Cover

Dan Ariely

Wer denken will, muss fühlen

Die heimliche Macht der Unvernunft

Aus dem Amerikanischen von Gabriele Gockel und Maria Zybak

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Dan Ariely

Dan Ariely, geboren 1968, studierte Psychologie und Betriebswirtschaft. Ab 1998 war er Professor für Verhaltensökonomik am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und leitete dort u.a. die Forschungsgruppe eRationality. Seit 2008 lehrt er an der renommierten Duke University. Weltweit hält er Vorträge über unsere berechenbare Unvernunft.

http://danariely.com

Über dieses Buch

Warum vertrauen wir anderen Menschen? Wie wählen wir unsere Partner? Warum finden wir unsere eigenen Ideen immer am besten? Der berühmte Verhaltensökonom Dan Ariely führt uns die Grenzen unserer Vernunft vor Augen und spürt die Denkfallen auf, in die wir immer wieder tappen. Doch unsere Unvernunft hat auch eine positive Seite, denn oft kommen wir im Leben besser zurecht und haben Erfolg, wenn wir unseren Gefühlen folgen.

Dan Arielys zweiter Geniestreich nach seinem großen internationalen Bestseller Denken hilft zwar, nützt aber nichts.

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »The Upside of Irrationality. The Unexpected Benefits of Defying Logic at Work and at Home« bei HarperCollins Publishers, New York.

 

eBook-Ausgabe 2012

Knaur eBook

© 2010 Dan Ariely

Für die deutschsprachige Ausgabe: © 2010 Droemer Verlag unter dem Titel »Fühlen nützt nichts, hilft aber«

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: © OWEISS.COM

ISBN 978-3-426-41542-9

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Fußnoten

1

Die Leser jenes Buches, die über ein besonders gutes Gedächtnis verfügen, erinnern sich vielleicht noch an Einzelheiten dieser Geschichte.

2

Wenn Sie meinen, dass Sie niemals langfristige Vorteile für eine kurzfristige Befriedigung opfern, fragen Sie nur einmal Ihre bessere Hälfte oder Ihre Freunde. Sie werden Ihnen bestimmt ein oder zwei Beispiele dafür nennen können.

3

Manchmal führen Experimente zu überraschenden, auf den ersten Blick kaum verständlichen Ergebnissen; dann wieder bestätigen sie intuitive Annahmen der meisten von uns. Aber eine Intuition ist noch kein Beweis, und nur durch sorgfältiges Experimentieren können wir herausfinden, ob unsere Vermutungen hinsichtlich bestimmter menschlicher Schwächen richtig oder falsch sind.

4

Hinweise auf die wissenschaftlichen Artikel, die in den einzelnen Kapiteln erwähnt werden, sowie Vorschläge für eine ergänzende Lektüre sind am Ende des Buches zu finden.

5

Natürlich gab es viele Versuche, zu erklären, warum es vernünftig ist, Führungskräften sehr hohe Gehälter zu zahlen, unter anderem auch einer, den ich besonders interessant fand, wenn ich auch nicht glaube, dass diese Erklärung zutrifft. Nach dieser Theorie bekommen Manager sehr hohe Gehälter, nicht weil irgendjemand glaubt, sie hätten sie verdient oder sie stünden ihnen zu, sondern weil andere dadurch motiviert würden, hart zu arbeiten in der Hoffnung, eines Tages selbst ebenso überbezahlt zu werden wie der Geschäftsführer. Das Paradoxe an dieser Theorie ist, dass man, wenn man sie logisch weiterführt, den Geschäftsführern nicht nur geradezu lächerlich hohe Gehälter zahlen, sondern sie auch zwingen müsste, mehr Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen, und sie in teure Urlaube schicken müsste, um wirklich das Bild eines idealen Lebens herzustellen – denn dies wäre der beste Weg, andere Mitarbeiter so zu motivieren, dass sie alles daransetzen, selbst einmal Geschäftsführer zu werden.

6

Jeder Teilnehmer spielte in einer anderen, zufälligen Reihenfolge. Die Reihenfolge der Spiele hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis.

7

Die Verlustaversion ist ein starker Begriff, der von Daniel Kahneman und Amos Tversky eingeführt wurde und in vielen Bereichen Anwendung fand. Kahneman erhielt 2002 für die Arbeit auf diesem Gebiet den Nobelpreis für Wirtschaft (Tversky verstarb leider bereits 1996).

8

Ich habe den Verdacht, dass Wirtschaftswissenschaftler, die voll und ganz davon überzeugt sind, dass die Wirtschaft rational sei, noch keinen Tag woanders gearbeitet haben als in der Universität.

9

Zur Verteidigung jener, die zu sehr auf ihre eigene Intuition vertrauen: Es ist nicht leicht festzustellen, in welchem Verhältnis Bezahlung und Leistung zueinander stehen.

10

Die Antworten lauten HAUS, AUDIT und ANAGRAMM. Zum Spaß können Sie es auch mit dem folgenden Anagramm versuchen (mit der zusätzlichen Einschränkung, dass die Bedeutung beider Phrasen einen Zusammenhang haben muss): Wilder Osten – Ihre Lösung:     

11

Wenn Wissenschaftler einen Beitrag verfasst haben, schicken sie ihn an eine Fachzeitschrift, die ihn zur kritischen Beurteilung an mehrere anonyme Gutachter sendet, damit diese den Autoren dann klarmachen, warum ihr Artikel nichts taugt und niemals veröffentlicht werden sollte. Das gehört zu den Torturen, die wir Wissenschaftler uns selbst auferlegen, und ist meiner Meinung nach einer der Hauptgründe dafür, dass man in der akademischen Laufbahn so schwer einen Sinn findet.

12

Heutzutage nimmt man bei solchen Ausflügen ältere, reifere Personen als Begleitschutz mit.

13

Mich dünkt, da ich selbst Kinder habe, dass hier vielleicht irgendeine geniale Idee drinsteckt, wie man die lieben Kleinen zum Essen bewegen könnte, aber ich weiß noch nicht, welche.

14

Ich verhalte mich mit meinen Experimenten am Kochtopf genau wie Jean Paul. Objektiv gesehen ist das Essen, das ich produziere, nicht so gut wie das in einem beliebigen Restaurant, aber ich finde meine Kocherei sinnstiftend und vergnüglicher.

