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Zweiter Band der Lepso-Trilogie

 

Die acht Namenlosen

 

von Christian Montillon

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Kleines Who is Who

 

 

Atlan – der Lordadmiral, erreicht sein Ziel über große Umwege

Decaree Farou – Atlans Stellvertreterin, erhält ein amouröses Angebot

Ohm Santarin – der Kolonialarkonide stammt von exakt dem richtigen Planeten

Ronald Tekener – dem Smiler und Leiter der UHB geht es nicht gut

Acsais – Ohm Santarins Freundin, sorgt für eine Überraschung

Ein namenloser Shanide – weiß viel, aber nicht alles

Flakio Tasamur – der ehemalige Thakan von Lepso, erweist sich als quicklebendig

Aerticos Gando – der aktuelle Thakan

Tipa Riordan – Piratin

Marik – der alte Leibdiener, zieht aus allem seinen Nutzen

Krraligg – der Chef von Lungk, verleiht Gleiter

Irhe’vorma – der positronische Robotkommandant, experimentiert gerne

Pas Nakorand – liebt das Leben und den Tod

Kerit – der Springer ist ein alter Bekannter Atlans und nicht gut auf ihn zu sprechen

Hoffnung – ein Mädchen

Halap – die Ara kommt nieder

Ein namenloser Qwerttz – kompakt und neugierig

Ward Wilco – der Besitzer der SEEPERLE hat Lösungen parat

Der Hökerer – ein Hökerer

 

 

Das Geschlecht der da Onur in der Gegenwart …

 

Penzar da Onur – der Patriarch, erhält nicht gern Besuch

Zimral da Onur – Penzars Sprössling, verhält sich wenig adelig

Aizela da Onur – sorgt schon durch ihr Auftreten für Atlans Aufmerksamkeit

 

 

… und Vergangenheit:

 

Shukkirah da Onur – der Gründervater, begegnet den Gavivis

Barrkin da Onur – ein Patriarch

Witragal da Onur – weiß über die Tyarez Bescheid

Zewayn da Onur – verschwindet und taucht wieder auf, doch nicht alleine

Opryn da Onur – ein düsterer Geselle

Prolog

 

 

»Herzlich willkommen! Willkommen in der Schweißöde!«

Die stämmige Epsalerin lächelte breit. Manch einer hätte sie wohl weniger freundlich fett genannt, so, wie Ohm Santarin es in diesem Augenblick gedanklich tat. Den Anblick fand Santarin schlicht abscheulich. Das Lächeln wirkte so freundlich wie ein angreifender Okrill, der seinen schwer verwundeten Herrn vor einer Horde Marodeure verteidigte.

»Sie wundern sich, warum Dodo da Sralan«, wieder sah man ihr Lächeln auf dem Holoschirm, gepaart mit einem gönnerhaften Anheben der eigenen Hände, als bete die Epsalerin die eigene Genialität an, »warum ich selbst den nun folgenden Beitrag anmoderiere, obwohl ich als Direktorin von LepsoLive doch nun wirklich Besseres zu tun haben müsste?«

Dodo da Sralan war ebenso breit wie hoch und strahlte die Anmut eines wracken Würfelraumers aus. Ihr Bild schrumpfte und wanderte in theatralisch genau bemessener Absicht in das linke hintere Eck von Ohm Santarins Holoschirm. Wie auch ins linke hintere Eck von Millionen anderen Holoschirmen auf ganz Lepso.

Den so gewonnenen Platz füllte eine graue, öde Wüstenlandschaft, über der Hitzeschlieren wogten. Irgendwo am Horizont bewegten sich plumpe Kreaturen, die nur schattenhaft zu sehen waren. Gleichzeitig ertönte ein dumpfer, leise im gerade noch für die meisten Völker hörbaren Bereich vibrierender Akkord. Eine positronisch erzeugte Animation zeichnete die Konturen eines optisch nicht erkennbaren Energieschirms nach.

»Die Schweißöde«, kommentierte Dodo da Sralan mit bebender Stimme. »Der widerwärtigste, gefährlichste, tödlichste, heißeste Platz auf unserem hübschen und zugegebenermaßen überall sehr warmen Planeten.« Sie legte eine kleine Pause ein, wohl um ihren Zuschauern die Zeit für die hier einkalkulierten Lacher zu gönnen.

Ohm Santarin sah allerdings keinen Grund, an dieser Stelle zu lachen. Er empfand Dodos Theatralik schon immer als übertrieben und von jeder seriösen Berichterstattung weit entfernt. Vielleicht war aber genau dieser Umstand das Geheimnis ihres Erfolgs.

Der junge Kolonialarkonide schwamm im Pool, der den größten Teil der Grundfläche seines Schlafzimmers ausmachte, und dachte darüber nach, dass er Dodo da Sralan noch nie hatte leiden können. Sie war sogar für epsalische Verhältnisse ein fettes Weib.

Der Pool war nur eine der Annehmlichkeiten seiner Wohnung, die er von einem exzentrischen Topsider übernommen hatte, der darin Fische und Algen gezüchtet hatte – seine Nahrungsmittel. Der Topsider war Gesundheitsfanatiker gewesen und früh an Vitaminmangel erkrankt, der seine Knochen hatte brüchig werden lassen.

Es hatte Tage gedauert, nach seinem Tod den Pool zu desinfizieren und die Bakterienstämme zu vernichten, die hartnäckig in allen noch so winzigen Ritzen genistet hatten. Santarin war davon überzeugt, dass eben diese Kulturen seinen Vormieter endgültig ins Jenseits befördert hatten.

Ohm Santarin, den ein ungnädiges Schicksal von seiner Heimat Sadik nach Lepso verschlagen hatte, räkelte sich im angenehm temperierten Wasser und gab sich seiner Lieblingsbeschäftigung hin: Er schaute LepsoLive. Wie ständig, hatte er vor wenigen Tagen seiner Freundin gegenüber eingestehen müssen. Eine stupide, sinnlose Handlung. Genau passend zu dem, was der Sensationssender zumeist bot.

»Wer von Ihnen hat die Schweißöde schon einmal besucht?«, dröhnte Dodo da Sralan unterdessen. Sie lachte gekünstelt. »Ich weiß es. Niemand.« Sie hob den Arm und winkte. Die wulstigen Wurstfinger streckten sich.

Eine Geste, die Ohm Santarin an der geistigen Gesundheit der Direktorin seines Lieblingssenders zweifeln ließ.

»An dieser Stelle auch ein Hallo an alle, die von außerhalb Lepsos zuschauen. Sie sollten unseren Planeten wirklich einmal besuchen. Hier gibt es für jeden etwas. Und nicht überall ist es so heiß und so widerwärtig wie in der …« Ein Trommelwirbel hämmerte aus den Akustikfeldern, so laut, dass sich die Wasseroberfläche vor Ohms Augen kräuselte. »… Schweißöde! Womit wir beim Thema wären!«

Komm zur Sache, dachte Ohm, holte tief Luft und tauchte unter. Unter Wasser hielt er die Augen offen, genoss die blitzenden Reflexe der Wärmelampen, die mit ihrem ultravioletten Licht die Temperatur im Pool stets genau auf Körpertemperatur hielten.

Ohm Santarin liebte nur warmes Wasser. Auch so etwas, das seine Freundin Acsais überhaupt nicht leiden konnte. Warmduscher nannte sie ihn und Wüstenmolch.

