cover.jpg

Achim Mehnert

 

TÖTET HARRY T. ORELL!

 

 

img1.jpg

In dieser Reihe bisher erschienen:

 

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung: Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

Achim Mehnert

 

 

Tötet Harry T. Orell!

 

 

RAUMSCHIFF PROMET

Band 16

 

 

 

img2.png

© 2017 BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Zeittafel: Ralf Locke

Titelbild: Rudolf Lonati

Satz: Winfried Brand

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-95719-576-0

Sperrkreis 1 der HTO war streng gesichert. In Sperrkreis 1 kam niemand hinein, der nicht dazu autorisiert war. Das galt auch für die Space Police und in deren Reihen ganz besonders für Inspector Poul Ederson und seinen Assistenten Horwitz, die Harry T. Orell als eins ihrer persönlichen Lieblingsziele betrachteten. Wäre es nach ihnen gegangen, hätte die Regierung Orell längst zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt. Umgekehrt fand der die beiden Polizisten ebenfalls nur wenig sympathisch. Normalerweise hätte er ihnen den Zutritt zum inneren Bereich des Werftgeländes ohne gültigen Durchsuchungsbeschluss unter keinen Umständen gestattet. Doch an diesem Morgen sah die Sache anders aus. Ederson hatte sich in zweideutigen Anspielungen ergangen, was gemeinhin nicht seine Art war. Er war ein verbissener aber gemütlicher Typ, doch bei ihrem kurzen Com-Gespräch hatte er eine unverblümte Überheblichkeit an den Tag gelegt.

Wenn Sie mich nicht empfangen, stehen Sie in Kürze noch viel stärker im Fokus des öffentlichen Interesses, als das ohnehin der Fall ist.

Was wusste Ederson, das er bislang zurückgehalten hatte? Womit glaubte er den Wirtschaftsmagnaten beeindrucken oder gar unter Druck setzen zu können? Orell legte keinen Wert auf Medienpräsenz, schon gar nicht in jüngster Zeit. Seit Monaten formierte sich eine breite Front gegen ihn und die HTO, bestehend aus Orells Konkurrenten Dex Coleman und der Space Rocket Company, aus sensationslüsternen Medienangehörigen und öffentlichen Neidern und nicht zuletzt aus gewissen Politikern, die die Ansicht vertraten, der Weltraum sei Allgemeingut und kein Mensch dürfe sich anmaßen, Planeten in Besitz zu nehmen und zu verkaufen. Ein selbst ernannter Planetenmakler wie Harry T. Orell war ihnen ein Dorn im Auge. Dass die Suche nach zur Kolonisierung geeigneten Welten eine Unmenge Geld verschlang, interessierte sie nicht, genauso wenig wie die Kosten für die Erkundung solcher Planeten. Auf seine Anregung, eigene staatliche Weltraumprogramme auf den Weg zu bringen, gingen die verantwortlichen Stellen nicht ein. In dem Fall hätten sie eingestehen müssen, dass derlei Programme aus dem Staatsetat nicht zu realisieren waren.

Schwätzer! Realitätsferne Phantasten, die davon träumten, jedermann die ganze Welt zugänglich zu machen, die aber beharrlich ignorierten, dass dabei auch wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen waren. Werften, Raumschiffe und Antriebssysteme entstanden nicht durch ein Fingerschnippen, sondern bedurften eines enormen Investitionsvolumens und eines nicht minder großen unternehmerischen Risikos.

Orell griff in seine Schreibtischschublade, nahm eine Flasche Whisky heraus und goss sich zwei Fingerbreit der golden schimmernden Flüssigkeit ein. Augenblicklich erfüllte das schwere Aroma sein Büro. Er führte das Glas an die Lippen, nippte und schloss die Augen. Er öffnete sie wieder, als der Türsummer seines Büros anschlug. »Ja!«

Die Tür öffnete sich, seine persönliche Sekretärin Kelly streckte den Kopf herein. »Die Herren von der Space Police, Mister Orell.«

»Es lässt sich ja nicht vermeiden«, murmelte der Werfteigner, um in normaler Lautstärke hinterherzuschicken: »Bitten Sie sie herein, Kelly.«

Auf einen Wink der Sekretärin hin betraten die Staatsdiener den Raum. Orell betrachtete sie so aufmerksam, als sähe er sie zum ersten Mal. Der gut vierzigjährige Ederson war über ein Meter achtzig groß, besaß eine stämmige Statur und einen kantigen Schädel mit markanten Wangenknochen. Seine kurzen, dunklen Haare trug er mittig streng gescheitelt. Im Vergleich zu ihm wirkte sein Assistent klein und schmächtig. Horwitz’ glänzende Augen, mit denen er sich ungeniert umsah, waren vom gleichen Hellbraun wie sein kurzes Haar. Die Polizisten der Abteilung für interstellare Aufklärung grüßten förmlich.

