werden zwölf Männer sterben. Das Telefon kann ich nicht benutzen, denn sie würden mir niemals glauben. Könnten Sie jetzt bitte losfahren?“

Der Fahrer schien sich dem Ernst der Lage bewusst zu werden. Er legte den Gang ein und raste davon. Die nächste Kurve nahm er auf zwei Rädern. Wie er vermutet hatte, war der Verkehr praktisch zum Erliegen gekommen. Er fuhr über einige rote Ampeln, nahm mehrere Schleichwege und überquerte kurz darauf die Queensboro Bridge. Der Flughafen war nun nicht mehr weit, doch die Minuten vergingen wie im Flug.

Der Fahrer wandte sich in seinem Sitz um und sprach, ohne die Augen von der Straße zu nehmen.

„Du denkst doch nicht etwa daran, den Flughafen zu betreten, Kumpel? Die haben Marinesoldaten überall rundherum postiert. Wenn du das versuchst, dann pumpen sie dich vielleicht mit Blei voll.“

„Das Risiko gehe ich ein, nur beeilen Sie sich! Beeilen Sie sich!“

Der Fahrer zuckte mit den Schultern und gab Vollgas. Wenig später sahen sie die Lichter des Flughafens. Lichter, die in zwei Minuten ausgeschaltet werden sollten. Der verletzte Mann massierte noch immer seinen geschwollenen Knöchel. Damit hatte er eine Beschäftigung, irgendetwas, um seine Gedanken von der düsteren Tragödie abzulenken, welche kurz bevorstand.

Das Taxi fuhr dicht an das Tor heran. Zwei Marinesoldaten mit Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten waren im Dienst. Der Taxifahrer stieg aus und öffnete die Wagentür.

„Ich sag’s dir“, warnte er seinen Fahrgast mittleren Alters. „Es ist unmöglich, an diesen Jungs am Tor vorbeizukommen. Für die nächste Stunde oder länger darf niemand aufs Feld.“

„Helfen Sie mir“, stöhnte der Fahrgast, als er seinen verletzten Knöchel belastete. „Die können mich nicht aufhalten, sag ich Ihnen! Gar nichts darf mich aufhalten!“

Der Taxifahrer half ihm zum Tor, wo die beiden Marine­soldaten sie sofort anriefen. Bevor es zu irgendwelchen Erklärungen kam, war die Stunde null angebrochen. Alle Lichter verloschen, und das Gebrüll großer Bomber durchbrach die vorherige Stille.

„Lasst mich durch“, flehte der verletzte Mann. „Ich muss die Flugzeuge erreichen.“

Die wachhabenden Marinesoldaten waren durch die plötzliche Dunkelheit kurzfristig blind und durch die Motoren der großen Flugzeuge teilweise ertaubt und stießen gegeneinander. Der Taxifahrer rannte zurück zu seinem Wagen. Der verletzte Mann duckte sich tief und rannte an den Wachen vorbei. Dann begann er, humpelnd über das Feld zu laufen. Er winkte mit beiden Händen und schrie, so laut er konnte.

Jemand musste ihn gehört haben, denn ein Suchscheinwerfer glitt über das Feld, fing ihn ein und richtete sich auf ihn. Er sah wüst aus, das Haar ­durcheinander, ohne Hut, seine Kleidung schmutzig und zerrissen. Den Ausdruck auf seinem Gesicht hätte man leicht für wahnsinnigen Hass halten können, anstatt der Panik, die darin lag.

Mehrere Männer rannten auf ihn zu. Dann geschah es. Dank des Suchscheinwerfers hatten diejenigen, die Zeugen des Vorfalls wurden, keine andere Wahl, als das Gesehene zu glauben. Das Letzte, was sie sahen, war der Mann mit hoch erhobenen Armen, der irgendetwas Unverständliches schrie. Dann war dort, wo er eben noch gestanden hatte, nur noch ein hoher Turm aus wütenden Flammen. Trümmer flogen gen Himmel. Ein Krater erschien auf geheimnisvolle Weise, als hätte ihn jemand von unten heraus gegraben.

Nach dem Knall setzte die Druckwelle ein, als die Luft jenes Vakuum füllte, das die Explosion hinterlassen hatte. Bäume schwankten heftig. Zwei Leichtflugzeuge, die nicht weit entfernt standen, wurden von der Kraft des Luftstroms halb um sich selbst gedreht. Der Lärm breitete sich brüllend aus und ließ beinahe die Trommelfelle der Zuschauer platzen.

