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Nr. 57

 

Die Attentäter

 

Sie wollen den Administrator des solaren Imperiums ermorden! Das erste Kolonistenabenteuer!

 

von KURT MAHR

 

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Der Robotregent von Arkon ist darüber informiert, dass der Untergang der Erde nichts als ein genial angelegter Bluff war – und damit ist der von Perry Rhodan insgeheim gefürchtete Zeitpunkt einer Machtprobe zwischen dem Solaren Imperium und Arkon in bedrohliche Nähe gerückt.

Ist das Reich der Terraner wirklich stark genug, um auch den mächtigsten Angreifer abzuwehren ...?

Doch Perry Rhodan, der Solare Administrator, hat noch andere Sorgen!

Da sind auf der Erde seit kurzem wieder Elemente aktiv geworden, die auf den Umsturz der bisherigen politischen Ordnung hinarbeiten.

Es sind DIE ATTENTÄTER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Einige Leute halten ihn für einen Diktator.

Horace O. Mullon – Der Führer der »Aufrechten Demokraten«.

Fraudy Nicholson – Eine Studentin der Galaktischen Biologie.

Walter S. Hollander – Der Führer der Naturphilosophen.

Kommodore Flagellan – Seine Sorgfalt beschwört das Unheil herauf.

O'Bannon – Ein Mann, der sich auf seine Fäuste verlassen kann.

Milligan – Ein Techniker, der sich als fähiger Stratege entpuppt.

1.

 

Der Mann öffnete die Tür einen Spalt weit und sah misstrauisch heraus.

»Was wollen Sie?«, fragte er.

»Kampf den Tyrannen«, antwortete Mullon.

Das Kennwort kam ihm lächerlich vor, aber er sprach es tapfer aus.

Die Tür öffnete sich ein Stück weiter, aber immer noch nicht mehr, als ein ausgewachsener Mann brauchte, um hindurchzuschlüpfen.

Mullon zwängte sich in das Halbdunkel der Wohnung hinein. Der Mann, der ihm geöffnet hatte, ließ die Tür sorgfältig ins Schloss gleiten und setzte durch einen Knopfdruck die Beleuchtung des Vorplatzes in Gang.

»Mr. Mullon?«, fragte er.

Mullon nickte.

»Wir haben Sie erst morgen erwartet«, sagte der Mann. Mullon nickte ein zweites Mal, legte dabei seinen Mantel ab und hängte ihn auf die altmodische Garderobe.

»Ich bin mit einem Frachter geflogen, der nur wenige Passagiere mitnahm. Die Maschine flog außerplanmäßig. Deswegen bin ich heute schon hier.«

Der Mann, der ihn empfangen hatte, öffnete eine weitere Tür und geleitete Mullon in einen Raum, der noch dunkler war als der Vorplatz.

Der Sommer in Tientsin ist heiß. Man kann die drei Stunden nach Mittag nicht überstehen, wenn man nicht dafür sorgt, dass die Hitze auch nicht den kleinsten Spalt zum Durchschlüpfen findet.

Mullon nahm Platz. Der Mann – ein kleiner, zierlich gebauter Südchinese machte sich an einem kleinen Schrank zu schaffen und produzierte Whisky, Soda und Eis. Mullons Gesicht erhellte sich.

»Vorzüglich, Huang. Ich bin schon am Verdursten.«

Huang lächelte, als er die beiden Gläser auf den kleinen Clubtisch stellte.

»Wir auch«, antwortete er. »Bei uns dreht es sich allerdings um den Durst nach Informationen. Wir leben hier im Schatten der großen Hauptstadt, von aller Welt abgeschnitten. Die fünf Aufrechten Demokraten, die es in Tientsin gibt, hält man anscheinend nicht für wichtig genug, um sie ständig mit Neuigkeiten zu versorgen.«

Mullon spürte den Vorwurf. »Dabei kann es sich nur um die letzten sechs bis acht Wochen handeln«, wehrte er ab. »Bei uns ging alles drunter und drüber. Der große Tag steht nämlich kurz bevor!«

Huang fuhr halb in die Höhe und riss die Augen weit auf.

»Ist das möglich! Sie wollen ...?«

Mullon nickte ernst.

»Genau: Ich will! Die Zeit ist reif, dem Mann das Handwerk zu legen, der in arroganter Selbstherrlichkeit glaubt, der Herr der Welt zu sein.«

Huang klatschte zufrieden in die Hände.

»Es wird ein Festtag für alle aufrecht denkenden Menschen des Solaren Imperiums werden!«, rief er begeistert.

