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Nr. 93

 

Der Feind im Dunkel

 

Ein Roboter stirbt – und sein Tod löst eine interstellare Polizeiaktion aus ...

 

von KURT MAHR

 

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Als im Jahre 1971 mit der Entdeckung des auf dem Mond gestrandeten arkonidischen Forschungsraumers der Grundstein zur Vereinigung der irdischen Menschheit und dem aus dieser Vereinigung erwachsenden Solaren Imperium gelegt wurde, ahnte noch niemand – auch nicht Perry Rhodan, der Begründer des terranischen Sternenreiches –, welche Anstrengungen und Nervenkraft es im Laufe der Jahre kosten würde, dieses Reich gegenüber Angriffen von innen und außen zu erhalten.

Die bisher gefährlichste Bedrohung der Menschheit, die in der »Schlacht um Terra« gipfelte, konnte dank arkonidischer Hilfe gebannt werden, ebenso wie die von Thomas Cardif, dem Renegaten, heraufbeschworene innenpolitische Gefahr durch Guckys Alleingang beseitigt werden konnte.

Eine friedliche Weiterentwicklung der Menschheit kann aber nur möglich sein, wenn in der Galaxis selbst Friede herrscht – und bis dahin scheint es noch ein weiter Weg zu sein ...

Auch Atlan, der Unsterbliche, der erst vor kurzem die gigantische Maschine abgelöst hatte, die mit ihren unerbittlich zuschlagenden Robotflotten jede Revolution gegen die arkonidische Zentralgewalt im Keime zu ersticken pflegte, will den Frieden.

Atlan, jetzt Imperator Gonozal VIII genannt, und Perry Rhodan, der Administrator des Solaren Imperiums, unterstützen sich – schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb – gegenseitig bei ihren Bemühungen.

Ein Beistandspakt zwischen Arkon und Terra ist kürzlich unterzeichnet worden – und die schnellen Raumschiffe der Solaren Flotte stehen jederzeit bereit, überall dort einzugreifen, wo auch immer auf den galaktischen Planeten Ruhe und Ordnung empfindlich gestört werden.

Diesmal ist es der Telekom-Notruf eines sterbenden Arkon-Gouverneurs, der die FINMARK, einen Kreuzer der Staatenklasse, zur Wasserwelt Opghan starten lässt ...

Major Thomea Untcher stößt dabei mit seinen Leuten auf den FEIND IM DUNKEL ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Thomea Untcher – Ein Major der Solaren Raumflotte, in dem mehr steckt, als der erste Eindruck erwarten lässt.

Ran Loodey, Kayne Stowes, Phil Lenzer und Ted Dunyan – Besatzungsmitglieder der FINMARK.

Pthal – Ein Roboter, dessen »Tod« eine interstellare Polizeiaktion auslöst.

Grghaok, Nrrhooch und Lchox – Sie hassen die Fremden, die ihr Volk unterdrücken.

Nathael, Echnatal und Aktar – Sobald sich Terraner einmischen, erleben die Galaktischen Händler bei dunklen Geschäften eine Pleite.

1.

 

Mit nachdenklichem Gesicht sah Pthal an den eigenartigen Windungen der Röhrenpflanze hinauf bis dorthin, wo sie durch die Decke des Raumes verschwand, das Loch in der Decke mit ihrem eigenen Körper so dicht verschließend, dass das Wasser nicht hereindringen konnte.

Pthal war eines jener Wesen, von denen man erwarten sollte, dass sie nie in die Verlegenheit kämen, Selbstgespräche zu führen. Aber in diesem Augenblick murmelte Pthal zu sich selbst: »Seltsame Geschöpfe, diese Röhrenwesen!«

Das war der Augenblick, in dem die Tür aufflog und der Mann hereinkam, den Pthal noch nie gesehen hatte. Über seine Absicht bestand kein Zweifel. Er trug eine kurzläufige Waffe in der Hand und begann sofort zu schießen.

Pthal wurde getroffen. Die Explosion der Thermowaffe lähmte sein kompliziertes Nervensystem. Bei vollem Bewusstsein, aber ohne Schmerzen zu verspüren, knickte er in den Knien ein und stürzte auf den Boden.

