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Achim Mehnert

 

DAS ENDE DER PROMET

 

 

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In dieser Reihe bisher erschienen:

 

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung: Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

Achim Mehnert

 

 

Das Ende der Promet

 

 

RAUMSCHIFF PROMET

Band 15

 

 

 

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© 2017 BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Zeittafel: Ralf Locke

Titelbild: Manfred Schneider

Satz: Winfried Brand

ISBN 978-3-95719-575-3

»Ich weiß nicht, ob wir es bis zur Erde schaffen«, warnte Arn Borul. »Es lässt sich nicht bestimmen, wie schnell sich das Phänomen weiter ausbreitet.«

Lochfraß. So nannte Arn den Vorgang, den er soeben entdeckt hatte. Ein Teil der Schiffshülle der Promet zerfiel. Der Stahl begann, sich zu zersetzen, er löste sich auf. Es geschah genau an jenen Stellen, an denen die Roboter der Zyklops an der Hülle hinaufgeklettert waren. War es Zufall, oder hatten die Maschinen den Prozess absichtlich ausgelöst? Peet Orell wusste es nicht, und es war ihm auch egal, da es nichts änderte. Der schleichende Vorgang setzte sich fort und würde die Raumjacht früher oder später raumfluguntauglich machen.

Es stellte sich nur eine Frage, wie Arn es soeben auf den Punkt gebracht hatte. Konnten sie vorher die Erde erreichen und so einer Katastrophe entgehen?

»Wie viel Zeit bleibt uns?«, fragte Peet.

Der Moraner zuckte mit den Schultern, eine von verschiedenen Gesten, die er den Menschen abgeschaut hatte. »Ich kann es dir nicht sagen. Wir müssen den Fortgang eine Weile beobachten, um eine zeitliche Hochrechnung vornehmen zu können.«

»Eine schlechte Idee.« Jörn Callaghan nestelte seine Pfeife aus der Tasche und drehte sie zwischen den Fingern, ohne sie anzuzünden. »Machen wir uns auf den Weg, solange noch Aussicht besteht, nach Hause zu kommen.«

»Die Alternative wäre, dass wir landen und die Hülle reparieren«, schlug Vivien Raid vor.

Jörn schüttelte vehement den Kopf. »Da unten können wir nicht mehr landen. Nach dem Start des Carriers befindet sich der Planet in Aufruhr. Wir kämen vom Regen in die Traufe.«

»Dann eben auf einer anderen Welt«, zeigte sich die schwarzhaarige Schönheit mit den grünen Augen stur. »Wenn sich der Lochfraß im Leerraum oder gar im Parakon durch die Hülle ausbreitet, können wir uns einsargen.«

»Das sind wir dann bereits«, warf Astronavigator Szer Ekka ein. »Bedauerlicherweise hat Vivy recht. Ich brauche keinem von euch zu erklären, was bei Hüllenbrüchen geschieht.«

»Einzelne Sektionen, denen ein Vakuumeinbruch droht, können wir abschotten, indem wir völligen Schiffsverschluss herstellen«, überlegte Peet laut.

Der Nachfahre der Inuit rümpfte die Nase. »Wie lange soll das funktionieren? Wie viele Sektionen können wir verlieren?«

»Ich weiß es nicht«, gab der Kommandant der tropfenförmigen Jacht zu. Peet war selbst nicht wohl bei der Vorstellung, doch er sah keine Alternative. »Wie stellt ihr euch eine Reparatur vor? Wir müssten die befallenen Stücke aus der Hülle schneiden, damit sich der Lochfraß nicht weiter ausbreitet, doch dazu fehlt uns das erforderliche schwere Gerät. Ich bin sicher, mit Strahlern halten wir den Fraß nicht auf. Wenn wir irgendwo landen, werden wir nie wieder starten. Deine Meinung, Lorn?«

»Ich stimme zu«, antwortete der Moraner Lorn Jaci kurz angebunden.