»Das hoffe ich. Aber bevor es so weit kommt, müssen wir noch eine Menge Arbeit leisten. Ich bin eigentlich nur die Vorhut. Hinter mir kommen etwa zwanzig Männer, die Sie in Tientsin oder Umgebung unauffällig unterbringen müssen.

Ich fahre morgen nach Terrania weiter. Sie bekommen von mir Bescheid, wann die zwanzig Leute nachkommen sollen. Ich denke, es wird etwa vier bis sechs Wochen dauern, alles so vorzubereiten, dass der große Schlag erfolgen kann.«

Huang geriet immer mehr in Begeisterung.

»Welch ein Glück, dass ein so tatkräftiger Mann wie Sie an der Spitze der Aufrechten Demokraten steht!«, rief er aus. »Wo wären wir ...«

Er meinte es ernst, aber Mullon winkte ab.

»Jeder andere hätte es ebenso tun können wie ich, Huang«, unterbrach er. »Es braucht nichts weiter als die Einsicht, dass die demokratische Staatsform die einzige darstellt, die der Würde des Menschen angemessen ist, und dass dieser Mann in Terrania sich als Diktator der härtesten Sorte entpuppt. Er ist es, der alleine alle Fäden in der Hand hält. Niemand hat ihm etwas in seine Geschäfte hineinzureden, er maßt sich an, für fünf Milliarden Menschen nach eigener Machtvollkommenheit zu entscheiden. Wenn man das einmal eingesehen hat, dann ist der Weg nicht mehr weit bis zum Gedanken an die Revolution.

An der amerikanischen Westküste gibt es Zehntausende von Aufrechten Demokraten. Das sind nicht viele, wenn man sie mit der Masse der Trägen vergleicht. Aber sie sind bereit, alles einzusetzen, was sie haben, damit das große Ziel erreicht wird.

Perry Rhodan muss sterben!«

 

*

 

Am nächsten Morgen flog Horace O. Mullon, wie er es sich vorgenommen hatte, weiter nach Terrania.

Terrania lag an einer Stelle, an der sich vor siebzig Jahren noch an den Ufern eines fast vertrockneten, glitzernden Salzsees die endlose, öde Weite der Wüste Gobi ausgebreitet hatte.

Von der Wüste war nichts mehr zu sehen. Künstliche Bewässerung hatte die weiten Sandflächen in blühendes Gartenland verwandelt.

Terrania war der Sitz der obersten Behörde des Solaren Imperiums, der Administration Terra, und damit Sitz des Administrators – des Mannes, den Horace O. Mullon zu töten sich vorgenommen hatte: Perry Rhodan.

Von den Bildschirmen der landenden Rakete aus hatte man einen weiten Überblick über die gewaltige Stadt, Mullon kam nicht umhin, ihre makellose, neuartige Schönheit zu bewundern.

Er war sicher gewesen, dass es beim Aussteigen irgendeine Art Kontrolle geben würde und war ziemlich überrascht, als er jedermann sich sofort zu dem Giro-Gleiter hinüberwenden und dort einsteigen sah. Er schloss sich den übrigen Passagieren an und fuhr mit zum Empfangsgebäude hinüber. Auf unerfindlichen Wegen war dort Mullons Gepäck schon angekommen. Mullon wusste nicht, was er mit seinen beiden Koffern anfangen sollte, solange er noch kein Hotel gefunden hatte, und ging daher dem Richtungspfeil eines Leuchtschildes nach, auf dem Aufbewahrung stand. Ein wenig hilflos sah er an der Reihe der Schalter entlang, bis ihn plötzlich eine freundliche Stimme aufforderte: »Treten Sie näher, Mr. Mullon, wenn Sie Ihr Gepäck zur Aufbewahrung geben wollen!«

Mullon fuhr auf dem Absatz herum. Für einen, der im Schilde führte, den höchsten irdischen Beamten umzubringen, bedeutet es einen erheblichen Schock, von einem wildfremden Menschen kurz vor dem Ziel mit dem richtigen Namen angeredet zu werden.

Hinter einem Schalter hatte sich ein freundlich lächelnder Mann erhoben. Mullon trat näher.

»Ich weiß noch nicht«, erklärte er, »in welchem Hotel ich unterkomme. Deswegen möchte ich das Gepäck gerne hierlassen.«

Der Mann nickte gemütlich, drückte auf einer Art Schreibmaschine auf einen Knopf und nahm den Plastikstreifen zur Hand, der aus einem Schlitz hervorgeschossen kam.