Orell drehte sein Glas zwischen den Fingern und verzichtete darauf, den Polizisten Platz anzubieten. Im Grunde wollte er nur herausfinden, womit Ederson ihn geködert hatte, um die beiden dann schnellstmöglich wieder loszuwerden. »Also, womit kann ich Ihnen dienen?«

»Überhaupt nicht«, kam Horwitz seinem Vorgesetzten zuvor. »Sie dienen höchstens sich selbst, wenn Sie endlich mit der Wahrheit herausrücken.«

»Glauben Sie, ich kann meine Anliegen neuerdings nicht mehr selbst vortragen?« Ederson bedachte seinen Assistenten mit einem maßregelnden Blick. »Doch er hat recht, Mister Orell. Es wird Zeit, dass Sie die Öffentlichkeit über gewisse Vorgänge in Kenntnis setzen, die sich auf dem Gelände der HTO und sicher auch an anderen Orten auf der Erde abspielen.«

Orell nippte an seinem Glas. Er war seit rund einem Vierteljahr nicht mit den beiden Polizisten zusammengetroffen, doch deren Umgang miteinander schien sich nicht geändert zu haben. Ederson behandelte seinen Assistenten immer noch wie einen Grünschnabel. Orell war unschlüssig, ob es sich bei diesem Verhalten lediglich um Fassade handelte. Vielleicht folgten die beiden einstudierten Rollen wie guter Bulle und böser Bulle. »Auf was für Vorgänge spielen Sie an?«, fragte er.

»Ich spare mir lange Erklärungen, wenn Sie gestatten, dass ich es Ihnen vorführe«, antwortete Ederson.

»Bitte.« Der Wirtschaftsmagnat stellte das leere Glas beiseite und machte eine auffordernde Handbewegung.

Horwitz zog ein Gerät aus der Tasche, kaum größer als eine Zigarettenschachtel, und platzierte es auf dem Schreibtisch. Orell erkannte es als holografischen Projektor. Als der Sergeant einen Schalter umlegte, warf das Gerät ein dreidimensionales Bild in den Raum. Ein Film lief an. Orell sah sich selbst und Lorn Jaci auf dem Gelände der HTO, ganz in der Nähe seines Privathauses. Er erinnerte sich sofort. Die Aufnahmen waren entstanden, nachdem er mit dem Moraner von einem Flug nach Suuk zurückgekehrt war.

»Sie haben mich auf meinem eigenen Gelände gefilmt, ohne meine Erlaubnis?«, empörte sich der HTO-Chef.

»Als ob wir die nötig hätten«, warf Horwitz ein, wofür er einen weiteren verweisenden Seitenblick seines Vorgesetzten kassierte.

»Unsere kleine Privatvorführung ist nicht offiziell, genauso wenig wie dieser Film«, erklärte Ederson lächelnd. »Das ist völlig unerheblich, denn es geht allein um die Brisanz des Inhalts.«

Orell begriff nicht, worauf sein Gegenüber hinauswollte. »Stimmt, ich sehe ein wenig verschlafen und ungekämmt aus, aber wen soll das interessieren?«

»Es geht diesmal nicht um Sie«, versetzte Ederson. »Interessant ist Ihr Begleiter.«

»Was soll mit ihm sein?« Den HTO-Gründer beschlich ein ungutes Gefühl.

Mit einer Handbewegung fror Horwitz den Film ein, zoomte einen Ausschnitt der Darstellung heran und vergrößerte Lorn Jacis Gesicht, bis es das gesamte Holo ausfüllte. »Sie erinnern sich, dass meinem Assistenten und mir die silbernen Haare und die merkwürdigen Augen dieses Mannes bereits in jener Nacht aufgefallen sind?«

»Ja.« Nur zu gut.

