Kreller, Susan Pirasol

PIPER

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Den Bewohnerinnen und Bewohnern

des Ernst-Barlach-Hauses

in Bielefeld-Sennestadt

 

ISBN 978-3-8270-7925-1

© Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, München 2017

Covergestaltung: zero-media.net, München

Covermotiv: Aardvark_Alamy Stock Foto

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Und daß wir aus der Flut

daß wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen

immer versehrter und immer heiler

stets von neuem

zu uns selbst

entlassen werden

Hilde Domin*

 

1

Pass auf das Haus auf, sagt sie. Der Junge kommt zurück.

Der Junge, fragt die andere und schluckt, begreift es in der Kehle, wo sonst die Angst sitzt und das Schweigen.

Ja, kaut die, die Thea heißt und Zähne hat wie Schilde. Das ist so sicher wie der Tod, der Junge ist wieder in der Stadt.

Wie der Tod, sagst du?

Wie der Tod.

2

Den Tod hat Gwendolin erkannt, der Tod beginnt sein Leben dann, wenn man vor die Gräber der anderen gerät. Dann geht das Sterben los, ein für alle Mal, und die Falten im Gesicht sind nichts als Friedhofswege, über die man geht, um vor Willems Grab zu stehen. Oder, wenn es das gäbe, vor dem Grab des Sohnes. Was wäre das: ein paar Gräber zu haben, an denen man die, die weggegangen sind und das Sterben bloß vergessen haben, in aller Ruhe aus dem Herz bekommen könnte. Eine kleine, hübsche Sache wäre das.

Dabei hatte das eine Grab vollkommen gereicht, das Grab von Willem, den Gwendolin zum Manne trug bis dass der Tod undsoweiter. Mehr als diese paar Menschbreit Humus hatte es nicht gebraucht, um vor zwei mal sechs Jahren von allen Menschen, die die Friedhofswege hergaben, ausgerechnet Thea abzukriegen.

Heute könnte sie schwören, dass Thea, kurz und dünn wie ein Halm von Herbstgras, schon eine ganze Weile hinter einer der Birken gelauert hatte. Als Thea dann neben ihr stand und erklärte, dass so ein Grab das beste Hobby sei, ein wahrer Glücksfall für die Stunden nach drei, verschluckte sich Gwendolin an ihrem Pfefferminzbonbon und hustete und würgte alle Sätze entzwei, die sie der Unbekannten hätte sagen können, etwas wie: Jeder Mensch braucht ein Hobby, da stimme ich Ihnen gerne zu! Stattdessen stand Gwendolin einfach nur mit hängenden Schultern da und hustete, und die einstweilen noch namenlose Thea murmelte etwas, dann trennten sich beide unentschieden.

Von Willem war zu dieser Zeit keine Rede mehr. Der Tod und das Feuer und der Junge, das alles war weit weg und kümmerte in der Stadt keinen mehr, ausgenommen ein paar Behörden vielleicht und dann noch den Apotheker Böhlich, für den Willem eine Herzangelegenheit gewesen war und den er gern mit den neuesten kardiologischen Erkenntnissen und einem schlechten Witz unter Männern versorgt hatte. Ansonsten interessierte sich keiner mehr für die Sache von damals. Warum auch, denn vergangen ist vergangen, vergangen ist ein Dreck hier und keinen Pfifferling wert.

 

In der Zeit, als Thea noch zu den Neuen gehörte oberhalb der Friedhofserde, hatten sich die Gräber schon unter Herbstgebinden versteckt, unter zentnerweise stillem Gedenken und dem Geruch der verwitternden Kranzschleifen. Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, und wie immer näherte sich Gwendolin dem Grabstein ihres Mannes von hinten, dieser leeren Marmorseite, die nach frischen Namen zu lechzen schien. So oder so, kam es ihr in solchen Momenten in den Sinn, an guten Tagen, und damit war alles gedacht. Sie stand dann einfach nur vor der Rückseite des Steins und ging irgendwann weiter, im großen Bogen um die ganzen aufgefädelten Gräber herum, um bei ihrem Mann zu sein, wie sich das an Orten wie diesem gehörte.

Aber dann kam dieser eine Tag, an dem Gwendolin doch vor der stummen Rückseite stehenblieb und von dem großen Bogen absehen musste, dieser Tag, an dem ihr beinahe ein Brüllen glückte.

An Willems Grab, vor der anderen Seite des Marmors, kniete Thea, die sie seit der ersten Begegnung noch einige Male getroffen hatte. Ausgerechnet Thea kniete dort und tat Dinge, die sie nichts und überhaupt nichts angingen. Die ihr einfach nicht zustanden.

