© Julia Steiner

Die bedeutendsten Rennrad-Erfahrungen inspirierend als Rad(t)geber zusammengefasst

Die Autorin: Den Speed für ihre Vertriebs-Karriere nahm die Diplom-Kauffrau Julia Steiner direkt nach ihrem internationalen BWL-Studium auf. Schon früh verknüpfte die ambitionierte Läuferin den Leistungssport mit ihrem beruflichen Alltag und blickt auf eine mehr als zehnjährige Vertriebskarriere in internationalen Konsumgüterkonzernen zurück. Die diplomierte Trainerin und Dozentin für Sales Management überträgt diesen Flow heute auf die Wissensvermittlung und verantwortet als Director Global Training den Aufbau von internationalen Trainingsakademien, um den Kompetenzaufbau für den strategischen, operativen und kulturellen Unternehmenswandel über alle Vertriebsmitarbeiter voranzutreiben. Einen mitreißenden Spirit verleiht die Buchautorin ihren Trainings durch ihre intensiven Rennraderfahrungen, die sie im engen Austausch mit Führungskräften und Rennradenthusiasten nachvollziehbar mit den wichtigsten Business-Insights verknüpft.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <www.dnb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-86764-786-1 (Print)

ISBN 978-3-7398-0271-8 (EPUB)

ISBN 978-3-7398-0272-5 (EPDF)

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017

Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz

Einbandmotiv: iStockphoto, mediaphotos

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Prolog

Gerne würde ich Sie von Anfang an mit meiner Rennradleidenschaft fesseln, die schon seit Kindheitstagen in mir verankert ist. Es tut mir leid. Ich muss Sie enttäuschen. Ich war über Jahrzehnte immer ein begeisterter Läufertyp. Das Rennradfahren habe ich nur aus einem Grund für mich entdeckt: Der jugendliche Leichtathletik-Leistungssport machte mir einen finalen Strich durch die Rechnung. Auf den Kreuzbandriss folgten Meniskusanrisse, die meine freizeitliche Laufkarriere für immer beenden sollten. Für jeden unter uns, der die sportliche Aktivität als integralen Bestandteil seines Lebens sieht, löst diese Nachricht augenblicklich hektische Flecken aus. „Gehen Sie doch schwimmen oder fahren Sie Fahrrad“ empfahl mir mein Orthopäde. Ich entschied mich für das Fahrradfahren. Gesagt, getan. Schon ein paar Tage später hatte ich mir ein Carbon-Rennrad mit trendiger Profi-Vollausrüstung zugelegt. Wenn, dann auch richtig, bestätigte ich mir. Meinen ersten Ritt genoss ich bei minus zwei Grad Kälte im Januar. Der Wind blies mir wie tausend Nadelstiche ins Gesicht und das Ausklicken der Cleats an der Ampel meisterte ich so „bravourös“, dass es mich direkt zu Fall brachte. Trotz dieser anfänglichen Hürden fesselte mich das Rennradfahren sofort. Das „Ganz-bei-mirselbst-Gefühl“ im stillen Zweikampf hatte ich noch nie zuvor so intensiv erlebt.

Je häufiger ich mich schwierigen Situationen stellte, desto öfter stieg ich aufs Rad. Je mehr Rennradfahrer ich kennenlernte, desto bewusster wurde mir, dass dieser Sport alle Berufstätigen vom Praktikanten bis zum Vorstand vereint. Der stets selbsterzeugte Speed, mit dem man sich seinen eigenen Grenzen nahebringt, aber auch das blinde Vertrauen, wenn man im Rudel fährt und sich vollkommen auf ein neues Team verlässt, machen das Rennradfahren so einmalig. Jeder fährt seinen persönlichen Ritt. Oben am Berg wird aufeinander gewartet. Und dann wieder gestärkt mit freiem Kopf in neue Herausforderungen gestartet.

Warum sollten sich diese intensiven Rennrad-Erlebnisse nur auf die Feierabend-, Wochenend-, oder Urlaubsausfahrten beschränken? Können wir nicht eine Vielzahl der Erfahrungen, die wir auf dem Rennrad erleben, eins zu eins auf Business-Situationen übertragen? Und würden wir nicht konsistentere Entscheidungen für uns und unsere Unternehmen treffen, wenn wir in jeder Business-Situation das gleiche „Ganz-bei-uns-selbst-Gefühl“ wie auf dem Rennrad hätten? Auf Ihrer Route, sich diese Fragen zu beantworten, soll mein Rad(t)geber „Der Rennrad-Flow“ Wegweiser, Hilfestellung und Inspiration sein.

Mein persönlicher Wegbegleiter Dr. med. Jörg-Peter Schröder inspirierte mich, meine Rennraderlebnisse in diesem Buch festzuhalten und für das Business nutzbar zu machen. In den folgenden Kapiteln konzentriere ich mich auf die bedeutendsten Rennradsituationen, die ich facettenreich aus meiner Erlebnisperspektive beschreibe. Jedes Kapitel basiert auf dem langjährigen Erfahrungsaustausch mit internationalen Führungskräften und Rennradenthusiasten, die mich in der Übertragung der wichtigsten Handlungsempfehlungen auf das Business-Leben tatkräftig unterstützt haben. Stellvertretend beschreiben ausgewählte Rennradliebhaber die wertvollsten Learnings aus Guide-, Manager- und Business-Trainer-Perspektive und lassen ihren ganz persönlichen Rennrad-Flow einfließen. Das Nachwort bzw. der Epilog von Herrn Dr. Schröder rundet abschließend die Standortbestimmung zu Ihrem ganz persönlichen Frequenzwechsel ab.