15

Der Neocortex ist der evolutionsgeschichtlich jüngste Teil des Gehirns und macht einen der wesentlichen Unterschiede zwischen dem Gehirn des Menschen und dem anderer Säugetiere aus.

16

Ich erinnere mich allerdings noch sehr gut daran, wie sie mich einmal fragte, ob sie bei einem Vortrag über subjektive und objektive Wahrscheinlichkeiten zuhören dürfe, und dann nach zehn Minuten einnickte, was mich arg demoralisierte.

17

Am besten lässt sich ein »Sinn« der Arbeit vermutlich mit dem »Ententest« definieren (Wenn es wie eine Ente aussieht, wie eine Ente schwimmt und wie eine Ente quakt, dann ist es wahrscheinlich eine Ente). Außerdem ist der wichtige Aspekt bei unseren Experimenten das relative und nicht ein absolutes Maß an Sinn in den beiden Versuchsgruppen.

18

Auch ganz allgemein konzentrieren wir uns oft zu sehr auf das Ende, wenn wir ein Erlebnis bewerten. Vor diesem Hintergrund ist ein Kuchen zum Abschluss eines Essens von besonderer Bedeutung.

19

Dasselbe gilt natürlich auch für Männer. Ich benutze die weibliche Form, weil damals wahrscheinlich eher die Frauen fürs Kochen und Backen zuständig waren.

20

Wie in Kapitel 2 gezeigt, ziehen sogar Tiere Futter vor, für das sie in der einen oder anderen Weise »gearbeitet« haben.

21

Der Becker-DeGroot-Marschak-Mechanismus ist mit einer Zweitpreisauktion gegen einen computergenerierten Zufallspreis vergleichbar.

22

Zu den Gefahren der Anpassung an Kundenwünsche und dem Risiko, sich zu sehr in eigene Kreationen zu verlieben, siehe meine Geschichte von dem überdimensionierten Haus in meinem ersten Buch Denken hilft zwar, nützt aber nichts.

23

Die Unterschiede zwischen den beiden Auktionsarten sind ziemlich komplex – und William Vickrey erhielt 1996 den Nobelpreis für Wirtschaft, weil er einige feine Details beschrieben hatte.

24

Dieses Verfahren ähnelt der bei Ebay angewandten Auktionsmethode und ebenso dem Becker-DeGroot-Marschak-Mechanismus, nach dem wir bei einem früheren Experiment vorgingen.

25

Die Probleme wurden in randomisierter Reihenfolge vorgelegt.

26

Ausnahmen bestätigen die Regel: Manche Unternehmen sind offenbar sehr gut darin, externe Ideen zu übernehmen und sie im großen Stil weiterzuentwickeln. Beispielsweise hat Apple viele Ideen von Xerox PARC übernommen und Microsoft sich Ideen von Apple zu eigen gemacht.

27

Tatsächlich ist Rache eine gute Metapher für Verhaltensökonomik im allgemeineren Sinne. Der Instinkt mag nicht rational sein, sinnlos ist er nicht und manchmal sogar nützlich.

28

Von diesem Spiel gibt es viele verschiedene Varianten mit unterschiedlichen Regeln und Geldbeträgen; das Prinzip ist jedoch immer dasselbe.

29

Der Rettungsplan half in der Tat vielen Banken, die rasch wieder profitabel arbeiteten und ihren Spitzenmanagern erneut großzügige Boni zahlten. Die Wirtschaft hatte nicht viel davon.

30

Spitzname für ein Gesetz, das Käufern von mängelbehafteten Neuwagen (sogenannten »lemons«) Anspruch auf Abhilfe einräumt.

31

Hier haben wir ein weiteres Beispiel für starke Rache, da die Neistat-Brüder mit dem Besprühen der Werbeplakate eine Sachbeschädigung begingen und damit gegen das Gesetz verstießen.

32

Die Schmerzerfahrung wird sowohl von physischen wie von hedonistischen Komponenten beeinflusst und ist deshalb eine zweckmäßige Brücke zwischen körperlicher Anpassung (z.B., wenn ein Frosch sich an immer heißeres Wasser gewöhnt) und hedonistischer Anpassung (z.B., wenn ein Mensch mit der Zeit den Geruch seines neuen Autos nicht mehr wahrnimmt).

33

Die Frage, ob Männer oder Frauen eine höhere Schmerzschwelle haben und ob dies in irgendeiner Weise etwas mit Kinderkriegen zu tun hat, ist nach wie vor ungeklärt.

34

Mehr zu diesem Thema in Daniel Gilberts Buch Ins Glück stolpern.

35

Ausnahme: San Francisco

36

Apropos Unterbrechungen: Wir geben einiges an Geld aus für Geräte und Dienstleistungen wie Festplattenrekorder, um uns die lästigen Werbeunterbrechungen im Fernsehen zu ersparen. Aber würden wir die neueste Folge einer Fernsehserie mit den regelmäßigen Werbepausen nicht vielleicht noch mehr genießen? Leif, Tom und Jeff Galak besaßen die Frechheit, dies zu testen. Sie stellten fest, dass es den Spaß der Zuschauer mindert, wenn die Sendung nicht durch Werbeblöcke unterbrochen wird. Wird die Sendung jedoch durch Werbung unterbrochen, erhöht sich der Genuss. Ich muss gestehen, dass ich trotz dieser Erkenntnisse weiterhin meinen Festplattenrekorder nutzen werde, um Sendungen zeitversetzt ansehen zu können.

37

Der »Jobst« war ein hautenger Kompressionsanzug aus synthetischem Material mit Gesichtsmaske; nur die Augen, die Ohren und der Mund blieben frei. Ich sah aus wie eine Kreuzung aus fleischfarbenem Spiderman und Bankräuber.

38

Wenn andere Menschen mich anschauten, hatte ich oft das Gefühl, dass sie aus meinen Verbrennungen auf eine verminderte Intelligenz schlossen. Deshalb war es mir sehr wichtig, zu beweisen, dass mein Verstand noch genauso funktionierte wie vor meinem Unfall.

39

In Wirklichkeit liegt die Korrelation zwischen Weinpreis und -qualität nahe null, aber das ist ein anderes Thema.