Acsais … Sie war ein verwöhntes Weib. Vielleicht sollte er sie abservieren. Wenn sie nur nicht so gut gebaut wäre und diesen körperlichen Pluspunkt nicht so perfekt in Szene setzen würde … Vor seinem inneren Auge blitze ihr Bild auf, wie sie die festen, üppigen Brüste aus durchsichtigen Schleiertüchern wickelte, den Stoff keck über die steil aufgerichteten Warzen rieb.

Ohm Santarin erreichte den Poolboden, schlug einen Unterwassersalto in perfekter Körperbeherrschung, stieß sich mit beiden Beinen ab und schoss wie ein Pfeil in die Höhe. Er durchbrach mit Kopf, Schultern und Brustkorb die Wasseroberfläche, saugte tief die Luft ein und kippte nach hinten über. Beim Aufprall schwappte Wasser über die Ränder auf den Marmorboden.

Sofort huschte ein tellerförmiger, nur wenige Zentimeter hoch aufragender Reinigungsrobot herbei und saugte die Nässe auf. Zurück blieb blitzblanker Marmor. Die Maschine surrte ebenso rasch, wie sie aufgetaucht war, wieder in die Klappe unter dem breiten Bett.

Noch während Ohm über Acsais nachdachte und daran, ob er sich eine andere Gespielin zulegen sollte, zog das Programm von LepsoLive ihn wieder in seinen Bann. Mehr noch als das. Es fesselte seine Aufmerksamkeit.

Anscheinend hatte es tatsächlich einen Grund, dass Direktorin da Sralan diesen Nachmittagsbericht persönlich anmoderierte, wie sie in ihrer grenzenlosen Selbstüberschätzung großspurig angekündigt hatte. Es war nicht nur ein Trick, um einer der üblichen Belanglosigkeiten einen falschen Anschein von Bedeutung zu verleihen.

»… unser aller ehemaliges Oberhaupt, das vor unserem geliebten Thakan Aerticos Gando das Sagen auf Lepso hatte!«

Ohm Santarin verfluchte den Umstand, dass er in den letzten Sekunden nicht zugehört hatte.

Dodo da Sralans Abbild machte dem Gesicht Platz, das vor einigen Jahren noch jeder auf Lepso gekannt hatte: Die tief in den Höhlen liegenden Augen, die breite Nase, der gekünstelt blasse Teint über den dezent geschminkten Lippen … das war Flakio Tasamur, der ehemalige Staatschef von Lepso.

»Hier sehen Sie eine Archivaufnahme, liebe Freunde«, erklärte Dodo da Sralan. »Flakio Tasamur herrschte bis vor fünf Jahren als Thakan und Vorsteher des Staatlichen Wohlfahrtsdienstes über unseren Planeten. Sein Tod ist bis heute nicht geklärt. Ein geheimnisvolles Rätsel umgibt sein Ende. Nach ihm …«

Geheimnisvolles Rätsel, dachte Ohm Santarin. Das war typisch für Dodo – sie schimpfte sich Journalistin und wusste offenbar nicht, dass Rätsel per se geheimnisvoll waren.

Er hörte nicht länger aufmerksam zu, während die Epsalerin einige Worte über den ehemaligen Thakan verlor. Ohm Santarin kannte Flakio Tasamur nur allzu gut. Sie beide teilten ein dunkles Geheimnis. Besser: Sie hatten es geteilt. Schließlich war Flakio Tasamur längst tot, gestorben in den Wirren der Machtübernahme durch Aerticos Gando, seinen Nachfolger.

Oder?

Was in aller Welt brachte die fette Dodo dazu, Tasamur zu erwähnen, noch dazu in einem Bericht über die Schweißöde?

»Sie fragen sich wohl, meine lieben Zuschauer in Orbana und anderswo, was in aller Welt mich dazu bringt, Flakio Tasamur zu erwähnen, noch dazu in einem Bericht über die Hölle von Abanfül?«

Fast wäre Ohm ein Schauer über den Rücken gelaufen, aber nur fast. Seine erste Assoziation, dass die Direktorin von LepsoLive anscheinend seine Gedanken gelesen hatte, schob er als völlig abwegig von sich. Es war Zufall gewesen. Nichts als Zufall.

»Nun red schon, Weib«, murmelte er, während er dem Poolrand entgegenschwamm, sich dort abstützte und jene Sensortaste drückte, die den Boden um einen halben Meter anhob, damit er bequem stehen konnte und das Wasser ihm nicht weiter als bis zum Halsansatz reichte. Tausende Liter Flüssigkeit wurden in Sekunden völlig geräuschlos in die Fluträume unterhalb des Schlafzimmers gesaugt.

»Die Antwort will ich Ihnen geben, noch vor der Werbepause!« Sie ließ ein dröhnendes Lachen folgen, als sei ihre Bemerkung der spitzfindigste Scherz in der Geschichte von LepsoLive gewesen. »Unsere Robotdrohnen erhalten, wie Sie hoffentlich wissen, jede Woche für vier Stunden Einflug in den Hochsicherheitstrakt der Schweißöde. Ja – nur LepsoLive ist es erlaubt, live von den Zuständen im sichersten Gefängnis der Galaxis zu berichten, denn das Leben ist nicht zu überbieten!«

»Ich kenne euren Wahlspruch«, murmelte Ohm Santarin und tippte nervös mit der Kuppe des rechten Zeigefingers immer wieder auf die Wasseroberfläche, verfolgte das Ausbreiten der winzigen, kreisförmigen Wellen.

»Verbrecher und Mörder tummeln sich in der Schweißöde unter dem Energieschirm. Vergewaltiger, Kinderschänder, galaktische Syndikatsgründer und Feinde des Staatlichen Wohlfahrtsdienstes. Die Regierungen vieler Planeten schicken ihren Abschaum dorthin, um …«

Das war einer der Gründe, warum Ohm Santarin die fette Epsalerin verabscheute. Sie ging ihrem Hang nach Theatralik und ausuferndem, sinnlosem Geschwafel hemmungslos nach und quälte ihre Zuschauer damit.

»Doch kommen wir zur Sache«, unterbrach Dodo da Sralan sich selbst. »Unsere Drohnen zeichneten fantastische, überwältigende Bilder auf!«

Wieder ertönte jener düster-vibrierende Akkord.

Der Holoschirm zeigte eine typische Gasse der Schweißöde – eng, verwinkelt, schmutzig – und ein Bild, dessen Gewalttätigkeit kaum noch zu überbieten war. Eine humanoide weißhäutige Frau umklammerte einen muskulösen Arkoniden … doch der konnte ihr keinen Schutz mehr bieten. Eine lange Metallstange durchbohrte beide in Brusthöhe. Der Mörder hielt das eine Ende seiner improvisierten Waffe noch in der Hand; das andere ragte blutverschmiert aus dem Rücken des Arkoniden.

Doch auf diese Szene achtete Ohm nicht im Geringsten. Er starrte die Gestalt an, die neben dem Mörder stand.

»Sehen Sie ihn an!« Dodo da Sralans Stimme klang triumphierend und durchdringend wie das Prasseln eines Wasserfalls. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren bestimmte Frequenzen positronisch verstärkt. »Es gibt keinen Zweifel! Das ist unser ehemaliger Thakan Flakio Tasamur. LepsoLive hat damit eines der größten Rätsel der neueren Politikgeschichte gelöst. Wir müssen nicht länger darüber rätseln, wie Tasamur starb. Denn er lebt! Und er ist Insasse in der Schweißöde, dem schrecklichsten, tödlichsten, widerwärtigsten Gefängnis der Galaxis!«

Das hatten wir schon, dachte Ohm Santarin und schloss die Augen.

