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Dr. theol. Paul Metzger, Studium der Evangelischen Theologie in Bethel/Bielefeld, Marburg, Rom und Heidelberg. Promotion im Neuen Testament an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz 2004. Wissenschaftlicher Referent am Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim. Lehrbeauftragter für Neues Testament und Bibeldidaktik an der Universität Koblenz-Landau. Lehrveranstaltungen (in verschiedenen Funktionen) an den Universitäten Mainz, Saarbrücken, Leipzig, Koblenz-Landau.

Zum Buch

Teufel - Fiktion oder Wirklichkeit? Symbol oder Person? Der gefallene Engel oder der Geist, der stets verneint? Vergangenheit oder Gegenwart? Beides! In diesem Buch werden die Spuren des Teufels in der Antike, seine Vorfahren, seine Entstehung und seine Entwicklung vorgeführt und die wesentlichen Funktionen des Teufels beschrieben. Gleichzeitig richtet sich der Blick auf die Gegenwart des Teufels. Welchen Stellenwert nimmt er in den Religionen ein: Muss man an den Teufel glauben? Auch seine Funktionen in der Pop-Kultur werden betrachtet, in Musik, Literatur und Film. Am Ende steht eine Auseinandersetzung mit dem Bösen und wie heute mit dem Teufel umgegangen werden kann.

Paul Metzger

Der Teufel

Paul Metzger

Der Teufel

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012

ISBN: 978-3-8438-0280-2

www.marixverlag.de

INHALT

VORWORT

EINFÜHRUNG

I.   DIE GESCHICHTE DES TEUFELS

Die „Vorfahren“ des Teufels – Religionsgeschichtliche Voraussetzungen

Die Entstehung des Teufels – Antikes Judentum und frühes Christentum

Die Entwicklung des Teufels – Antike und mittelalterliche Kirchengeschichte

Hölle und Fegefeuer

II. DIE GEGENWART DES TEUFELS

Der Teufel in den christlichen Kirchen

Der Teufel im Islam

Der Teufel im Satanismus

Der Teufel in der Literatur

Der Teufel im Film

Der Teufel in der populären Musik

III. DER TEUFEL – DAS PERSONIFIZIERTE BÖSE

IV. QUELLENTEXTE

V.  LITERATUR

VI. ABKÜRZUNGEN

VORWORT

Zu diesem Buch haben mich Studentinnen der Universität Koblenz-Landau angeregt. Sie antworteten auf meine Frage, welches Thema für eine Lehrveranstaltung sie interessieren würde: der Teufel – seine Entwicklung und die Bedeutung, die ihm heute zukommt. Ich habe diesem Wunsch entsprochen und eine Vorlesung dazu angeboten. Aus dieser Vorlesung entstand das vorliegende Buch. Die beiden Pole, die die Studentinnen benannt haben – Entstehung und Gegenwart –, haben die Vorlesung gegliedert und so auch den Aufbau dieses Buches bestimmt.

Viele Menschen haben mir dabei auf verschiedene Weise geholfen. Bei der Ausarbeitung der Vorlesung haben mich am Campus Koblenz Hr. Bastian Bau, Hr. Philipp Birck und ganz besonders Fr. Anne Kathrin Schmude unterstützt, die sich vor allem mit dem Teufel im Film beschäftigt hat. Meine Ausführungen zur Geschichte des Teufels im Alten und Neuen Testament haben die Kollegen am Institut für Evangelische Theologie in Koblenz, Prof. Dr. Michaela Bauks und PD Dr. Judith Hartenstein, durchgesehen.

Am Konfessionskundlichen Institut in Bensheim haben mich Pfr. Dr. Walter Fleischmann-Bisten M.A. und Pfr. Martin Bräuer D.D. bei einem Studientag zur Vorlesung unterstützt und die konfessionellen Ausführungen über den Teufel gelesen. Pfr. Dr. Dirk Spornhauer hat den freikirchlichen Teil überprüft, und Dr. Harald Lamprecht hat mich beim Thema „Church of Satan“ unterstützt. Pfr.i.R. Dr. Walter Schöpsdau las mit kritischem Auge und wertvollem Rat den Abschnitt über den Teufel in der Literatur. Fr. Dipl.-Bibl. Simone Leimenstoll hat mir mithilfe der Fernleihe viel Literatur besorgt, die ich für die Abfassung des Buches brauchte. Ich hoffe, dass sie mir die dadurch entstandene Arbeit nachsehen wird. Herr Pfarrer Markus Eichler hat mir im Rahmen seines Spezialvikariats am Konfessionskundlichen Institut bei der Abfassung und der Korrektur des Werkes tatkräftig und engagiert geholfen.

Pfr.i.R. Wieland Schubing nahm sich des Teufels in der Popmusik an, mein Vater, Rektor i.R. Alfred Metzger, las – wie bei fast allen meinen Publikationen – sowohl die einzelnen Kapitel im Zuge ihrer Entstehung wie auch das ganze Manuskript Korrektur. Letzterer Mühe unterzog sich gleichfalls Oberstudienrat Torsten Schuler.

Auch die „Böcherschule“ arbeitete auf gewisse Weise zusammen: Mein „Doktorbruder“, Prof. Dr. Michael Tilly (Tübingen), hat das Manuskript dieses Buches kritisch durchgesehen, und mein Vorgänger als Assistent bei Prof. Böcher in Mainz, Prof. Dr. Marco Frenschkowski (Jena), machte mich auf Literatur zum Teufel aufmerksam, die mir sicher entgangen wäre.

All den genannten Personen danke ich sehr herzlich für ihre großzügige Unterstützung.

Zum Dank widme ich dieses Buch meinem Lehrer, Prof. Dr. Dr. Otto Böcher, der den Boden dafür bereitet hat, dass ich dem Wunsch der Studentinnen entsprochen und mich mit dem Teufel beschäftigt habe. Ich hoffe, dass Prof. Böcher an diesem Buch nicht zu viel zu bemängeln haben und mir verzeihen wird, dass ich eine kunstgeschichtliche Betrachtung des Teufels unterlassen habe.