»Ob Gus inzwischen die Hypercomanlage repariert hat?«, brachte sich Junici in die Diskussion ein.

»Eine gute Frage.« Peet aktivierte die Bordcom und rief Yonker in der Kommunikationszentrale. »Wie weit bist du mit der Hypercom?«

»Nicht weiter als vor einer Stunde«, bedauerte der Funker.

»Ich dachte, der Schaden sei nicht gravierend?«, hakte Peet nach.

»Das ist er auch nicht.« Der Kommunikationsexperte klang ratlos. »Aber die Anlage von Lint besitzt ein paar Spezifikationen, mit denen ich nicht zurechtkomme.«

»Hätte dir das nicht schon beim Einbau auffallen müssen?«, rief Vivien dazwischen.

Yonker wand sich. »Nein, weil sie da unerheblich waren. Erst durch den Schaden bin ich darauf gestoßen. Wenn ihr mich in Ruhe lasst, setze ich meine Arbeit fort.«

»Mach das, Gus!« Peet schaltete die Com ab.

»Hilfe von der Moran herbeirufen können wir vorerst nicht.« Vivien schlug die Beine übereinander. Ihr goldfarbener Minirock gab mehr Fleisch preis, als er verdeckte. »Unsere Optionen schwinden. Die maximale Sprungweite der Promet beträgt sechsundfünfzig Lichtjahre. Wie viele Transitionen bekommen wir hin, bevor der Lochfraß weitere Sprünge verhindert?«

Peet wusste keine Antwort auf die berechtigte Frage. Rund 650 Lichtjahre trennten Deneb mit seinen achtzehn Planeten vom Solsystem, und mit jeder Minute, die sie vertrödelten, schien diese Distanz unüberwindbarer zu werden. Im Deneb-System konnten hingegen jederzeit vom Carrier alarmierte Schwarze Raumer auftauchen. Peet überlegte, doch es blieb nur diese Möglichkeit. »Wir versuchen es.« Er gab Ekka ein Zeichen. »Bring uns auf den Weg, Szer.«

 

*

 

Der Navigator beschleunigte die Promet auf die für eine Transition erforderliche Geschwindigkeit. Ein Sprung durchs Parakon barg zwar noch immer Risiken, doch die verschworene Gemeinschaft der Promet hatte sich an diese Art des Reisens gewöhnt.

Das System des Riesensterns blieb hinter der Jacht zurück, und Arn schaltete das Thirr-Odd-Element in Überlast, um zu verhindern, dass Peets böser Zwilling Aktivitäten entfaltete. Der vielsagende Blick, den der Moraner seinem menschlichen Freund zuwarf, erinnerte ihn daran, dass er eine andere, eine endgültige Lösung für die unterschwellige Bedrohung finden musste.

Der dunkle Zwilling. Der Schattenmann. Die Bestie in Ketten. Sie lauerte in Peets Innerem. Nur die Überlastschaltung des Thirr-Odd-Elements verhinderte, dass sie erneut versuchte, das Schiff zu übernehmen. Ausgeschaltet war sie noch lange nicht, und Peet hatte keine Ahnung, wie das geschehen sollte. Zunächst einmal die Erde erreichen, so lautete das vorrangige Ziel.

»Ich leite die Transition ein.« Ein Fingerdruck Ekkas genügte, um die Speicherbänke des Borul-Triebwerks binnen Sekunden mit Energie zu beschicken und die Promet aus dem gewohnten Weltraum in das übergeordnete Kontinuum zu befördern, in dem andere physikalische Bedingungen herrschten. Raum und Zeit folgten im Parakon eigenen Gesetzmäßigkeiten, an deren Begreifen die Menschen soeben erst zu kratzen begannen.

»Wir springen … jetzt!«, verkündete der Navigator.