Hören Sie sofort auf, meinen Mann umzugraben!, stieß Gwendolin hervor und spürte, wie ihr der Speichel aus den Mundwinkeln rann und ihr ein kurzes Gefühl von Verlorenheit bescherte. Ich lasse Ihren Mann doch auch in Ruhe, schickte Gwendolin hinterher, durch ihren nicht versiegenden Speichel hindurch. Bitte. Hören Sie auf.

Sie hatte keine Ahnung, ob in Theas Leben überhaupt ein Mann gewesen war oder sonst etwas, das es gegeben und das es nicht weiter als bis auf diesen Friedhof hier geschafft hatte. Auch jetzt war das leider nicht herauszukriegen, denn sie ließ einfach nur ihre Handgabel fallen, stand langsam auf und sah Gwendolin an.

Beruhigen Sie sich, ich wollte nur helfen. Ich habe die Erde ein bisschen locker gemacht, kein Grund, sich so aufzuregen. Hier, schauen Sie, was ich gefunden habe. Das hätte die ganze Zeit auf Ihrem seligen Mann gelegen!

Thea zeigte ihr ein Schokoladenpapier, das sie, während sie es mit der einen Hand hochhielt, mit der anderen triumphierend glättete. Edelbitter, stand da, Gold auf Schwarz, und Gwendolin dachte sofort, dass das Papier ausnehmend gut zu der dunklen Friedhofserde passte, es war wie gemacht dafür und tausendmal zu schade, um nicht auf seligen Männern zu liegen und stattdessen staubtrockene Herrenschokolade zu verkleiden.

Aber ja, sagte sie zu Thea, doch, sagte sie, Sie haben recht, ich danke Ihnen. Und verzeihen Sie mir. Trotzdem, lassen Sie –

Die andere schien einen Moment zu überlegen, dann balancierte sie am Grab vorbei auf Gwendolin zu und streckte ihr über den Marmor hinweg die grobgestrickte Hand entgegen.

Hartwig, sagte sie allen Ernstes. Thea Hartwig.

Natürlich hätte Gwendolin antworten können, dass das ein halbwegs schöner Name sei, sie aber zum Glück nichts angehe, Thea Hartwig hin oder her. Sie wusste ja selbst nicht, was es war, sie hatte sich das nie erklären können, aber manche Menschen kamen ihr von Anfang an so vor, als hätte sie sie längst aus den Augen verloren, und aus diesen Menschen hielt sie sich dann lieber gleich heraus. Auch bei Thea hatte sie das nach ihrer ersten Begegnung wochenlang geschafft, sie war jedes Mal kurz angebunden gewesen und deutlich auf dem Sprung. Wenn sie kleinen Schrittes davonstürmte, konnte sie oft gut verbergen, dass sie streng genommen nicht das Geringste vorhatte, und auch jetzt, mit der neuen Last von Theas Namen, wollte sie sagen, ich muss los, wollte sie sagen, ich muss gehen, wollte sie sagen, sie sagte:

Sehr angenehm. Gwendolin Suhr.

Gwendolin, ja? Ungewöhnlich in Ihrem Alter.

Mein Vater damals, wissen Sie. Der mochte dieses eine Theaterstück, kennen Sie das? Von –

Das Grab haben Sie mir jetzt hoffentlich verziehen, fuhr Thea dazwischen, mit einer Freundlichkeit, die nicht zu dem ruppigen Schwung passen wollte, mit dem sie sich in den Satz geworfen hatte.

Ach, lassen Sie doch, natürlich habe ich das, lassen Sie doch, sagte Gwendolin dann, flüsterte aber gerade noch so: Beim nächsten Mal kümmere ich mich wieder selber um das Grab.

Und so war es auch. Gwendolin wühlte wieder persönlich in der Erde und traf später meistens zufällig auf Thea, von der aber keine Gefahr mehr ausging. Sie schien nämlich keineswegs daran zu denken, noch einmal Willems Erde aufzulockern. Woran Thea stattdessen dachte und wovon sie irgendwann auch zu reden anfing, das war etwas viel Größeres, Festeres. Woran Thea dachte, das war Pirasol.

3

Schätzchen, ruft Thea von ihrem Platz am Küchentisch herüber. Ich sage es mal so. Enterbt bedeutet überhaupt nichts, gar nichts, verstehst du? Enterbt ist ein Wort und der Junge ist der Junge. Wenn der wieder da ist, heißt das nur eins: Er will das Haus. Pirasol will er.

Thea spricht es aus wie alle hier im Städtchen und auch wie Gwendolin selbst: Pirasool, obwohl sich Hermes Ernesto Pirasol, der deutlich verblichene Namens- und Geldgeber der Villa, in seinem Grab in São Paulo umdrehen würde, sollte ihm diese falsche Aussprache je zu Ohren kommen.

