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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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7.

8.

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 1662

 

Welt ohne Schatten

 

Die KAHALO im Einsatz – Reginald Bull verletzt ein Tabu

 

von Susan Schwartz

 

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Zu Beginn des Jahres 1206 NGZ, was dem Jahr 4793 alter Zeitrechnung entspricht, haben die Galaktiker, die mit der BASIS am Rand der Großen Leere operieren, bereits erste Erkenntnisse gewonnen. Worin aber das »Große Kosmische Rätsel« besteht, das sie in diesem über 100 Millionen Lichtjahre durchmessenden Leerraum zu vermuten haben, ist ihnen immer noch nicht bekannt.

Die Terraner und ihre Verbündeten stießen – rund 225 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt – auf fremde Völker und fanden den ersten »unglaublichen« Planeten. Und mittlerweile entwickelte sich auch eine phantastische Verbindung zwischen der Großen Leere und der näheren Umgebung der Milchstraße: Eine ertrusische Kampfgruppe, die auf dem Sampler-Planeten Noman verschwunden war, kam auf dem Ennox-Planeten Mystery heraus und verunsicherte mit ihren Aktivitäten die Verantwortlichen in der Lokalen Gruppe.

Perry Rhodan und die 12.000 Besatzungsmitglieder der BASIS bleiben davon noch unberührt. Sie forschen weiter in den bislang unbekannten kosmischen Regionen – und werden von dem Ennox Philip auf die Spur der »unglaublichen« Planeten gelenkt. Mehrere Expeditionen schwärmen aus – und Reginald Bull erreicht mit der KAHALO die WELT OHNE SCHATTEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Reginald Bull – Der Terraner stößt auf ein seltsames Relikt.

Joara Clayton – Kommandantin der KAHALO.

Michael Rhodan – Er schließt Kontakt zu den Owigos.

Quangquarrl – Der Schamane der Owigos vergibt eine gut gemeinte Einladung.

1.

 

»Mann, das wird aber auch Zeit, dass wieder mal was passiert«, sagte Norman Fallar zu seinem Freund Enzio Ribera am 18. April 1206 NGZ abends bei einem Glas Bier. Norman Fallar war Orter an Bord des 100-Meter-Kreuzers BAS-KR-27, genannt KAHALO, die unter dem Kommando von Joara Clayton stand. Sein spindeldürrer Körper zappelte unruhig auf dem Stuhl, seine wirren schwarzen Haare mit der phosphoreszierend leuchtenden giftgrünen Strähne standen wie elektrisiert zu Berge. »Endlich geht's wieder los!«

»Norman, jetzt schnapp nicht gleich über«, beschwichtigte ihn Enzio Ribera lächelnd. »Du denkst wohl, wir fliegen übermorgen los und in drei Tagen erwartet uns schon das erste Abenteuer. Zunächst mal sind wir über ein halbes Standardjahr unterwegs, und da wird vermutlich gar nichts passieren.«

»Enzio, du bist ein langweiliger alter Pantoffel«, maulte Norman. »Keinen Funken Phantasie hast du. Auf so einem Flug kann eine Menge passieren, schließlich gibt es immer wieder Unterbrechungen zur Orientierung ...«

»Nun ja, ein wenig Spaß werden wir ja haben, wenn Bull wieder ein paar Anekdoten aus seinem Leben erzählt«, unterbrach ihn Enzio.

»Du freust dich also auch«, stellte Norman fest.

Enzio lachte. »Natürlich. Unser letztes Abenteuer war schließlich nicht ohne, und es warten bestimmt weitere seltsame Dinge auf uns.«

Norman spielte ein wenig gedankenverloren mit dem kleinen Bergkristall, den er an einer Kette als Glücksbringer stets bei sich trug. »Denkst du noch manchmal daran?«, fragte er. »Ich meine, an das Quidor-Spiel?«

Enzio nickte. »Ja, manchmal schon. Ich denke, wir hätten eine Menge dabei lernen und erfahren können. Und es ist nicht leicht, sich an den Gedanken zu gewöhnen, nie wieder eine solche Macht zu besitzen.«

»Es ist sehr verführerisch, allerdings.« Norman stieß den Freund an. »Wir wären keine popelige Kreuzerbesatzung mehr, eh?«

»Was auch immer.« Enzio hob die Schultern. »Ich hoffe, dass sich irgendwann die Gelegenheit ergibt, ins Netz zurückzukehren. Es ist bei mir eine gewisse Unzufriedenheit zurückgeblieben.«