Der Vorgang dauerte nur einen Wimpernschlag. Ekkas Worte waren kaum verklungen, als sich auf dem Frontbildschirm eine Veränderung abzeichnete. Die Sternbilder hatten sich leicht verschoben. Nur wenige Sekunden waren vergangen, und doch lagen fünfzig Lichtjahre hinter der Promet.

»Brauchst du eine Orientierungsphase?«, fragte Peet.

Ekka schüttelte den Kopf. Ein Lächeln huschte über sein breites rötliches Gesicht. »Nicht nach einem einzigen Sprung. Wofür hältst du mich? Keine Korrektur nötig. Wir sind auf Kurs.«

Nach nur einer Transition mussten auch die Speicher nicht aufgeladen werden, daher konnte die zweite Etappe gleich eingeleitet werden. Bevor Peet den Befehl geben konnte, wartete Arn mit einer schlechten Nachricht auf.

»Der Lochfraß hat sich um ein Mehrfaches ausgedehnt.« Der Moraner hantierte an den Messinstrumenten. »Der schleichende Vorgang hat sich schlagartig beschleunigt. Moment, jetzt setzt er sich wieder langsamer fort.«

»Du musst dich irren«, sagte Junici.

»Nein, mein Sternenmädchen. Der Fraß hat die Schiffshülle an einer Stelle perforiert. Wir verlieren Atmosphäre.« Arn hieb auf einen Kontakt. »Ich habe die Sektion abgeschottet.«

Peet kniff die Augen zusammen. Er glaubte, jenseits der Sichtscheibe einen dünnen Kondensstreifen zu sehen. Es war die austretende Luft, die im Vakuum augenblicklich zu Eiskristallen gefror. Er musste sich irren. Die Promet raste mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch den Raum, um den Vorgang beobachten zu können, selbst wenn er wirklich stattfand.

»Wie lange hält das Schott?«, fragte Jörn.

»Gegen das Vakuum des Raums unbegrenzt lange, zumindest theoretisch«, antwortete Arn. »Ich fürchte nur, dass der Lochfraß sich nicht länger auf die Hülle beschränkt, sondern in Kürze auf das Schott übergreift. Er frisst uns das ganze Schiff auseinander. Er nähert sich der Antriebssektion. Wenn er sie erreicht, ist eine Katastrophe …«

»Nicht mehr abzuwenden«, fiel Peet dem Moraner ins Wort. Er aktivierte die Com und rief Pino Takkalainen im Maschinenraum. »Gibt es bei dir irgendwelche Probleme, Tak?«

»Nein, alles im grünen Bereich«, versicherte der Ingenieur. »Bedeutet deine Frage, dass ich mir Sorgen machen muss?«

»Ich informiere dich, sobald ich es weiß. Unterrichte mich über die kleinste Störung an den Maschinen.« Peet beendete die Verbindung, ohne eine Antwort abzuwarten. Er unterdrückte das Verlangen, sich erneut bei Yonker nach der Hypercomanlage zu erkundigen. »Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lochfraßes, Arn?«

»Konstant niedrig. Gäbe es die Hüllenschäden nicht, würde ich denken, ich hätte geträumt.«

»Es liegt an der Transition«, mischte sich Lorn Jaci ein.

»Wie kommst du darauf?«, fragte Arn seinen Landsmann.

»Es ist die einzige Erklärung«, mutmaßte der alte Moraner, der wesentlich jünger aussah, als er wirklich war, da er viele Jahre in einer Cryokammer verbracht hatte, ohne darin körperlich zu altern. »Der Lochfraß interagiert auf eine uns unbekannte Weise mit dem Parakon.«

»Wie nimmt das Parakon Einfluss auf den Lochfraß? Eine gewagte Theorie«, fand Jörn.