Ein akustischer Befehl dämmte die Lautstärke des Trividsenders und aktivierte gleichzeitig die Unterwasserdüsen, die Schulter- und Rückenbereich sanft massierten.

Ohm genoss die Massage und dachte darüber nach, dass Flakio Tasamur noch am Leben war.

Eine miese Entwicklung.

Eine verdammt miese Entwicklung.

Der Gedanke, dass der ehemalige Thakan im ausbruchsichersten Gefängnis von ganz Lepso eingesperrt war, tröstete ihn nicht.

Tasamur lebte, und das war schlimm genug.

Wenn er sich darüber hinaus entschloss, die falschen Dinge am falschen Ort auszuplaudern, konnte das für Ohm Santarin höchst unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen.

Er kletterte aus dem Pool und ging zum Kommunikationsterminal, um Acsais eine Nachricht zukommen zu lassen. Sie mochte eine Nervensäge sein, die ihn beschimpfte und kein Verständnis für ihn aufbrachte, aber sie besaß einen atemberaubenden Körper, der Ablenkung und Entspannung versprach.

Und wenn er zurzeit etwas brauchen konnte, dann Ablenkung. Er musste Tasamur und die düsteren Gedanken an die Vergangenheit aus dem Kopf bekommen. Nichts bot sich dafür besser an als Acsais und ihre Schleiertücher.

Tropfnass und nackt trat er vor das Terminal. Der kleine Reinigungsroboter wischte hinter ihm her, saugte gurgelnd Wasserpfützen auf.

Unvermittelt baute sich direkt vor Ohm ein flackerndes Holo auf.

Die Vorrangschaltung griff, und aufgrund höchster Priorität des Gesprächspartners wurde jede Privatsphäre für nichtig erklärt. Das Holo stabilisierte sich ohne Vorwarnung; eine mehrfach codierte, zerhackte und über nicht verfolgbare Relais verlaufende Bild-Sprechverbindung.

Ohm Santarin, Mitglied der UHB, der Unabhängigen Hilfsorganisation für Bedrängte, stand nackt vor den Blicken seines Chefs Ronald Tekener. Neben Tekener saß auf einem eleganten Metallstuhl eine zweite Person, die Ohm sofort erkannte.

Fast jeder hätte sie sofort erkannt.

Atlan, der unsterbliche Arkonide. Lordadmiral der USO. Einer der ältesten und engsten Freunde des berühmten Perry Rhodan.

Zum ersten Mal sehe ich ihn, und er wiederum sieht wesentlich mehr von mir, als zu wünschen wäre. Ohm Santarin schob die Hände vor den Schritt.

Er ahnte, dass nicht nur der ehemalige Thakan Tasamur ihm in den nächsten Tagen und Wochen Probleme bereiten würde.

 

 

Erstes Buch
 
 
 
Ohm Santarin

 

 

7. – 12. März 3102

Spitzfindigkeiten in Quinto-Center

 

 

Das Spiel hat eben erst begonnen.

Ein allzu typischer Kommentar meines Extrasinns. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass es der Wahrheit entsprach.

Das Spiel hat eben erst begonnen.

Der Planet Lepso, der Leiter der Schwarzen Garde, Artemio Hoffins, die Tyarez … all das würde mich noch lange beschäftigen.

»Woran denkst du?«, fragte Decaree Farou, meine persönliche Assistentin und gelegentliche Stellvertreterin.

Wir saßen in der Zentrale von Quinto-Center, dem 62 Kilometer durchmessenden, ausgehöhlten Asteroiden; die gigantische Zentralkugel, die das Schaltzentrum der USO bildete, war eine mit Technik überfrachtete Umgebung, die dem Auge kaum etwas Angenehmes zu bieten hatte. Mit Ausnahme von Decaree.

»Was werde ich schon denken?«, gab ich eine wenig geistreiche Antwort. Ich hatte schon spitzfindigere Formulierungen gefunden, doch im Moment war mir nicht nach einer intellektuelle Unterhaltung zumute.

Ich wandte mich von dem Bildschirm ab, über den unablässig Datenkolonnen liefen, die ich in den letzten Minuten angestarrt hatte, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Da Decaree schwieg, fuhr ich fort: »Mein angeblicher Tod auf Lepso ist noch nicht lange her, und seit ich dort die ersten Spuren der …«

»Ja, ja«, unterbrach Decaree und schüttelte sich. »Die Tyarez. Gruslige Gestalten. Lebende Häute, die sich um Opfer schließen, notfalls deren Gestalt mit Gewalt verändern und …«

»Sie schließen sich um Wirte«, verbesserte ich.

Sie winkte ab. »Weißt du, Atlan, ich bin wirklich aufgeschlossen für allerhand außerirdisches Leben, teile noch nicht einmal die Abneigung, die viele gegen Arachnoiden hegen. Diesen Ekel kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Spinnen sind doch hübsche und faszinierende Tiere, ganz abgesehen davon, dass sie darüber hinaus auch noch ziemlich nützlich sind.«

Und du machst dir Gedanken darüber, dass du spitzfindiger formulieren könntest?, meldete sich der Logiksektor. Hast du das gehört? Sie sagte »ganz abgesehen davon, dass sie darüber hinaus auch noch ziemlich«. Eine solche Anhäufung von Redundanzen ist wirklich bemerkenswert.

Ich ignorierte den Sarkasmus und kümmerte mich lieber um Decaree. »Manche hegen auch Abneigung gegen die Elukarianer.«

Meine Assistentin hob fragend die Augenbrauen.

»Ihre Haut ist voll transparent. Man sieht die Adern, die grün oszillierendes Blut transportieren, ebenso das Muskelgewebe und die filigranen Knochen. Besonders interessant wird das im Bereich der Verdauungsorgane, denn die Elukarianer nehmen nur lebendige Nahrungsmittel zu sich, die sie unzerkaut hinunterschlingen. Die Tiere – übrigens spinnenartige Kreaturen, deshalb dachte ich gerade daran – leben noch einige Stunden im Magen-Darm-Trakt. Man kann ihren Todeskampf optisch mitverfolgen. Ein Schauspiel, das ich das Vergnügen hatte, mehrfach zu beobachten.«

Decaree verzog angewidert das Gesicht.

»Viele halten das für barbarisch, aber es hat die Elukarianer nicht davon abgehalten, auf dem Gebiet von schöngeistiger Literatur und Kunst extrem produktiv zu sein. Die Autoren Elukarias sind berühmt dafür, die größte Abenteuerserie ihres gesamten Spiralarms zu verfassen. Die pseudodokumentarische Darstellung der Reisen eines Elukarianers durch die Galaxis. Kriege, Liebe, Politik … Wenn ich mich nicht irre, zurzeit etwa 24.000 Folgen. Die Serie erscheint seit 450 Jahren. Stell dir das vor! 450 Jahre! Ein gewaltiger Aufwand. Und die Elukarianer drucken immer noch auf Papier.«

»Papier?« Sie ging auf meine Witzelei ein. »Das Universum hat wirklich Wunder über Wunder zu bieten.«

Sie bot einen sehr reizenden Anblick. Eigentlich den besten, seit ich vor meinem Aufbruch nach Lepso unsere gemeinsame Bettstatt verlassen hatte.