Der Mann unter der Tür feuerte immer noch; aber durch Pthals blitzschnellen Sturz ging sein nächster Schuss ins Leere. Hinter Pthal zischte die Wand auf, und geschmolzener Kunststoff rann in glühenden Bahnen auf den Boden. Die Röhrenpflanze begann sich zu winden.

Pthal nahm sich Zeit, den Fremden zu studieren. Er wusste, dass er nicht mit dem Leben davonkommen würde. Die Verletzung, die er empfangen hatte, war auf die Dauer tödlich. Er konnte nichts anderes mehr tun, als seiner Pflicht zu gehorchen. Er umfasste das Bild des Fremden mit den großen Augen und bewahrte jede Einzelheit in seinem immensen Gedächtnis.

Der Fremde hatte inzwischen sein Ziel korrigiert. Er hatte dazu mehr Zeit gebraucht als Pthal, um das Bild seines Gegners in sich aufzunehmen. Denn Pthals größte Begabung war die Fähigkeit, ungeheuer schnell, unmenschlich schnell, zu reagieren.

Pthal entschied, noch bevor der Fremde ein drittes Mal abdrücken konnte, dass er für seinen hinterhältigen Angriff die empfindlichste Strafe verdient habe. Er löste die kräftigste seiner Waffen aus und tötete den unbekannten Feind unter dem Schein einer blendenden Explosion.

Pthal drehte sich auf die Seite. Die Bewegung zehrte an seinen Kräften und er spürte, dass er nur noch ein paar Augenblicke zu leben haben würde.

Er begann, sich des Fremden zu erinnern, den er soeben getötet hatte. Das heißt: Er rief die gespeicherten Eindrücke aus seinem Gedächtnis wieder ab und versuchte, sie auf lautlosem Wege dorthin zu übermitteln, wo man diese Mitteilung mit Interesse hören und sodann Schritte unternehmen würde, die Quelle der Beunruhigung auf Opghan zu ermitteln und unschädlich zu machen.

Wenn er dazu fähig gewesen wäre, hätte Pthal Bedauern darüber empfunden, dass er diese Absicht nicht mehr ausführen konnte. Seine Verletzung war schwerer, als er zunächst geglaubt hatte. Er konnte ihre Folgen nicht genau abschätzen, weil ihm eben die Organe, die dazu notwendig gewesen wären, abhanden gekommen waren. Er hatte kaum das erste Zeichen von sich gegeben, als seine Energie erlosch.

Aber selbst in diesem Augenblick tat er noch seine Pflicht. Mit dem letzten Lebensfunken sandte er den Koderuf aus, der besagte, dass auf Opghan nicht alles in Ordnung sei.

Dann lag Pthal reglos – ein Robot, der in Erfüllung seiner Pflicht zerstört worden war.

 

*

 

Auf Arkon III empfing man Pthals letzten Kodespruch ebenso wie die wenigen unentzifferbaren Impulsfetzen, die ihm vorausgegangen waren. Man verstand, dass Pthal einen Bericht hatte abgeben wollen, aber daran gehindert worden war. Wodurch, das lag auf der Hand. Den Kode-Notruf pflegten Roboter nur in dem Augenblick ihrer Vernichtung abzugeben.

Pthals Tod löste Beunruhigung aus. Denn Pthal war oberster Beamter des Imperiums im System Ep-Hog auf dessen zweitem Planeten Opghan. Opghan war eine Welt, die am Rande des arkonidischen Einflussbereichs lag. Es war nicht unwahrscheinlich, dass der Feind im Dunkel, der nach der Machtübernahme durch Seine Erhabenheit, Gonozal VIII, glaubte, die alten Zeiten seien wieder angebrochen, in denen der Imperator weit und seine Beamten unfähig waren, gerade auf einer weit außen gelegenen Welt wie Opghan den Hebel ansetzte, der das Imperium aus den Angeln heben sollte.

Eine Polizeiaktion war unbedingt erforderlich. Pthals Tod musste untersucht und dem Attentäter auf die Spur gekommen werden.

Seine Erhabenheit selbst, Atlan, unter dem Namen Gonozal VIII Imperator des arkonidischen Imperiums, leitete die Bitte um Unterstützung an Terra weiter und erhielt von dort die Zusage, dass man wunschgemäß verfahren werde.