»Nun, vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit, dieses Rätsel zu lösen, schließlich haben wir das Quidor-Symbol bereits auf anderen Welten gefunden, und auch dort wurde es mystifiziert«, erwiderte Norman. »Es gibt natürlich verschiedene Möglichkeiten, was dahinter stecken kann.«

Enzio hob die Schultern. »Es kann sich natürlich alles als Scharlatanerie herausstellen.«

»Glaub ich nicht.«

»Weil du es nicht glauben willst.«

»Möglich. Aber welchen Sinn sollte das Spiel denn sonst haben? Denk doch nur daran, wie viele sich vergeblich darum bemühen, zum Auserwählten ernannt zu werden.«

»Norman, sei ehrlich: Wir hätten das auch nicht geschafft.«

»Wir funktionierten aber als Team gut.«

»Ja, das schon. Aber irgendwann hätten wir uns gestritten, wenn wir nicht weitergekommen wären und die Sache angefangen hätte, uns zu langweilen. Speziell wenn ich da von dir und mir ausgehe.«

»Hm, könnte sein«, brummelte Norman. Er trank sein Glas leer und bestellte ein neues. »Das Spiel ... Na ja, es hätte wahrscheinlich bald seinen Reiz verloren, wenn wir nicht mehr weitergekommen wären. In dieser Hinsicht hast du sicherlich Recht.«

»Diese Ennox sind gar nicht dumm, uns zuerst als eine Art Kanonenfutter zu den Sampler-Planeten zu schicken, um herauszufinden, was dort Besonderes ist.« Er hieb mit der geballten Hand auf die Platte, und Enzio fuhr erschrocken zusammen. »Ja, und siehst du, genau das gefällt mir daran und macht mich so rasend gespannt, nach allem, was bisher passiert ist. Wenigstens hat mal wieder einer an uns gedacht. Ich kam mir schon ganz überflüssig vor, obwohl wir doch als Erste das Quidor-Symbol entdeckt haben.«

Enzio prustete in sein Glas, und der Schaum flog in kleinen Flöckchen davon. Norman Fallar wurde oft recht pathetisch, wenn er einen über den Durst getrunken hatte; er fuchtelte mit den Armen herum, seine Haare knisterten inzwischen schon, und sein Gesicht zeigte hektische rosa Flecken.

»Jetzt reicht's«, lachte er. »Du bist doch ein Kasper, Norman. Komm wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.«

»Apropos Tatsachen«, warf Norman strahlend ein; es bereitete ihm keinerlei Mühe, innerhalb einer Sekunde das Thema, und mochte das erste ihm noch so am Herzen liegen, völlig zu wechseln. »Sag mal, Bull fliegt doch wieder mit uns mit – meinst du, das hat einen bestimmten Grund, oder ist da gar nichts dran?«

»Also, das geht dich nun wirklich einen Flohdreck an!«, schnaubte Enzio.

»Aber ich mein' das doch nicht böse!«, widersprach Norman treuherzig. »Ich mag sie beide gern, und ich finde, sie passen gut zusammen.«

»Du musst nicht gleich hinter allem etwas vermuten«, sagte Enzio. »Sie sind befreundet, weiter nichts. Nur weil er ein ziemlich wichtiger Mann ist, muss man nicht gleich bei jedem Ausspruch oder Augenzwinkern Gerüchte in die Welt rufen. Rufmord nannte man so was früher. Ich sag's noch mal: Es geht dich gar nichts an, schließlich interessiert es dich ja auch nicht, wer Cara heute Abend eingeladen hat.«

»Cara? Unsere stille, etwas rundliche Cara? Echt? Wer denn? Ich dachte immer, sie wäre so eine Art Bücherwurm und ...«

»Ach, ich geb's auf.« Ribera verstummte, als sich eine junge Frau an den Nebentisch setzte; augenscheinlich war sie allein, klein, zierlich, hatte lange schwarze Haare und sanfte dunkle Augen, mit denen sie interessiert herüberblickte und dazu verhalten lächelte. Der Pilot der KAHALO vergaß augenblicklich, dass er nicht allein war und seinem lebhaften Freund gerade eine Standpauke gehalten hatte. Seine großen dunkelbraunen Augen begannen zu schimmern, und er senkte leicht seine Lider mit den seidigen langen Wimpern. Er war Vollprofi, wenn es darum ging, eine Frau anzuflirten.

Norman verdrehte die Augen. »Also, das ist doch ... Lass das doch endlich mal, das ist wirklich zu peinlich«, murmelte er.

