Commander Reilly #18: Commander der STERNENKRIEGER: Chronik der Sternenkrieger

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2017.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Commander Reilly #18: Commander der STERNENKRIEGER

Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”

Copyright

Erstes Kapitel: Jahr 2120 - Die Kolonie

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Zweites Kapitel: Jahr 2140 - Die Stimmen der Riesenvögel

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Drittes Kapitel: Jahr 2150 - Ein Vogel namens Nirat-Son

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Viertes Kapitel: Nirat-Son der Enkel

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Fünftes Kapitel: Ruhm und Verrat

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Epilog: Rendor Johnson oder die Bombe tickt...

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Further Reading: 30 Sternenkrieger Romane - Das 3440 Seiten Science Fiction Action Paket: Chronik der Sternenkrieger

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Commander Reilly #18: Commander der STERNENKRIEGER

Chronik der Sternenkrieger

Science Fiction Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 119 Taschenbuchseiten.

Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit  wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

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Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, Jack Raymond, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”

in chronologischer Reihenfolge

Einzelfolgen:

Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)

Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz

Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland

Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis

Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen

Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen

Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg

Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd

Commander Reilly 9: Invasion der Arachnoiden

Commander Reilly 10: Das Imperium der Arachnoiden

Commander Reilly 11: Verschwörer der Humanen Welten

Commander Reilly 12: Commander der Humanen Welten

Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern

Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns

Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius

Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid

Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid

Commander Reilly 18: Commander der STERNENKRIEGER

Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen

Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti

Commander Reilly 21: Prophet der Verräter

Commander Reilly 22: Einsamer Commander

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Terrifors Geschichte: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)

Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)

Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)

Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke  (Handlungszeit 2250)

Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde 

Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium

Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg

Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten

Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet

Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer

Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast

Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha

Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch

Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance

Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten

Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen

Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt

Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion

Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf

Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung

Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung

Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes

Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff

Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter

Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne

Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos

Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer

Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich

Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe

Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter

Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen

Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy

Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix

Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt

Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne

Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle

Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)

Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer

Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)

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Sammelbände:

Sammelband 1: Captain und Commander

Sammelband 2: Raumgefechte

Sammelband 3: Ferne Galaxis

Sammelband 4: Kosmischer Feind

Sammelband 5: Der Etnord-Krieg

Sammelband 6: Götter und Gegner

Sammelband 7: Schlächter des Alls

Sammelband 8: Verlorene Götter

Sammelband 9: Galaktischer Ruf

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Sonderausgaben:

Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und

Chronik der Sternenkrieger #1-4)

Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)

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Druckausgabe (auch als E-Book):

Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)

Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

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postmaster@alfredbekker.de

Erstes Kapitel: Jahr 2120 - Die Kolonie

Was ich im System einer unscheinbaren gelben Sonne im Zielquadranten meiner Mission erlebte, übertraf alles, was ich bis dahin an Gottlosigkeit, Verworfenheit und Grausamkeit unter Heiden gesehen hatte. Seien wir froh, dass diese schnabellosen Zweibeiner, die dieses System zu kolonisieren versuchen, einer vergleichsweise technisch unterentwickelten Art angehören, die nicht über die Fähigkeit zum Überlichtflug verfügt.

Mit einer schnellen Expansion ist daher nicht zu rechnen und ich hoffe, dass sich die Grenzen des Heiligen Imperiums bereits über den bisherigen Siedlungsraum dieser Barbarenspezies hinausreichen, ehe sie zu einer ernsthaften Gefahr für die Errichtung der göttlichen Ordnung sein kann.

Unsere Theologie geht davon aus, dass wir Qriid das auserwählte Volk sind.

Niemand zweifelt vernünftigerweise daran, da doch die Beweise dafür von erdrückender Schlüssigkeit sind.

Aber seit ich von jener Mission zurückkehrte, frage ich mich, ob es nicht im Umkehrschluss auch verfluchte Völker gibt, die dazu verdammt sind, in besonderer Ferne zu Gott existieren zu müssen und die deshalb niemals jener zivilisatorischen Gnade durch das höchste Wesen teilhaftig wurden, wie es bei uns Qriid der Fall war.