Pirasol will er, wiederholt Thea trotzig, und Gwendolin schweigt, sie achtet nur auf das Brötchen, das genauer zu kauen ist als früher, auf die Müdigkeit in den Zähnen, auf den Schluck nach jedem einzelnen Bissen, kein Wort, das hier noch dazwischenpasste.

Aber Thea schweigt nicht mit, sie faucht: Schätzchen, das hilft uns beiden nicht, wenn du den Mund hältst. Rede! Sag was! Du weißt, was der Junge gemacht hat.

Thea kennt ihn nur aus Gwendolins Erzählungen, die sie ihr abgerungen hat mit ihrer tückischen Freundlichkeit, aber sie nennt ihn trotzdem so, Junge, und bevor sie dieses Wort ausspricht, macht sie jedes Mal eine kurze, spöttische Pause.

Er müsste jetzt vierundfünfzig Jahre alt sein, flüstert Gwendolin.

Wenn du das sagst. Und die meisten Jahre sind dir leider entgangen. Mehr als die Hälfte. Den kennst du jetzt nicht mehr.

Vielleicht hat Thea recht damit, wahrscheinlich, überlegt Gwendolin, gibt es an denen, die weg sind, irgendwann nichts mehr zu kennen, weil man schließlich nicht dabei war, als die Haare des andern verfielen und sein Leben schal wurde oder gut; weil man nichts mehr bezeugen und nichts mehr vergessen kann, weil einfach nichts mehr zu sehen ist.

Ich weiß eins, stößt Gwendolin nach einer Ewigkeit hervor. Was ich an ihm kenne, ist, dass er weg ist. Das ist das Wichtigste.

Mir gefällt das nicht, gibt Thea zurück und schlägt mit der gutgepflegten Rechten auf den Tisch, dass der Morgen noch lange nachklirrt.

Was soll das, Gwendolin? Die ganzen Jahre erzählst du mir, wie das damals war, das Gerede und alles. Und jetzt? Es gibt Söhne, die sind noch welche, und es gibt Söhne, die sind keine mehr, so ist das. So ist das nun mal. Niemand hat den Jungen gezwungen, ein Krimineller zu werden.

Ein Krimineller, nein. Gwendolin schiebt die Krümel auf ihrem Teller zu einem Dreieck zusammen und schüttelt den Kopf. Kein Krimineller.

Das hat er sich selbst zuzuschreiben, sagt Thea. So einer verdient es gar nicht, ein Sohn zu sein. So einem machen die heute noch den Prozess, da sind die ganz genau.

Gwendolin hält sich mit den Händen am Teller und dem Blick an den Krümeln fest, dann schaut sie zu Thea und fragt endlich, was schon seit Tagen zu fragen ist: Woher weißt du das denn, woher weißt du, dass er wieder in der Stadt ist? Du kennst ihn doch gar nicht.

Jemand hat ihn gesehen. Jemand, der ihn von früher kennt.

Was hat er gesagt?, fragt Gwendolin. Und wer, wer denn?

Das schwarze Schaf vom alten Suhr ist wieder da, hat sie gesagt, sie, es war eine aus der Gemeinde. Sehr glaubwürdig.

Das schwarze Schaf vom alten Suhr, sagt Gwendolin. Sie nickt und schüttelt gleich darauf den Kopf.

Du wolltest es ja wissen, fährt Thea sie an, da hast du’s, jetzt weißt du, wie es war.

Um nichts sagen zu müssen, schon gar nicht: das einzige Schaf, nimmt Gwendolin einen Schluck, der Schluck ist zu groß und zu heiß, dieses Brennen in der Brust, das Brennen da unten damals, der Schmerz und der Kreißsaal, vier Frauen gleichzeitig, nur durch Vorhänge getrennt, die Schreie der anderen und später die eigenen, die für niemanden zu hören waren, weil Gwendolin das mit sich selbst ausmachte wie alles, was wehtat, das strähnige Haar der alten Hebamme und deren Gleichgültigkeit und nie und nimmer aufstehen dürfen und die Kraft und die Schmerzen, die Gwendolin zusammentat, die Kraft und die Schmerzen von dreißig Jahren, und schließlich der Moment, als ihr dieser ganze herausgewürgte Junge gezeigt wurde, von oben bis unten fremd, dieser läppische und auf ewig unverzeihliche Moment, in dem sie ihr Kind haben und wegstoßen wollte, beides auf einmal, und die Zeit danach, als sie es nur noch haben wollte, nur noch, aber da war es dann trotzdem weg, einen ganzen leeren Tag lang sogar, und wurde ihr danach nur alle vier Stunden zum Anlegen gebracht.