EINFÜHRUNG

„Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“ So formulierte es der evangelische Theologe Rudolf Bultmann in einem Vortrag im Jahr 1941.1 Obwohl ich persönlich diesem Satz und seinen Implikationen voll zustimmen kann, ist er, gemessen an der Realität, offenbar falsch. Da die Vorstellung des Teufels Bestandteil der offiziellen Lehre der römisch-katholischen Kirche ist, sollten eigentlich bereits ca. 1,1 Milliarden Menschen von der Existenz des Teufels überzeugt sein. Doch nicht nur Katholiken, sondern auch viele andere Christen und auch Anhänger des Islam glauben an seine Existenz. Von daher dürfte die „Geisterwelt des Neuen Testaments“, zu der der Teufel ohne Frage gehört, nicht verschwunden sein, bloß weil der Mensch heute Smartphones und Internet benutzt. So richtig der Satz Bultmanns ist, so schlicht geht er doch an der komplexen Realität vorbei, in der der moderne Mensch lebt. Die Annahme Bultmanns, dass der „Geister- und Dämonenglaube“ durch „die Kenntnisse der Kräfte und Gesetze der Natur“ „erledigt“ sei,2 trifft offensichtlich nicht zu. Die religiöse Überzeugung muss heute nicht mehr zwingend mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild des Menschen in Einklang gebracht werden, sondern es kann in völlig gesonderten Bereichen geglaubt und gelebt werden. Deshalb ist es zu einfach, den Glauben an einen Teufel bzw. die Überzeugung, dass es einen Teufel gibt, schlicht beiseitezuschieben und ihn als überholten Aberglauben zu betrachten, der allenfalls für Religionswissenschaftler und Kunsthistoriker interessant ist. Der Teufel ist – so meine These – deshalb nicht überholt, weil er letztlich eine Deutung dessen darstellt, was jeder Mensch in seinem Leben in verschiedenen Formen und Abstufungen erfährt: die Existenz des Bösen. Die Erfahrung, dass Menschen anderen Menschen etwas Böses antun, dass Menschen unbeabsichtigt oder in bester Absicht etwas tun, was für andere Menschen böse Auswirkungen haben kann, dass Umwelt- und Naturkatastrophen böse Folgen für den Menschen haben – all das ist dem Menschen damals wie heute bewusst, und er erlebt es. Dieses Erleben sucht eine Antwort auf die Frage nach dem Warum: Warum stößt mir etwas Böses zu?

Das zufällige, namenlose und oft unentschuld- und unerklärbare Böse will verstanden werden und ist leichter zu ertragen, wenn dahinter eine Kraft gesehen werden kann, die jetzt zwar Leid zufügen kann, die aber letztlich doch vom Guten überwunden werden wird. Der Teufel ist damit eine Erklärung des Menschen für das Böse, das geschieht.

Gleichzeitig ist der Teufel eine faszinierende Gestalt. Weil sie das Gegenteil von dem darstellt, was man tun soll, an das man glauben und dem man folgen soll, übt sie eine fast unerklärliche Anziehungskraft aus. Gerade das, was verboten ist, hat einen besonderen Reiz: ob dies nun Eva und Adam im Paradies betrifft, die ausgerechnet von dem einen Baum essen wollen, der ihnen vorenthalten wurde, oder ein kleines Kind, das seine Grenzen austestet. Warum ist es so reizvoll, etwas Verbotenes zu tun? Formulierungen wie die folgenden beschreiben diese Faszination und bringen dabei einen Pessimismus zum Ausdruck: „Nur das Böse bricht sich Bahn!“ In modernen Filmepen fasziniert die „dunkle Seite der Macht“ (Star Wars) ganz besonders, und Schauspieler bekunden freimütig, dass „böse“ Rollen ungemein reizen. In der Popmusik gilt das Motto: „Good girls go to heaven – bad girls go everywhere!“ (Pandora’s Box; Meat Loaf)

Der Teufel ist damit ein Symbol der Grenzüberschreitung, die dem modernen Kulturmenschen zuweilen – zumindest in seiner Fantasie – attraktiv erscheint.

In diesem Sinn ist der Teufel im christlich geprägten Abendland die Personifizierung des Bösen. Er ist schwarz oder rot, behaart, hat oft einen dreizackigen Speer in der Hand, lebt und herrscht in der Hölle, hat zwei Hörner und drei Haare auf dem Kopf, stinkt nach Schwefel, hat einen Ziegen- oder Pferdefuß und einen Schwanz. Vor langer Zeit war er ein Engel, der sich gegen Gott auflehnte und deshalb aus dem Himmel gestürzt wurde. Seitdem ist er der böse Erzfeind Gottes und versucht, Gottes Geschöpfe zu verführen und vom rechten Weg abzubringen.

So lautet die Kurzbeschreibung seines Aussehens, seiner Biografie und seines Tuns. Im Laufe seines Daseins nahm der Teufel erst immer mehr an Macht und Ansehen zu und verlor sie dann wieder. Heute lassen sich die Vorstellungen von ihm kaum noch auf einen Nenner bringen. Aufgeklärte Zeitgenossen sehen in ihm bestenfalls ein Symbol. Andere betrachten ihn weiterhin als reales Wesen. Zwischen diesen beiden Polen ist viel Spielraum für Interpretation, Deutung und Überzeugung. Mit der Figur des Teufels wird in der Moderne gespielt. Man gruselt sich in Horrorfilmen (Der Exorzist), man fühlt sich in der Popmusik in sie ein (Sympathy for the Devil) und amüsiert sich über sie im „Kasperltheater“. Manche beten „Satan“ an („Church of Satan“), andere wehren sich mit Schutzzaubern gegen ihn und seinen „bösen Blick“.

Das Buch verfolgt zwei Fragestellungen: Wie hat sich die Vorstellung vom Teufel entwickelt, und welche Rolle spielt der Teufel heute noch?

Der erste Teil des Buches will die erste Frage beantworten. Er bietet einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Teufelsvorstellung. Zunächst geht es darum, die religionsgeschichtlichen Voraussetzungen aufzuzeigen, die die Entstehung einer Teufelsfigur ermöglichen. Danach soll das Mosaik des Teufels zusammengesetzt werden, um zu sehen, wie ganz verschiedene Einflüsse und Traditionen im biblischen Zeitalter allmählich ein Bild ergeben, an dem dann immer weiter gearbeitet wurde. Zu einer gewissen Synthese kommt es schließlich im Rahmen der altkirchlichen und mittelalterlichen Lehre, die bis heute für den römisch-katholischen Glauben bestimmend ist. Da sich die Teufelsfigur in ihrem Kernbestand ab dem Mittelalter nicht mehr wesentlich ändert, sondern zunehmend zum kulturellen Allgemeingut und später zum Symbol eines verfehlten Glaubens wird, kann der allgemeine geschichtliche Rückblick damit abbrechen und in einzelnen Strängen weitergeführt werden.