Enzio entblößte zwei Reihen weißer Zähne zu einem unglaublich charmanten Lächeln. »Findest du?«, sagte er abwesend, ohne den Blick von der jungen Frau zu wenden. Schon wenige Sekunden später saß er bei ihr am Tisch.

»Jaja, und mir bleibt wie üblich das Bier«, seufzte Norman und prostete sich selbst zu. »Ha, so sind die Mädels eben, schauen immer nur auf das Äußere; die wahren Werte eines Mannes, beispielsweise meine unschätzbaren Eigenschaften, entgehen ihnen. Oh, welch ein Verlust für sie!« Er trank sein Glas leer, dann kippte er noch Enzios Bier hinunter und machte sich auf den Weg. Unterwegs machte er aber einen Abstecher, bis auch er ein Mädchen gefunden hatte, das seine »inneren Werte« zu schätzen wusste; schließlich war das Leben kurz.

 

*

 

Als Starttermin war der 20. April vorgesehen; diesmal sollte die KAHALO nicht allein auf Forschungsreise gehen. Sie wurde begleitet von der BAS-KR-28 namens HAMILLER unter dem Kommando des Terraners Prosper Eisenstein sowie der BAS-KR-29, der ZYKLOP, mit dem Plophoser Amires Traklon als Kommandanten. Der Planet Tornister, wie ihn die Ennox benannt hatten, war etwas über 35 Millionen Lichtjahre entfernt, und es wurde eine ungefähre Reisezeit von 183 Standardtagen angenommen. Sicherlich eine lange Zeit für eine Expedition, aber bereits unterwegs konnten bei Zwischenstopps zur Orientierung Messungen und Untersuchungen vorgenommen werden.

Die anderen Expeditionen flogen teilweise sogar noch weiter – Perry Rhodan war mit der ODIN zu dem 45 Millionen Lichtjahre entfernten Planeten Trantar aufgebrochen, Atlan mit der ATLANTIS und den beiden Arcoana mit der LAMCIA zu der 50 Millionen Lichtjahre entfernten Welt Canaxu, Gucky und seine Freunde zu dem 42 Millionen Lichtjahre entfernten Sampler-Planeten Sloughar. Einzig die FORNAX und ihre drei Begleitschiffe hatten eine kürzere Distanz von etwa 25 Millionen Lichtjahren nach Shaft zurückzulegen.

So zerstreuten sich Wissenschaftler, Unsterbliche und Abenteurer in alle Richtungen, um die Geheimnisse der Großen Leere und der Welten rund um sie zu ergründen, mehr oder minder konstruktiv unterstützt von den Ennox, die unter der Einschränkung ihrer Fähigkeiten fast rasend wurden und mit ihrem hektischen Getue den Galaktikern gehörig auf die Nerven gingen.

 

*

 

Am Tag vor dem Abflug herrschte die übliche gut gelaunte Geschäftigkeit und Nervosität vor einer längeren Expedition, letzte Überprüfungen wurden vorgenommen, und die Kreuzerkommandanten hielten regen Funkkontakt zu abschließenden Besprechungen.

Reginald Bull war inzwischen auf der KAHALO eingetroffen und ging direkt in die Kommandozentrale, um sich anzumelden; viele aus der Mannschaft waren ebenfalls anwesend und begrüßten ihn lebhaft.

Joara Clayton nickte ihm lächelnd zu. »Na, bereit für die Reise?«

»Allerdings. Und diesmal sogar unter besseren Voraussetzungen.« Er wirkte gelöst und heiter, ganz anders als während der Expedition ins Lakoor-System vor einigen Monaten.

»Ich bin schon sehr gespannt, was uns auf diesem Planeten erwarten wird«, sagte sie.

»Hoffen wir, dass du nicht enttäuscht wirst«, meinte er schmunzelnd. »Sicherlich wird es ein Abenteuer ganz anderer Art sein als unser letztes.«

»Davon gehe ich doch aus«, stimmte sie zu. »Ich glaube allerdings fest daran, dass wir auch dort Relikte wie das Quidor-Symbol finden werden.« Sie hob leicht die Schultern. »So ein Gefühl, weißt du?«

»Wie werden sehen. Ist Michael Rhodan schon auf der HAMILLER?«

»Ja«, antwortete Joara. »Moment, ich rufe die HAMILLER.«

Bald darauf erschien Michael Rhodans Gesicht in einem Holoschirm. »Hallo, Reginald, wie sieht es bei dir aus?«

»Wir sind alle bereit zum Start, Mike. Das Fieber lässt einen nie los, nicht wahr?«