 

*

 

Sergeant Loodey war ein Mann, dessen gewaltige Gestalt im Verein mit seinem todernsten, beinahe verbissenen Gesicht jedermann Respekt einflößte. Dass der nicht besonders große und dürre Mann, der in diesem Augenblick auf Ran Loodey zukam, nicht die geringste Spur des gewohnten Respektes zeigte, irritierte Loodey und veranlasste ihn, früher einen Schritt nach vorne zu treten, als er das sonst zu tun pflegte. Er stand jetzt mitten vor dem Zugang zur Laufbrücke, die vom achten Stockwerk des Verwaltungsgebäudes nahezu horizontal zu einem draußen auf dem Landefeld liegenden Kugelraumschiff hinüberführte und dort in der hellerleuchteten Öffnung der großen Lastschleuse im untersten Kugeldrittel mündete.

Der Dürre schien Ran Loodey nicht zu bemerken. Er starrte vor sich hin und fuhr im Selbstgespräch nervös mit den Händen durch die Luft. Loodey hatte keine Ahnung, wie er überhaupt hier heraufgekommen war. Er trug Zivil, und Zivilisten war der Zutritt zu den höheren Etagen des Gebäudes untersagt.

Ran Loodeys Verwunderung verwandelte sich in Zorn, als er sah, wie der kleine Dürre, ohne aufzusehen, einen Bogen um ihn herummachen und die Laufbrücke betreten wollte, ohne sich um die Formalitäten zu kümmern.

»Halt!«, donnerte Ran und zog sich einen Schritt weiter auf die Brücke zurück. »Was suchen Sie hier?«

Der Dürre sah auf. Verwirrt starrte er Loodey an. Dann machte er eine fahrige Handbewegung auf das Landefeld hinaus.

»Na, das da«, antwortete er ungehalten. »Das ... wie heißt das doch ... das Schiff, meine ich.«

Ran Loodey nickte gewichtig.

»Aha, das Schiff«, wiederholte er. »Welches denn?«

Der Dürre schüttelte den Kopf.

»Mein Gott, was für Narren es gibt«, murmelte er. »Das dort natürlich. Ein anderes gibt es ja weit und breit nicht, oder?«

Loodey bewahrte Ruhe.

»Und was wollen Sie mit dem Schiff, mein Freund?«

Der Dürre blinzelte.

»Erstens bin ich nicht Ihr Freund. Nicht, solange Sie mich so behandeln. Und zweitens ist die Frage falsch. Ich will nicht mit dem Schiff, sondern in dem Schiff etwas. Und zwar schlafen. Ich bin nämlich müde.«

Das verschlug Loodey den Atem. Als er sich gefasst hatte, schrie er den Dürren an: »Glauben Sie vielleicht, die Schiffe der Terranischen Raumflotte wären ein Asyl für Obdachlose? Nehmen Sie die Beine unter den Arm, Mann, und ...«

Der Dürre winkte protestierend, und so seltsam sich die fast hilflose Geste gegen Ran Loodeys massierten amtlichen Zorn ausmachte, sie brachte Loodey zum Schweigen. Der Dürre besaß etwas, was Loodey unsicher machte.

»Hören Sie auf zu schreien«, bat der Dürre mit kläglicher Stimme. »Sie machen mich ganz krank. Ich bin nicht schwerhörig.«

»Okay«, brummte Loodey. »Dann sag ich's Ihnen noch mal ganz leise: Sie sollen sich aus dem Staub machen! Verstanden?«

»Nein«, antwortete der Dürre prompt. »Warum?«

»Weil Sie hier nichts zu suchen haben«, zischte Loodey.

»Woher wissen Sie das? Mein Name ist Thomea Untcher.«

In all seiner Wut fing Ran Loodey an zu grinsen.

»Das ist gewiss ein so schöner Name, wie ich ihn noch nie gehört habe, lieber Mann. Aber selbst mit einem so herrlichen Namen ...«

Sein Gesicht erstarrte plötzlich. Man konnte sehen, wie er sein Gedächtnis strapazierte. Dann stieß er plötzlich hervor: »Wie war noch einmal der Name, Sir?«

Jetzt lächelte der Dürre.