Gwendolin!, kommt es von drüben. Hör mir gut zu jetzt. Das ist nur eine Frage der Zeit, bis der Junge vor der Tür steht und dich um den Finger wickelt. Dein Seliger hat ihn enterbt. Na und?, wird er sich sagen, da gibt es ja noch diese andere, die nie den Mund aufmacht, und von der kann ich das Haus kriegen. Unser Haus, verstehst du? Ich habe ein Wohnrecht. Ich habe investiert, falls du dich erinnerst. Denk an die Küche hier. Gwendolin, sieh dich an. Das alles wird passieren, wenn du dich nicht änderst.

Gwendolin nimmt die Hände vom Tellerrand und sieht an sich herunter, ihre Brust ist klein geworden, sie kann sie nicht mehr wippen lassen wie früher, als das noch passte, zu ihr und zu Pirasol, ein paar Krümel auf dem blassgrünen Stoff, sonst nichts. Sie sieht ihre braungefleckten Hände auf dem Tisch liegen, wie Pfützen hingespült, die Finger trübe Rinnsale mit Arthrosebeulen, auf dem Handrücken Ströme von Adern. Sie zittern ein wenig, diese Hände, und Gwendolin denkt, ändern, sie sagt: Ja, das muss ich wohl. Mich ändern. Da hast du sicher recht.

Ich schlage vor, wir ändern zuallererst einmal das Haus, verkündet Thea und zeigt dabei das Lächeln von einer, die Zeit hat. Das andere, fügt sie hinzu, kannst du dann später noch tun.

Ändern? Die Villa? Wie meinst du das?

Wie ich das sage. Ein paar kleine Arbeiten, nichts Besonderes.

Aber warum, fragt Gwendolin und schaut dann kurz auf die neue Küchentapete, sie sieht die Einbauküche aus Eichenholz, keine zwei Jahre alt und aufgeräumt, die Schränke und Regale, die bis unter die hohe Decke reichen und die die alten Küchenmöbel der Villa aus dem Raum gedrängt haben, Gwendolin sieht, dass es hier überhaupt nichts zu ändern gibt und dass, wenn man das Wichtigste außer Acht lässt, nichts verkehrt ist in diesem Haus.

Warum, fragt Gwendolin, warum denn ändern, hier ist doch alles gut.

Nur dass Thea das gar nicht sehen kann, Thea im knochigen Morgenmantel, Thea mit den kleinen, euligen Augen. Nur dass Thea eine kleine Portion Luft ausstößt, den Kopf schüttelt und noch einmal atmet, ein und aus und ein und aus. Die Villa, sagt sie dann deutlich und Wort für Wort, die Villa muss eine Festung werden.

4

Mein Haus steht Ihnen offen, sagte Willem Suhr mit diskret verklärtem Blick, nachdem er sich im Winter vierundfünfzig beim Direktor der Berufsschule angemeldet und Gwendolin dann in seine Villa transportiert hatte, um ihr das stillgelegte Musikzimmer und die Bibliothek im ersten Stock zu zeigen.

Nie zuvor hatte sie Pirasol gesehen, aber sie erkannte es auf Anhieb. Das Haus, es schien nur ihr zu gelten. Es erkannte sie zurück. Der ortsfremde Name, der auf einen entfernten und längst überholten Verwandten aus Brasilien zurückzuführen war, rührte sie, das ganze Haus zerwühlte sie, weil es gewaltig und doch unbeholfen war, mit seiner hölzernen Bibliothek und seinem polierten, aber entschieden verstimmten Flügel. Das alles war nichts als ein Versuch, irgendeiner von irgendwem, und doch, im Winter vierundfünfzig stand Gwendolin in der Villa und wusste, dass der Versuch ausgesprochen gut war.

Willem war damals doppelt so alt wie sie und mitnichten ein hässlicher Mann, das musste man sagen. Er trug zwei Außenfältchen pro Auge und ein dünnes Bärtchen über dem Mund, seine dunkelblonden Haare sahen weich aus, obwohl sie der Stirn viel zu großzügig Vortritt gewährten, und es schmunzelten sein Blick und seine Hände. Hände, die ein Musikzimmer besaßen und einen Raum für Bücher.