Diejenigen, die schließlich den Ort des Geschehens erreichten, wurden nun in das helle Licht von einem halben Dutzend großer Suchscheinwerfer getaucht. Sie fanden nur wenig, was darauf schließen ließ, dass hier nur einen Augenblick zuvor noch ein menschliches Wesen gestanden hatte. Da waren ein Schuh, der auf wundersame Weise unbeschädigt war, ein paar Kleidungsfetzen und Knöpfe.

Colonel Whately, der das Kommando über die Kamera­flüge hatte, schrie einige Befehle. Flutlichter wurden eingeschaltet. Die beiden Wachposten kamen herbeigerannt, außer Atem und kaum in der Lage, etwas zu sagen.

„Er ist an uns vorbeigerannt“, keuchte einer von ihnen. „Der war völlig irre, Sir. Sagte immer wieder, er müsse die Aufklärungsflugzeuge erreichen.“

„Geht zurück auf eure Posten“, befahl Whately. „Und schließt die Tore. Wir machen weiter wie geplant. Niemand kommt rein, keine Reporter und auch sonst niemand. Seht euch ab jetzt vor. Das wäre alles.“

Whately wandte sich zu einigen Mitarbeitern des Flugplatzes um, die herumstanden und mit offenen Mündern das Loch im Boden anstarrten.

„Es ist ganz offensichtlich“, erklärte Whately, „dass dieser Mann, wer immer er auch war, mit der Absicht der Sabotage herkam. Er trug eine Bombe bei sich, die er an den Kameraflugzeugen anzubringen hoffte. Er muss den Zeitzünder falsch eingeschätzt haben, und die Bombe ging hoch, bevor er sie wie geplant anwenden konnte.“

„Gott sei Dank“, seufzte einer der Männer. „Er hätte eine Menge Menschen umbringen können. Ich ... äh ... gehe nicht davon aus, dass er jemals identifiziert werden wird.“

„Wohl kaum!“, sagte Whately. „Geht jetzt bitte zurück auf eure Posten. Ich werde die Flugzeuge überprüfen lassen, bevor sie starten. Ich hätte niemals erwartet, dass dieser Plan in irgendeiner Weise sabotiert werden könnte. Das scheint vollkommen sinnlos zu sein, aber die ­Gedankengänge der Saboteure sind manchmal ziemlich seltsam.“


*


Whately gab die notwendigen Anweisungen, und ein Dutzend Männer machten sich auf den Weg, um die drei großen Bomber auf Herz und Nieren zu prüfen. Jeder Winkel und jede Ecke der Flugzeuge wurde untersucht, bis selbst Whately sich absolut zufrieden zeigte und überzeugt war, dass keine unheilvollen Geräte darin versteckt sein konnten.

Drei Männer traten aus einem Hangar hervor. Jeder von ihnen trug ein sperriges, kastenartiges Gerät. Es waren die wertvollen Kameras, die New York City aufnehmen sollten, während die Stadt in völliger Dunkelheit lag. Experten richteten die Kameras in den Flugzeugen ein. Die Blitze wurden überprüft, und die Mannschaften begaben sich auf ihre jeweiligen Positionen.

Funkmeldungen von den Bombern, die nun über die Stadt flogen, berichteten, dass der Blackout-Test zur vollsten Zufriedenheit verlief. Dann kam die Nachricht, dass die Kameraflugzeuge nun abheben konnten. In jedem saßen vier Männer: zwei Piloten, der Fotograf und ein Funker. Sie begaben sich auf die Position für den Start und rollten dann nacheinander mit lautem Getöse das Flugfeld hinunter. Sie hoben vom Boden ab und flogen zu den Sternen hinauf.

Colonel Whately stand in der Dunkelheit und schaute zu, wie sie aus dem Blickfeld verschwanden. Er biss sich auf die Unterlippe.

„Meine Gebete sind bei ihnen“, sagte er leise. „Ich halte nicht viel von Vorahnungen, aber in meinem Herzen spüre ich so etwas wie eine Warnung. Ich kann es nicht verdrängen, so sehr ich es auch versuche.“

„Unsinn“, lachte ein anderer Mitarbeiter. „Was kann ihnen schon passieren? Die Vernichtung eines Saboteurs durch seine eigene Bombe, das ist schon ziemlich unheimlich. Gott sei Dank hat sie ihn vernichtet und nicht das, wofür diese Bombe bestimmt war.“

Doch Colonel Whatelys Vorahnung war richtig. Die drei Aufklärungsbomber, die nun in Richtung Innenstadt flogen, waren dem Untergang geweiht. Die Männer, die sie flogen, hatten nicht mehr Chancen als ein verurteilter Mörder, der bereits auf dem Elektrischen Stuhl festgeschnallt war. New York würde tatsächlich ein paar Feuerwerke zu sehen bekommen. Doch es würden sehr viel heftigere Feuerwerke werden, als die Einwohner erwarteten.