Es kommt vor, dass ich, wenn ich an die schnabellosen Säuger-Kolonisten denke, sogar Mitleid empfinde, obwohl dies angesichts ihrer Grausamkeit wohl das Letzte ist, was angemessen ist. [Die Textstelle bezieht sich zweifellos auf die Geschehnisse auf der irdischen Kolonie Second Earth im Tau Ceti-System. Diese Geschehnisse haben nach Gründung der Humanen Welten im Jahr 2203 wiederholt den Humanen Rat beschäftigt, ohne, dass sich zunächst einer gemeinsame Interpretation der Geschehnisse finden ließ.  Die Siedler von Tau Ceti bestanden bis dahin auf ihrer kulturellen Autonomie und dem Recht, Bundesgesetze auszusetzen, die der bisher gewachsenen Rechtspraxis innerhalb des Tau Ceti Systems widersprachen. Man muss dabei bedenken, dass die einzelnen Mitglieder der Humanen Welten sich zum Teil über lange Zeit – vor allem vor Erfindung des Sandström-Funks 2142 – vollkommen autark entwickelt hatten und es daher erst allmählich zu einer gemeinsamen Rechtspraxis kam. Bei den Drei Systemen der Genetic-Kolonien misslang dieser Versuch sogar. – Der Übersetzer]

Aus dem Abschlussbericht von Raumkapitän Nirat-Son (dem Großvater), zitiert nach den gleichzeitig in den Datennetzen der Humanen Welten und des Heiligen Imperiums veröffentlichten Aufzeichnungen von Nirat-Son (dem Enkel), der während der Friedensphase zwischen Qriid und Menschen eine Zeitlang als Austauschoffizier an Bord des irdischen Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER II unter Commander Rena Sunfrost diente.

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Wir werden nicht dulden, dass man die heldenhafte Geschichte unserer Vorfahren, die unter Einsatz ihres Lebens ein System einnahmen, es besiedelten und sich eine Lebensgrundlage schufen, im Namen eines Humanitätsbegriffs in den Schmutz gezogen wird, der ob seiner Grenzenlosigkeit völlig unpraktikabel ist. Abstrakte Prinzipien über den Umgang mit fremden Lebensformen werden ganz sicher nicht der Grund für die Taucetianer sein, ihre Lebensgrundlage zu vernichten! Dies betrifft aber nicht nur die Richtlinien zum Umgang mit außerirdischen Lebensformen, die so gehalten sind, dass Second Earth nie hätte besiedelt werden können, wenn sie schon vor einem Jahrhundert gegolten hätten! Dies betrifft auch die Einschätzung des Olvanorer-Ordens als radikale, sektiererische religiöse Splittergruppe, deren Mitgliedern wir das Recht verweigern, ins Tau Ceti System einzufliegen oder auf irgendeiner unserer Welten zu landen. Dies widerspricht auch nicht den Beitrittsbedingungen des Bundes der Humanen Welten, denn wir haben ausdrücklich das Recht, Terrorismus abzuwehren! (Zwischenruf des Ratsherrn José Dominguez Figureira y Hamilton, Alpha Centauri: „Wie können unbewaffnete Pazifisten denn Terroristen sein?“)

Sehr einfach! Es gibt auch so etwas wie Gedankenterrorismus! Das pazifistische Sektierertum der Olvanorer sprengt die Fundamente der taucetianischen Gesellschaft! Es ist schlimm genug, dass diese Fanatiker ihre Botschaften über das Datennetz frei verbreiten dürfen und seit der Erfindung des Sandström-Funks nicht einmal die Weite des Alls der Ausbreitung von schädlichen Gedanken natürliche Grenzen zu setzen vermag! Wir müssen vielleicht die virtuelle Anwesenheit dieser Radikalen dulden, die den Wert menschlichen Lebens mit dem Wert von irgendwelchen Amöben im All gleichsetzen und das ganze tatsächlich Humanität nennen, was schon von der Herkunft des Wortes her nur ein schlechter Witz sein kann!

(Zwischenfrage der Ratsherrin Jennifer Wang: „Ratsherr Rollins, sind Sie bereit anzuerkennen, dass innerhalb der Humanen Welten Meinungs- und Religionsfreiheit gilt und dies in der Verfassungs-Charta festgeschrieben ist, die sogar noch von Ihrem Vater unterschrieben und von Ihrem taucetianischen System-Parlament ratifiziert wurde?“)

Tumult bricht aus.