Der zweite Teil des Buches wendet sich dann der Gegenwart zu und beschreibt, wie der Teufel heute in verschiedenen Lebensbereichen vorkommt. So wird er zunächst im Rahmen der christlich-konfessionellen Religionsgemeinschaften beschrieben: römisch-katholisch, evangelisch, freikirchlich-evangelikal und orthodox. Dann wird seine Rolle im Islam beleuchtet und kurz ein Blick auf diejenigen geworfen, die den Satan in den Mittelpunkt einer neuen Religion rücken wollen, ohne es allerdings wirklich zu tun. Danach wird der engere religiöse Raum verlassen und die kulturelle Bedeutung des Teufels am Beispiel Literatur, Film und populäre Musik untersucht.

Ein dritter Teil rundet den Band ab und legt eine Deutung des Teufels in der Gegenwart vor: Der Umgang mit dem Teufel und dem Phänomen des Bösen wird hier nochmals systematisch dargestellt.

1 Rudolf Bultmann, Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung, BEvTh 96, München 1988, 16.

2 Bultmann, Mythologie, 15.

I. DIE GESCHICHTE DES TEUFELS

DIE „VORFAHRENDES TEUFELS – RELIGIONSGESCHICHTLICHE VORAUSSETZUNGEN

Die zentrale Voraussetzung für die Vorstellung eines Teufels ist die Entstehung des Monotheismus. Erst der Glaube an die Existenz eines einzigen Gottes ermöglicht die Entwicklung einer Teufelsfigur, da ohne ihn die spezifischen Merkmale des Teufels sinnlos sind. „Die Konzentration des Göttlichen in einem Gott zog die Konzentration des Bösen in einer einzigen Gestalt nach sich.“3 Fehlt dieser Glaube, kann das Böse ganz anders, weniger konzentriert und weniger eindeutig interpretiert werden.

Der Blick in die Glaubenswelten der Antike zeigt deshalb eine bunte Vielfalt von Göttergestalten, denen verschiedene Aufgaben zukommen. Wichtig für die Entwicklung einer Teufelsgestalt sind vor allem Ägypten, Kanaan, Griechenland und Persien.

Zwei Motive sind dabei entscheidend: Zum einen geht es um ein Spannungsverhältnis zwischen Göttern, die sich gegenseitig bekämpfen, was verschiedene Auswirkungen auf die Menschen hat. Zum anderen geht es um die Deutung des Bösen in der Welt, das auf das Wirken verschiedener Götter zurückgeführt wird. Dabei hilft die Gegenüberstellung von „Gut“ und „Böse“ oft nur bedingt weiter, da zuweilen nicht klar definiert werden kann, was „Gut“ oder „Böse“ im Hinblick auf eine bestimmte Gruppe genau bedeutet.

Als Beispiel für diese Ambivalenz kann der Gott Seth gelten, der in der altägyptischen Mythologie eine wichtige Rolle spielt. Während er auf der einen Seite als Gott des Verderbens und des Chaos gilt, wird er auf der anderen Seite als derjenige angesehen, der die Sonne jeden Tag aufs Neue vor der Schlange Apophis rettet und so den Tag beschützt. Auch als Beschützer der in Ägypten lebenswichtigen Oasen wird er angesehen. Allerdings steht er im Konflikt mit seinem Bruder Osiris, den er ermordet, was wiederum von dessen Sohn Horus gerächt wird. Seth und Horus bilden demnach eine Polarität unter den Göttern, wodurch Seth im Lauf der Entwicklung der Mythologie immer mehr negative Züge annimmt, sodass er schließlich als ein „böser“ Gott angesehen wird. Letztlich kann Seth als der Tod selbst interpretiert werden, dem das letzte Wort genommen wird, da Osiris mit Horus’ Hilfe über ihn triumphiert. Interessant ist, dass Seth in den Mythen teilweise als Drache geschildert wird, was an die spätere Darstellung des Teufels im Neuen Testament erinnert.

Einen deutlichen Antagonismus zweier Götter, der den Lauf der Welt und der Natur beeinflusst, lässt sich in der Mythologie Kanaans erkennen. Der Gott Baal, mit dem sich der Prophet Elija auf dem Karmel auseinandersetzen muss (1 Kön 18), steht hier im ständigen und zyklisch wiederkehrenden Konflikt mit dem Gott Mot, der als Herr des Todes an den griechischen Gott Hades erinnert. Der Mythos erzählt, dass Mot seinen Widersacher in einem Kampf unterwirft und ihn tötet. Baal wird für sieben Jahre in das Reich des Todes, die Unterwelt, verbannt, und da er der Herr des Lebens ist, wird in dieser Zeit das Leben auf der Erde massiv geschädigt. Doch die Schwester Baals, Anat, eine jungfräuliche Kriegs- und Liebesgöttin, sucht ihren Bruder und vernichtet dabei Mot. Sie verbrennt ihn und streut seine Asche auf der Erde aus, wodurch diese wieder fruchtbar wird. Auch diese Verbindung zwischen Tod und Fruchtbarkeit erinnert an Hades. Baal kehrt aus der Unterwelt zurück, aber Mot kommt auch wieder zu neuem Leben, und so beginnt der ewige Kreislauf von Leben und Tod. Mit seiner Opposition gegen den guten Gott Baal und als Herr über den Tod und die Unterwelt ist die „Verwandtschaft“ Mots mit dem Teufel motivisch belegt.

Allerdings wird auch der in Kanaan „gute“ Gott Baal in der jüdisch-christlichen Überlieferung letztlich zum Dämon. 2 Kön 1 erzählt davon, dass König Ahasja das Missfallen Gottes auf sich zieht, weil er den „Baal Zebub“, den Stadtgott der Philisterstadt Ekron, fragen lässt, ob er sich von einem Unfall erholen würde. Die Bezeichnung des zweiten Buches der Könige (übersetzt: „Herr der Fliegen“) dürfte eine absichtlich falsche Wiedergabe des Namens „Baal Zebul“ (übersetzt: „Hoher Fürst“) sein, wodurch der Text seine Ablehnung und seinen Spott gegenüber dem „Gotteskonkurrenten“ zum Ausdruck bringt. So entsendet Gott folgerichtig den Propheten Elija, der Ahasja den Tod als Strafe für die Anrufung eines fremden Gottes ankündigt. „Baal Zebub“ wird dann in weiteren Überlieferungen „Beelzebul“ (oder „Beelzebub“) genannt, was als Name eines Dämons oder als ein Synonym für den Teufel verstanden werden muss, so z.B. in Mk 3,22, wo er als „der Oberste der Dämonen“ bezeichnet wird.4 Sowohl Mot als auch sein Gegenspieler Baal sind damit Vorfahren des Teufels.