Ederson nickte seinem Assistenten zu, eine Gelegenheit, die sich dieser nicht entgehen ließ. »Wir haben das Material von Experten untersuchen lassen, und die kamen zu einem hochinteressanten Ergebnis. Diese leicht schräg stehenden, schockgrünen Augen sind keinesfalls die eines Menschen von der Erde«, dozierte Horwitz. »Da stellte sich mir die Frage: Was ist das? Woher stammt dieses Wesen? Mit welchem interstellaren Erkundungsflug eines Ihrer Schiffe kam der Fremde auf die Erde? Wie nennt sich seine Heimatwelt, wie sein Volk?«

Orell öffnete den Mund und tat so, als müsse er diesen Unsinn erst verarbeiten. Dann brach er in schallendes Gelächter aus und wandte sich an Ederson. »Haben Sie Ihren jungen Kollegen in jüngster Zeit auf Drogenmissbrauch untersuchen lassen?«

»Ihre Frechheiten nützen Ihnen gar nichts«, knurrte Horwitz. Das Gesicht des Mittzwanzigers rötete sich vor Aufregung. »Halten Sie uns für blöd? Ihre Reaktion war sehr mittelmäßig geschauspielert. Sie wissen genau, wovon wir reden. Also heraus mit der Sprache, wie viele Außerirdische halten sich auf Terra auf? Wie viele potenzielle Bedrohungen hat die HTO schon auf die Erde gebracht?«

»Wenn Sie nicht blöd sind, dann eben verrückt. Alle beide. Anders kann ich mir eine solche Verschwörungstheorie nicht erklären. Was halten denn Ihre Vorgesetzten davon?«

»Wir haben einen Augenzeugen«, überging Ederson die Frage mit demonstrativ zur Schau getragener Gelassenheit. »Da es sich um eine in der Öffentlichkeit stehende Person handelt, behandeln wir die Aussage vertraulich. Doch seien Sie versichert, sie liegt uns vor. Zudem können Sie sich die Reaktion der Bevölkerung vorstellen, wenn dieser Film kommentiert in die Medien gelangt.« Der Polizist lächelte. »Ich weiß, was Sie sagen wollen. Natürlich ist es der Space Police nicht gestattet, interne Ermittlungsergebnisse an die Presse zu lancieren. Vollkommen richtig, aber so ist das nun mal. Missgeschicke passieren, ohne dass sich jemals herausstellt, wer den Bock geschossen hat. Ich rate Ihnen daher in Ihrem eigenen Interesse, auszupacken. Öffentlichkeitsarbeit wird in Ihrer Organisation angeblich groß geschrieben. Also informieren Sie die Menschen, bevor sie die Wahrheit aus anderen Quellen erfahren. Habe ich etwas vergessen, Horwitz?«

»Ich glaube nicht, Inspector.«

»Gut, damit wäre unser Besuch beendet. Ich bin sicher, Mister Orell hat nun verschiedene Entscheidungen zu treffen.« Ederson deutete auf den Holoprojektor. »Ein kleines Präsent für Sie, Orell. Auf Wiedersehen.«

Die Polizisten drehten sich um und verließen das Büro. Nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, stieß Orell Luft aus. Sie hatten es tatsächlich geschafft, ihn zu überraschen. Das war ihnen zuvor noch nie gelungen. Er konnte sich vorstellen, dass besonders Ederson, den der Unternehmer mehr als nur einmal ausgebremst und wie einen dummen Schuljungen hatte aussehen lassen, kurz davor stand, vor Selbstzufriedenheit zu platzen.

Orell schenkte sich einen weiteren Whisky ein und aktivierte den Projektor. Als er die Bilder in aller Ruhe betrachtete, wusste er, dass er gewaltig in der Bredouille steckte.

 

*

 

Peet Orells Blick glitt über den Rumpf der tropfenförmigen Raumjacht, die in Werfthalle IV wie ein Wunderwerk der Technik aufragte. Das war sie tatsächlich, dachte Peet. Bis zu den dramatischen Ereignissen auf Glütsch vor rund drei Monaten war die Promet das modernste Raumschiff der Menschheit gewesen, doch ihr Nachfolger, die Promet II, übertraf sie in technischer Hinsicht noch um einiges. Peet war mit den Einzelheiten vertraut. Sämtliche Spezifikationen hatten sich ihm buchstäblich ins Gehirn gebrannt. Neben den im Ringwulst des Heckbereichs angeordneten drei Borul-Triebwerken und den fünf DeGorm-Turbos verfügte die Promet II zusätzlich über sechs ausfahrbare Düsentriebwerke für Flüge in explosiven Atmosphärezusammensetzungen. Künftig konnte die Besatzung ausnahmslos jeden Planeten anfliegen, es gab keine Beschränkungen mehr. »Wie lange noch?«, fragte Peet. »Wann können wir endlich zu einem Probeflug starten?«

»Die Spezialisten brauchen noch zwei Tage, um die letzten Überprüfungen vorzunehmen«, erklärte Mark Bolden, der Chefkonstrukteur der HTO.