»Ihre Quittung bitte, Mr. Mullon«, sagte er und reichte Mullon den Plastikstreifen. »Alles weitere wird veranlasst, Sie brauchen sich um nichts zu kümmern. Wenn Sie ein Hotel gefunden haben, werfen Sie den Streifen dort in die Rohrpostleitung. Ihr Gepäck wird dann so schnell wie möglich angeliefert.«

Mullon hatte den Streifen in der Hand und den Mund offen.

»Das ist ja alles ganz schön«, murmelte er, »aber woher kennen Sie meinen Namen?«

Der Mann lächelte nachsichtig.

»Die elektronischen Geräte des Flughafens und aller hier stationierten Raketen bilden zusammen eine kybernetische Großeinheit«, erklärte er. »Was die elektronische Passagierliste Ihrer Rakete weiß oder wusste, das weiß ich auch.«

»Wie? Was? Wollen Sie behaupten, Sie kennen die Namen aller Leute, die hier ankommen oder abreisen?«

»Natürlich. Mein Gedächtnis besteht aus rund einer Milliarde Speicherzellen, die Zelle zu je viertausendsechsundneunzig Einheiten, Mr. Mullon. Ich bilde keine Ausnahme. Alle Robots der C-4-Klasse sind so konstruiert.«

Mullon prallte zurück.

»Alle Robots ...!«, keuchte er.

Hinter ihm kicherte jemand. Mullon hörte es kaum. Der Schreck, den Mann, den er für einen richtigen Mann gehalten hatte, als Robot sich entpuppen zu sehen, war viel für einen begeisterten Revolutionär aus einer so kleinen und altmodischen Stadt wie Seattle, in der es nur zwei ortsgebundene, sorgsam als viereckige Automatenkasten verkleidete Robots an der Fahrkartenausgabe des Flughafens gab.

Der C-4-Robot war keineswegs beleidigt.

»Er nimmt es Ihnen nicht übel«, lachte eine klare, freundliche Stimme. »Er erlebt das oft.«

Mullon wandte sich um. Hinter ihm stand ein Mädchen.

»Mein Gott«, seufzte Mullon. »Sind Sie vielleicht auch ein Robot?«

»Nein«, lachte das Mädchen. »Aber ich komme gut mit ihnen aus. Ich wohne schon seit ein paar Jahren in Terrania.«

Über dem Anblick des Mädchens vergaß Mullon den Schreck über den Robot. Die kühle Überlegung kehrte zurück.

»Dann können Sie mir vielleicht helfen«, meinte er mit gespielt bekümmerter Miene. »Ich bin nämlich Tourist auf eigene Faust, ohne die kräftige Hilfestellung irgendeines Reiseunternehmens. Wo kann ich hier unterkommen?«

Das Mädchen breitete die Arme aus und hob die Schultern.

»Irgendwo. Kommt nur darauf an, wieviel Sie dafür ausgeben möchten.«

Mullon lächelte.

»Wie reich sehe ich aus?«

Das Mädchen betrachtete ihn abschätzend.

»Kann man schwer sagen. Ich würde behaupten: Flattner's ist für Sie etwa das Richtige.«

»Ein Hotel?«

»Ja.«

Mullon machte ein schüchternes, verlegenes Gesicht. Das Mädchen sah ihn fragend an.

»Wissen Sie«, nahm Mullon einen Anlauf, »ich möchte Ihnen nicht zur Last fallen ... aber wenn Sie zufällig nichts zu tun haben: Würden Sie mir zeigen, wo es liegt? Ich könnte mich dann mit einem Drink für Ihre Freundlichkeit revanchieren.«

Das Mädchen nickte.

»Einverstanden«, sagte sie.

»Übrigens: Ich heiße Mullon.«

»Ja, ich weiß. Der C-4 hat's laut genug gesagt. Ich heiße Nicholson, Fraudy Nicholson.«

 

*

 

Am ersten Tag in Terrania verschwendete Mullon nicht viele Gedanken an den Auftrag, der ihn eigentlich hierhergeführt hatte. Er widmete sich Fraudy Nicholson, die die Stadt, in der sie lebte, offenbar aus ganzem Herzen liebte, und aus diesem Grunde eine vorzügliche Führerin war.

Bis kurz vor Mitternacht blieben sie zusammen.

Sie verabredeten sich für den nächsten Tag, und Mullon freute sich auf das Wiedersehen mit dem hübschen Mädchen, das er bereits in sein Herz geschlossen hatte.

Sein Gepäck hatte er schon am Nachmittag anliefern lassen, und auf sein Zimmer ließ er sich zur Feier des Tages noch eine Flasche Sekt bringen. Erst die Leerung dieser Flasche gab ihnen die nötige Bettschwere.

 

*

 

Als er mitten in der Finsternis aufwachte, war er noch nicht wieder ganz nüchtern. Er brauchte eine Weile, um in seiner Erinnerung herumzukramen und herauszufinden, wo er war.