Gwendolin sagte an diesem Nachmittag nur wenig, was ihr die Bezeichnung stummes Mägdelein einbrachte, ein Name, der sich flugs im Haus verbreitete und später, peinlich genau zur Hochzeit, vom gesamten Personal fehlerfrei beherrscht wurde. Und es stimmte ja auch. Es war in der Tat äußerst wenig, was Gwendolin an ihrem ersten Tag in der Villa über die Lippen brachte. Die meiste Zeit war sie damit beschäftigt, nicht an den nötigen Klosettgang und stattdessen an all die Menschen zu denken, die nicht das geringste Problem mit nötigen Klosettgängen hatten, die sich keinen Deut um den aufdringlichen Strahl kümmerten, der sogar durch doppelte Türen hindurch zu hören war, jedenfalls dann, wenn sich hinter diesen Türen ein Wasserklosett befand, sie dachte sogar an die Marktfrauen nach dem Krieg, die sich ungeniert über Luftschächte hockten und manchmal von den Kellerjungen mit Schläuchen nassgespritzt wurden. Gwendolin bohrte ihre Füße in den Boden und schwieg wie ein Mägdelein, konnte ihre Hand aber später kurz von Willems adriger Hand drücken lassen und dachte, das würde reichen für den Anfang, der ja dann auch der Anfang war, der Beginn von allem, das zu folgen hatte.

Gwendolin trug ein ansehnliches Kleid, so wie es sich in den Augen der hauswirtschaftlichen Lehrerinnen der Berufsschule geziemte, und merkwürdig war das: wie sie all diese Dinge beachtete, die Kleider und Sitten und den Moment, wann eine Sache vorbei zu sein hatte, sonderbar, wo sie doch keine Schülerin war, sondern nur in einem der ausgemergelten Zimmer wohnte und den Lehrerinnen half. Weil Jacken-Karl der Direktor war und weil er früher ihren Vater gekannt hatte. Und gar kein schlechtes Kleid war das, wenn man die Zeit bedachte, die erbärmlich und immer noch neu war. An diesem Nachmittag sah Gwendolin wie eine Dame aus in Ocker und in Mint und ließ insgeheim schon die Berufsschule hinter sich, auch wenn es danach noch eine Weile dauerte, bis sie die Villa endlich einholte.

Fräulein Gwendolin, sagte Willem höchstens, ab und zu, wenn es sich anbot, mögen Sie ein Gläschen, fragte er höchstens, aber sie mochte ja keines, lieber nicht. Er rückte ihr keinen Millimeter zu nahe, die meiste Zeit jedenfalls, und er schien auch ihre Taille nicht zu bemerken, obwohl nicht einmal Jacken-Karl unter den strengen Blicken seiner gewellten Frau davor haltmachte, weshalb Gwendolins Tage in der Schule ohnehin gezählt waren.

Willem führte sie durchs Haus und zeigte ihr jedes einzelne Zimmer; er ging voraus, aber nie mehr als einen halben Meter, und zu jedem einzelnen Raum hatte er einen Satz oder eine ganze Meinung parat, obwohl er, wenn man sein Personal nicht mitrechnete, hier ganz allein lebte und nur einen Teil des Anwesens bewohnen konnte. Trotzdem hatte jedes Zimmer eine Bedeutung, keines stand leer und keines sah aus, als könnte darin etwas Schlimmes geschehen. Die Möbel waren dunkel, aber die meisten Räume lagen trotzdem hell im fenstergroßen Licht.

Gwendolin mochte Pirasol. Das Haus sah friedlich aus, vertraulich. Und doch gab es etwas, das sie schon damals beunruhigte, und das war Willems übertriebener Sinn für Ordnung. Dabei hatte sie in Jacken-Karls Berufsschule seit Jahren mit wenig anderem als mit der Wichtigkeit aufgeräumter Zimmer zu tun. Aber die Ordnung hier in der Villa war etwas vollkommen anderes, nirgends lag ein Krümel, nirgends ein Schnipsel, Pirasol war eine äußerst penible Angelegenheit. Nur bei der Besichtigung der Küche entdeckte Gwendolin in einer Ecke Schokoladenpapier, etwa zeitgleich mit Willem, der daraufhin die Hauswirtschafterin eine Spur zu heftig anwies, es unverzüglich aufzulesen, und ihr außerdem vorhielt, sie habe ihre Tochter leider nicht im Griff.

Fräulein Gwendolin, sagte Willem später im Musikzimmer, im Winter vierundfünfzig, und drückte ihre Finger mit seiner Rasierwasserhand dann leicht nach unten, genau in Tastenrichtung des rostbraunen Flügels, in dessen Lack der Junge viele Jahre später ein paar Kratzer setzen und dafür eine beträchtliche Platzwunde in Empfang nehmen sollte, Fräulein Gwendolin, sagte Willem, und sie wusste, dass, wenn sie in diesem Moment Ja dachte, alles entschieden wäre und für immer, sie hörte Willems Atem schwerer werden und spürte seine große Hand auf ihrer, die Luft ein wenig stickig, die Luft ein wenig alt, und dann berührten Gwendolins Finger unter dem Gewicht von Willems Rasierwasser endlich die Tasten und trommelten nach einer Weile Ja auf das Elfenbein, ja, trommelten sie, ja, ja, ja.