So etwas dachtest du eben schon. Und ich ahne, wo dieses Gespräch mit deiner Stellvertreterin enden wird.

Dieser dezente Hinweis des Extrasinns wäre nicht nötig gewesen. Das war mir auch ohne seine Hilfe klar.

Denn das Spiel begann gerade erst …

 

Wir wechselten in eine etwas angenehmere Umgebung. Allerdings in eine andere, als mir vorschwebte.

»Ich habe meine Kompetenzen ein wenig überschritten«, erklärte Decaree und lächelte. »Oder besser gesagt, ich habe sie aus rein egoistischen Gründen ausgenutzt, um mir einen Vorteil zu verschaffen.«

»Dir?« Ich ahnte bereits, worin dieser Vorteil bestand. Ich sah es in ihren blitzenden Augen, die heute grün leuchteten; ein Effekt, den sie durch den Einsatz perfekt geschliffener Kunstlinsen erzielte. Decaree war Terranerin, und zwar die hübscheste, die ich in der langen Zeit gesehen habe, seit ich dieses Volk kenne.

Eine sehr lange Zeit.

Die hübscheste Terranerin aller Zeiten, kommentierte der Extrasinn bissig. So spricht ein verliebter Narr.

Verliebt?, wies ich diese ungeheure Anschuldigung spöttisch ab.

Wieso sollte gerade Decaree die Hübscheste sein? Und nicht vielleicht die Mona Lisa? Oder eine der vielen anderen, mit denen du im Lauf der Jahrhunderte auf Terra das Bett geteilt hast? Nur weil sie die Aktuelle ist?

So etwas verstehst du nicht. Logik ist nicht alles.

Und das sagst du gerade zu deinem Logiksektor.

Ich war es gewohnt, mit meinem Extrasinn zu diskutieren – was sich meist als fruchtlos erwies – und gleichzeitig eine verbale Unterhaltung zu führen.

»Nun ja«, meinte Decaree, »der Vorteil kommt genauer gesagt uns beiden zugute.«

»Na, da bin ich aber gespannt.«

Wir schwebten in einem Antigravschacht aufwärts. Sehr weit aufwärts. Da wir uns in raschem Tempo bewegten, schätzte ich, dass wir uns bereits mehr als zwei Kilometer von der Zentrale entfernt hatten, dem Rand des ausgehöhlten Asteroiden entgegen.

»Was glaubst du?« Sie kaute auf ihrem Zeigefinger, legte den Kopf leicht schief und sah mich von unten her an. Eine neckische, provozierende Gestik.

»Ist das eine philosophische Frage? Also ich habe jede Menge Glaubensrichtungen kennen gelernt. Alleine auf deinem Heimatplaneten existieren …«

Sie boxte mir gegen die Schulter. »Was vermutest du, wohin ich dich führe?«

Ich dachte nach. Ganz sicher führte dieser Weg weder zu ihrem Privatquartier noch zu meinem. Auch keiner der botanischen Gärten oder eines der sonstigen Erholungszentren kam in Frage. In dieser Richtung lagen technische Zentren, Lagerhallen und … Natürlich! »In eine Extrem-Trainingshalle.«

Sie schnalzte mit der Zunge. »Bingo!«

»Weißt du überhaupt, was dieses Wort bedeutet?«

»Mir ist nicht nach Sprachforschung zumute, Herr Lehrmeister.«

Ich hob die Schultern und setzte dennoch zu einer Erklärung an. »Es bezeichnete ursprünglich ein altterranisches Spiel, übrigens die Urform des heutigen Djake. Dabei kam es darauf an …«

Sie schlüpfte aus ihrem bunten T-Shirt und schlang es mir von hinten um den Hals. »Lehre mich lieber andere Dinge«, hauchte sie.

»Wie du meinst.« Ich blickte ihr in die Augen. »Allerdings frage ich mich, ob es deiner Autorität als meiner Stellvertreterin dienlich wäre, wenn dir irgendwelche Untergebenen über den Weg laufen, während du halb nackt deine ganz entzückenden Brüste präsentierst.«

»Entzückend?«, brauste sie auf. »Etwas anderes fällt dir nicht ein, wenn …« Sie straffte ihren Oberkörper.

Ich zupfte ihr T-Shirt von meinen Schultern, streckte den Arm und schleuderte es in den abwärts gepolten Teil des Antigravschachts. Rasend schnell verschwand es unter uns.

Sie blickte dem Kleidungsstück nach. »Ich sagte dir doch, dass ich meine Kompetenzen in unverschämter Weise ausgenutzt habe. Dieser ohnehin wenig frequentierte Bereich von Quinto-Center ist evakuiert, und den Extrem-Trainingsraum, den du so messerscharf als unser Ziel erkannt hast, habe ich etwas umstrukturiert. Die Holoerzeuger und Schwerkraftprojektoren schaffen eine … hm … etwas andere Umgebung als gewohnt.«

»Ich bin gespannt.«

»Das kannst du auch«, versicherte sie mir. »Und jetzt raus hier!«

Sie packte mich an der Hand, und gemeinsam hüpften wir aus dem Antigravschacht. Wir hatten die Zielebene erreicht.

Ein menschenleerer Korridor erstreckte sich vor uns. Nüchterne Bauweise herrschte vor. Alle paar Schritte erhellten in die Decke versenkte Lichtquellen den Korridor schattenlos. Hin und wieder zweigten Türen ab.

Es hätten die Meisterwerke terranischer Künstler aus zwölf Jahrhunderten die Wände des Korridors schmücken können, ohne dass ich mich einen Deut darum geschert hätte. Sogar die von meinem Extrasinn so pointiert ins Spiel gebrachte Mona Lisa hätte gegen den Anblick der halb nackten Decaree keine Chance gehabt. Höchstens altarkonidische Kunstwerke aus …

»Hier«, riss mich Decaree aus den müßigen Gedanken und ergänzte: »Honigkuchenpferd.«

Ich sah sie sprachlos an.

Das Schott zu dem von ihr präparierten Trainingsraum schob sich leise zischend beiseite. »Ich habe in deiner Abwesenheit Terranische Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts studiert. Eines der damals populärsten Werke war die Geschichte eines jungen Zauberers …«

»Du hast das Schott mit einem Passwort versiegelt«, fuhr ich dazwischen.

Sie grinste und huschte in den Raum. Ich folgte.

Und staunte nicht schlecht.

Über uns schien ein glutroter Vollmond. Wir standen auf einer von sanftem Gras bewachsenen Hochebene, über die warmer, schmeichelnder Wind wehte. Vor uns fiel ein Tal steil ab, ehe sich das Gelände in Form eines zerklüfteten Hochgebirges schätzungsweise hundert Meter entfernt wieder erhob. Über uns kreiste in der Nacht ein Adler und stieß einen krächzenden Jagdruf aus.

Die Illusion war nahezu perfekt. Der Rasen fühlte sich zu echt an, um holografischer Natur zu sein – offenbar hatte Decaree einen Techniker tatsächlich Kunstrasen auslegen lassen. Die Berglandschaft samt Vollmond und Flugtier hingegen bestand aus raffinierten Projektionen.

Doch das konnte die Stimmung und Atmosphäre nicht vermiesen.

Erst recht nicht, als Decaree sich gekonnt ihrer Hose entledigte.

 

Noch immer kreiste der Adler, und noch immer wehte der sanfte Wind. Er strich durch das Haar meiner Geliebten, versetzte es in leichte Bewegung, so dass es mich an meiner Nase kitzelte.