Die Vorstellung von einem Totenreich findet sich nicht nur in Ägypten und Kanaan, sondern auch in Griechenland. Von dort übernimmt der Teufel im Laufe seiner Entwicklung nicht nur eine wesentliche Funktion, sondern auch seinen – neu gedeuteten – Aufenthaltsort. Hades, der Gott der Unterwelt, der Herrscher über das Totenreich, aus der griechischen Mythologie ist deshalb auch ein „Vorfahr“ des Teufels, weil er die Teufelsvorstellung bildlich erheblich prägt. Das Totenreich als ein Ort der körperlosen Schattenwesen (Homer) dürfte eine wesentliche Grundlage der späteren Höllenvorstellung darstellen, die dem Teufel als Herrscher zugewiesen wird. Auch weitere Motive, wie etwa die Vorstellung einer unsterblichen Seele, die sich durch den Tod vom Körper trennt, und die Erwartung eines Totengerichts finden sich in der griechischen Mythologie (Platon). Dass Teufel und Hades etwas miteinander zu tun haben, belegt das etwa um 250 n. Chr. entstandene apokryphe, also nicht in den Kanon der anerkannten biblischen Bücher aufgenommene, Evangelium des Bartholomäus, das einen Dialog zwischen Hades und Teufel wiedergibt. Dort zittert Hades vor Jesus, der in die Unterwelt kommt, um die Gerechten des Alten Bundes zu befreien. Der Teufel will Hades davon überzeugen, Widerstand zu leisten, aber Jesus dringt letztlich in das Herrschaftsgebiet des Hades ein und führt die Patriarchen des Alten Testaments mit sich aus dem Totenreich.

Die Ambivalenz des Gottes Hades zeigt sich wiederum darin, dass er zusammen mit seiner Frau Persephone und seiner Schwiegermutter Demeter auch als Fruchtbarkeitsgott bekannt ist. Dieses Motiv der Fruchtbarkeit verbindet ihn wiederum mit dem Gott Pan, der gleichfalls direkten Einfluss auf die Ausgestaltung der Teufelsfigur nimmt. Dessen sexuelle Potenz und Fähigkeit zur Zeugung werden auch auf den Teufel übertragen, und so wird das Erscheinungsbild des Teufels geprägt. Von Pan und seinen Satyrn bekommt der Teufel die Hörner, die als Symbol für Potenz und Herrschaft stehen, seine Behaarung, den „Bocksfuß“ und den Gestank. Schließlich kann aus dem griechischen Götterhimmel auch der Gott Dionysos als Vorbild des Teufels angesehen werden, da dieser für den Rausch und die Ekstase verantwortlich ist. Auch die Enthemmung im Fest, für die der Gott des Weines verantwortlich ist, missfällt den – vor allem christlichen – Autoren, die den Teufel formen.

Die Eigenschaften der Götter Hades, Pan und Dionysos, die der christlichen Weltsicht zuwiderlaufen, werden also auf den Teufel übertragen und somit als böse qualifiziert.

Als böses Prinzip schlechthin hat der Teufel aber nur in der Religion Altpersiens einen direkten Vorfahr. Damit es sich als solches direkt gegen einen guten Gott richten kann, muss ein klares Weltbild vorliegen, in dem sich „Gut“ und „Böse“ als zwei gleich starke Prinzipien gegenüberstehen. Dies ist in der deshalb als „dualistisch“ bezeichneten Religion des iranischen Propheten Zarathustra der Fall. Eine Grundannahme seiner Religion, des Zoroastrismus, ist sicher der Streit zwischen einem bösen Prinzip (dem Gott Ahriman) und einem guten Prinzip (dem Gott Ohrmazd). Da Ohrmazd das Gute und das Licht verkörpert und weder Ehrgeiz noch Hass kennt, fängt er keinen Streit an. Aber in seine gute Schöpfung bricht Ahriman ein und tötet die Geschöpfe Ohrmazds. Ahriman ist neidisch auf Ohrmazds Schöpferkraft und überzieht die Schöpfung mit Gewalt und Chaos. Er erschafft eine Armee von Dämonen, die gegen die von Ohrmazd zur Rettung der Schöpfung neu geschaffenen Seelen der noch nicht geborenen Menschen vorgeht. Doch Ohrmazd kann sich im Kampf gegen Ahriman durchsetzen, der im Kosmos gefesselt wird und nicht zurück in das Nichts fliehen kann. Das erste Menschenpaar, das mit Ohrmazds Hilfe entsteht, wird von ihm zur Sünde verführt, und so fallen die Menschen von ihrem guten Schöpfer ab. Ähnlich wie im äthiopischen Henochbuch5 erlangen die Menschen durch ihren Sündenfall einerseits kulturelles Wissen, andererseits leidet die gute Schöpfung Gottes Schaden. Die Welt stellt sich also als eine ständige Folge von Kriegen zwischen Ohrmazd und Ahriman dar, der Mensch läuft Gefahr, von Ahrimans Dämonen verführt zu werden und so der Finsternis anheimzufallen. Erst am Ende der Weltgeschichte wird Ohrmazd dann endgültig mit Hilfe einer Rettergestalt über Ahriman siegen, und alle Toten werden in die ewige Seligkeit eingehen.

Die Parallelen zwischen dieser Mythologie und jüdischchristlichem Gedankengut sind so auffällig, dass durchaus eine Beeinflussung angenommen werden kann. Im Hinblick auf den Teufel ist aber vor allem wichtig, dass er in Ahriman einen wichtigen „Urahnen“ hat, der ihm viele seiner Eigenschaften vererbt. Ahriman kann insofern als wichtigster Vorfahr bezeichnet werden, weil er keine guten Wesenszüge hat. Während Seth, Baal, Hades oder Pan in ihrer jeweiligen Vorstellungswelt auch zuweilen gute Eigenschaften haben oder gute Taten vollbringen, die der Lebenswelt des Menschen dienlich und im Lebenszyklus bzw. -rhythmus unverzichtbar sind, sind Ahriman und sein Nachkomme, der Teufel, ausschließlich böse und verkörpern das feindliche Prinzip gegen Gott und gegen das Gute. Doch davon weiß die hebräische Bibel noch nichts. Erst das Neue Testament wird hier ganz klar Stellung beziehen.