5

Das Grabkissen knorpelt dünn unter den Knien, Willem, flüstert sie, Willem, sagt sie laut und legt die Hand auf das feuchte Grab. Wintrig gärt die Erde, kräuselt sich, erinnert sie an nichts. Und Gwendolin beginnt zu wühlen, sie zupft und wühlt und wühlt und glättet, oben: Unvergessen; sie körnt die Erde, die jetzt doch nach etwas riecht, nach dem alten Wind im Küchenfenster daheim, und Gwendolin kniet und wühlt und redet, Willem, spricht sie, denk, was geworden ist, und später steht sie auf, klopft das klamme Grabkissen aus und wartet schrittelang, bis die Knie wieder eingerenkt sind, Erde, riecht sie, März auf den knospenlosen Kreuzen, und geht dann weiter den Friedhofsweg entlang, der dunkel unter ihren Füßen fließt, braun wie der Flügel unter den Laken von Pirasol.

6

Im Juni achtundvierzig tauschte Gwendolin das Elternklavier gegen ein paar fast schon wertlose Scheine ein. Eine Schule kaufte ihr das Stück ab, und die Männer, die es später abholten, erkannten nichts von dem, was dieses Instrument einst bedeutet hatte. Schwarz wie Lackschuh und höchstens dreißig Jahre alt, aber trotzdem halbtot schon, weil die Hände der Mutter zum Schluss immer schwerer und vergeblicher geworden waren, schwarz wie Lackschuh und halbtot schon war dieses Klavier und früher trotzdem das Hellste gewesen, das Gwendolin passieren konnte, zusammen mit diesem ganzen Wilmersdorfer Kindsein, mit der Mutter und dem Vater, die ihr gezeigt hatten, dass es gelingen konnte, alles, und dass man manches Mal, in Zeiten nur, unwiderruflich aufgehoben war.

Die Suche und Suche seitdem.

Kommt einer vorbei und hebt sie auf.

Seitdem die Suche.

Immer, für immer, die Suche.

 

Bevor sie ihren Vater aus dem Haus zerrten, war Gwendolins Leben in der Nähe des schwarzen Blüthner vorgekommen, in der Nähe des glatten, derben Holzes, das Jahr um Jahr das Gute in sich aufsog, das die Eltern füreinander hatten und das dann auch noch für sie, Gwendolin, reichte.

Die Mutter erteilte ihre Klavierstunden mit federleichten Händen, jeden Tag und bis zum frühen Zuletzt, als der Hauch von ihren Händen gefallen war, Tausende von Klavierstunden gab sie und hatte sich lange vor Gwendolins Geburt einen fabelhaften Ruf erarbeitet. Sie konnte genügend Schüler vorweisen, um manchmal sogar die ganze Familie durchzubringen, ganz im Gegensatz zum Vater, der schon ein halbes Dutzend Jahre nach Gwendolins Geburt beruflich so gut wie gar nichts mehr vorzuweisen hatte. Er war Theaterkritiker gewesen und hatte, als die Theater sich entleerten von Schauspielern und Stücken, seine Stelle verloren, weil die Verirrten seine Zeitung und sicherheitshalber gleich noch seinen ganzen Beruf verboten.

Gwendolin wusste darum, später, als sie im Alter war, in dem man um Dinge wusste. Die Eltern hatten sich gar nicht erst die Mühe gemacht, irgendetwas vor ihr zu verheimlichen, jedenfalls die meiste Zeit. Und doch konnte sie es schon damals sehen: das staubfeine Glück zwischen den ersten stickigen Kellernächten und den rotweißschwarz abwinkenden Fahnen auf den Straßen; sie konnte es sehen, das Klavier im Wohnzimmer, an dem die Mutter saß und manchmal auch sie selbst, Gwendolin, und neben das sich der Vater einen Ohrensessel gerückt hatte, um seine Bücher zu lesen, obwohl er auch einen Schreibtisch im Schlafzimmer unterhielt. Dieses Glück roch nach Gerstenkaffee und gekochten Kartoffeln, die kalt in Töpfen lagerten, es roch nach gedünstetem Kohl, verbranntem Holz und dann auch noch nach dem Spritzer Kölnisch Wasser, das die Mutter jeden Morgen auflegte, um da zu sein, wie sie gerne sagte. Dasein, das war ihre Art. Dasein war der Dank, den man dem da oben schuldig war. Die Mutter konnte lange nicht aufhören, dem da oben zu danken.