Der Vorsitzende ersucht die Mitglieder vergeblich um Ruhe und Ordnung. Schließlich wird die Fortsetzung für zwei Stunden unterbrochen.)

Aus dem Daten-Protokoll einer Rede, die Arthur Rollins III am 20. Juli 2225 vor dem Humanen Rat der Humanen Welten hielt.

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Jahr 2120...

Die Kolonie auf Second Earth entwickelte sich schnell. Zehn Jahre waren seit der Ankunft des Ersten Konvois vergangen.

Die Städte waren sehr schnell errichtet worden, denn von Anfang an hatte man die Raumschiffe der EXODUS-Klasse so konzipiert, dass sie bei der Ankunft im Zielsystem gleich als Gebäude genutzt werden konnten.

Lediglich ein halbes Dutzend von ihnen ließ man im Orbit kreisen, um sie in der Zukunft für Transporte innerhalb des Systems zu nutzen - etwa, um Rohstoffe von anderen Tau Ceti-Welten zu transportieren.

Für eine eventuelle Rückkehr zur Erde wären sie ebenso wenig noch tauglich gewesen wie für eine Reise in eines der benachbarten Systeme. Der nächstgelegene Stern war ein roter Zwerg mit der Bezeichnung L257-32. Zweieinhalb Lichtjahre waren es bis dort, was einer Reisezeit von vier bis fünf Jahren entsprach.

Möglicherweise war man auf Second Earth irgendwann in der Lage eine Expedition dorthin auszurüsten, was bedeutete, dass man einen der EXODUS-Raumer vollkommen überholen und nahezu jedes Verschleißteil ersetzen musste.

Aber Arthur Rollins I war froh, dass dieses Thema einstweilen noch nicht auf der Tagesordnung stand. Erstens waren die bisherigen Erkenntnisse über bewohnbare Planeten im System von L257-32 – oder kurz und knapp unter den Kolonisten auch einfach L genannt – nicht ganz eindeutig und zweitens hatte jeder rote Zwerg ein Problem: Er war nicht heiß genug. Das bedeutete, die Lebenszone von Systemen, die eine roten Zwerg als Zentralgestirn hatten, war so dicht an der Sonne, dass deren Gezeitenkräfte die Eigenrotation des Planeten beinahe oder ganz zum Erliegen brachten, was extreme Klimaunterschiede zwischen der ständig sonnenzugewandten Tag- und der Nachtseite verursachte.

Außerdem waren rote Zwerge sehr veränderlich. Da sie oft sogenannte Sternenflecken aufwiesen, konnte die Helligkeit für Monate um vierzig Prozent zurückgehen. Umgekehrt kam es aber auch mitunter innerhalb von Minuten zu sogenannten Flares – Helligkeitsspitzen, die bis zu hundert Prozent über den Normalwerten lagen.

Unglücklicherweise waren fast siebzig Prozent aller Sonnen in der Milchstraße rote Zwerge. Der erste Konvoi war an einem von ihnen L276-8 mit einem Abstand von unter einem halben Lichtjahr vorbei geflogen und Arthur Rollins I hatte seinerzeit unter den Raumkapitänen durchgesetzt, dass die Nachricht von der Annäherung an diesen Stern unter den Siedlern geheim gehalten wurde. Er lag nun mal auf dem Weg, das war nicht zu ändern. Neun Lichtjahre von der Erde entfernt, fünf weitere musste man bis Tau Ceti zurücklegen. Die Nahortung hatte ergeben, dass L276-8 neunzehn Planeten besaß, von denen die Bahnen der äußersten unter ihnen bereits die Flugbahn des Konvois kreuzten.

Die Offiziere aller Schiffe wurden von Arthur Rollins persönlich zum Schweigen verdonnert. Andernfalls war die Gefahr zu groß, dass einige Schiffe vom Kurs abkamen.