DIE ENTSTEHUNG DES TEUFELS – ANTIKES JUDENTUM UND FRÜHES CHRISTENTUM

Nachdem die religionsgeschichtlichen Voraussetzungen für die Entstehung einer Teufelsfigur gegeben waren, entwickelte sich langsam der Teufel in der Gestalt, wie er später für die abendländische Tradition prägend wurde. Dies lässt sich zeigen, wenn man die frühen Belege für ein Wesen, in dem das Böse personale Gestalt annimmt, aufzeigt, untersucht und eine vielfältige Entstehungsgeschichte nachzeichnet.

Eine Spurensuche: Der Teufel im Alten Testament

Im Alten Testament wird Gott vielfach grundsätzlich auch für das Böse in der Welt verantwortlich gemacht: „Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin der Herr, der dies alles tut.“ (Jes 45,6–7). Das Problem des Bösen ist dadurch zwar nicht gelöst, doch entlassen etliche alttestamentliche Autoren letztlich Gott nicht aus der Verantwortung. Sie versuchen im Gegenteil Erklärungen dafür zu finden, warum Gott – in ihren Augen: zu Recht – dem Menschen Böses widerfahren lässt. Die Reden der Freunde Ijobs sind dafür ein Beispiel (Ijob 3 ff): Sie versuchen, Ijob davon zu überzeugen, dass er irgendetwas getan haben muss, wodurch er sein Schicksal verdient hat. Auch die Geschichtsbücher des Alten Testaments arbeiten zuweilen mit dem Muster von Tun und Ergehen, wenn sie einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten Israels und seinem Schicksal herstellen. Das Böse, das Israel widerfährt, wird in dieser Perspektive als gerechte Strafe Gottes gedeutet. Das Volk wird vor die Wahl zwischen Gut und Böse gestellt, und der Mensch hat durch das Befolgen der Gebote Gottes die Möglichkeit, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen: „Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse. Wenn du gehorchst den Geboten des Herrn, deines Gottes, die ich dir heute gebiete, dass du den Herrn, deinen Gott, liebst und wandelst auf seinen Wegen und seine Gebote, Gesetze und Rechte hältst, so wirst du leben und dich mehren, und der Herr, dein Gott, wird dich segnen in dem Land, in das du ziehst, es einzunehmen. Wendet sich aber dein Herz und du gehorchst nicht, sondern lässt dich verführen, dass du andere Götter anbetest und ihnen dienst, so verkünde ich euch heute, dass ihr umkommen und nicht lange in dem Land bleiben werdet, in das du über den Jordan ziehst, es einzunehmen. Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen.“ (Dtn 30,15–19).

Dieses pädagogisch-optimistische Konzept zerbricht erst zu dem Zeitpunkt, an dem die Überzeugungskraft des sog. „Tun-Ergehen-Zusammenhangs“ schwindet. Die Frage nach der Deutung des Bösen stellt sich dadurch neu, und das Alte Testament zeigt zumindest Ansätze zur Ausbildung einer Teufelsvorstellung.

Viele Motive, die in der Überlieferung mit dem Teufel verbunden wurden, an sich aber nicht vom Teufel sprechen, stammen zwar aus dem Alten Testament, doch lässt sich grundsätzlich feststellen: Im Alten Testament ist der Teufel nur eine Randfigur. Die Figur, die später zum Teufel fortentwickelt wird, tritt hier unter dem Namen śāimageān auf. Da die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die Septuaginta, den Begriff fast ausschließlich mit diábolos übersetzt, scheint hier der Grund für die spätere Gleichsetzung von Satan und dem ins Lateinische übertragenen diabolus zu liegen, von dem wiederum das deutsche Wort Teufel abgeleitet wird.

Die Herkunft des Begriffs śāimageān ist unklar. Versucht man das Nomen von Verbstämmen abzuleiten, bieten sich Verbindungen zu Begriffen wie revoltieren, verfolgen oder ungerecht sein an. Nähert man sich inhaltlich, ist man auf jene Stellen angewiesen, in denen das Wort vorkommt. Belegen wie Num 22,22.32; 1 Sam 29,4; 2 Sam 19,23 ist dabei gemeinsam, dass dem Begriff Satan immer etwas Widersprechendes, Opponierendes anhaftet. In Num 22 tritt der Engel Gottes dem Seher Bileam „als Satan“ entgegen, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Von daher ist vorstellbar, dass „Satan“ im Sinne einer dem Menschen potenziell feindlichen Macht auftritt und so schließlich an den Stellen, wo er als mehr oder minder ausgebildete Figur begegnet, die Rolle einer Gott widersprechenden Kraft annehmen kann. Im Alten Testament ist dies nur in Ijob 1,6–12, Ijob 2,1–7 und Sach 3,1–7 der Fall – Bibelstellen, die letztlich ausschlaggebend dafür sind, im Satan einen Opponenten zu Gott, eine Verkörperung des Gegensatzes zu ihm (Ijob) zu sehen, und die ihm in der Überlieferung die Rolle des Anklägers vor Gott einbringen werden (Sach 3).

Neben diesen Stellen finden sich allerdings – wie gesagt – noch weitere Texte, die nicht ausdrücklich vom Teufel reden, die aber später als Texte verstanden wurden, die vom Teufel handeln (besonders: Gen 6,1–4; Jes 14,13–14). So ist im Alten Testament immer darauf zu achten, nicht Vorstellungen aus der Rezeptionsgeschichte in die Deutung der Texte zu legen. Deshalb soll zunächst gezeigt werden, was die Texte zur Entwicklung der Teufelsvorstellung beitragen.

Der Satan als Opponent

Im Buch Ijob, welches wahrscheinlich im Laufe des 5. bis 3. Jh. v. Chr. entstanden ist und dabei immer wieder erweitert und überarbeitet wurde, tritt der Teufel innerhalb der Rahmenerzählung auf. Es gehört zu den weisheitlichen Schriften des Alten Testaments, die betonen, dass das Leben des Menschen nicht in den einfachen Kategorien von Tun und dem daraus resultierenden Ergehen aufgeht. Dahinter steht die Erfahrung, dass das gute Handeln nicht automatisch zu einem guten Leben führt, sondern dass oft gerade derjenige gut lebt, der nicht gut handelt, und umgekehrt. Das Buch betont deshalb letztlich die Souveränität Gottes, dessen Heilsplan für den Mensch undurchschaubar ist.