Sofern es sich denn tatsächlich um meine Nase handelte.

Der Gedanke riss mich unangenehm in die Wirklichkeit der Tagesgeschäfte zurück. Denn noch immer befand ich mich in der Maske des Prospektors Elias Pattri, einer Scheinidentität, die ihr Leben in einer kleinen Eigentumswohnung in den Außenbezirken von Orbana, der pulsierenden Metropole auf Lepso, verbrachte.

Und diese Nase hatte durch unauffällige Biomolplast-Einsätze einen schiefen Rücken und ständig leicht geblähte Nasenlöcher erhalten. Meine Haare waren abgeschnitten und ausgedünnt, die Haut nachgedunkelt – kurz, ich war ein wettergegerbter, an den Hüften rundlicher, ansonsten drahtiger Prospektor, dessen raues Leben in den Gesichtszügen eingeschrieben stand. Meine Iriden waren dunkler als gewöhnlich, die Brauen borstiger, die Stimme dunkler und sonorer; um letzteren Effekt aufzufrischen, hatte ich nach der Rückkehr nach Quinto-Center eine neue Portion Modulationsmittel gespritzt.

Diese Maskerade war dringend notwendig gewesen, um nach Lepso zu reisen. Sogar zu normalen Zeiten wäre sie nötig gewesen, denn als Atlan, Chef der USO konnte ich dort kaum antanzen, ohne binnen eines Tages ein ganzes Heer gedungener Killer auf dem Hals zu haben. Auf Lepso herrschten raue Sitten, galt kaum ein Gesetz, sammelte sich der Abschaum des Universums.

Und der Grund meines Engagements auf Lepso hatte die Maskerade noch nötiger erscheinen lassen.

Denn LepsoLive, der Sensationssender des Planeten, hatte eine Dokumentation gezeigt, die meinen Tod darstellte. Lordadmiral Atlan, auf Lepsos Straßen zu Tode gehetzt und zur Strecke gebracht. Ruhe sanft, Arkonide.

Also hatte ich mich dorthin auf den Weg gemacht und mithilfe der beiden USO-Spezialisten Chrekt-Chrym und Olip a Schnittke die Umstände meines angeblichen Todes erforscht.

Natürlich war der Tote nicht ich selbst gewesen … alles andere hätte mich auch sehr erstaunt. Doch was zu Tage gekommen war, nachdem wir in einer dramatischen Aktion die Leiche an uns gebracht und sie obduziert hatten, hatte mich ebenso verblüfft. Bei dem Toten hatte es sich tatsächlich um einen Arkoniden gehandelt. Allerdings um ein Mitglied meines Volkes, das von einer lebenden Haut umschlossen und gewaltsam in meine Form gepresst worden war.

Das eigentliche Rätsel bildete nun genau diese Haut, eine Zentimeter dicke, silbrige Lebensform … ein Tyarez. Angehöriger eines geheimnisvollen Volkes, über das ich in der Vergangenheit nicht minder geheimnisvolle Gerüchte gehört hatte.

Angeblich verfügte es über eine erstaunliche Technik und hielt sich aus dem galaktischen Geschehen und all den zeitgenössischen Kriegen heraus, um in Ruhe ein abgeschiedenes Leben zu führen.

Und nachdem ich am Ende des letzten Einsatzes zum ersten Mal Zeuge dieser erstaunlichen technischen Möglichkeiten geworden war, stand für mich eines fest: Dieses Kapitel meines Lebens war noch nicht abgeschlossen. Vor meinen Augen hatte sich ein Schiff der Tyarez entfaltet – von einem kleinen Raumer hin zu einem riesigen Schiffsgiganten. Ich musste mehr darüber wissen, diese Technik möglicherweise für die USO gewinnen.

Außerdem war nach wie vor ungeklärt, warum der auf Lepso gestorbene Tyarez ausgerechnet meine Gestalt angenommen beziehungsweise seinen Wirt in meine Gestalt gepresst hatte. Offensichtlich wollte er gerade meine Aufmerksamkeit erwecken. Doch wozu? Handelte es sich um einen Hilferuf?

Und nicht zuletzt fühlte ich mich durch Artemio Hoffins, den Leiter der Schwarzen Garde auf Lepso, herausgefordert. Mit ihm hatte ich noch die eine oder andere Rechnung offen.

Der Staatliche Wohlfahrtsdienst auf Lepso bildete darüber hinaus eine Einrichtung, die eben nur auf diesem Planeten denkbar war, dem Zentrum interstellarer Schurkerei, wie Decaree es einmal so schön genannt hatte. Der Name war der reinste Hohn – der SWD diente in Wirklichkeit nur der Unterdrückung und dazu, Geld in rauen Mengen zu erpressen und einzufordern. Und der Thakan, der Staatschef von Lepso, bildete …

»He!« Decaree fuhr mir mit allen Fingernägeln über die Brust und sorgte dafür, dass ich mich mit etwas anderem beschäftigte als mit der Liste ungeklärter Fragen.

»Du ziehst mir noch weiße Striemen in die nachgedunkelte Haut«, schalt ich sie.

»Das ist unmöglich. Das Hautfärbemittel kann meinen Nägeln leicht widerstehen.« Sie trommelte gegen die Haut über meinen Brustplatten. »Aber darum geht es nicht.«

»Worum dann?«

»Du liegst hier neben mir und bist in Wirklichkeit Lichtjahre weit entfernt.«

»So?«

»Gib doch zu, dass du in Gedanken auf Lepso weilst.«

»Jetzt schon.«

Sie verstand, schenkte mir ein Lächeln und richtete sich ruckartig auf, was die weiblichen Teile ihrer Anatomie in überaus sehenswerte Schwingungen versetzte. »Ich gebe dir Recht. Es wird Zeit, dass du aufbrichst.«

Ich lag nach wie vor auf dem Rücken, streckte die Arme hoch, verschränkte die Hände hinter ihrem Kopf und zog sie zu mir herunter. »Gleich.«

Sie entwand sich meinem Griff, stützte sich mit beiden Armen rechts und links von meinem Oberkörper ab. Was ihre Brüste in eine wirklich sehenswerte Position brachte. »Nicht dass du denkst, ich hätte die letzten Stunden nur damit verbracht, diesen Trainingsraum in ein Liebesnest zu verwandeln. Ich habe mir auch Gedanken darüber gemacht, wie es weitergehen könnte.«

»Das vordringliche Problem ist, dass ich auf Lepso über keine Agenten mehr verfüge. Ich könnte als Elias Pattri dort auftauchen, aber ich denke nicht, dass ein Einzelkampf Sinn ergibt. Ich benötige Unterstützung, wenn ich dem Rätsel der Tyarez auf den Grund gehen will.«

»Dich quält die Frage, warum der tote Tyarez deine Gestalt annahm und damit deine Aufmerksamkeit auf Lepso und sein Volk locken wollte.«

»Du kennst mich gut.«

Wieder dieses hinreißende Lächeln. »Das ist meine Aufgabe als deine Stellvertreterin und als diejenige, die deine Agenten managt und ihre Einsätze koordiniert.«

»Und was empfiehlst du in deiner Eigenschaft als diejenige, die all das tut, was du eben beschrieben hast?«

»Ab nach Satisfy. Dort erwartet dich Ronald Tekener.« Sie knickte die Arme und stützte sich statt auf die Hände nun auf ihre Ellenbogen. Mit schlängelnden Bewegungen brachte sie ihren Bauchnabel in Höhe meiner Achseln. »Gleich.«

Top-Agenten und andere Kleinigkeiten

 

 

Das Holo zeigte die kleine rote Sonne Startek. Sie besaß keine Planeten, wurde aber von 34 großen Planetoiden umkreist.