Der Name Secret bürgerte sich unter den Eingeweihten für L276-8 ein und tatsächlich verlor der Konvoi in diesem Gebiet fast ein Dutzend Schiffe. Mehr als es dem statistischen Durchschnitt entsprach. Diese Raumer blieben einfach zurück, der Funkkontakt brach ab und irgendwann waren sie aus dem Erfassungsbereich der Ortung verschwunden.

Ob manche ihrer Kapitäne das absichtlich herbeigeführt und ein Bremsmanöver eingeleitet hatten, weil sie keine Lust hatten, fünf weitere ungewisse Lichtjahre hinter sich zu bringen, ohne dass jemand auch nur annähernd garantieren konnte, dass das Material dieser Belastung standhielt, war schwer zu sagen.

Rollins vermutete es.

Aber jene hatten sich nur mit der zweitbesten Möglichkeit zufrieden zu geben. Die fünf zusätzlichen Lichtjahre, die Secret L276-8 von Tau Ceti trennten, lohnten sich nach Rollins Ansicht, denn Tau Ceti war eine gelbe Sonne mit etwa derselbe Leuchtkraft wie Sol.

Inzwischen – zehn Jahre nach der Ankunft des Ersten Konvois im Tau Ceti-System, herrschte Gewissheit darüber, dass es tatsächlich so gewesen war. Man hatte nämlich – neben den hoffnungslos veralterten Funksprüchen von der Erde – auch etwas weniger veraltete Botschaften von Secret empfangen. Die Lebensbedingungen dort waren unwirtlich und hart. Die Besatzungen jener Schiffe, die während des Konvois ihr großes Ziel verraten hatten, um wenigstens ein kleineres sicher zu erreichen, waren für ihre mangelnde Geduld bestraft worden. Auf Secret II, der einzigen überhaupt bewohnbaren Welt des Systems, kämpften sie ums Überleben. Aber ihre Schiffe waren technisch nicht mehr in der Lage, noch einmal eine interstellare Reise aufzunehmen. Strahlung, Partikelschauer, ein mörderischer Sonnenwind und der ebenso mörderische Gezeitenfluss des Gasriesen Secret I, der seine Sonne sehr eng und innerhalb von dreieinhalb Standardtagen umkreiste, setzen ihnen zu. Sie hatten es nicht anders gewollt. Arthur Rollins hatte wenig Mitleid mit ihnen.

Und das warnende Beispiel dieser Unglücklichen kam ihm in Zukunft vielleicht sogar zugute.

Natürlich würde niemand auf Second Earth auf die Idee kommen an einen so furchtbaren Ort wie Secret L276-8 zu fliegen. Für die fünf Lichtjahre brauchte man von Tau Ceti mindestens sieben Jahre Flugzeit, vorausgesetzt man hatte überhaupt die technischen Voraussetzungen, was derzeit nicht der Fall war.

Aber bis zum nächstgelegenen Stern L257-32 – unter den Siedlern oft einfach nur „Next“ genannt, weil es sich um den von Tau Ceti aus nächstgelegenen Stern handelte – waren es nur zweieinhalb Lichtjahre. Davon abgesehen stand Next am nächtlichen Himmel von Second Earth wie ein deutlich sichtbares Zeichen dafür, dass es vielleicht doch noch eine Alternative zum Leben im Tau Ceti System gab. Next war unzweifelhaft der größte Stern am Nachthimmel von Second Earth und da diese zweite Erde keinen Mond besaß, fiel der rote Stern natürlich umso deutlicher auf.

Irgendwann, das war Arthur Rollins vollkommen klar, würde der Moment der Unzufriedenheit kommen und dann war es vielleicht gar nicht schlecht, mit Next ein Ventil zu haben, um den Druck der Unzufriedenheit ablassen zu können.

2

Rollins residierte in Räumen, die zuvor Teil der EXODUS-1 gewesen waren. Er hatte Myling Smith geheiratet. Beide hatten einen Sohn, der inzwischen sieben Jahre alt war – Arthur Rollins II, genannt Artie Junior. Ein zweites Kind war unterwegs, von dem sie wussten, dass es ein Mädchen werden würde.