Michael lachte. »Nein, ganz und gar nicht, es ist wie Lampenfieber vor einem Auftritt. Dabei sollten wir beide doch eigentlich darüber hinweg sein. Aber ich muss gestehen, dass ich nie müde geworden bin, zwischen den Sternen herumzugondeln. Entsprechend erwartungsvoll bin ich auch, welche fremden und seltsamen Dinge wir entdecken werden. Ein Spiel wird es vermutlich nicht werden.«

»Daran möchte ich lieber nicht erinnert werden«, warf Joara ein. »Ich brauche noch einige Zeit, bis ich darüber hinwegkommen werde.«

»Aber darum beneide ich dich brennend«, erwiderte Michael Rhodan. »Ihr habt uns zwar eine Menge erzählt, aber wir können trotzdem nicht nachvollziehen, nicht einmal im Entferntesten nachempfinden, was ihr dort erlebt habt. Ich denke, das war einmalig, und so eine Aussage hat eine ziemliche Bedeutung bei alldem, was mir schon untergekommen ist.«

»Das war es wirklich«, nickte Bull. »Es hat auf alle Fälle einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.«

»Ich wünsche euch einen guten Start. Bis bald!«

»Ein schöner Mann«, meinte Joara, nachdem Michael sich verabschiedet hatte.

»Solche muss es auch geben«, sagte Bull grinsend.

Sie war einen Moment peinlich berührt. »So meinte ich das nicht.«

Er lachte. »Ich auch nicht. Er und ich, wir beide kennen uns schon unglaublich lange und haben eine Menge zusammen erlebt. Wenn du's genau wissen willst: Ich bin sein Patenonkel.«

»Patenonkel?« Sie schmunzelte. »Ich glaube, ich habe einmal darüber gelesen. Das ist ein uralter Begriff aus der ... ich würde sagen, Altvorderenzeit.«

»Nun ja, aus dieser Zeit stammen Michael und ich ja auch. Er ist im Prinzip ebenso ein Fossil wie ich.«

»Oh, bitte, fang nicht wieder damit an!« Sie hob lachend die Hände. »Das wirst du mir noch bis ans Ende meines Lebens nachtragen.«

»Das habe ich dir damals versprochen.«

»Na, dann habe ich ja jetzt ein paar nette Tage vor mir.«

Er grinste. »Wochen, Joara. Monate.«

2.

 

Der Start der Tornister-Expedition erfolgte ohne besondere Vorkommnisse, und auch der Flug verlief weitgehend reibungslos.

Die KAHALO-Mannschaft ging während dieser Zeit relativer Untätigkeit ihrer gewohnten Beschäftigung nach. Über das Netz wurde nur noch selten gesprochen, das Thema war ausdiskutiert.

Im Januar war die KAHALO zu einer Expedition ins Lakoor-System aufgebrochen, in dem seit Jahrtausenden ein ungewöhnliches Spiel veranstaltet wurde. Aus vielen umliegenden Sternhaufen flogen Glücksspieler dorthin, um sich zu beweisen und als Auserwählte höchste Erfüllung im Quidor zu finden – was immer das im Detail bedeuten mochte.

Auch die Mannschaft der KAHALO hatte daran teilgenommen und war mit dem gewaltigen Zentralsystem vernetzt worden – jeder hatte auf diese Weise die Gedanken und Gefühle der anderen Spieler geteilt und sich mental mit ihnen in Prüfungen auseinander gesetzt.

Dabei mussten die jeweiligen Teams sehr eng zusammenarbeiten, um ihre geistige Reife unter Beweis zu stellen. Das KAHALO-Team war der Verlockung, geistige Vollkommenheit zu erlangen, ebenso erlegen wie all die anderen Spieler; und vermutlich wären die Terraner jetzt noch im Netz, wenn Reginald Bull den Spielleiter durch seinen vehementen Widerstand nicht dazu veranlasst hätte, sie vom Netz zu trennen.

Die Galaktiker waren seit der Rückkehr auf die KAHALO in ihren Gefühlen hin und her gerissen; einerseits froh, ihre Individualität bewahrt zu haben, andererseits war die Trennung vom Netz fast schmerzlich, der Verlust der Macht, sich jederzeit an jeden Ort im System mittels eines Gedankenimpulses versetzen zu können, die Gedanken und Gefühle der anderen zu teilen und sich geborgen zu fühlen – und es war auch nicht leicht, die Chance aufgeben zu müssen, möglicherweise eines Tages eine höhere geistige Reife erreichen zu können.