40

Es gibt noch weitere Beispiele in der Literatur für diese Gefangenschaft eines Menschen in seinem Körper: Ovids Metamorphosen, Die Schöne und das Biest, Johnny zieht in den Krieg und Schmetterling und Taucherglocke, um nur einige zu nennen.

41

Ich verwende den Ausdruck »ästhetisch benachteiligt«, weil ich keinen anderen kenne. Damit möchte ich nur sagen, dass manche Menschen körperlich attraktiver sind und andere weniger.

42

Wenn Sie www.hotornot.com noch nie besucht haben, empfehle ich Ihnen dringend, sich die Website einmal anzusehen, und sei es nur wegen des Einblicks in die menschliche Psyche, die sie liefert.

43

Es liegt in der Natur von »HOT or NOT«, dass unser Datenmaterial das Kriterium Schönheit im Verhältnis zu anderen Attributen überbetonte. Dennoch sollten sich die Prinzipien, die wir testeten, auf andere Arten der Anpassung übertragen lassen.

44

Wir berücksichtigten in dieser ersten Studie keine Menschen, die auf der Suche nach einem gleichgeschlechtlichen Partner waren, aber die Hinzunahme dieser Gruppe könnte das Projekt noch interessanter machen.

45

Natürlich wird Michelle ein paar Jahre und Pfund abziehen. Die meisten Menschen »frisieren« diese Angaben beim Online-Dating – virtuelle Männer sind größer und reicher, virtuelle Frauen dünner und jünger als ihr Modellvorlage im wirklichen Leben.

46

Wenn Sie es mal selbst ausprobieren möchten: Bitten Sie ein paar Bekannte, sich wie bei einem Online-Dating selbst zu beschreiben (ohne Informationen preiszugeben, anhand deren sie zu identifizieren sind). Dann testen Sie, ob Sie anhand ihrer Profile sagen können, wen Sie mögen und wen Sie überhaupt nicht leiden können.

47

Mehr zur Bedeutung von sozialen Kontakten für die Gesundheit in dem Buch Counterclockwise von Ellen Langer.

48

Das Gedankenexperiment beruht auf einem der Beispiele in Peter Singers Aufsatz Famine, Affluence, and Morality (1972). In seinem jüngsten Buch The Live You Can Save entwickelt er diese These weiter.

49

Ich schildere diese drei Faktoren (Nähe, Anschaulichkeit und den »Tropfen auf den heißen Stein«-Effekt) zwar getrennt voneinander, doch im realen Leben wirken sie häufig zusammen, und es ist nicht immer klar, welcher davon die treibende Kraft darstellt.

50

Das heißt nicht, dass es nicht viele wunderbare Menschen gebe, die Geld spenden und ihre Zeit opfern, um Fremden auf der anderen Seite des Globus zu helfen, sondern nur, dass die Neigung, dies zu tun, von Nähe, Anschaulichkeit und dem Tropfen-auf-den-heißen-Stein-Effekt abhängt.

51

Wie viele politische Institutionen sind auch die Vereinten Nationen anämisch und ohne Rückgrat. Es dürfte wohl kaum hilfreich sein, dass die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats bei praktisch jeder wichtigen Entscheidung der UNO ein Vetorecht haben. Im Prinzip könnten die Vereinten Nationen aber eine Kraft sein, die wichtige Probleme löst, die in keiner Öffentlichkeit Emotionen wecken.

52

Mehr dazu, wie Self-Herding uns darüber hinaus beeinflusst, in Kapitel 2 von Denken hilft zwar, nützt aber nichts.

53

Ich habe meinen Kanu-Test noch nicht der erforderlichen wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen, kann also keine gesicherte Aussage treffen. Aber vermutlich wäre die Vorhersagegenauigkeit exzellent (ja, ich weiß, Sie finden das jetzt vermessen).

54

Bei Experimenten mit Sportlern viele Jahre später stellte ich fest, dass das Zählen zur Steigerung der Ausdauer beiträgt und rückwärts zu zählen noch wirksamer ist.

55

Das heißt nicht, dass die Medizin im Laufe der Jahre nicht großartige Behandlungsmethoden entdeckt habe. Vielmehr geht es darum, dass sie ohne ausreichende Experimente zu lange an ineffektiven oder gefährlichen Behandlungsmethoden festhält.

56

An dieser Stelle möchte ich auf zwei großartige Bücher über Illusionen der Medizin verweisen: Stabbed in the Back und Worried Sick von Nortin Hadler.

Endnoten

1

Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen: Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, München 1974, S.9–10.

2

George Loewenstein: Because It Is There: The Challenge of Mountaineering … for Utility Theory, Kyklos 52, Nr. 3 (1999), S.315–343.

3

Laura Shapiro: Something from the Oven: Reinventing Dinner in 1950 s America, New York 2004.

4

www.foodnetwork.com/recipes/sandra-lee/sensuous-chocolate-truffles-recipe/index.html.

5

Mark Twain: Europe and Elsewhere, New York 1923.

6

Richard Munson: From Edison to Enron: The Business of Power and What It Means for the Future of Electricity, Westport, Conn., 2005, S.23.

7

James Surowiecki: All Together Now, The New Yorker, 11. April 2005.

8

www.openleft.com/showDiary.do?diaryId=8374, 21. September 2008.

9

Die vollständige Darstellung ist zu finden unter www.danariely.com/files/hotel.html.

10

Albert Wu, I-Chan Huang, Samantha Stokes und Peter Pronovost: Disclosing Medical Errors to Patients: It’s Not What You Say, It’s What They Hear, Journal of General Internal Medicine 24, Nr. 9 (2009), S.1012–1017.

11

Kathleen Mazor, George Reed, Robert Yood, Melissa Fischer, Joann Baril und Jerry Gurwitz: Disclosure of Medical Errors: What Factors Influence How Patients Respond?, Journal of General Internal Medicine 21, Nr. 7 (2006), S.704–710.

12

www.vanderbilt.edu/News/register/Mar11_02/story8.html.

13

www.businessweek.com/magazine/content/07_04/b4018001.htm.

14

http://www.theatlantic.com/technology/archive/2006/09/the-boiled-frog-myth-stop-the-lying-now/7446/.

15

Andrew Potok: Ordinary Daylight: Portrait of an Artist Going Blind, New York 2003.

16

Siehe Paul Slovic: ›If I Look at the Mass I Will Never Act‹: Psychic Numbing and Genocide, Judgment and Decision Making 2, Nr. 2 (2007), S.79–95.