»Aber eine naheliegende«, schloss sich Peet Lorn Jacis Spekulation an. »Es war kein Zufall, dass die Zyklops-Roboter an der Schiffshülle hinaufgeklettert sind. Sie haben den Zersetzungsprozess ausgelöst, damit eintritt, womit wir jetzt konfrontiert wurden. Anscheinend handelt es sich um eine uns bisher unbekannte Waffe der Zyklops. Was ja nicht viel besagt, weil unsere Informationen über sie immer noch spärlich sind.«

»Wir dachten, wir seien mit heiler Haut aus dem Deneb-System entkommen. Dabei haben diese verdammten Blechkerle uns ein tödliches Geschenk mit auf den Weg gegeben«, schimpfte Vivien. »Wir hängen hier im interstellaren Leerraum fest. Mit den DeGorm-Turbos brauchen wir Jahre, um das nächste Sonnensystem zu erreichen. Transitieren wir, breitet sich der Lochfraß wieder explosionsartig aus.«

Und wir verlieren möglicherweise das Schiff!, schoss es Peet durch den Kopf. »Was sagen die Sternkarten, Arn? Gibt es in Flugrichtung ein Sonnensystem mit einer solähnlichen Sonne, bei der die Hoffnung auf einen Sauerstoffplaneten besteht?«

»Du willst landen?«, fragte Jörn. »Ohne funktionierende Hypercomanlage sitzen wir dort fest.«

»Die Alternative wäre, im Leerraum buchstäblich auseinanderzufallen«, knurrte Peet. »Also, Arn?«

Der Moraner nickte nach kurzem Studium der Karten. »Eine solähnliche Sonne ist in 38 Lichtjahren Entfernung verzeichnet. Wir würden kaum von unserem Kurs abweichen, um sie zu erreichen. Ob sie über einen geeigneten Planeten verfügt, das weiß man nicht.«

»Wir wagen es«, entschied Peet. »Szer, Kurs setzen und in die Transition gehen. Vielleicht verhält sich der Lochfraß beim nächsten Sprung ruhig.«

Es war eine törichte Hoffnung, das wusste Peet. Dennoch bewahrte er Zuversicht. Er verfolgte, wie der Navigator die Transition auslöste. Der Anblick des Weltalls wurde vom Frontschirm gewischt, machte dem diffusen Nichts des Parakon Platz, für einen Sekundenbruchteil nur, bevor das Schiff in den Normalraum zurückkehrte.

Eine Schmerzattacke ungeheuren Ausmaßes fiel über Peet her. Sein Schädel schien zu bersten. Mit einem Aufschrei griff er sich an die Schläfen, halb besinnungslos. Er krümmte sich und spürte, dass er vornüber aus dem Kommandantensessel kippte und zu Boden schlug. Mit aller Kraft kämpfte er gegen die drohende Ohnmacht an.

 

*

 

Das Heulen eines Alarms, das Peet der Dunkelheit entriss, schien aus der Unendlichkeit zu kommen. Es entstand in seiner unmittelbaren Nähe, in der Zentrale der Promet. Er brauchte nicht nachzudenken, sondern wusste sofort, was geschehen war.

Transitionsschock. Diese Begleiterscheinung bei Parakonsprüngen gehörte der Vergangenheit an – eigentlich. In diesem Moment galt das aus einem unerfindlichen Grund nicht. Peet verschwendete keine Zeit damit, sich Gedanken über den Widerspruch zu machen. Er kämpfte den pochenden Schmerz in seinem Kopf nieder und stemmte sich in die Höhe. Sein Blick war glasig, doch es gelang ihm, auf die Beine zu kommen. Seine Freunde waren noch nicht wieder zu sich gekommen. Sie lagen regungslos in der Zentrale oder saßen zusammengesunken auf ihren Plätzen.