Erst durch die Antwort merkte Peet, dass er die Fragen, die ihm durch den Kopf gegangen waren, laut ausgesprochen hatte.

»Wollten Sie damit nicht schon vor zwei Wochen fertig sein?«, fragte Peet.

»Waren wir auch.« Bolden zuckte mit den Schultern. »Aber die Moraner sind noch eine Spur genauer als meine Männer. Thosro Ghinu legt Wert darauf, dass bei der Endabnahme der Promet II die gleichen strengen Maßstäbe angelegt werden wie damals beim Bau der Tira. Ich kann Ihnen nicht sagen, zum wievielten Mal sein Team die Materialien überprüft, die für den Druckkörper und die Decks verbaut wurden.«

Der alte Moraner hatte den Menschen seine Hilfe ausdrücklich angeboten. Er und fünf weitere Moraner waren mit Captain Eric Worners Moran von Suuk nach Schedo gekommen.

»Unser Volk mag beinahe untergegangen sein, aber die strengen moranischen Normen haben 1.350 Jahre überdauert, und ich bin sicher, nicht zu Unrecht«, warf Arn Borul ein. »Lieber dreimal zu viel hingeschaut als einmal zu wenig.«

»Verzeihung, Mister Borul«, entschuldigte sich Bolden. »Nichts liegt mir ferner, als Thosro Ghinu und seinen Leuten einen Vorwurf zu machen. Im Gegenteil. Wahrscheinlich ist für die Unterstützung Ihrer Landsleute kein Zweiter so dankbar wie ich. Denn es stimmt, wir können nicht penibel genug sein. Aber …«

»Schon gut, Mister Bolden«, fiel Peet dem Chefkonstrukteur ins Wort. »Meine Schuld. Ich wollte Sie nicht drängen. Es fällt mir nur schwer, meine Ungeduld zu zügeln.«

Bolden lächelte. »Das kann ich gut verstehen. Es gab Momente beim Bau dieses Prachtstücks, in denen ich bedauert habe, zu den Konstrukteuren zu gehören und nicht zur Besatzung.«

Peet nickte versonnen, während er abermals den Druckkörper der Raumjacht in Augenschein nahm. Die Promet II war um einiges größer als ihre Vorgängerin. Sie besaß eine Länge von einhundertachtzig Metern und einen maximalen Durchmesser von fünfzig Metern, wobei die Konstrukteure die Tropfenform beibehalten hatten. Glücksgefühle erfassten den strohblonden Raumfahrer mit den blauen Augen, als er sich vorstellte, in wenigen Tagen zum Jungfernflug aufbrechen zu können. Natürlich mit Arn und dem Rest der Besatzung der Promet I. Keiner von ihnen wollte sich den ersten Raumflug mit diesem Prachtstück entgehen lassen.

»Ich mache mich wieder an die Arbeit«, sagte Bolden. »Oder gibt es noch etwas?«

Peet schüttelte den Kopf und bedankte sich. »Gehen wir ein paar Schritte«, forderte er Arn auf. »Die Ingenieure der HTO und Thosro Ghinus Spezialisten arbeiten hervorragend zusammen.«

»Wenn man von der übertriebenen Genauigkeit der Moraner absieht«, meinte Arn süffisant.

»Bolden hat es nicht böse gemeint.«

»Ich weiß. Er ist für Thosros Hilfe dankbar. Wo gehen wir eigentlich hin?«

Sie spazierten quer durch die weite Halle. Eine kleine Armee von Technikern wuselte um die Promet II herum. Die Gerüste und Krananlagen rings um das Schiff waren bereits abgebaut. Vor drei Monaten, nach Peets Heimkehr von Glütsch, waren die Außenarbeiten noch nicht abgeschlossen. Er erinnerte sich an das Flickenwerk der Stahlhülle, mit der der eigentliche Druckkörper verkleidet wurde, und an die viele Kilometer langen Leitungen, die die Jacht umgeben hatten wie ein grob gesponnenes Netz. Nichts von alledem war mehr zu sehen. Sie war bereit. Startklar. Nein, noch nicht ganz. Bolden hatte es deutlich herausgestellt. Peet riss sich von dem Anblick los, an dem er sich nicht sattsehen konnte. »Ich möchte mir die Beiboote aus der Nähe anschauen.«

»Schon wieder?« Arn schlenderte neben seinem terranischen Freund her. »Die Bauarbeiten an den Booten sind abgeschlossen. Du hast sie dir in letzter Zeit fast täglich angesehen.«