Am Beispiel Ijobs wird deutlich, dass auch ein vorbildlicher Lebenswandel und tadellose Frömmigkeit ein gutes und glückliches Leben nicht garantieren. Das Problem des leidenden Ijob wird in gewisser Weise durch die Rahmenerzählung des Buches entschärft, die seinem Unglück einen Sinn verleiht. In dieser Erzählung nimmt der Satan eine wichtige Rolle ein. Da die Erzählung doppelt überliefert ist (in Ijob 1 und Ijob 2), genügt es, eine davon vorzustellen und relevante Unterschiede zu erwähnen.

Eingeführt wird Ijob als frommer und gottesfürchtiger Mann, dem es außerordentlich gut geht. Die eigentliche Handlung setzt dann mit Ijob 1,6 ein, wo eine Versammlung der Göttersöhne geschildert wird. Diese wahrscheinlich aus der Umwelt Israels übernommene Vorstellung kann im Alten Testament in vielfältiger Weise eingesetzt werden, etwa als Versammlung zum Gericht (Ps 82) oder zur Illustration der Herrlichkeit Gottes (Ps 89). Die Wesen, die um den Thron Gottes versammelt sind, sind Gott nicht ebenbürtig wie in den Vorstellungen der Umwelt, sondern beten ihn an (Ps 29), dienen ihm (Jes 6,2) oder beraten ihn (1 Kön 22). 1 Kön 22,19 schildert, wie man sich eine solche Szene vorzustellen hat: „Ich sah den Herrn sitzen auf seinem Thron und das ganze himmlische Heer neben ihm stehen zu seiner Rechten und Linken.“ Zu verstehen ist diese Szene, wenn man sich vor Augen führt, wie die Gottesvorstellung in dieser Zeit ausgesehen hat. Offensichtlich nimmt sie Anleihen am irdischen Vorbild, etwa daran, wie sich Könige dieser Zeit inszeniert und so dem Volk mittels ihres Hofstaates ihre Macht demonstriert haben. Gott wird analog zu dieser Vorstellung gezeichnet, seine Regentschaft wird lediglich in den Himmel verlegt und er wird in seiner Pracht und Macht so gesteigert, dass er die irdischen Könige bei Weitem übertrifft.

In dieser Versammlung findet ein Dialog zwischen Satan und Gott statt. Gott fragt ihn, woher er komme, und der Satan antwortet: „Vom Durchstreifen der Erde und vom Umherwandern auf ihr.“ Obwohl hier kein negativer Zug in der Erzählung zu erkennen ist, wird die weitere Überlieferung dieses Wandern auf der Erde als Eigenschaft des Teufels festhalten und negativ bewerten. Der Teufel durchstreift die Erde auf der Suche nach Menschen, die entweder Sünder sind oder die er zur Sünde verführen kann. Im Ijob-Buch ist davon aber noch nichts zu bemerken, allein die Tätigkeit wird festgehalten. Das Wesen Satans, demzufolge er eine permanente Bedrohung des Menschen sei, wird hier nicht beschrieben; er scheint lediglich selbstverständlicher Teil des göttlichen Hofstaates zu sein.

Jetzt macht Gott ihn auf Ijob aufmerksam: Gott lobt Ijob als vorbildlichen Gläubigen, er wird als „fromm, rechtschaffen, gottesfürchtig“ (Ijob 1,8) charakterisiert. Indem Gott ihn als seinen „Knecht“ bezeichnet, stellt er Ijob in eine Reihe mit anderen Vorbildern des Glaubens, z.B. Abraham (Gen 26,24).6 Insofern wird Ijob mit einer hohen Auszeichnung belegt. Auf die Frage Gottes – die man als Provokation lesen kann, die aber vor allem die Erzählung in Gang bringt – antwortet Satan mit einer Gegenfrage und dem Verweis auf das gute Leben Ijobs. Er stellt nicht Ijobs Frömmigkeit in Frage, unterstellt aber, dass Ijob nur deshalb fromm ist, weil es ihm gut geht, dass er also von seiner Frömmigkeit einen guten Nutzen hat. Dann wäre es – so der Duktus des Gedankens – gar keine echte Gottesfurcht, sondern Teil eines „geschäftlichen“ Arrangements: Frömmigkeit und Glaube für gutes Leben. Damit ist der Konflikt eröffnet, und die theologische Frage des Buches ist gestellt: Kann das Gottesverhältnis auf der Basis von Leistung und Ertrag verstanden werden? Gibt es einen Zusammenhang von Tun und Ergehen?

Um dies zu testen, dient Ijob jetzt als Beispiel. Der Satan fordert Gott auf, sich gegen Ijob zu wenden, ihm seinen Schutz zu entziehen und ihn dadurch auf die Probe zu stellen, dass er ihm von nun an schlechte Dinge widerfahren lässt. Dann, so behauptet der Satan, wird Ijob von seinem Glauben abfallen und seine Frömmigkeit aufgeben. Da Gott einwilligt, diese Probe durchzuführen, tritt er den Beweis an, dass Ijob fromm bleibt, auch wenn sich das Schicksal jetzt gegen ihn richten wird. Es geht demnach nur vordergründig um Ijob, vielmehr steht die Ehre Gottes auf dem Spiel, der Ijob schließlich als seinen „Knecht“ ausgezeichnet hat. Der Satan bekommt nun freie Hand, Ijob böse Dinge widerfahren zu lassen, nämlich die Vernichtung seines Besitzes und die Tötung seiner Familie. Allerdings beschränkt Gott seinen Auftrag: Er erlaubt dem Satan zwar, alles zu schädigen, was Ijob besitzt – dazu gehören auch seine Angehörigen –, doch darf der Satan Ijob selbst nicht anrühren. So wird der Satan deutlich als Werkzeug Gottes gekennzeichnet, das im göttlichen Auftrag die Erprobung Ijobs durchführt. Der Satan ist also nicht von sich aus böse, sondern er dient Gott und handelt in seinem Auftrag. Er ist folglich keine Kraft, die sich gegen Gott richtet und versucht, Menschen gegen Gottes Willen von ihrem Weg abzubringen. Er dient im Text lediglich dazu, die eigentliche theologische Diskussion um die weisheitliche Durchdringung der Welt in Gang zu bringen.