»Thomea Untcher, Sergeant.«

Ran Loodeys Gesicht lief rot an.

»Verzeihung, Sir ...«, stammelte er verlegen. »Ich muss natürlich ... ähem ... Ihren Ausweis sehen. Sie verstehen ...«

Untcher nickte gemächlich. Er schob die Hand in die Tasche seines Mantels, dann in die Innentasche, dann schlug er den Mantel beiseite und fing an, in seinem Jackett zu suchen. Es dauerte eine Weile, bevor er das kleine, graue Plastikblättchen zum Vorschein brachte. Loodey nahm es behutsam in die Hand. Er schob es in den Schlitz des Prüfgerätes, das neben ihm auf dem Tisch stand, und wusste, dass er sein Spiel verloren hatte, noch bevor das grüne JA-Zeichen aufleuchtete.

Das Plastikstück sprang aus dem Gerät zurück. Loodey reichte es dem Dürren und salutierte.

»Bitte um Entschuldigung, Sir«, sagte er dazu.

Untcher winkte zerstreut ab.

»Schon gut. Ist ja nichts passiert.«

Dann trat er auf die Laufbrücke. Das Rollband trug ihn durch den sausenden Warmluftvorhang, der das Innere des Gebäudes gegen die Kühle der Nacht isolierte, hinüber zur hell erleuchteten Schleuse der FINMARK.

Als Ran Loodey glaubte, dass er ihn nun nicht mehr sehen könne, wandte er sich um. Gerade noch rechtzeitig genug, um die dürre Gestalt mit wehendem Mantel in der Schleuse verschwinden zu sehen.

Brummend schüttelte er den Kopf. Er kannte viele merkwürdige Leute; aber einen Kommandanten wie Thomea Untcher hatte er noch nie gehabt.

 

*

 

In dem Augenblick, in dem Nathael den grünen Punkt des fremden Raumschiffs auf dem großen Schirm der Tasteranlage aufleuchten sah, wusste er endgültig, dass der Plan sich nicht so würde durchführen lassen können, wie er es vorgehabt hatte. Die Ankunft des fremden Schiffes war der beste Beweis dafür, dass Pthals Tod Staub aufgewirbelt hatte.

Nathael strich sich müde über die Stirn, warf einen zweiten Blick auf den großen Schirm und schaltete das Gerät auf automatische Registratur. Nathael war an dem Kurs des Schiffes nicht sonderlich interessiert. Das, was jetzt noch getan werden konnte, um die Lage zu retten, konnte er erst tun, wenn das Schiff gelandet war.

Nathael stand auf und verließ den Raum, dessen Geräte in rastloser Emsigkeit summten. Draußen, in der weiten Halle, blendete ihn das Licht der gelben Sonne, das durch, die großen Fenster ungehindert hereindrang. Er zögerte ein wenig; dann wandte er sich den drei Männern zu, die nahe der Tür in bequemen Sesseln saßen – obwohl einer von ihnen gar nicht dahinzugehören schien – und auf ihn warteten.

»Sie kommen«, sagte Nathael in der Sprache, die sie alle verstanden.

Die Männer fuhren auf.

»Wer kommt?«, fragte einer von ihnen.

Nathael streckte die linke Hand aus, die Handfläche nach oben, um anzudeuten, dass er das nicht wisse.

»Schließlich macht es auch gar keinen Unterschied«, sagte er. »Wer auch immer sie sind: Sie kommen hierher, um zu schnüffeln, und das können wir nicht gebrauchen.«

Einer der drei, ein noch junger Mann mit einem wallenden Bart, machte eine verächtliche, abwehrende Handbewegung.

»Was kann uns schon passieren«, meinte er. »Sie werden kaum gelandet sein, da ...«

Zornig stampfte Nathael mit dem Fuß.

»Kein Wort weiter!«, schrie er. »Mir scheint, euch allen sind unsere Erfolge zu weit in den Kopf gestiegen. Ihr vergesst die primitivsten Vorsichtsmaßnahmen.«

Der junge Mann mit dem Bart zeigte sich wenig beeindruckt.