17

James Estes: Catastrophes and Conservation: Lessons from Sea Otters and the Exxon Valdez, Science 254, Nr. 5038 (1991), S.1596.

18

Samuel S. Epstein: American Cancer Society: The World’s Wealthiest ›Nonprofit‹ Institution, International Journal of Health Services 29, Nr. 3 (1999), S.565–578.

19

Catherine Spence: Mismatching Money and Need, in Keith Epstein: Crisis Mentality: Why Sudden Emergencies Attract More Funds than Do Chronic Conditions, and How Nonprofits Can Change That, Stanford Social Innovation Review, Frühjahr 2006, S.48–57.

20

Babylonischer Talmud, Sanhedrin 4:8 (37 a).

21

A. G. Sanfey, J. K. Rilling, J. A. Aronson, L. E. Nystrom und J. D. Cohen: The Neural Basis of Economic Decision-Making in the Ultimatum Game, Science 300 (2003), S.1755–1758.

Für meine Lehrer, Mitarbeiter und Studenten –
ohne sie wäre meine Forschungsarbeit weit weniger
spannend und amüsant.

Und für alle Menschen, die im Laufe der Jahre
an unseren Experimenten teilgenommen haben –
Sie sind der Motor, der unsere Forschung antreibt.
Ich danke Ihnen aus tiefstem Herzen
für Ihre Unterstützung.

Einleitung

Nebenwirkungen des Prokrastinierens
und der Medizin

Ich kenne Sie nicht, aber ich bin noch nie jemandem begegnet, der nicht prokrastiniert. Das Auf-die-lange-Bank-Schieben lästiger Aufgaben ist ein nahezu universelles Problem, das unglaublich schwer in den Griff zu bekommen ist – auch wenn wir es mit noch so viel Willenskraft und Selbstbeherrschung versuchen.

Erlauben Sie mir, Ihnen zu erzählen, wie ich selbst gelernt habe, mit meiner Neigung zum Prokrastinieren fertig zu werden. Vor vielen Jahren hatte ich einen verheerenden Unfall. In meiner Nähe explodierte eine große Magnesium-Leuchtrakete mit der Folge, dass 70 Prozent meines Körpers von Verbrennungen dritten Grades betroffen waren (ich schrieb darüber in meinem Buch Denken hilft zwar, nützt aber nichts[1]). Und als wäre das noch nicht genug, zog ich mir nach drei Wochen Krankenhausaufenthalt durch eine infizierte Blutkonserve eine Hepatitis zu. Natürlich ist die Zeit niemals günstig für eine ansteckende Leberkrankheit, doch bei mir war der Zeitpunkt besonders unglücklich, weil ich mich ohnehin schon in einem miserablen Zustand befand. Durch die Hepatitis erhöhte sich die Gefahr von Komplikationen, verzögerte sich meine Behandlung, und mein Körper stieß viele Hauttransplantate ab. Hinzu kam noch, dass die Ärzte nicht wussten, welche Art von Gelbsucht ich hatte. Zweifelsfrei litt ich weder an Hepatitis A noch an dem Typ B, aber sie konnten den Erreger nicht identifizieren. Nach einer Weile klang die Krankheit ab, aber meine Genesung verlief doch langsamer, weil die Krankheit von Zeit zu Zeit wieder aufflammte und meinen ganzen Körper in Mitleidenschaft zog.

Acht Jahre später, während meines Hauptstudiums, erlebte ich einen erneuten schweren Hepatitisausbruch. Ich ließ mich im studentischen Gesundheitszentrum untersuchen und erhielt nach etlichen Bluttests die Diagnose: Es war Hepatitis C, das Virus war erst kürzlich isoliert und identifiziert worden. Ich fühlte mich zwar erbärmlich, dennoch war ich froh über diese Nachricht. Erstens wusste ich endlich, was ich hatte; zweitens gab es ein vielversprechendes neues Mittel namens Interferon, das sich noch in der Versuchsphase befand und sehr wirksam zu sein schien. Der Arzt fragte mich, ob ich mir nicht überlegen wolle, an einer experimentellen Studie zur Prüfung seiner Wirksamkeit teilzunehmen. Angesichts der Gefahr einer Leberfibrose, einer Zirrhose und eines vorzeitigen Todes erschien mir die Teilnahme an der Studie als der beste Weg.

Anfänglich musste man sich das Interferon dreimal pro Woche selbst spritzen. Die Ärzte erklärten mir, dass sich nach jeder Injektion grippeähnliche Symptome wie Fieber, Schwindel, Kopfschmerzen und Erbrechen zeigen würden – Warnungen, die sich bald als vollkommen zutreffend erweisen sollten. Aber ich war entschlossen, der Krankheit zu trotzen, und so vollzog ich eineinhalb Jahre lang jeden Montag-, Mittwoch- und Freitagabend das folgende Ritual: Sobald ich nach Hause kam, nahm ich eine Nadel aus dem Medizinschränkchen, öffnete den Kühlschrank, füllte die Spritze mit der vorgeschriebenen Dosis Interferon, stach mit der Nadel tief in meinen Oberschenkel und injizierte das Medikament. Dann legte ich mich in eine große Hängematte – das einzig interessante Möbelstück in meiner loftähnlichen Studentenwohnung –, von der aus ich wunderbar fernsehen konnte. Dabei hatte ich in Reichweite einen Eimer für das Erbrochene stehen, denn unweigerlich würde ich mich übergeben müssen, und eine wärmende Decke. Etwa eine Stunde später setzten Schwindel, Schüttelfrost und Kopfschmerzen ein, und irgendwann übermannte mich der Schlaf. Am folgenden Tag gegen Mittag war ich mehr oder weniger wiederhergestellt und konnte mich meinen Seminaren und Forschungen widmen.