 

Wahrscheinlich spürte Gwendolin, dass ihr in der Wohnung mit dem schwarzen Klavier nichts passieren konnte, dass die Dinge hier ihren Anfang nahmen jeden Tag und dass sie, die Zöpfe meterweise dunkelblond, ein geliebtes Kind war und vorerst bewahrt bis in alle Zeit. Die Leute gingen ein und aus in dieser Wohnung, übten Tonleitern oder ließen sich vom Vater Nachhilfe in unverfänglichen Fächern geben, von denen es mit den Jahren immer weniger gab, und abends rief der Vater ohne Ankündigung: Ab ins Theater mit euch!, weil ihm tags wieder ein Stück aufgefallen war, das die Verirrten versehentlich noch nicht verboten hatten, und dann zitierte er daraus und vergaß dabei niemals zu erwähnen, um welchen Akt und welche Szene und welchen Vers es sich handelte, der Vater hatte wirklich ein sagenhaftes Gedächtnis. Nie gingen sie nach seinen Ausrufen tatsächlich ins Theater, dafür war einfach kein Geld da. Aber am Ende ging es ohnehin nur um Ab ins Theater, am Ende ging es sowieso nur um den Vater, die Mutter, das Kind.

Und manchmal, an leichten Tagen, da zog der Vater sein steifes Bein durch die doppelt mannshohen Räume und schrie fröhlich den Peer Gynt in die Wohnung, dieses Mal, Peer, mit-ten-durch, ob auch der Weg noch so schwer! Und wenn die Mutter ihn dann einmal zu fassen kriegte, nahm sie sein Gesicht in beide Hände und besichtigte es eine Weile, die mageren Gestalten des Vaters und der Mutter wuchsen zusammen zum wohlgenährten Einen, und aus der Küche roch es nach kaltliegenden Kartoffeln und nach Gerstenkaffee, Jahre und Jahre und so lange, bis er dann doch zu schwer wurde, der Weg, und im Wohnzimmer stand das Klavier und wusste alles, hatte alles kommen und alles gehen sehen, schwarz wie Lackschuh war es und zerfurcht von immer ungeheizteren Wintern und immer weniger Glück, es war sogar dann noch da, als sich der da oben längst davongestohlen hatte, und schwand erst, als auch Gwendolin schon fast nicht mehr da war.

7

Gwendolin sitzt am Küchentisch und weiß, sie sollte hier nicht sein, nicht am Mittwoch, nicht, auf keinen Fall, am Nachmittag. Sie wollte nur Tee kochen und die Kanne mit in ihr Zimmer nehmen, um dort ihre alten Engländerinnen zu lesen, drei schwindsüchtige Schwestern, von denen es keine auf vierzig Jahre brachte in den Mooren von Yorkshire.

Aber ehe Gwendolin verschwinden konnte, war sie von Theas Gemeindefreundinnen auf den einzigen freien Stuhl gedrückt worden. Gwendolin hustet, sie trägt die Last von sieben Blicken auf dem Gesicht und versucht, dem Dunst von Bohnenkaffee und Parfum auszuweichen, aber wie denn?

Seit Monaten sitzt Thea mit den Frauen hier an der Chronik, für die sie jedes Mal dramatisch die Stimme hebt, als ginge es um mehr als die Seniorenarbeit der Gemeinde, die ohnehin keinen interessiert und selbst den Frauen, die Pirasol mittwochs mit ihren Kaffeetassen belagern, nur als Vorwand zu dienen scheint. Die Chronik müsste längst fertig sein, ein paar Ausflüge und Weihnachtsfeiern, die schnell erinnert sind, das Heft müsste schon vor Wochen gedruckt und verteilt worden sein, aber nichts, kein Wort davon.

Im Augenwinkel sieht Gwendolin eine Hand, die sich von links nähert und dann warm und klebrig auf ihrer eigenen landet.

Wir wissen, was Sie jetzt durchmachen, flüstert es neben ihr so laut, dass von überall blanke Zustimmung kommt, außer von Gwendolin, die noch nicht einmal selbst weiß, was sie jetzt durchmacht.

Vorsichtig zieht sie ihre Hand weg und sieht kurz nach links, nein, sie könnte nicht sagen, wie das Gesicht heißt, das ihr mit zerkniffenen Augen zunickt, es ist eines dieser Mittwochsgesichter, denen sie sonst ausweicht. Gwendolin sieht zu Thea, doch die zuckt mit den Schultern und sagt:

Wir fühlen alle mit dir, wir sind uns da einig. Wir werden dir helfen, Schätzchen. Du musst es nur zulassen.

Die Antworten werden Gwendolin erst spät im Waschkeller gelingen, die Worte ohne Angst und Buckel, die in Wahrheit Gesten sind und zeigen, mit wem man es hier zu tun hat, nämlich mit ihr selbst, Gwendolin Suhr, und mehr ist nicht zu sagen. Aber jetzt, vor dem Lauern des Küchentischs, jetzt fürchtet Gwendolin ihre eigenen Gesten und am meisten die Zeit danach, die Zeit nach den Gesten, in der man aufstehen und gehen muss mit festem Blick, die Sekunde, in der man weiß, dass die Dinge schwerer werden ab sofort, und wennschon, man kümmert sich eben nicht darum, wenn man die Gesten beherrscht, wenn man sagen kann: Ich bin das, was mir zusteht.