Lassen Sie sich inspirieren, sich häufiger gedanklich aufs Rad zu setzen und den Speed für Ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen.

Ich wünsche Ihnen ein intensives Lese-Gefühl!

Ihre Julia Steiner

Inhalt

  1. Kontrolle abgeben. Loslassen
  2. Der volle Fokus auf nur eine Sache
  3. Auf dem Rennrad sind alle gleich
  4. Der eigene Flow
  5. In der Kraft bleiben
  6. Das Peloton-Gefühl in der Gruppe
  7. Die Balance finden
  8. Vom Champion zum Nachzügler
  9. Spaß an der Challenge
  10. Der selbsterzeugte Speed
  11. Die wichtigsten Handlungsempfehlungen aus der Perspektive des Rennrad-Guides
  12. Die wichtigsten Handlungsempfehlungen aus der Perspektive des Managers
  13. Die wichtigsten Handlungsempfehlungen aus der Perspektive des Business-Trainers
  14. Epilog: Was wirklich zählt

© Pedro Willi

1 Kontrolle abgeben. Loslassen

Ich liebe es bergauf zu fahren. Wenn ich am Berg fahre, bin ich voll und ganz bei mir selbst. Ich kann den Rhythmus selbst bestimmen, wann ich aus dem Sattel gehe, in welcher Neigung ich in die Kurve fahre, mich völlig auf meinen eigenen Atem konzentrieren und mich meinem selbst erzeugten Speed hingeben. Dann bin ich bei mir selbst. Angstfrei. Ich brauche kein Technik-Seminar, weil ich intuitiv die richtigen Abläufe wähle. Weil es mir Spaß macht. Weil ich im Flow bin.

Ich habe den Grundsatz im Kopf eingespeichert, dass ich jeden Berg erklimmen kann. Das Dumme ist nur, dass man jeden Berg, den man hochfährt auch wieder runterfahren muss. Dann kehrt sich schlagartig das so positive Gefühl des Hochfahrens ins komplette Gegenteil um. Wenn ich den Berg runterfahre, dann habe ich Angst. Die ganze Abfahrt besteht nur noch aus Kurven mit so einer extremen Steigung, dass ich mich frage, wie ich diese überhaupt hochgekommen bin. Hinter der Kurve lauern unzählige Gefahren, die ich vorher nicht einsehen kann. Ich weiß auch nicht, wie die Beschaffenheit der Straße in der Kurve ist. Ist es rutschig vom Regen des letzten Tages? Hat es in der Nacht gefroren und liegt vielleicht eine Eisschicht auf der Straße? Gefühlt brettere ich mit 70km/h den Berg runter. Habe ich da noch Kontrolle über mein Rennrad mit den so dünnen Reifen? Ich habe Angst vor Geröll auf der Straße, das mich, wenn ich die Steine im ungünstigen Winkel erwische, garantiert zu Fall bringt. Im Nacken höre ich die Autoschlange, die langsam hinter mir her rollt und nicht überholen kann. Die Autofahrer, die immer wieder das Gaspedal aufheulen lassen, um mir indirekt zu signalisieren, dass ich schneller fahren soll. Ich klammere mich an meinen Lenker. Die Vorder- und Hinterbremse fest gedrückt. Vor lauter Anspannung zittert meine Hand schon. Mein Rücken tut weh. Und schon wieder zieht ein scheinbar völlig angstbefreiter Rennradfahrer im Mega-Speed an mir vorbei und lehnt sich sogar noch auf den Lenker, um noch schneller zu sein. Ich schaue in die Kurve und sehe einen Bus, der sich langsam die Serpentine hochwindet. Natürlich auf meiner Fahrbahn. Wie um Himmels Willen soll ich an dem vorbeikommen, wenn wir genau in der Kurve aufeinandertreffen? Ein Motorradfahrer saust an mir vorbei und schneidet mich so sehr, dass mein Rennrad vom Fahrtwind ins Schwanken gerät. Ich fühle mich wie ein Reaktionsautomat, der der Situation völlig ausgeliefert ist und nur noch irgendwie das Tal erreichen will.

Völlig fertig komme ich nach 20 Minuten Abfahrt unten am Berg an. Aufgelöst, erschöpft und ausgelaugt. Ich fühle mich unsicher. Natürlich hatte ich schon mehrere Stürze beim Rennradfahren. Natürlich nur bei Bergabfahrten. Sobald ich abwärts fahre, sind diese Bilder wieder präsent. Ich bin quasi gefesselt in den negativen Erfahrungen, die mein Gefühl der Unsicherheit noch weiter verstärken. Dazu kommt das Gefühl, die vielen Herausforderungen auf der Strecke nicht absehen und planen zu können. Die unzähligen Möglichkeiten, die mich zu Fall bringen könnten, zehren schon vor der Abfahrt an meinen Nerven.