Wie die anderen Teilnehmer der Studie auch hatte ich aber nicht nur mit Übelkeit zu kämpfen, sondern auch mit dem Prokrastinieren und meiner mangelnden Selbstbeherrschung. Jeder Injektionstag war das reine Elend. Vor mir lag die Aussicht, nach der Selbstinjektion 16 Stunden unter schrecklicher Übelkeit zu leiden in der Hoffnung, dass die Behandlung langfristig zu meiner Heilung führen würde. Es war das, was die Psychologen einen »negativen unmittelbaren Effekt« um eines »positiven langfristigen Effekts« willen nennen – ein Problem, das wir alle kennen, wenn wir unmittelbar notwendige Aufgaben erledigen müssen, deren Nutzen wir erst später genießen. Obwohl das schlechte Gewissen an uns nagt, würden wir häufig lieber einer unangenehmen Tätigkeit (einer sportlichen Betätigung, der Arbeit an einem langweiligen Projekt, dem Ausräumen der Garage) ausweichen, die uns erst in der Zukunft etwas bringt (gesünder sein, befördert werden, ein dankbarer Partner).

Am Ende des achtzehn Monate dauernden Versuchs sagten mir die Ärzte, die Behandlung sei erfolgreich und ich der einzige Patient in der Versuchsgruppe gewesen, der sich das Interferon vorschriftsgemäß gespritzt habe. Alle anderen hatten die Medikation mehrmals ausgelassen, was angesichts der damit verbundenen Unannehmlichkeiten kaum überraschte. (Die Nichteinhaltung der medizinischen Einnahmevorschriften ist ein weitverbreitetes Problem.)

Wie gelang es mir nun, diese monatelangen Qualen durchzustehen? Hatte ich einfach Nerven wie Drahtseile? Wie jeder, der auf dieser Erde wandelt, habe auch ich große Probleme mit der Selbstkontrolle, und an jedem Injektionstag wünschte ich mir zutiefst, die Prozedur vermeiden zu können. Aber ich hatte einen Trick, mir die Behandlung erträglicher zu machen. Mein Schlüssel dazu waren Filme. Ich liebe Filme, und wenn ich die Zeit dazu hätte, würde ich mir jeden Tag einen ansehen. Als die Ärzte mir erklärten, was mir bevorstand, beschloss ich daher, mich mit Video-Filmen zu motivieren. Außerdem konnte ich wegen der heftigen Nebenwirkungen ohnehin kaum etwas anderes tun.

An jedem Injektionstag machte ich auf dem Weg zur Universität halt bei einem Video-Laden und suchte mir ein paar Filme aus, die ich mir ansehen wollte, und dann freute ich mich den ganzen Tag darauf. Sobald ich zu Hause war, setzte ich mir die Spritze, sprang darauf sofort in meine Hängematte, machte es mir darin bequem und begann mit meinem kleinen Filmfest. Auf diese Weise lernte ich, die Injektion mit der Belohnung in Form eines wunderbaren Films zu verbinden. Schließlich setzten dann die unangenehmen Nebenwirkungen ein, und dann fand ich das Ganze nicht mehr so wunderbar. Dennoch, meine Abende auf diese Weise zu planen half mir, die Injektion stärker mit der Freude an einem Film zu verknüpfen als mit den Unannehmlichkeiten der Nebenwirkungen, und so war ich imstande, die Behandlung fortzusetzen. (In diesem Fall war auch mein schlechtes Gedächtnis ein Glück für mich, denn manche Filme konnte ich mir immer wieder ansehen.)

 

Die Moral dieser Geschichte? Wir alle haben wichtige Aufgaben, deren Erledigung wir am liebsten vermeiden würden, besonders, wenn das Wetter dazu einlädt, die Zeit im Freien zu verbringen. Wir hassen es alle, uns für die Steuererklärung durch alte Belege zu wühlen, den Garten zu machen, uns an eine Diät zu halten, für die Rente zu sparen oder, wie ich, uns einer unangenehmen Behandlung oder Therapie zu unterziehen. In einer vollkommen rationalen Welt gäbe es das Problem der Prokrastination überhaupt nicht. Wir würden schlicht und einfach den Wert unserer langfristigen Ziele kalkulieren, sie mit unserem kurzfristigen Vergnügen vergleichen und begreifen, dass wir langfristig mehr profitieren, wenn wir kurzfristig ein wenig leiden. Wenn wir dazu in der Lage wären, könnten wir uns fest auf das konzentrieren, was wirklich wichtig für uns ist. Wir würden unsere Arbeit erledigen und dabei im Kopf haben, welche Befriedigung wir empfinden werden, wenn wir damit fertig sind. Wir würden unseren Gürtel ein wenig enger schnallen und später unseren besseren Gesundheitszustand genießen. Wir würden unsere Medikamente rechtzeitig nehmen und hoffen, dass der Arzt eines Tages zu uns sagt: »Ihre Krankheit ist vollkommen geheilt.«

Leider geben jedoch die meisten von uns der kurzfristigen Belohnung den Vorzug vor langfristigen Zielen.[2] Immer wieder verhalten wir uns, als würden wir irgendwann in der Zukunft mehr Zeit oder mehr Geld haben und uns weniger erschöpft oder gestresst fühlen. »Später« erscheint als eine rosige Zeit, in der man all die unangenehmen Dinge tun kann, die man im Leben erledigen muss, auch wenn sie aufzuschieben bedeutet, dass man sich später vielleicht mit einem viel größeren Dschungel im Garten abplagen oder dem Finanzamt Mahngebühren zahlen muss, sich im Rentenalter nicht ruhig zurücklehnen kann oder aber hinnehmen muss, dass eine medizinische Behandlung erfolglos bleibt. Eigentlich brauchen wir uns nur an die eigene Nase zu fassen, um zu sehen, wie selten wir um langfristiger Ziele willen kurzfristige Opfer auf uns nehmen.

 

Und was hat all das mit dem Thema dieses Buches zu tun? Ganz allgemein gesprochen, ungeheuer viel.

Aus rationaler Sicht sollten wir nur Entscheidungen treffen, die zu unserem Besten sind (»sollten« ist hier das entscheidende Wort). Wir sollten in der Lage sein, zwischen den verschiedenen Optionen, die uns zur Verfügung stehen, zu unterscheiden, ihren Wert zu kalkulieren – nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig – und uns für diejenige zu entscheiden, die uns am meisten nützt. Wenn wir vor irgendeinem Dilemma stehen, sollten wir in der Lage sein, die Situation klar und vorurteilslos zu betrachten und das Für und Wider der verschiedenen Möglichkeiten so objektiv zu beurteilen, als würden wir Laptops miteinander vergleichen. Wenn wir an einer Krankheit leiden und es eine vielversprechende Behandlung gibt, sollten wir uns strikt an die Anweisungen des Arztes halten. Wenn wir Übergewicht haben, sollten wir uns am Riemen reißen, jeden Tag ein paar Kilometer gehen und uns mit gekochtem Fisch, Gemüse und Wasser begnügen. Wenn wir rauchen, sollten wir damit aufhören – ohne Wenn und Aber.