Oh, das ist freundlich, würgt Gwendolin also in die Runde, nur, ich komme schon zurecht.

Margit, los, erzähl, was du gesehen hast, dirigiert Thea, und endlich weiß Gwendolin, wer da neben ihr sitzt, Margit, die den Jungen gesehen hat irgendwo, die ihr das Bild und fünfunddreißig abgezählte Jungenjahre voraushat, Margit mit der leicht beleibten Hand, Margit, die jetzt leise und triumphierend zu reden anfängt:

Im Park stand er, drüben beim Teich, ich hab ihn fast nicht erkannt.

Mit trockenem Mund fragt Gwendolin, während in der Magengegend ein Glühen aufbricht:

Sie kennen ihn, ja?

Sagen wir, ich erinnere mich.

Woran?, flüstert Gwendolin und sieht ihre Tischnachbarin erst jetzt wieder an, weil es schließlich um etwas geht, um den Jungen geht es, von dem sie selbst nicht mal die Hälfte kennt.

Ich bitte Sie, die Zeitung war damals voll von ihm, wir alle haben das Gesicht gekannt. Wie er aussah! Ein bisschen mehr zurechtgemacht und keiner in der Stadt hätte ihm das zugetraut.

Margit schaut in die Runde und fast alle pflichten ihr bei, nur Thea nicht, die geflissentlich in ihrer Tasse rührt.

War er wenigstens jetzt ein bisschen mehr zurechtgemacht?, fragt Gwendolin, aber sie fragt es ja gar nicht, jedenfalls nicht, wie es anstünde.

Sagen Sie, schluckt sie, wie sah er denn aus?

Margit schweigt eine Weile und sieht zu den anderen Frauen, dann wendet sie sich wieder an Gwendolin und sagt:

Wissen Sie, ich habe nur auf den irren Blick geachtet, da guckt man doch nicht weiter bei solchen Augen. Die Enten hat er angestarrt, der sah aus, als würde er denen gleich den Hals umdrehen, nein, wenn Sie mich fragen, nehmen Sie sich bloß in Acht vor diesem, diesem –

Gwendolin denkt an das jämmerliche lokale Blättchen, dem Willem das Jungengesicht förmlich einkerbte im Herbst neunundsiebzig, sie erinnert sich an alles, an die Überschriften, die wohlverdiente Strafe, die sie dem tausendmal wunden Jungen hinterherschmeißen wollten, und sie denkt an den Teich, an dem der Junge wirklich einmal versucht hat, Enten zu treffen mit viel zu kleinen Steinen. Höchstens sechs Jahre war er alt, als er an allen Enten vorbeiwarf und Gwendolin nichts davon verstand und sich erst dann vor den Jungen knien konnte, als er beiläufig gefragt hatte: Hast du schon mal alles erlebt?

Sie umarmte und umküsste ihn, legte ihr Kinn auf seine rechte kleine Schulter und kannte ihn wie nie, Stunden oder Tage und jedenfalls so lange, bis der Junge sie in den Rücken kniff und sie beide lachen mussten und dadurch auch die letzten Enten verscheuchten. Sie wünscht es ihm fast, dass er diesmal eine erwischt hat, womöglich mit bloßen Händen.

Gwendolin! Sie schreckt zurück vom Teich und den Enten, Gwendolin!, ruft Thea ein zweites Mal. Es geht hier auch um meinen Hals! Verstehst du? Du tust, als ginge dich das alles nichts an! Der Kerl hat dein Leben kaputtgemacht.

Gwendolin kennt Theas Zorn, er kommt unversehens, und es ist höchstens ein Schulterzucken, das ihm vorausgeht, oder überhaupt keine Regung, nichts. Und wie immer wird er wenig später zu Tränen zerfallen, nur um sich gleich am nächsten Tag in Hohn zu verwandeln, Gwendolin kennt Theas Zorn.

Ich bin, sagt sie, ich weiß, ich weiß nur nicht.

Ich weiß nur nicht?, fragt Thea mit ihrer herben Stimme, die sich an den unpassendsten Stellen überschlägt. Wie kann man denn so leben, wie kann man nur so lange nichts wissen, wie kann man so naiv sein? Wie fühlt sich das an, wenn man sich nie wehrt, Gwendolin, du bist vierundachtzig! Was tust du denn? Kriechst brav zum Friedhof, kriegst nie Besuch, ist dir alles egal?