»Ich frage mich seit einiger Zeit, Nathael«, sagte er, indem er Nathael von unten herauf ansah, »ob deine Nerven unter der Belastung der vergangenen Wochen nicht zu sehr gelitten haben. Du bist ein wenig zu vorsichtig.«

»So«, knurrte Nathael, »bin ich das? Dann lass dir gesagt sein, dass du ein überhebliches Großmaul bist, das keine Ahnung von den Fähigkeiten und dem Ideenreichtum des feindlichen Geheimdienstes hat. Nur ein einziges unvorsichtiges Wort ... und Opghan wird zur Sonne.« Er lachte bitter. »Dein künstlicher Bart wird dann vorzüglich brennen.«

Der junge Mann schwieg. Er liebte es nicht, darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass sein herrlicher Bart nicht echt war. Nicht echt sein konnte, weil seine Mutter eine Eingeborene dieser Welt war und die Haarlosigkeit ihrer Haut sich auf ihn vererbt hatte. Auch sein Kopfhaar war künstlich; aber Nathael wusste, dass er ihn härter traf, wenn er seinen Bart verspottete.

Der zweite Mann schaltete sich in das Gespräch ein.

»Wir werden alles fertigmachen müssen«, sagte er. »Wie lange brauchen sie noch bis zur Landung?«

Nathael wollte ein zweites Mal die Hand ausstrecken, unterbrach sich aber mitten in der Geste.

»Drei bis vier Zehnteltage, würde ich sagen.«

»Das genügt uns. Wir werden bereit stehen, sobald sie einen Landeplatz gefunden haben. Viel Auswahl haben sie ohnehin nicht. Und dann können nur noch ein paar Stunden vergehen, bis ...«

Er wandte sich zur Seite an seinen Nachbarn, der bisher noch kein Wort verloren hatte.

»Ihr seid soweit, Chchaath, nicht wahr?«

Chchaath nickte und verzog den dünnlippigen Mund zu einem Lächeln.

»Ja, wir sind soweit«, sagte er in einer Art, als hätte er den Mund voll Wasser. »Wir könnten es mit einer ganzen Flotte aufnehmen.«

»Dann mach dich auf den Weg!«, befahl ihm Nathael.

Chchaath stand auf. Er lächelte immer noch. Er ging an einem der großen Fenster vorbei und warf einen Blick auf die endlose Wasserfläche, die bis an die Mauern des Gebäudes heranreichte.

Und im Reflex der Wellen leuchteten die glatten Schuppen auf seiner Haut.

 

*

 

Fassungslos starrte Ran Loodey auf den Bildschirm.

»Herr meines Lebens!«, stieß er hervor. »Nichts als Wasser, lauter Wasser!«

Aus dem Hintergrund des Raumes kam Major Untchers verweisende Antwort: »Na und? Was hatten Sie erwartet? Whisky?«

Loodey fuhr herum.

»Nein, Sir«, gab er zurück. »Ich denke selten an mein Privatvergnügen. Ich meine nur, wir werden Schwierigkeiten haben, einen Landeplatz zu finden.«

Untcher schüttelte den Kopf.

»Die Oberfläche von Opghan besteht nur zu neunundneunzigeinhalb Prozent aus Wasser«, behauptete er mit Nachdruck. »Auf dem halben Prozent werden wir doch, zum Donnerwetter noch mal, einen Landeplatz finden können.«

Ran Loodey bezweifelte das. Das heißt: Er bezweifelte die Existenz des halben Prozents; denn das, was er von der Oberfläche des Planeten sehen konnte, war in der Tat nur Wasser.

Es war ein eigenartiger Anblick. Die FINMARK hatte sich Opghan so weit genähert, dass das gewaltige Rund des Planeten den Frontbildschirm gänzlich ausfüllte und sich über die Ränder hinauszuschieben begann. Das Schiff näherte sich der Tagseite und hatte die gelbe Sonne Ep-Hog im Rücken. Das Bild der Sonne spiegelte sich in der endlosen Wasserfläche, und das vielfach gebrochene Licht umgab Opghan wie mit einer Art Glorienschein. Außerhalb des Sonnenbildes schien das Wasser tintig und tiefschwarz zu sein. Jenseits des Horizonts jedoch leuchtete die Atmosphäre in warmem, gelbem Licht.