Der Alarm heulte weiter, seine unmissverständliche Botschaft vermittelnd: Es gab einen Triebwerkschaden. Die Bildschirme zeigten die Schwärze des Weltalls, in dem eine gelbe Sonne hing. Die leuchtende Scheibe wurde zu einem Drittel von einem Planeten verdeckt. Der Sprung hatte die Promet an ihr Ziel gebracht. Peet erkannte eine Wolkendecke, also besaß diese Welt eine Atmosphäre. Für Menschen und Moraner atembar? Damit konnte er sich später befassen, sofern es ein Später gab.

Wie viel Zeit hatte er verloren? Wie lange war er weggetreten? Sein Blick huschte durch die Zentrale, fand die Ziffern der Zeitanzeige. Keine zwei Minuten waren vergangen – im Weltall eine lächerlich geringe Zeitspanne, doch eine halbe Ewigkeit, wenn das Schiff mit hohem Turboschub der DeGorms auf einen Himmelskörper zuraste. Peet stolperte ans Navigationspult. Hastig schob er Ekkas erschlafften Körper beiseite. Beiläufig registrierte er, dass sich Arn zu rühren begann. Er konnte sich nicht um den Moraner kümmern, auch nicht um die anderen. Wenn es ihm nicht gelang, die Promet abzubremsen, würde sie wie eine Feuerkugel durch die Atmosphäre rasen und sich wie ein tonnenschweres Geschoss in die Planetenoberfläche bohren. Die dabei freiwerdende kinetische Energie war kaum vorstellbar.

Die Folgen hingegen schon. Der Start des Carriers auf der Deneb-Welt Dreieck hatte es gezeigt. Gigantische Stürme, Flutwellen und Umweltkatastrophen. In diesem Fall kam der Aufprall hinzu, der das gesamte Planetengefüge erschüttern und vielleicht sogar die tektonischen Platten aus den Angeln heben würde.

»Bei den Cegiren, Peet. Was ist passiert?« Die krächzende Stimme gehörte Arn.

Peet schaute nicht hinüber. Seine Aufmerksamkeit war auf die Instrumente gerichtet. Inzwischen füllte die rasend schnell näher kommende Scheibe des Planeten den vorderen Bildschirm aus. Hinter den Rändern einer ausgedehnten Wolkenbank lugten grünes Schimmern und blaues Funkeln hervor. Wahrscheinlich Vegetation und Wasser. Das erhöhte die Chance auf menschenverträgliche Umweltbedingungen und auf planetare Bewohner. Zivilisation.

Peet spielte die Routine aus, die er sich seit dem ersten Flug mit der Promet angeeignet hatte. Seine Finger fanden die Schalter, Kontrollhebel und Sensorfelder der Steuerung blind. Durch Sichtfenster huschende Zahlenkolonnen verrieten ihm den Erfolg seiner Bemühungen. Er bekam Zugriff auf die Maschinen, doch die Promet war immer noch viel zu schnell. Das Heulen des Alarms zerrte an Peets Nerven. Dann verstummte der durchdringende Ton. Arn hatte den Alarm abgestellt. Peet atmete erleichtert auf. »Kümmere dich um die anderen!«

Der Moraner wankte von einem Besatzungsmitglied zum nächsten. Sie kamen nach und nach wieder zu sich. Kaum dass sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte, begann Vivien wie ein Rohrspatz zu schimpfen. »Wir haben einen Transitionsschock erlitten«, zog sie dieselbe Schlussfolgerung wie ihr Kommandant. »So eine Sauerei, Leute! Wie ist das möglich? Seit das Energiewesen Chirr unseren Sprungantrieb umgebaut hat, ist der Schockeffekt ausgeblieben. Wieso wurden wir also umgehauen?«

Peet überging die Tirade. »Szer, unsere Position ermitteln. Ruft Tak. Ich brauche den Zustand der Maschinen.«

Sie reagierten schwerfällig. Es gelang Peet zwar, die Promet abzubremsen, doch er schien nicht länger die modernste Raumjacht der Menschheit zu steuern, sondern einen schwerfälligen Panzer. Das Schiff trudelte durch die Atmosphäre, auf einen ausgedehnten Kontinent zu, der an drei Seiten von Ozeanen umschlossen war. Im Norden erstreckte sich eine Landbrücke, die sich hinter die Planetenkrümmung schob. Peet versuchte erst gar nicht, in einen Kreisorbit zu gelangen, weil er das normale Verhalten der Promet kannte. Davon war nichts übriggeblieben. Er musste froh sein, wenn er eine kontrollierte Landung zustande brachte.