Es wäre sicher schön, wenn wir rationaler wären und einen klareren Verstand hätten, was unser »Sollen« betrifft. Leider sind wir das nicht. Wie anders lässt sich sonst erklären, dass es in den Fitnessstudios Millionen Karteileichen gibt oder Menschen ihr Leben und das anderer aufs Spiel setzen, indem sie beim Fahren eine SMS schreiben, oder dass … (setzen Sie hier Ihr Lieblingsbeispiel ein)?

 

An diesem Punkt kommen die Verhaltensökonomen ins Spiel. Sie gehen nicht davon aus, dass Menschen vollkommen vernünftige, kalkulierende Maschinen sind. Stattdessen beobachten sie, wie sich die Menschen wirklich verhalten, und nicht selten stellen sie dabei fest, dass die Menschen irrational sind.

Sicher kann man von der rationalen Wirtschaftslehre eine Menge lernen, doch einige ihrer Grundannahmen – dass die Menschen immer die besten Entscheidungen treffen, dass Fehler weniger wahrscheinlich sind, wenn es bei den Entscheidungen um viel Geld geht, und dass der Markt sich selbst reguliert – können zweifelsohne katastrophale Folgen nach sich ziehen.

Um eine klarere Vorstellung davon zu bekommen, wie gefährlich es sein kann, von absoluter Rationalität auszugehen, denken Sie einmal ans Autofahren. Der Autoverkehr ist, wie die Finanzmärkte, ein von Menschen gemachtes System, und wir brauchen nicht in die Ferne zu schweifen, um zu sehen, dass andere schreckliche, kostspielige Fehler machen (aufgrund eines anderen Aspekts unserer voreingenommenen Weltsicht bedarf es ein wenig mehr Mühe, die eigenen Irrtümer zu erkennen). Autohersteller und Straßenbauer wissen im Allgemeinen, dass die Menschen im Verkehr nicht immer richtig urteilen, und so achten sie bei der Konstruktion von Autos und Straßen unter anderem auch auf die Sicherheit der Fahrer und Fußgänger. Die Autodesigner und Ingenieure gleichen unsere begrenzte Urteilsfähigkeit zum Beispiel durch Sicherheitsgurte, Antiblockiersysteme, Rückspiegel, Airbags, Halogenstrahler, Entfernungsmesser und vieles mehr aus, und die Straßenbauer legen an den Autobahnen Sicherheitsstreifen an, zum Teil mit kleinen Höckern versehen, die ein lautes brrrr verursachen, wenn man sie überfährt. Doch trotz all dieser Sicherheitsmaßnahmen machen die Menschen beim Autofahren immer noch alle möglichen Fehler (zum Beispiel, indem sie Alkohol trinken oder SMS schreiben); sie geraten in Unfälle, werden verletzt und kommen dabei sogar zu Tode.

Denken Sie einmal an die Implosion der Wall Street im Jahr 2008 und deren Auswirkung auf die Wirtschaft. Warum um alles in der Welt, fragt man sich angesichts der menschlichen Schwächen, haben wir bloß geglaubt, keine Maßnahmen von außen treffen zu müssen, um systematische Fehlurteile auf den von Menschen geschaffenen Finanzmärkten zu verhindern oder wenigstens mit ihnen fertig zu werden? Warum wurden keine Sicherheitspläne aufgestellt, um jemanden, der Milliarden Dollar verwaltet und investiert und dabei Gewinne erzielen will, von unglaublich kostspieligen Fehlern abzuhalten?

 

Verschärft wird das grundlegende Problem des menschlichen Versagens noch durch technische Entwicklungen, die zwar prinzipiell sehr nützlich sind, es uns aber erschweren, uns so zu unserem größtmöglichen Nutzen zu verhalten. Denken Sie beispielsweise an das Handy. Es ist ein praktisches Gerät, mit dem Sie nicht nur telefonieren, sondern auch SMS und E-Mails verschicken und empfangen können. Wenn Sie beim Gehen eine SMS schreiben, schauen Sie vielleicht auf das Display statt auf den Gehsteig und riskieren damit, vor einen Pfeiler zu laufen oder mit einer anderen Person zusammenzustoßen. Das ist zwar peinlich, aber wohl kaum wirklich gefährlich. Sich beim Gehen ablenken zu lassen ist nicht besonders schlimm; beim Autofahren hingegen ist es katastrophal.

Ähnliches gilt für die technischen Entwicklungen in der Landwirtschaft, die zum Problem der Fettleibigkeit beigetragen haben. Vor Tausenden von Jahren, als der Mensch beim Sammeln und Jagen in den Ebenen und Wäldern noch reichlich Kalorien verbrannte, musste er so viel Energie speichern wie eben möglich. Immer wenn er Nahrung fand, die Fett oder Zucker enthielt, hielt er inne und konsumierte so viel davon, wie er konnte. Darüber hinaus stattete uns die Natur mit einem praktischen inneren Mechanismus aus: Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem unsere Vorfahren eigentlich genügend Kalorien aufgenommen hatten, und dem Moment, in dem sie sich satt fühlten, lag eine Spanne von zwanzig Minuten. Auf diese Weise speicherten sie ein wenig Fett, das sehr nützlich war, wenn sie später nicht rechtzeitig ein Wild zur Strecke bringen konnten.

Springen wir nun ein paar tausend Jahre weiter in unsere Gegenwart. In den Industrieländern verbringen wir die Zeit meist sitzend vor einem Bildschirm, statt Tieren nachzujagen. Statt selbst Getreide, Mais und Soja zu pflanzen, zu hegen und zu ernten, überlassen wir diese Aufgaben der kommerziellen Landwirtschaft. Lebensmittelproduzenten stellen daraus zuckerhaltiges, dick machendes Zeug her, das wir dann in Fastfood-Restaurants und Supermärkten kaufen. In der Mac-Donald’s-Welt können wir in Windeseile Tausende Kalorien in uns hineinstopfen. Und wenn wir einen Schinken-Ei-Käse-Burger verschlungen haben, gibt uns die zwanzigminütige Spanne bis zum Sättigungsgefühl Gelegenheit, uns weitere Kalorien in Form von gesüßtem Kaffee und einem halben Dutzend Donuts mit Puderzucker zuzuführen.