Unser Ziel war einer dieser Planetoiden, genauer gesagt derjenige, der mit einem Durchmesser von 183 Kilometern der größte war. Satisfy, grob eiförmig, besaß keine eigene Atmosphäre. Drei große Kuppeln auf der Oberfläche beherbergten Vergnügungszentren und die Einrichtungen der UHB, Ronald Tekeners Unabhängige Hilfsorganisation für Bedrängte.

Dem Smiler gehörte das gesamte System; dort galt nur sein Gesetz. Eine eigenartige Enklave inmitten des akonischen Einflussbereichs im inneren Zentrumsring der Milchstraße.

Die UHB war offiziell die wohl größte Privatdetektei der Galaxis – Tekener, Geschäftspartner Sinclair Marout Kennon und ihre etwa 150 so genannten Kosmischen Bedrängtenhelfer nahmen zu exorbitant hohen Honoraren nahezu jeden Auftrag an. Da ihr Ruf ausgezeichnet war, griffen die Kunden gerne tief in die Tasche. Zumindest, wenn sie es sich leisten konnten.

Niemand außer den beiden Köpfen der UHB wusste, dass dieses offizielle Erscheinungsbild der Organisation nichts als Tarnung darstellte. In Wirklichkeit war die UHB eine Scheinfirma der USO.

Ronald Tekener hatte so manche heikle Mission in meinem Auftrag ausgeführt, auch nachdem er die USO offiziell verlassen hatte.

Wenn man es überhaupt so nennen konnte.

Denn offiziell war Ronald Tekener längst tot. Kein Wunder, war er doch vor über 700 Jahren geboren worden. Dass er einen Zellaktivator gefunden und ihn sich mit einem nicht ganz astreinen Trick angeeignet hatte, wussten nur die wenigsten.

Offiziell war der Ronald Tekener, der die Geschicke der UHB auf Satisfy leitete, ein Urenkel jenes Tekener, der einst Leutnant der USO gewesen war.

»Hm«, brummte ich, »wenn ich so nachdenke, entspricht die Realität auf Satisfy in kaum einem Punkt dem, was sie zu sein scheint.«

Decaree Farou kannte sich mit den Verhältnissen im Startek-System selbstverständlich bestens aus. Sie wusste, worauf ich anspielte. »Lug und Trug überall. So etwas würdest du natürlich nie tun.« Sie klopfte mir spielerisch gegen die Wangen, die per Biomolplast-Einspritzungen schlaff hinabhingen; ein Teil meiner Elias-Pattri-Maske.

Wo sie Recht hat …, spottete mein Extrasinn.

Ich übte mich in Schweigen.

»Ich habe Tek über dein Kommen informiert«, setzte Decaree mich in Kenntnis. »Er erwartet dich in Kuppel III.«

Kuppel III … dort waren die medizinischen Einrichtungen und Labors untergebracht.

Decaree gab ein herzerweichendes Seufzen von sich. »Ich musste einfach mit dir fliegen. Ich konnte der Gelegenheit nicht widerstehen, endlich wieder einmal einem richtigen Mann gegenüberzustehen. Tek ist unwiderstehlich.«

 

Vor diesem unwiderstehlichen Mann standen wir eine Stunde später. Er maß knapp über 1,90 Meter – nur wenig mehr als ich selbst.

Den einzigen Vorzug, den er momentan mir gegenüber genoss, war, dass er seine echten Augen präsentierten durfte. Hellblaue Frauenkiller. Sein von Narben übersätes Gesicht, ein Überbleibsel der Lashat-Pocken, die er als einer der wenigen Befallenen überlebt hatte, konnte ich hingegen kaum als attraktiv bezeichnen.

Dennoch flogen die Frauen auf Tek, der sein Gesicht mittels kosmetischer Operationen hätte glätten können, sich aber dagegen entschieden hatte. Das markante Aussehen passte perfekt zu seinem verwegenen Draufgängertum.

Zurzeit wirkte er allerdings ganz und gar nicht wie ein Abenteurer und Frauenheld. Er lag bis über den Hals zugedeckt in einer Medostation. Schläuche verschwanden unter der Decke, ein Robot werkelte an irgendwelchen Maschinen, in denen diese Schläuche endeten. Seine Haut war leicht grünlich verfärbt und wies einen gräulichen Ausschlag auf.

»Frag nicht«, begrüßte mich Tek. »Ich habe einen Auftrag erledigt.«

»Sieht ganz so aus, als wärst du diesmal nicht erfolgreich gewesen«, unkte ich.

Tek schüttelte entrüstet den Kopf. »Was denkst du bloß? Natürlich war ich erfolgreich! Aber ich habe mir … wie soll ich sagen … etwas eingefangen.«

Ich kam nur dazu, den Mund zu öffnen, bis er erneut rief: »Frag nicht!«

»Dein Zellaktivator?«, fragte ich dennoch.

»Hilft mir in diesem Fall nicht. Was ich mir … eingefangen habe, ist kein Gift im eigentlichen Sinn. Keine Krankheit. Keine wirkliche Bedrohung für meinen Gesundheitszustand. Deswegen geht das Wunder-Ei auch nicht dagegen vor.«

Ich warf Decaree einen schnellen Blick zu, der so viel sagte wie Leider kann dir Tek heute nicht den Anblick bieten, den du dir erhofft hast, meine Liebe.

Sie antwortete mit einem stummen Tja was soll’s, Herr Lordadmiral-Blick. In Wirklichkeit war sie natürlich in ihrer Eigenschaft als meine Stellvertreterin mitgekommen und wohl auch, um während des Flugs noch meine Nähe zu genießen.

Unsere Beziehung war schwer in Worte zu fassen, selbst wenn man das Dienstliche ganz außer Acht ließ. Zweifellos waren wir uns sympathisch, und die sexuellen Begegnungen mit ihr waren schlicht unbeschreiblich – mehr gab es jedoch nicht. Zwar kokettierte sie, spielte hin und wieder die Eifersüchtige, aber uns war beiden klar, dass wir keine ernsthafte Beziehung führten.

»Jedenfalls freue ich mich, dass ihr gekommen seid, um mir an meinem Krankenlager beizustehen.« Er lächelte sein berühmt-berüchtigtes Lächeln, das ihm den Beinamen Smiler eingebracht hatte. Da er es nur in gefährlichen Situationen präsentierte, lag für ihn in diesen Momenten zumindest etwas Brisantes. In Wirklichkeit gefiel es ihm wohl gar nicht, dass wir ihn in seinem geschwächten Zustand sahen.

»Ich würde dir ja gerne die Hand halten, um dich zu trösten.« Decaree deutete auf die Decke, die Tekeners Leib bis zum Kinn verbarg.

»Glaub mir, du willst das gar nicht sehen. Ich hänge schon seit …« Ein rascher Blick auf ein Chronometer neben dem Bett. »… zehn terranischen Standardstunden an diesen Infusionen, und eine Wirkung stellt sich nur langsam ein. Wenn ihr meine Gesichtsfarbe für ungesund haltet, werft besser keinen Blick auf meinen Körper.« Er verdrehte die Augen.