Es war ein Bild, wie es noch keiner aus der Besatzung der FINMARK jemals gesehen hatte, und es beeindruckte sie alle. Mit Ausnahme von Thomea Untcher, der kaum einen Blick auf den Bildschirm warf und mit irgend etwas beschäftigt war, was ihm offenbar viel interessanter zu sein schien.

Die FINMARK hatte das langwierige Anflug- und Anpassungsmanöver hinter sich. Einer Landung auf Opghan stand nichts mehr im Wege – außer der Schwierigkeit, die Ran Loodey entdeckt hatte: dass es keinen Landeplatz gab.

Thomea Untcher hatte sich um die Manöver der vergangenen Stunden kaum gekümmert. Nach einer dreitägigen Fahrt war die Mannschaft der FINMARK schon genügend an seine Eigenarten gewöhnt, um sich darüber nicht mehr zu wundern. Und der Orteroffizier, den er von seinem Posten aus unerfindlichen Gründen ablöste, war mit dieser Erholungspause durchaus einverstanden. Thomea Untcher hatte sich schweigsam verhalten. Er hatte kein Wort darüber fallen lassen, ob er auf den verschiedenen Bildschirmen und Messskalen des großen Ortergerätes etwas Auffallendes entdeckt hätte. Er hatte sich Notizen gemacht und ab und zu den Ersten Offizier, ohne aufzusehen, ermahnt, er solle seine Sache richtig machen.

Das war alles. Niemand glaubte, dass er etwas Bemerkenswertes entdeckt habe. Bis zu dem Augenblick, da er aufstand – das war zufällig die gleiche Sekunde, in der Ran Loodey den winzigen Punkt einer kleinen Insel inmitten der Wasserwüste auftauchen sah – und mit einer Beiläufigkeit, die seines besorgten Gesichtes spottete, erklärte er: »Wir sind geortet worden, meine Herren. Die Geräte haben den Reflex verzeichnet. Da der Roboter Pthal in seiner Eigenschaft als oberster Beamter des Planeten für alle elektronischen Anlagen von Opghan verantwortlich war – um nicht zu sagen: mit ihnen gekoppelt war – bleibt uns nur anzunehmen, dass nach Pthals Tod jemand anders sich der Geräte bemächtigt hat und sie sachverständig benutzt. Sergeant Loodey, welchen Schluss würden Sie daraus ziehen?«

Es war eine seiner Eigenarten, andere Leute nach den Dingen zu fragen, über die er sich selbst schon längst klar geworden war.

»Das bedeutet«, antwortete Loodey schnell, »dass ... dass ...«, und geriet ins Stottern.

»Sie haben völlig recht«, gestand ihm Thomea Untcher wohlwollend zu. »Da die Eingeborenen von Opghan technisch rückständig und wahrscheinlich nicht in der Lage sind, ein Ortergerät zu bedienen, bedeutet dies, dass zumindest ein technisch erfahrener Fremder auf Opghan sitzt ... und das ist wahrscheinlich ein Mann, dessentwegen wir hierhergeschickt worden sind.«

Und noch bevor jemand den ganzen Ernst dieses Schlusses erfasst hatte, vervollständigte Thomea Untcher die Verwirrung, indem er erklärte: »Das Schiff befindet sich ab sofort in Alarmstufe eins. Jedermann begibt sich an seinen Posten. Lenzer, sorgen Sie dafür, dass die Geschützstände doppelt besetzt werden! Na los schon! Erster? Loodey hat eine Insel entdeckt. Landen Sie darauf. Worauf warten Sie noch? Wir sind nicht auf einem Wochenendausflug.«

Und plötzlich entwickelte der dürre, schmächtige, sonst so nervöse Mann eine zielstrebige Energie, die seine Männer in Bann schlug und ihnen besser als alles andere klarmachte, dass eine Gefahr drohte.

 

*

 

Mit der unendlichen Geduld, die seiner Rasse eigen war, saß Chchaath vor dem Gerät und wartete auf die letzte, die endgültige Meldung. Als sie endlich kam, hatte er länger als einen halben Zehnteltag an seinem Platz gesessen, ohne sich zu bewegen.

Auf der Ziffernplatte des Geräts erschien eine vierstellige Zahl in arkonidischer Schrift. Chchaath las sie ab und behielt sie im Gedächtnis. Dann schaltete er das Gerät aus und stand auf.