Im Grunde waren die Mechanismen, die wir in den Anfängen unserer Evolution entwickelt haben, äußerst sinnvoll. Doch angesichts der Diskrepanz zwischen der schnellen technischen und der menschlichen Weiterentwicklung stehen uns die Instinkte und Fähigkeiten, die einst hilfreich waren, nun häufig im Weg. Mangelhafte Entscheidungsfindungsprozesse, die in früheren Jahrhunderten bloße Störfaktoren waren, können heute unser Leben schwer beeinträchtigen.

Wenn die Erfinder moderner Technologien nicht berücksichtigen, dass der Mensch fehlbar ist, entstehen neue und innovative Systeme für die Aktienmärkte, für Versicherungen, Bildung, Landwirtschaft oder das Gesundheitswesen, die an der Realität des menschlichen Lebens vorbeigehen (ich finde den Ausdruck »für den Menschen unverträgliche Technologie« sehr passend). Die Folge davon ist, dass Fehler unausweichlich sind und wir manchmal auch im großen Stil scheitern.

 

Oberflächlich betrachtet, mag diese Sicht der menschlichen Natur ein wenig deprimierend wirken, aber das muss nicht unbedingt sein. Verhaltensökonomen versuchen, die menschlichen Schwächen zu erkennen und einfühlsamere, realistischere und effektivere Wege für die Menschen zu finden, bestimmten Verlockungen zu widerstehen, mehr Selbstkontrolle zu üben und letztlich ihre langfristigen Ziele zu erreichen. Für die Gesellschaft ist es äußerst segensreich, wenn sie begreift, wie und wann wir versagen, und neue Mittel konzipiert/erfindet/schafft, die uns helfen, unsere Schwächen zu überwinden. Wenn wir mehr über die tatsächlichen Motive unseres Verhaltens wissen und darüber, was uns auf Abwege führt – angefangen bei Entscheidungen über Boni und Leistungsanreize in der Wirtschaft bis hin zu den ganz persönlichen Aspekten des Lebens wie Verabredungen zum Rendezvous und Glück –, besteht die Möglichkeit, dass wir mehr Kontrolle über unser Geld und unsere Beziehungen gewinnen und sicherer und gesünder leben, sowohl als Einzelne wie auch als Gesellschaft.

Und genau das ist das eigentliche Ziel der Verhaltensökonomen: Ihnen geht es darum, zu verstehen, wie wir wirklich funktionieren, damit wir unsere Voreingenommenheit, unsere Vorurteile und Neigungen besser wahrnehmen können, uns ihres Einflusses mehr bewusst werden und hoffentlich auch bessere Entscheidungen treffen. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass wir eines Tages nur noch richtige Entscheidungen fällen, glaube aber, dass bessere Kenntnisse über die vielfältigen irrationalen Kräfte, die uns beeinflussen, ein nützlicher erster Schritt in diese Richtung sein könnten. Und dabei muss es nicht bleiben. Erfinder, Unternehmen und Politiker können zusätzliche Schritte einleiten, um unsere Arbeits- und Lebenswelt so umzugestalten, dass sie auf natürliche Weise mehr unseren Fähigkeiten und Grenzen entspricht.

Im Großen und Ganzen geht es in der Verhaltensökonomik genau darum – die verborgenen Kräfte ausfindig zu machen, die unsere Entscheidungen in den verschiedensten Bereichen beeinflussen, und Lösungen für allgemeine Probleme zu finden, die unser Privatleben, unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft beeinträchtigen.

 

Wie Sie auf den folgenden Seiten sehen werden, beruht jedes Kapitel dieses Buches auf Experimenten, die ich im Laufe der Jahre mit großartigen Kollegen durchgeführt habe (am Ende finden Sie Kurzbiographien meiner wunderbaren Mitarbeiter). Ich habe versucht, in allen Kapiteln ein wenig Licht auf Neigungen und Vorurteile zu werfen, die sich negativ auf unsere Entscheidungen in verschiedenen Lebensbereichen auswirken – vom Arbeitsplatz bis hin zum persönlichen Glück.

Warum, so fragen Sie sich vielleicht, investieren Dan Ariely und seine Kollegen so viel Zeit, Geld und Energie in Experimente? Für Sozialwissenschaftler sind Experimente mit Mikroskopen oder Stroboskopen vergleichbar, denn sie vergrößern und erhellen die komplexen, vielfältigen Kräfte, die uns gleichzeitig beeinflussen. Mit Hilfe von Experimenten können wir das menschliche Verhalten in einzelne Bilder einer Erzählung, in voneinander getrennte Einzelkräfte zerlegen und sie sorgfältig und genauer betrachten. Sie ermöglichen uns, direkt und unzweideutig zu prüfen, was die Menschen antreibt, und ein besseres Verständnis der Formen und Nuancen unserer Vorurteile zu gewinnen.[3]

Ich möchte aber noch einen anderen Punkt betonen: Wenn das, was man aus einem Experiment lernen kann, auf den Kontext der jeweiligen Studie beschränkt wäre, wäre sein Wert gering. Aber Experimente illustrieren allgemeine Prinzipien und eröffnen uns Einsichten in unser Denken und unsere Entscheidungsprozesse in den unterschiedlichsten Lebenssituationen. Ich hoffe, dass Sie, sobald Sie erkannt haben, wie unsere menschliche Natur wirklich funktioniert, selbst in der Lage sind, zu entscheiden, wie Sie dieses Wissen in Ihrem Berufs- und Privatleben umsetzen können.

Darüber hinaus habe ich in jedem Kapitel versucht, mögliche Folgen für das Leben, die Wirtschaft und die Politik abzuleiten – wobei der Schwerpunkt auf der Frage lag, was wir tun können, um die blinden Flecken unserer Irrationalität auszufüllen. Natürlich konnte ich die Folgen nur bruchstückhaft skizzieren. Um wirklich Nutzen aus diesem Buch und aus der Sozialwissenschaft insgesamt zu ziehen, ist es wichtig, dass Sie, der Leser, ein wenig darüber nachdenken, wie die Prinzipien menschlichen Verhaltens in Ihrem eigenen Leben zum Tragen kommen, und Sie sich überlegen, was Sie vor dem Hintergrund der neuen Kenntnisse über die menschliche Natur anders machen könnten. Darin liegt das wahre Abenteuer.