»Entfernung nach Terra: fünfhundertzweiundsechzig Lichtjahre«, meldete Ekka beherrscht. »Das ist tatsächlich das System, das ich nach Arns Angaben programmiert habe.«

»Atmosphärenzusammensetzung?«

»Knapp zwanzig Prozent Sauerstoff und ein etwas höherer Stickstoffanteil als auf der Erde, für uns aber gut verträglich.«

»Was macht der Lochfraß, Arn?«, wollte Peet wissen.

»Die Promet hat multiple Hüllenbrüche davongetragen«, antwortete Arn. »Schuld ist derselbe Vorgang wie bei der vorherigen Transition. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit dieses Spuks hat sich beim Sprung durchs Parakon exponentiell gesteigert. Die betroffenen Schiffsbereiche wurden abgeriegelt. Zum Glück hat die Automatik reagiert und die Schotten dichtgemacht, sonst wären wir erstickt, bevor wir in die Atmosphäre eintraten.«

Deshalb also die Schwerfälligkeit der Promet, überlegte Peet. Der Luftwiderstand fing sich in den beschädigten Sektionen. Hinzu kam, dass die Maschinen offenbar eine Menge abbekommen hatten. Jetzt trafen die Meldungen in rascher Folge ein. Der Lochfraß war wie befürchtet ins Schiffsinnere vorgedrungen.

»Das Zeug hat einen Teil der Aggregate befallen«, klagte Tak aus dem Maschinenraum. Ihm selbst ging es jedoch bestens. »Ach was, von befallen kann keine Rede sein. Richtiggehend aufgelöst hat der Fraß den Stahl. Wir können von Glück reden, dass uns nicht der gesamte Antriebsbereich um die Ohren geflogen ist. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.«

»Mach dich an die Reparatur der Schäden.« Peet bekam das Schiff halbwegs unter Kontrolle. Das war mehr, als er gehofft hatte. In einer Höhe von gut fünf Kilometern über der Planetenoberfläche brachte er es zum relativen Stillstand. »Du musst das in den Griff bekommen, Tak.«

»Wie stellst du dir das vor?«, wehten die Worte des glatzköpfigen Finnen aus der Com. »Es ist nicht damit getan, ein paar Bauteile auszutauschen. Es gibt hier großflächige Zerstörungen. Ich fürchte, dass wir nicht einmal alle erforderlichen Ersatzteile an Bord haben. Außerdem breitet sich dieser verdammte Fraß weiter aus, wenn jetzt auch wieder langsam. Was also, bitte schön, soll ich machen?«

»Lass dir etwas einfallen.«

»Das ist nicht dein Ernst, oder?«, begehrte Tak auf.

Peet hieb auf einen Kontakt und unterbrach die Verbindung zum Maschinenraum. Noch hing die Promet wie ein gigantischer blauer Tropfen in der Luft, doch sie konnte jeden Moment abschmieren, wenn er den Ausführungen des Ingenieurs glaubte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf der unbekannten Welt zu landen. Instinktiv schreckte er vor diesem Schritt zurück. Er ahnte, dass sich das Schiff nie wieder vom Boden erheben würde, wenn es dort unten stand.

»Das hättest du dir sparen können«, warf Vivien ein. »Tak kann schließlich nichts dafür.«

»Ich weiß«, gab Peet zu. »Wenn jemand eine Idee hat, dann heraus damit. Mir fällt nichts anderes ein, als in der Wildnis zu landen.«