Dann wunderte er sich darüber, warum er mitten in der Nacht aufgewacht war. Schräg hinter sich sah er den halbhellen Umriss des großen Fensters, das auf den Park des Hotels hinausführte.

Er hörte ein Geräusch und fuhr in die Höhe. Mit unsicherer Hand griff er nach dem Nachttisch, in dessen Schublade er seine Pistole gelegt hatte.

Im Finstern tastete er nach seiner Waffe.

Da!

Es half ihm nichts mehr. Von irgendwoher traf ihn ein schmerzender Stich, und in Augenblicksschnelle verbreitete sich dumpfe, gefühllose Trägheit über den ganzen Körper.

Mullon sank mit leisem Stöhnen in die Kissen zurück und hatte im nächsten Augenblick das Bewusstsein verloren.

 

*

 

Als er zum zweiten Mal erwachte, war es heller Tag.

Mullons Erinnerung kehrte nur bruchstückweise zurück. Erst der Blick auf den Nachttisch mit dem blauen Knopf, der die Schublade zum Vorschein brachte, setzte ihn wieder völlig ins Bild.

Da war jemand gewesen, richtig! Er hatte versucht, die Schublade zu öffnen und die Pistole hervorzuholen. Aber bevor ihm das gelang, hatte man ihn gelähmt – wahrscheinlich mit irgendeinem Nervengift.

Warum?

Er sprang aus dem Bett und taumelte gegen den Schrank. Er musste sich festhalten, um nicht in die Knie zu gehen. Das Gift wirkte noch nach.

Der Nachttisch war wieder verschlossen. Mullon erinnerte sich, dass er in der Nacht nicht mehr dazu gekommen war, die Lade wieder hineinzudrücken. Das hatte also der Unbekannte besorgt.

Was hatte er gewollt?

Mullon ging zum Bad hinüber und ließ sich den kalten Rieselregen der großen Dusche über den Kopf brausen. Nachdem er das getan hatte, konnte er wieder klarer denken.

Was hatte der Fremde gewollt?

Welch eine lächerliche Frage! Man wusste in Terrania, was er, Mullon, im Schilde führte, und man hatte versucht, Beweise zu finden, die ausreichten, um einen Haftbefehl gegen ihn zu erlassen. Man war in sein Zimmer eingedrungen und hatte sein Gepäck durchsucht.

Mullon sah nach seinem Gepäck und öffnete die Koffer, die er sich gestern nicht die Mühe gemacht hatte auszuräumen, und fand den Inhalt in Unordnung.

Man hatte die Koffer durchwühlt.

Einen Augenblick lang packte Mullon helle Angst. Man wusste, weshalb er nach Terrania gekommen war! Rhodans Geheimdienst war informiert!

Nichts wie fort von hier! Jeden Augenblick konnten sie kommen, um ihn festzunehmen.

Er nahm sich nicht einmal Zeit, sich zu waschen. Hastig zog er sich an, und als er dabei war, sich die Krawatte umzuhängen, kam ihm der Gedanke: warum eigentlich ausreißen? Er war vorsichtig genug gewesen, in seinem Gepäck keinerlei Beweise für seine aufrührerische Gesinnung zu deponieren. Dass sie seine Koffer durchsucht hatten, bewies zur Genüge, dass sie bis jetzt noch nichts wussten, sondern ihn nur verdächtigten.

Auf den bloßen Verdacht hinkonnte man ihm nichts anhaben. Und wenn doch, dann konnte man es, wenn er erst einmal ausgerissen war, an jedem beliebigen Ort des Solaren Imperiums ebenso gut wie hier. Schließlich war nicht nur Terrania Perry Rhodans eigener Herrschaftsbereich.

Also was?

Hierbleiben!

Mullon zog sich wieder aus und nahm ein ausgedehntes Bad. Der Erfolg war verblüffend. Das Nervengift schien die dampfende Hitze des Wassers zu scheuen. Als Mullon aus der Wanne stieg, war von den Nachwirkungen des nächtlichen Überfalles nichts mehr zu spüren.

Während er sich zum zweiten Mal ankleidete, sah er auf die Uhr. Mit Entsetzen stellte er fest, dass es kurz vor ein Uhr war. Um eins hatte er sich mit Fraudy zum Mittagessen verabredet.

Aber es gelang ihm plötzlich nicht mehr, die gleiche Begeisterung zu entwickeln wie am vergangenen Tag. Ein wenig zu deutlich hatte man ihn in der Nacht daran erinnert, dass er nicht nach Terrania gekommen war, um sich in ein fremdes Mädchen zu verlieben.