Mein Extrasinn lieferte genau in diesem Moment die passenden Informationen. Ich wandte mich mit verständnisvoller Stimme an den Smiler. »Du warst auf Hokkonien?«

Tekener nickte schwach. »Ich habe die Geliebte eines Prinzregenten dort ausfindig gemacht. Glaub mir: Nie wieder!«

Decaree sah deutlich verwirrt aus. »Hokkonien? Wo liegt das?«

Ich imitierte das Lächeln Teks. »Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß.«

»Ein Blick in die Datenbänke der USO, und ich erfahre es ohnehin. Also könnt ihr beiden Geheimnistuer ruhig mit der Sprache rausrücken.«

»So einfach wirst du das Rätsel um Hokkonien nicht lösen«, widersprach ich. »Es ist ohnehin besser, du vergisst das gleich wieder.«

»Zur Sache«, mahnte Tek. »Deine geschätzte Stellvertreterin ließ mir nur sehr knappe Informationen zukommen. Es geht um Lepso.«

»Alles begann damit, dass sich Perry bei mir meldete und kondolierte. LepsoLive brachte einen Bericht über meinen Tod.« Ich berichtete ihm knapp von den Ereignissen, ließ dabei kein gutes Haar an Artemio Hoffins, der offiziell das Amt eines Wirtschaftskonsuls bekleidete, in Wirklichkeit aber der Leiter der Schwarzen Garde war, des Geheimdiensts des Imperators Dabrifa auf Lepso. »Wenn ich wieder auf Lepso bin, werde ich als Erstes diesem Herrn einen Besuch im Wirtschaftskonsulat abstatten. Es gibt da einige Rechnungen, die ich noch mit ihm offen habe. Er hat mir viele Steine in den Weg gelegt und kooperierte ganz offensichtlich mit demjenigen, in dessen Auftrag mein Doppelgänger ermordet wurde. Der sich übrigens als ein Mitglied des arkonidischen Adels der da Onur entpuppte.«

Decaree lachte. »Entpuppte … ein makabres Wort, wenn man bedenkt, dass der tote Arkonide unter dem Tyarez verborgen war.«

»Womit wir bei einem interessanten Punkt sind«, meinte Tek. »Laut Decarees Nachricht ist dein privater Rachefeldzug nicht der einzige Grund für deine Rückkehr nach Lepso.«

»Es gilt, das Rätsel der Tyarez zu lösen. Warum taucht ein Individuum aus diesem verborgenen Volk plötzlich auf? Und warum presst es einen Arkoniden aus der Familie der da Onur in meine Gestalt, ehe es von Robotdrohnen beobachtet stirbt? Es war ein Hilferuf. Und ich weise keinen Hilferuf ab, schon gar nicht, wenn er derart drastisch hervorgebracht wird.«

»Was wissen wir über die da Onur?«, fragte der Smiler.

»Leider nicht allzu viel. Sie waren auf dem Lehnsplaneten Sadik beheimatet, ehe sie nach Lepso übersiedelten. Ihr Familiensitz ist nun auf der Insel Snetcom vor der Nordküste Abanfüls auf Lepso. Ich nahm Kontakt zu ihrem Khasurn auf, genauer gesagt ihrem Patriarchen Penzar da Onur. Ein ebenso alter wie stolzer Arkonide. Er teilte mir nur knapp mit, dass der Tote, dessen eigentliche Physiognomie unter der Atlan-Maske mühsam rekonstruiert werden konnte, einer der so genannten acht Namenlosen war, die seit dem Jahr 18.979 da Ark verschwunden sind – also seit 2003 der terranischen Zeitrechnung.«

»Vor über 1100 Jahren?«, fragte Tekener skeptisch.

»Ein weiteres Rätsel, das es zu lösen gilt. Genau wie das, was es mit diesen acht Namenlosen überhaupt auf sich hat. Penzar da Onur unterbrach den Kontakt, ehe ich nachhaken konnte.«

»Also hast du auf Lepso genug zu tun. Und nun verstehe ich auch, warum deine überaus kluge Stellvertreterin dich zu mir geschickt hat.«

Decarees Augen blitzten. »Es ist meine Aufgabe, die vorhandenen Kapazitäten zu kennen und zu nutzen.«

»Das Büro der UHB auf Lepso hat einen Angestellten, der der USO in dieser Situation wie gerufen kommt«, sagte Tek. »Den jungen Kolonialarkoniden Ohm Santarin. Er stammt vom Planeten Sadik – eben jener Welt, auf der auch die da Onur einst heimisch waren.«

Decaree klatschte gekünstelt. »Brillant kombiniert. Ohm Santarin ist der Mann der Stunde. Er könnte über Hintergrundwissen verfügen, oder weniger enthusiastisch formuliert kann es zumindest nichts schaden, dass er auf Sadik beheimatet war. Außerdem lebt er seit einigen Jahren auf Lepso und dürfte daher über Beziehungen verfügen, die uns hilfreich sind. Nicht zu vergessen, dass du ihn in deiner Detektei als Kosmischen Bedrängtenhelfer eingestellt hast. Er dürfte also über einige Kampferfahrung verfügen.«

»Er ist ein guter Mann«, stimmte der Smiler zu. »Wenn er auch nicht die geringste Ahnung davon hat, dass die UHB eine Scheinfirma der USO ist.«

»Du wirst es ihm mitteilen.«

Eine der Apparaturen hinter Teks Krankenlager gab einen Signalton von sich. Sofort machte sich der immer noch anwesende Robot an einem der transparenten Schläuche zu schaffen, die unter Teks Decke herausführten. Eine grünlichschleimige Substanz floss darin.

»Sieh nicht hin«, empfahl ich, »aber dein Andenken aus Hokkonien verabschiedet sich gerade aus dir.«

Tekener verzog angewidert das Gesicht. »Ich würde dich zu gerne nach Lepso begleiten, Atlan … aber leider werde ich noch mindestens eine Woche auf diesem Bett verbringen. Noch einmal zu diesen Tyarez-Häuten. Was weißt du über dieses Volk? Ich muss zugeben, dass ich nie zuvor von ihnen gehört habe.«

»Kein Wunder.« Ich beobachtete, wie die schleimige Substanz in einen Spezialbehälter gepumpt wurde, der sich daraufhin in leichte Vibration versetzte. Ich kannte derlei Geräte, deren einziger Zweck darin bestand, biologischen Abfall äußerst wirkungsvoll zu entsorgen, indem sie ihn blitzartig auf über tausend Grad erhitzten. In diesem Fall war dies mehr als geboten, da der in eingeweihten Kreisen berüchtigte Hokkon-Pfropf sich sonst rasend schnell verbreitet hätte.

»Die Tyarez leben zurückgezogen vom sonstigen galaktischen Geschehen, halten sich aus allen Kriegen und Auseinandersetzungen heraus. Normalerweise. Wenn sich also ein Tyarez an mich wendet, muss das etwas zu bedeuten haben. Und dieser Tyarez auf dem Körper eines da Onur wurde von einem Arkoniden gejagt und mithilfe der Schwarzen Garde auch zur Strecke gebracht. Dieser geheimnisvolle Arkonide scheint ebenfalls von einem Tyarez besetzt zu sein – er wies jenen silbrigen Schimmer auf, der auf eine Tyarez-Haut schließen lässt. Ich verfolgte ihn bis zum Raumhafen Pynko Taebellu. Dort bestieg er ein seit Ewigkeiten geparktes Schiff, scheinbar einen Arkonidenraumer.«

»Scheinbar?«, unterbrach Tek meinen Monolog.