In Ijob 2 setzt die Szene nochmals ein. Hier findet sich im Gespräch zwischen Gott und Satan eine interessante Einfügung, die anscheinend bereits auf Ijob 1 zurückblickt. Gott setzt seinem Lob Ijobs hinzu: „Du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben.“ (Ijob 2,3) Die Funktion dieses Zusatzes dürfte darin liegen, Gott von der Schuld freizusprechen, Ijob zu schädigen. Während sich Gott in Ijob 1 vollkommen kommentarlos darauf einlässt, die Frömmigkeit Ijobs unter Beweis zu stellen, wird hier dem Satan die Schuld dafür zugeschoben und so Gottes infantil anmutendes Verhalten entschuldigt. Eigentlich – so suggeriert der Text – wollte Gott gar nicht auf die These Satans antworten, aber dieser hat ihn zu sehr gereizt. Allerdings gelingt diese Entschuldigung Gottes nur in sehr geringem Maße, da dadurch der Teufel trotzdem nicht zu einer eigenständigen Größe neben Gott wird, sondern weiterhin als sein ausführendes Organ fungieren muss. Die Verantwortung für die Prüfung Ijobs trägt also weiterhin Gott.

Die zweite wesentliche Veränderung besteht darin, dass der Satan nun auch Ijob selbst körperlichen Schaden zufügen darf, allerdings muss er sein Leben schonen (Ijob 2,6 f). Von daher wird die Konfliktsituation nochmals verschärft und damit die theologische Frage zugespitzt. Doch bleibt Ijob standhaft, und seine Antwort an seine Frau, die ihn dazu auffordert, sich von Gott abzuwenden, bestimmt im Grunde die Aussageabsicht des ganzen Buches: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ (Ijob 2,10)

Eine ähnliche Hinzufügung, wie sie Ijob 2,3 darstellt, findet sich auch in 1 Chr 21. Die Bücher der Chronik orientieren sich an den Samuel- und Königsbüchern des Alten Testaments und erzählen die Geschichte Israels unter bestimmten Gesichtspunkten noch einmal. Entstanden dürfte eine erste Fassung der Bücher im 4. Jh. v. Chr. sein, die dann weiter überarbeitet und ergänzt wurde. Interessant ist die Neuerzählung der Volkszählung Davids durch die Chronikbücher aus 2 Sam 24. Während dort David von Gott selbst dazu angestiftet wird, die von Gott verurteilte Volkszählung durchzuführen, entschuldigt die Chronik Gott und macht die Geschichte dadurch aus ihrer Sicht logischer. In den Samuelbüchern ist Gott der Akteur, der in seinem Zorn David dazu anstiftet, gegen seinen Willen zu handeln. Dementsprechend straft er Jerusalem dann auch durch seinen Racheengel, gebietet diesem aber aufgrund seiner Reue auch wiederum Einhalt und vernichtet Israel nicht ganz (2 Sam 24,16). Dieses komplexe Gottesbild, das sowohl Zorn als auch Reue kennt, wird durch die Chronik geglättet. Jetzt wird die Schuld an der Volkszählung nicht mehr Gottes Zorn und Davids Handeln zugerechnet, sondern Gott wird insofern aus der Verantwortung genommen, als der Text die Figur des Satans einführt: „Und der Satan stellte sich gegen Israel und reizte David, dass er Israel zählen ließe.“ (1 Chr 21,1). Dieser Satan reizt David zur Sünde, sodass Gott aus diesem Geschehen herausgehalten werden kann. Gott bleibt die Aufgabe, Israel zu bestrafen, ohne es gänzlich zu zerstören. Der Figur des Satans werden somit die dunklen Eigenschaften Gottes auferlegt, und damit wird ihre Entwicklung vorgezeichnet.

Der Satan als Ankläger: Sacharja

Im Buch des Propheten Sacharja, der nach traditioneller Auffassung nach dem babylonischen Exil auftritt (ca. 520 v. Chr.) und dessen Überlieferung eine Entwicklung bis zur Fixierung des Buches in hellenistischer Zeit durchlaufen haben dürfte, tritt der Teufel in einer Szene auf, die sich mit einer Gerichtsverhandlung vergleichen lässt. Der Satan scheint hier analog zur Darstellung im Ijob-Buch ebenfalls Mitglied eines göttlichköniglichen Hofstaates zu sein. In einer solchen Szene ist klar, dass Gott als König zugleich Richter über diejenigen ist, die vor ihn kommen. Bei Sach 3 steht der Hohepriester Jeschua in dieser Versammlung, und „der Satan stand zu seiner Rechten, um ihn zu verklagen“ (Sach 3,1). Warum Jeschua angeklagt wird, gibt der Text nicht zu erkennen; offensichtlich kommt es also im Text nicht darauf an, sondern vielmehr auf Gottes Zurechtweisung des Satans. Der Engel des Herrn weist den Satan und seine Anklage in die Schranken und sorgt dafür, dass Jeschua reine Kleider geschenkt bekommt. Indem der Text betont, dass der Engel im Auftrag Gottes Jeschua die Sünden erlässt, werden zwei Dinge deutlich: Erstens ist damit klar, dass der Satan den Priester offensichtlich zu Recht verklagt hat. Jeschua hatte sich schuldig gemacht. Das Bild vom angesengten Holz, das aus dem Feuer gerettet wurde und mit dem Jeschua verglichen wird, lässt zusammen mit dem Bild der unreinen Kleider, die er anhat, vermuten, dass Jeschua tatsächlich der Reinigung von seinen Sünden durch Gott bedarf. Dass Gott die Sünden von Jeschua wegnimmt und nicht – wie es der alttestamentliche Tun-Ergehen-Zusammenhang eigentlich fordert – bestraft, zeugt von der Gnade Gottes. Dies ist der zweite auffällige Aspekt. Für den Satan heißt dies aber, dass er seine Aufgabe als Mitglied des himmlischen Hofstaates durchaus erfüllt hat. Allerdings ist sie hier nicht erwünscht.

Im Alten Testament ist der Satan also insgesamt eindeutig als Mitglied des königlichen Hofstaates anzusehen. Als solches ist er deshalb kein eigenständiges, negatives Wesen, das unabhängig von Gott agieren kann. Vielmehr ist Satan immer ein Werkzeug Gottes, das dessen Willen ausführt. Allerdings zeigen sich Wesensbeschreibungen, die den Teufel später charakterisieren werden. Seine Funktionen als Ankläger der Menschen vor Gott (Sach 3), als Prüfer der menschlichen Frömmigkeit (Ijob) und als Anstifter zum Ungehorsam (1 Chr 21) wird die Überlieferung als Grundzüge festhalten. Bis er aber zum Teufel im Sinn der abendländischen Christenheit wird, hat er noch eine lange Wegstrecke vor sich.