2.

 

Fraudy erschrak, als sie ihn sah.

»Mein Gott, wie sehen Sie denn aus?«

Mullon lachte gepresst.

»Ich habe schlecht geschlafen«, behauptete er.

Sie setzten sich und gaben ihre Bestellung auf. Eine Unterhaltung wollte nicht in Gang kommen – ganz im Gegensatz zum gestrigen Abend. Mullon stellte voller Unbehagen fest, dass Fraudy ihn heimlich musterte.

»Wissen Sie was?«, fragte sie plötzlich: »Sie haben eine ganz gehörige Dosis Cepheidin abbekommen.«

Mullon kniff die Augen zusammen.

»Wie bitte?«

»Cepheidin. Ein Nervengift, das aus Pflanzen gewonnen wird, die nur auf den Planeten der Sonnen vom Typ der Delta-Cephei-Veränderlichen vorkommen. Es ist ein ziemlich heimtückisches Zeug. Ein Millionstel Gramm des konzentrierten Stoffes reicht aus, um das Nervensystem eines Menschen auf mehrere Tage lahmzulegen. Wie sind Sie dazu gekommen?«

»Ich?«, protestierte Mullon. »Ich bin überhaupt nicht dazu gekommen. Ich weiß nicht einmal, wovon Sie reden!«

Fraudy winkte ab, als nähme sie seinen Protest nicht besonders ernst.

»Ich studiere galaktische Biologie an der Akademie von Terrania, und als Studentin der galaktischen Biologie lernt man als erstes die heimtückischen Pflanzen kennen, die die Galaxis aufzuweisen hat. Ein paar Stunden nach dem Einnehmen von Cepheidin ruft es eine bläuliche Verfärbung des Augapfels hervor. – Wollen Sie einmal in meinen Spiegel sehen?«

Sie hatte den Spiegel schon aus der Tasche gezogen und hielt ihn Mullon hin. Mullon griff danach und betrachtete seine Augen. Sie leuchteten in strahlendem Himmelblau!

Mullon sah ein, dass es keinen Zweck mehr hatte zu leugnen, und er erzählte schließlich, was ihm in der Nacht passiert war. Natürlich wollte Fraudy wissen, ob er irgend jemand in Verdacht habe oder ob er sich denken könne, warum er überfallen worden sei. Aber Mullon antwortete im Brustton der Überzeugung: »Nein. Ich bin ein ganz simpler Tourist aus einer der hinterwäldlerischsten Gegenden Amerikas. Ich bin hierhergekommen, um mir die größte Stadt der Welt anzusehen. Ich führe gegen niemand etwas Böses im Schilde und kann mir nicht vorstellen, was jemand heute nacht in meinem Zimmer gesucht haben kann. Vielleicht verwechselt man mich mit einem anderen?«

»Vielleicht«, gab Fraudy nachdenklich zurück.

Von da an wurde über das Thema nicht mehr gesprochen. Allerdings hatte Mullon den Eindruck, als denke Fraudy immer noch angestrengt nach.

 

*

 

Dieser Tag war nicht so voller Begeisterung wie der vergangene.

Immerhin war auch dieser Tag erfreulich genug. Mullon nutzte die Gelegenheit, soviel wie möglich von der großen Stadt zu sehen und nebenbei zu erfahren, wie der größte Traum eines jeden Touristen, Perry Rhodan persönlich zu sehen, erfüllt werden könne.

Fraudy sagte: »Rhodan kommt, wenn er Zeit hat, zu den großen Diskussionen in der Akademie. Soweit ich weiß, ist die Teilnahme an den Diskussionen jedem freigestellt. Sie werden ihn dort sicherlich sehen können.«

»Wann findet die nächste Diskussion statt?«, wollte Mullon wissen.

»Ungefähr in einer Woche, würde ich sagen.«

»Wird Rhodan dort sein?«

»Wenn er in Terrania ist, sicher.«

Mullon interessierte sich dafür, welche Themen in den Diskussionen behandelt würden, und erfuhr zu seinem Erstaunen, dass es sich stets um Probleme von allgemeinem Interesse handelte.

»Meistens«, erklärte Fraudy, »dreht es sich um die Stellung der Erde innerhalb der Galaxis und ihrer verschiedenen Staatssysteme. Für mich gehören die großen Diskussionen zu den interessantesten Dingen, die Terrania zu bieten hat.«

Im großen und ganzen war Mullon ziemlich überrascht. Es passte nicht zum Bild des Tyrannen, das er sich zurechtgelegt hatte, dass er sich ohne Hemmungen in der Öffentlichkeit zeigte.