Peet zuckte mit den Schultern. Er spürte, dass seine Ungeduld mit jedem verstreichenden Tag größer wurde. Seit dem Untergang der ersten Promet hatte er keinen Raumflug mehr unternommen. Zahlreiche Dinge geschahen auf der Erde. Angelegenheiten, die die HTO und ihn betrafen, vor allem seinen Vater, der von verschiedenen Seiten als raffgieriger Kapitalist angeprangert wurde und der in einem ständigen Kreuzfeuer der Kritik stand. Peet nahm all das zur Kenntnis, und es ließ ihn beileibe nicht kalt, dennoch galt sein primäres Augenmerk der endgültigen Fertigstellung der Promet II. Zwei Tage, schoss es ihm durch den Kopf. Zwei Tage noch, bis er wieder fliegen konnte, hinein in diese unendlichen Weiten, in die die Menschheit und er erst ein paar zaghafte Schritte gesetzt hatten.

Ein anderes, längst überfälliges Thema drängte sich ihm mit Macht auf: das klärende Gespräch mit seinem Vater, das sie seit Monaten vor sich herschoben. Orell trug keine Schuld daran, dass es nicht zustande gekommen war. Er versuchte alles, um den bösen Schatten der Vergangenheit, den er selbst heraufbeschworen hatte, endlich zu vertreiben. Nur ließ sich dieser Schatten, der in Form eines düsteren Zwillings in Peets Innerem lebte, nicht so einfach aus der Welt schaffen. Eine Bestie in Ketten, dachte Peet angewidert. Mein Bruder! Mein ungeborener Bruder!

Deshalb ging er seinem Vater bis heute aus dem Weg, zumindest soweit es dieses Thema betraf. Er war froh, dass das kleine Raumfahrzeug ihn ablenkte, auf das Arn und er zusteuerten. Es handelte sich um das Transitions-Boot, kurz T-Boot genannt, einen sechzehn Meter langen Zylinder, der auf zwei Kufen ruhte. Peet blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Von Beibooten habe ich schon bei unserem alten Schmuckstück geträumt. Damit wird unsere Mobilität enorm erhöht. Wir können in einem fremden Sonnensystem an mehreren Stellen gleichzeitig operieren.«

»Vor allem besteht nicht mehr die Gefahr, dass wir irgendwo stranden und Gefahr laufen, für den Rest unseres Lebens festzusitzen«, erinnerte Arn an die dramatischen Tage auf Glütsch.

Das T-Boot besaß eine maximale Sprungweite von fünfundzwanzig Lichtjahren. Ein Drittel der Länge nahm allein das Borul-Triebwerk ein, wodurch es die beiden nicht sprungfähigen N-Boote deutlich überragte. Diese waren nur zehn Meter lang und durchmaßen an ihrer umfangreichsten Stelle knapp drei Meter. Ihr Antrieb beschränkte sich auf DeGorm-Aggregate, denen sie die Bezeichnung N-Boote verdankten. N-Boote wie Normalraum-Boote. Dennoch vermochten sie bis auf neunzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen und besaßen einen Aktionsradius von etwa dreißig Lichttagen.

Peet legte den Kopf in den Nacken. »Schade, dass die Hallendecke geschlossen ist. Wir könnten sonst einen Ausflug unternehmen.«

»Manchmal benimmst du dich wie ein Kindskopf«, warf Arn ihm vor. Er meinte es ernst.

»Findest du? Wozu habe ich die Große Lizenz erworben, die mich zum Fliegen sämtlicher irdischer Raumschifftypen berechtigt? Soll das Patent etwa für die Katz sein?«

»Raumschiffe, mein Freund, du redest von Raumschiffen.« Arn hob tadelnd den Zeigefinger. »Davon kann bei den kleinen Booten wohl keine Rede sein. In ihnen wirst du noch öfter durchs Vakuum fliegen, als dir lieb ist. Erinnere dich später an meine Worte.«

»Spielverderber!« Natürlich wusste Peet, dass sein Freund recht hatte. »Dann gedulde ich mich eben, bis Mark Bolden und dein alter Lehrmeister die Promet II von der Kette lassen.«

 

*

 

Der Blick aus dem achtzehnten Stockwerk des Hauptquartiers der Space Rocket Company bot eine phantastische Aussicht bis über die Grenzen von Kapstadt hinaus. An diesem Morgen war davon trotz blauen Himmels und schönen Wetters nichts zu sehen; dichte Rauchschwaden zogen durch Dex Colemans Büro und vernebelten die Fensterfront.