Die „Engelehen“ (Gen 6,1–4)7

Die Erzählung von den „Engelehen“ ist ein rätselhafter Text im Alten Testament. Während die ältere Bibelwissenschaft noch glaubte, in Gen 6,1–4 einen sehr alten Text aus der Vor- oder Frühgeschichte Israels vor sich zu haben, scheint die neuere Forschung eher an einen späten Text zu denken, der vielleicht erst in den letzten Redaktionsphasen der Tora eingefügt wurde. Sein Schwerpunkt dürfte auf der Erklärung liegen, warum der Mensch nicht mehr so lange lebt wie z.B. Metuschelach. Die Begrenzungen des menschlichen Lebens werden so durch die ersten Kapitel des Alten Testaments erklärt.

Für uns ist vor allem wichtig, wie der Text gewirkt hat. Die Vorstellung, dass es „Göttersöhne“ gibt, die auf die Erde kommen können und sich dort mit menschlichen Frauen vereinen, speist die Teufelsvorstellung auf verschiedene Weise. Zunächst setzt sie voraus, dass es – trotz Monotheismus – im Himmel weitere Wesen neben Gott gibt. Traditionell werden mit „Göttersöhnen“ die Engel assoziiert.8 Diese Göttersöhne steigen nun herab aus ihrer himmlischen Sphäre und vereinigen sich mit den schönen Menschentöchtern. Damit geschieht für die jüdische Vorstellung ein ungeheurer Frevel, der dazu führt, dass Gott persönlich eingreifen muss. Gott begrenzt die menschliche Lebensspanne, sodass der Mensch auf keinen Fall unsterblich sein kann, selbst wenn er ein göttlich-menschliches „Mischwesen“ darstellt. Diese „Bastarde“, die der Text als „Helden“ oder „Riesen“ der Vorzeit kennzeichnet, lassen sich am ehesten vor dem Hintergrund der hellenistischen Götterwelt verstehen. Entscheidend ist die Ablehnung einer Vermischung von himmlischer und göttlicher Ebene.

Für die Teufelsgestalt werden durch den Text Motive bereitgestellt, die weiterwirken – zum Teil verheerend. Wichtig ist die Vorstellung von „himmlischen Wesen“, die eigenständig handeln und dabei Dinge tun können, die Gottes Willen nicht entsprechen. Die Vorstellung einer „Rebellion“ im Himmel liegt dann nicht mehr fern. Zweitens kann hier ein Konnex zwischen dem bösen Tun und der Sexualität gesehen werden. Das Vergehen der himmlischen Wesen besteht ja gerade in ihrem Verkehr mit den Menschen. Diese „Sünde“ der Engel wird schließlich den bösen Engeln angelastet, sodass der Teufel letztlich mit Sexualität in Verbindung gebracht werden kann.9 Besonders Frauen werden durch den Text als „Einfallstor“ der Verunreinigung durch die Göttersöhne gekennzeichnet, was in der Wirkungsgeschichte katastrophale Folgen („Hexenvorstellung“) haben wird.

Der Fall Luzifers (Jes 14,12–15)

Im ersten Teil des Buches Jesaja (dem sog. „Protojesaja“: Jes 1 – 39) finden sich eine Vorstellung und eine Bezeichnung, die nicht auf den Teufel abzielen, in der Überlieferungsgeschichte aber dennoch auf den Teufel bezogen wurden. Es handelt sich um ein Spottlied auf den König von Babel (Jes 14,4 ff), dem mythologische Texte zugrunde liegen. Der König von Babel wird als der „Helel, Sohn des Schachar“, angesprochen. Schachar ist der Name einer ugaritischen Gottheit des Morgengrauens, die in der griechischen Mythologie weiblich vorgestellt wurde: Eos (vgl. Ps 139,9). Ihr „Sohn“ wird in der Septuaginta als „Eosphoros“ bezeichnet, was wiederum in der lateinischen Übersetzung durch „Lucifer“ wiedergegeben wird. Übersetzt man „Lucifer“ ins Deutsche, scheint die mythologische Bedeutung wieder auf: „Lichtbringer“. Der König von Babel wird demnach mit „Helel“, dem griechischen Phosporos, verglichen, und dadurch wird der Mythos eines Kampfes zwischen Helel und dem Herrscher der Götterwelt, El, ins Gedächtnis gerufen. Die untergeordnete Gottheit Helel maßt sich an, den Herrscher des Himmels zu stürzen, und wird von diesem im Kampf besiegt. Der Jesaja-Text lässt zwar durch seine Formulierung noch einen Kampf erkennen, doch drückt er dies im Passivum aus und verweist damit auf Gottes Eingreifen, ohne diesen explizit zu nennen. (Das grammatikalische Passivum dient in der Bibel häufig als Umschreibung Gottes.) Das Resultat ist Helels Sturz in das Totenreich.

Während der Name Luzifer als der Lichtbringer durchaus mit Christus, dem Licht der Welt (Joh 8,12), verglichen werden konnte, wurde der Text in der Auslegungsgeschichte durch die christlichen Kirchenväter mit Lk 10,18 kombiniert und so der Sturz Luzifers mit dem Sturz des Satans gleichgesetzt, wodurch Luzifer wiederum mit Satan identifiziert wurde. Diese Verbindung wird durch Ez 28,11–19 gestützt. Dort wird ebenfalls die Entmachtung eines Herrschers geschildert, der von Gott gestürzt wird, weil er aufgrund seiner Schönheit hochmütig wurde. Jes 14 und Ez 28 werden damit zu alttestamentlichen Belegstellen, wenn es zu beweisen gilt, dass der Teufel ein gefallener Engel ist. Damit beginnt die „Verteufelung“ fremder Herrscher und heidnischer Gottheiten, und es zeigt sich im Laufe der Überlieferung, dass dies ein Schema darstellt, auf das man immer wieder in polemischer Absicht zurückgreift.

Die „Geburt“ des Teufels – Die außerkanonischen Texte des antiken Judentums

Im Alten Testament tritt der Satan zwar auf, hat aber mit einer ausgebildeten Teufelsvorstellung, wie sie im christlichen Abendland entwickelt wird, noch nicht viel gemein. Er vererbt dem Teufel lediglich gewisse Eigenschaften und motivische Züge, ist aber noch weit davon entfernt, wirklich zum Gegenspieler Gottes zu werden. Erst in der weiteren Entwicklung der israelitischen Religion lässt sich beobachten, dass eine teuflische Figur – unter ganz verschiedenen Namen und Perspektiven – „geboren“ wird.

Der Neid des Teufels: Weish 2,24 f