Rollins stand vor dem wandgroßen Panorama-Schirm seines Arbeitszimmers. Man hatte einen Beinahe-Rundumblick über die Ebenen, die Second Earth City umgaben, die erste Stadt auf dieser neuen Welt. Noch war sie ein kleines Dorf. Aber das würde sich ändern.

Irgendwann...

Dass es je dazu kam, dass ein zweiter Konvoi Tau Ceti erreichte, diese Hoffnung hatte Rollins inzwischen so gut wie aufgegeben. Die hoffnungslos veralteten Nachrichten, die Second Earth von der Erde erreichten - oder von Old Earth, wie man unter den Taucetianern immer öfter sagte – enthielten jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass ein zweiter Konvoi unterwegs war.

Vielleicht ist das auch besser so, dachte Rollins nicht zum ersten Mal. Auf diese Weise brauchte man sich nicht mit Neuankömmlingen auseinandersetzen, die vielleicht die gewachsenen Autoritätsstrukturen in Frage stellen konnten.

Rollins war zum Präsidenten des Tau Ceti System gewählt worden und es gab auf lange Sicht niemanden, der ihm in dieser Funktion den Rang streitig gemacht hätte. Zu legendär war sein Ruf als Kommandant des Ersten Konvois.

„Sieh mal, die Riesenfalter!“, rief sein Sohn Artie Junior. Er verstellte über ein tragbares Modul die Zoomeinstellungen des Panorama-Schirms und sorgte dafür, dass der Riesenfalter näher herangeholt wurde und man ihn genau sehen konnte.

Dann veränderte er den Bildausschnitt und schwenkte damit zu einem Gebäude herum, das die Zentralklinik von Second Earth City beherbergte. Die einzige Klinik des Systems. Sie wurde von Myling Smith Rollins geleitet. „Meinst du, Mama muss heute wieder jemanden behandeln, der beim Riesenvogelreiten abgestürzt ist?“, fragte Artie Junior.

Rollins lächelte mild. „Nein, das hoffe ich nicht. So etwas machen nämlich nur Lebensmüde und Bekloppte.“

„Aber es muss toll sein, auf einem der Riesenvögel zu sitzen und ihn so anzutreiben, dass er wie verrückt über das Moos rennt. Ich habe im Datennetz gelesen, dass sie sogar über das Meer schwimmen können!“

„Ja, das ist wahr.“

„Ich finde die Riesenvögel besser als einen Antigravgleiter.“

„Also ich finde, dass die Riesenvögel nur zum Essen verwendet werden sollen“, bekannte Rollins. „Du isst sie doch auch gerne.“

„Ja, aber es gibt doch so viele von ihnen – und so wenige von uns. Von uns Menschen meine ich.“

„Das ist nicht abzustreiten.“

„Also müsste ihre Zahl doch zum reiten und zum essen reichen!“

„Tut es auch“, versicherte Rollins.

Dennoch – die Tatsache, dass das Riesenvogelreiten in Mode gekommen war, war ein bedenkliches Zeichen. Es geht den Leuten zu gut, dachte Rollins. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie durch so einen Blödsinn wie das Riesenvogelreiten ihren Adrenalin-Spiegel erhöhen müssen...

Aber im Umkehrschluss hieß das auch, dass der Aufbau der Kolonie im Prinzip als Erfolg zu bezeichnen war.

„Meinst du, ich werde eines Tages auch mal ein Anführer wie du?“

„Das nennt man Präsident“, sagte Rollins.

„Wie auch immer. Einen, der es zu sagen hat und der bestimmt. Das meine ich.“

Rollins lächelte.

„Ja, ich denke, du hast bestimmt das Zeug dazu“, fand er.

Aber Artie Junior war sich nicht sicher, ob sein Vater das tatsächlich so meinte oder etwas sagte, von dem er annahm, dass sein Sohn das hören wollte. Artie hatte schon bemerkt, dass sein Vater ausschließlich im Umgang mit ihm so war. Wenn er mit anderen Leuten sprach, sagte er ihnen schonungslos seine Meinung. Auch dann, wenn er gar nicht damit einverstanden war, was sie getan hatten. Und wenn sie dann beleidigt waren, nahm er das in Kauf.

Nach Arties Empfinden war sein Vater eigentlich kaum je zufrieden, mit dem, was geschah. Immer gab es noch etwas zu verbessern.