»Das kleine Schiff faltete sich vor meinen Augen auseinander. Es verwandelte sich in ein riesiges, vielhundertflächiges Etwas mit silberner Außenfläche.«

»Eine bemerkenswerte Technik.«

Ich nickte. »So bemerkenswert, dass diese hochrangige Technik der Tyarez wohl nicht nur mir aufgefallen ist. Irgendetwas geht hier vor, und ich werde herausfinden, was!«

Wir gönnten uns den Luxus, einige Minuten lang die Erlebnisse seit unserem letzten Aufeinandertreffen auszutauschen. Tek und ich hatten uns schon seit fast zwei Jahren nicht mehr getroffen; die Zeit verging rasend schnell, vor allem, wenn man sie vom Standpunkt eines relativ Unsterblichen aus betrachtete.

Der Smiler drückte einen Rufknopf, und wenig später betrat eine terranische, berückend schöne Medizinerin den Raum. Blondes Haar fiel in sanften Wellen über die Schultern; als sie sich Tek zuwandte und ich zum ersten Mal einen Blick auf ihren Rücken warf, sah ich, dass das Haar bis über den Po reichte. Sie war von zierlicher Gestalt.

Im Stillen dachte ich, dass es Tek hätte schlimmer treffen können, als noch eine Woche ans Bett gefesselt zu sein, wenn er von solchem Personal umsorgt wurde.

Dann fiel mir ein, dass es sich wohl kaum um einen Zufall handelte – schließlich war Tekener nicht nur einer der Chefs der UHB, sondern auch Besitzer des gesamten Systems. Da konnte er sich selbstverständlich aussuchen, wer seinen Gesundheitszustand überwachte.

»Und?«, fragte Decaree leise. »Hat er eine gute Wahl getroffen?«

Sie erstaunte mich immer wieder. »Nicht so gut wie ich, als ich dich zu meiner Stellvertreterin machte.«

Die Antwort gefiel ihr sichtlich.

Tek wechselte mit der Blonden nur wenige Worte, ehe sie sich entfernte. Mir nickte sie nur kurz zu. Für sie war ich ein unbekannter Prospektor.

Ich beglückwünschte mich dazu, die Elias-Pattri-Maske nicht abgelegt zu haben. Es tat gut, auch außerhalb eines Risikoeinsatzes einmal inkognito unterwegs zu sein. Das ist eben der Preis der Berühmtheit, dass mir kaum jemand ungezwungen begegnete.

»Ich habe Antoinette gebeten, einige Vorbereitungen zu treffen«, setzte uns Tek in Kenntnis.

»Antoinette?«, fragte ich. »Ein ungewöhnlicher Vorname.«

»Altterranisch. Genauer gesagt, französisch. Ich habe mich kundig gemacht. Sie führt ihre Linie bis ins 18. Jahrhundert zurück. Die Frauen jeder zweiten Generation in ihrer Familie tragen diesen Namen.«

»Ich kenne ihn. Genau wie ich das Frankreich jener Zeit kenne.« Schließlich war ich dort gewesen, in verschiedenen Epochen, als ich auf Terra im Tiefschlaf lag, den ich immer wieder für Erkundungsgänge unterbrach.

»Welche Vorbereitungen?«, fragte Decaree.

»Antoinette ist nicht nur Medizinerin, sondern auch eine hervorragende Technikerin. Ein Multitalent. Sie wird eine abhörsichere Verbindung nach Lepso zu meinem dortigen Kosmischen Bedrängtenhelfer Ohm Santarin aufbauen. Es gibt eine vorinstallierte Vorrangschaltung in seine Wohnung. Eine Bildverbindung. Da es mir allerdings unangenehm wäre, wenn mein Mitarbeiter mich in diesem Zustand zu sehen bekommt, hat Antoinette schon vor Tagen ein Holo erstellt, das mich … nun ja … im Normalzustand zeigt. Es ist nicht das erste Gespräch, das ich auf diese Weise führe. Ohm Santarin wird keinen bettlägerigen Tekener zu Gesicht bekommen, sondern einen, der vor Kraft geradezu strotzt.«

Mir kam eine Idee. »Ruf bitte Antoinette noch einmal herein. Wenn hier schon getrickst wird, dann richtig. Es sollte keine größeren Schwierigkeiten bereiten, ein Atlan-Holo zu erstellen. Es muss schließlich keinen größeren Überprüfungen standhalten. Bei meinem ersten Gespräch mit Ohm Santarin sollte er mich gleich erkennen. Und keinem unbekannten Prospektor gegenüberstehen.«

»Gute Idee.« Tekener drückte erneut den Knopf, und es dauerte nicht lange, bis Antoinette zum zweiten Mal erschien.

Ich trug meine Bitte vor, und ihre Augen weiteten sich verblüfft, als ihr klar wurde, wer ihr gegenüberstand. »Eine perfekte Maske, Lordadmiral.«

»Für Sie schlicht Atlan, Antoinette.«

Schwerenöter, kommentierte der Extrasinn.

»Schwerenöter«, zischte Decaree mir kaum hörbar zu.

»Alter Schwerenöter«, sagte Tek, nachdem Antoinette den Raum verlassen hatte.

 

Tek lag nach wie vor auf dem Krankenbett, Decaree und ich standen rechts und links daneben.

Ohm Santarin würde allerdings zwei auf eleganten Metallstühlen sitzende Männer zu sehen bekommen: Ronald Tekener, den Galaktischen Spieler, genannt der Smiler, sein Chef in der UHB – und Atlan, den Arkoniden, Leiter der USO.

Wir hingegen erblickten Ohm Santarin, wie er nackt vor seiner Kommunikationseinrichtung stand.

Santarins Augen begannen zu tränen, das typische Zeichen für innere Erregung bei meinem Volk. Seine Hände fuhren vor seine Blöße. »Ich … ich …« Er grinste verlegen. »Ich bin sofort wieder da.«

Er verschwand aus dem Bild, kehrte gleich darauf zurück, diesmal mit einem Handtuch um die Hüfte geschlungen. »Chef, ich weiß nicht, was ich sagen soll«, entschuldigte er sich. »Die Vorrangschaltung baute das Holo sofort auf, ohne Vorwarnung, wissen Sie? Ich komme gerade aus dem Pool und wollte …«

»Ich weiß«, unterbrach Tek. Die Positronik rechnete die Worte perfekt auf das Hologramm um und synchronisierte die Lippenbewegungen, so dass es für Ohm Santarin viele Lichtjahre entfernt den Eindruck erwecken musste, der Holo-Tekener spräche sie. »Ich habe die Vorrangschaltung errichtet. Vielleicht sollten wir sie für die Zukunft etwas modifizieren. Es wäre Ihnen sicher nicht angenehm gewesen, wenn eine meiner weiblichen Mitarbeiterinnen Sie so gesehen hätte.«

Decaree brach neben mir in prustendes Lachen aus. Ohm konnte sie weder sehen noch hören. Nur Teks und meine Worte wurden übertragen.

»Doch kommen wir zur Sache«, fuhr der Smiler fort. »Wie Ihnen sicher nicht entgangen ist, sitzt hier neben mir« – das Holo führte eine perfekt auf das Atlan-Abbild weisende Bewegung durch – »Lordadmiral Atlan von der USO.«

»Wie könnte mir das entgehen.« Ohm Santarin nickte mir zu. »Lordadmiral, es ehrt mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«