 

Die Leser, die Denken hilft, zwar nützt aber nichts bereits kennen, möchten vielleicht wissen, was sie hier an Neuem erfahren. Damals habe ich mich mit einer Reihe von Vorurteilen oder Neigungen beschäftigt, die uns – insbesondere als Konsumenten – zu unklugen Entscheidungen verleiten. Das Buch, das Sie jetzt in Händen halten, unterscheidet sich von seinem Vorgänger in dreierlei Hinsicht.

Zunächst – und unübersehbar – trägt dieses Buch einen anderen Titel. Wie jenes andere basiert es auf Experimenten, mit deren Hilfe wir herausfinden wollten, wie wir Entscheidungen treffen, doch hier betrachten wir die Irrationalität unter einem anderen Blickwinkel. Meist hat der Begriff »Irrationalität« eine negative Konnotation und impliziert alles Mögliche von unverständlichem Verhalten bis hin zu Verrücktheit. Wenn wir den Auftrag hätten, Menschen zu entwerfen, würden wir uns wahrscheinlich alle erdenkliche Mühe geben, sie frei von Irrationalität zu gestalten: In Denken hilft zwar, nützt aber nichts habe ich mich auch mit den Nachteilen menschlicher Voreingenommenheit beschäftigt. Aber die Irrationalität hat auch eine positive Seite. Manchmal haben wir mit unseren irrationalen Fähigkeiten auch Erfolg; sie ermöglichen uns zum Beispiel, uns einer neuen Umgebung anzupassen, anderen Menschen zu vertrauen, Freude zu empfinden, wenn wir uns anstrengen, und unsere Kinder zu lieben. Diese Kräfte sind ein fester Bestandteil unserer wunderbaren – wenn auch irrationalen – menschlichen Natur voller Überraschungen (Menschen, die sich nicht anpassen, vertrauen oder Freude an ihrer Arbeit empfinden können, können sehr unglücklich sein) und helfen uns, Großes zu vollbringen und ein gutes Leben in einer sozialen Struktur zu führen. Der Titel dieses Buches Wer denken will, muss fühlen ist ein Versuch, die Komplexität unserer irrationalen Verhaltensweisen zu erfassen – jene Seiten, auf die wir gern verzichten würden, und die anderen, die wir erhalten würden, wenn wir die menschliche Natur neu entwerfen könnten. Meines Erachtens ist es wichtig, sowohl unsere vorteilhaften als auch unsere unvorteilhaften Eigenheiten zu begreifen, denn nur so werden wir in der Lage sein, das Negative auszuschalten und auf dem Positiven aufzubauen.

Zweitens wird Ihnen vielleicht auffallen, dass dieses Buch aus zwei Teilen besteht. Im ersten werden wir uns unser Verhalten in der Welt der Arbeit näher ansehen, in der wir einen Großteil unseres wachen Lebens verbringen. Wir werden unsere Beziehungen hinterfragen – nicht nur zu anderen Menschen, sondern auch zu unserer Umgebung und zu uns selbst. Welches Verhältnis haben wir zu unserem Gehalt, unseren Chefs, zu den Dingen, die wir produzieren, unseren Gedanken und Ideen und zu unseren Gefühlen, wenn wir ungerecht behandelt werden? Was motiviert uns eigentlich, gute Leistungen zu erbringen? Wodurch erfahren wir Sinn? Warum spielt das Not-Invented-Here-Syndrom am Arbeitsplatz eine so große Rolle? Warum reagieren wir so stark auf Ungerechtigkeit und unfaires Verhalten?

Im zweiten Teil werfen wir einen Blick auf die Welt jenseits der Arbeit und schauen uns an, wie wir uns in zwischenmenschlichen Beziehungen verhalten. Welches Verhältnis haben wir zu unserer Umgebung und zu unserem Körper? Wie verhalten wir uns gegenüber Menschen, die wir kennenlernen, die wir lieben, und gegenüber Fremden in der Ferne, die unsere Hilfe benötigen? Und welches Verhältnis haben wir zu unseren Emotionen? Wir werden untersuchen, wie wir uns an neue Bedingungen, eine neue Umgebung und neue Liebespartner anpassen; wie die Online-Partnersuche funktioniert (oder warum sie nicht funktioniert); welche Kräfte unsere Reaktion auf menschliche Tragödien bestimmen; und wie unsere Reaktion auf Emotionen in einem bestimmten Augenblick unsere Verhaltensmuster in ferner Zukunft beeinflussen.

Wer denken will, muss fühlen unterscheidet sich auch insofern sehr von Denken hilft zwar, nützt aber nichts, weil es ein ausgesprochen persönliches Buch ist. Obwohl meine Kollegen und ich unser Bestes tun, bei der Durchführung und Analyse unserer Experimente möglichst objektiv zu sein, beruht ein Großteil dieses Buches (besonders im zweiten Teil) auf meinen schlimmen Erfahrungen bei der Behandlung meiner hochgradigen Verbrennungen. Wie alle schweren Verletzungen waren auch meine ausgesprochen traumatisch, aber sie veränderten auch rasch meine Sicht auf viele Aspekte des Lebens. Mein persönlicher Weg bot mir einzigartige Einblicke in das menschliche Verhalten und stellte mich vor Fragen, die mir sonst nie in den Sinn gekommen wären, nun aber für mein Leben zentral und zum Mittelpunkt meiner Forschungstätigkeit wurden. Darüber hinaus – und vielleicht wichtiger noch – veranlasste er mich, mir anzusehen, was es mit meinen eigenen irrationalen Neigungen und Vorurteilen auf sich hat. Ich hoffe, durch ihre Beschreibung und meine persönlichen Erfahrungen ein wenig Licht auf den Gedankenprozess zu werfen, der bei mir zu bestimmten Interessen und Ansichten geführt hat, und wichtige Bestandteile unserer gemeinsamen menschlichen Natur zu erhellen – Ihrer wie meiner.

 

Machen wir uns auf den Weg …

Teil I

Wie wir uns im Arbeitsleben der Logik widersetzen

Eins