Arthur Rollins betrachtete seinen Sohn und Artie Junior bemerkte den Blick und erwiderte ihn schließlich.

„Ein Präsident wird doch gewählt, oder?“

„Ja.“

„Bist du dir sicher, dass du immer wieder von den Leuten gewählt wirst?“

„Nein.“

„Was machst du, wenn du nicht mehr gewählt wirst? Kaufst du dir dann eine Riesenvogel-Herde?“

„Vielleicht. Aber vielleicht bin ich dann auch schon sehr alt und froh darüber, dass ich die Aufgabe abgeben kann. An dich zum Beispiel.“

„Aber woher willst du wissen, dass die Leute mich wählen?“

„Das werden sie tun. Und zwar deshalb, weil ich es ihnen sagen werde!“ 

Artie fragte sich, wie es kam, dass die Leute offenbar alles taten, was sein Vater ihnen sagte. Er zweifelte das nicht an, denn er hatte es oft genug erlebt, dass es tatsächlich so war.

3

James Rüdiger Beltran überflog mit einem Gleiter die weiten Ebenen des Nordkontinents. Bisher befanden sich alle vorhandenen Siedlungen hier, während der Südkontinent von Menschen unbewohnt geblieben war. Irgendwann würde sich das ändern, wenn die Bevölkerungsdichte zunahm. Aber so lange noch nicht einmal ein zweiter Konvoi den Weg nach Tau Ceti fand, dauerte das wohl noch viele Generationen...

„Soll ich noch etwas tiefer gehen?“, fragte Mgobo Ndonga, der Beltran in den letzten Jahren als Pilot fast ständig begleitet hatte.

„Ja, gehen Sie etwas tiefer“, murmelte Beltran, der dabei angestrengt auf die Auswertung der Oberflächenanalyse achtete, die vor ihm auf dem Konsolendisplay erschien.

Die zehn Jahre seit der Landung auf Second Earth/ Tau Ceti III hatte sich Beltran der Erforschung der Riesenvögel gewidmet. Erstaunliche Erkenntnisse hatte er dabei zu Tage gefördert. Etwa die Tatsache, dass sie über einen phänomenalen Reichtum an unterschiedlichen Lauten verfügten, wie er wahrscheinlich in der bisherigen Zoologie noch nie dokumentiert worden war. Davon abgesehen waren seine Forschungen für den Bestand der Kolonie von größter Wichtigkeit. Schließlich basierte die gesamte wirtschaftliche Autarkie letztlich auf der Verarbeitung dieser Tiere. Sie waren der wichtigste Eiweißlieferant. Mit Hilfe von Frequenzgebern, deren Töne für die Riesenvögel abschreckend wirkten, hielt man sie von den Siedlungen fern. Bei den größeren Siedlungen war es durch bauliche Maßnahmen möglich, zu verhindern, dass es zu gefährlichen Begegnungen zwischen Mensch und Riesenvogel kam. Aber es gab viele verstreut liegende Ansiedlungen, in denen häufig nicht mehr als ein Dutzend Personen zu Hause waren. Mooserntebetriebe zum Beispiel.

„Wissen Sie, dass man die Vogelbiester inzwischen schon nach Ihnen nennt, Mister Beltran?“, fragte Ndonga. „Man spricht von den Beltrans...“

„Das kommt durch die Netzdokumentation, die ich für das lokale Datennetz zum Thema angefertigt habe. Ich hätte mich nie darauf einlassen sollen.“

„Jedenfalls ist Ihr Name untrennbar mit den Riesenvögeln verbunden.“

„Wissen Sie, dass ich mal davon geträumt habe, eine wissenschaftliche Karriere zu machen? Nun benennt man eine Tierart nach mir, aber die Science Community bekommt davon frühestens in vier Jahren etwas mit, wenn die Artikel, die ich vor einem Jahrzehnt schrieb und inzwischen schon längst überholt sind, endlich die Erde erreichen und dort vielleicht veröffentlicht werden.“

„Aber man wird sich an Sie erinnern, wenn man in hundert Jahren auf eine Beltran-Farm kommt und diese Riesenvögel sieht...“