Bitcoin Kurz & gut

Inhaltsverzeichnis
Bitcoin Kurz & gut

Bitcoin Kurz & gut

Joerg Platzer

Inhaltsverzeichnis

Das Krypto-Anarchistische Manifest

Vorwort

20 Jahre später

1. Bitcoin in a Nutshell

Das Bitcoin-Netzwerk

Die Teilnehmer (»Peers«)

Die Blockchain

Die Miner

Was passiert bei einer Transaktion?

Adressen, Wallets und Clients

2. Von Clients und Wallets

Full-Node-Clients

SPV-Clients

Serverabhängige (thin) Clients

Webwallets

In-Browser Wallets

Hardware Wallets

3. Wallets Step by Step

Welche Wallet nehmen?

Bitcoin Kern – der Referenz-Client (V0.91-beta)

Einrichten

Empfangen

Versenden

KryptoKit

Bitcoin Wallet for Android und BlackBerry (»Schildbach Wallet«)

Easywallet

Trezor Hardware Wallet

Breadwallet für iPhone

4. Bitcoins kaufen

Woher nehmen und nicht stehlen?

www.bitcoin.de

www.localbitcoins.com

Bitcons verkaufen

5. Sicheres Speichern

Cold Storage – Kalte Lagerung

Paper-Wallets

Digitale Offline-Wallets

Offline-Wallets mit Armory

Was dazu benötigt wird

Erstellen der Offline-Wallet

Watch-Only-Wallets

Offline-Transaktionen ausführen

6. Transparenz und Anonymität

Nutzerdefinierte Privatsphäre

Transparente Buchhaltung

Anonymität bedeutet Privatheit

Privatheit bedeutet Grundrechtsschutz

Privatsphäre durch frische Adressen und Bitcoin-Mixing

Frische Adressen und das Problem mit dem Wechselgeld

Schutz persönlicher Daten durch Bitcoin Mixer

7. Bitcoin für Gewerbetreibende

Die Vorteile

Global gesehen

In Ihrem Ladengeschäft oder Online-Shop

Bitcoin direkt annehmen

Das Volatilitätsproblem

Bitpay

8. Bitcoin-Mining

Bitcoins schürfen

Die Blockchain als Grundlage der verteilten Buchhaltung

Konsensfindung durch Arbeitsbeweis

Die Belohnung

Noch eine Belohnung: die Transaktionsgebühren

Die 51%-Attacke

Die Double-Spend Race-Attacke

Mining Hardware

Bitcoin Mining und die Umwelt

9. Alternative Krypto-Währungen

Alt-Coins (Alternative Krypto-Währungen)

Litecoin

Namecoin

Freicoin

Peercoin

Overlays und Sidechains

Overlays

Sidechains

Alt-Coins handeln

10. Bitcoin ist Geld

Geld? Was ist das eigentlich?

Höchst politisch: unpolitisches Geld

Unser Schuldgeld (vergib’ uns heute!)

Monetäre Oppression

Politisch unpolitisch

11. Die Regulierung von Bitcoin und Krypto-Währungen

Ein neues Paradigma

Reguliererwünsche

Die Verwandtschaft mit der Druckerpresse

Innovationsflucht

Aber Moment mal ...

12. To the Moon!

Zum Mond?

Qualitativ besseres Geld

Ein dezentralisiertes Wirtschaftssystem

Eine Transportschicht für Wert

Finanzinvestment in der Krypto-Ökonomie

13. Mysterium Satoshi Nakamoto

14. Timeline

Stichwortverzeichnis

Das Krypto-Anarchistische Manifest

Ein Gespenst geht um in der modernen Welt, das Gespenst der Krypto-Anarchie.

Die Computer-Technologie steht kurz davor, Einzelpersonen und Gruppen die Möglichkeit eröffnen zu können, in absoluter Anonymität miteinander zu kommunizieren und interagieren. Zwei Personen werden miteinander Nachrichten austauschen, Geschäfte abschließen und elektronische Verträge aushandeln können, ohne jemals den tatsächlichen Namen oder die Identität des jeweils anderen zu kennen. Durch intensives Re-Routing verschlüsselter Pakete und fälschungssichere Container, bei denen kryptographische Protokolle mit nahezu perfekter Absicherung gegen jede Manipulation implementiert sind, werden sich Interaktionen über Netzwerke nicht mehr verfolgen lassen. Reputation wird von zentraler Wichtigkeit sein, in Geschäftsbeziehungen sogar weit wichtiger als heutige Bonitätsbeurteilungen. Diese Entwicklung wird die Möglichkeiten im Hinblick auf die Regulierung durch Regierungen, die Besteuerung und Kontrolle ökonomischer Aktivitäten sowie die Geheimhaltung von Informationen grundlegend verändern. Auch die Begriffe Vertrauen und Reputation selbst werden neu definiert werden.

Die dieser Entwicklung zugrunde liegende Technologie – die sicherlich sowohl eine gesellschaftliche als auch eine wirtschaftliche Revolution auslösen wird – existiert in der Theorie bereits seit einem Jahrzehnt. Die Verfahren basieren auf asymmetrischer Verschlüsselung, interaktiven Systemen auf Grundlage von Zero-Knowledge-Beweisen und verschiedenen Software-Protokollen für Interaktion, Authentifizierung und Verifizierung. Im Fokus standen sie bislang bei akademischen Konferenzen in den USA und in Europa, die unter genauer Beobachtung der NSA stattfanden. Aber erst in letzter Zeit erreichten Computer-Netzwerke und PCs die erforderliche Geschwindigkeit, um die bei diesen Konferenzen diskutierten Konzepte in die Realität umsetzen zu können. In den nächsten zehn Jahren wird die Geschwindigkeit weiter steigen, so dass die betreffenden Ideen auch wirtschaftlich praktikabel werden und damit im Grunde nicht mehr aufzuhalten sind.

Der Staat wird natürlich versuchen, die Ausbreitung dieser Technologie aufzuhalten oder zu verlangsamen, indem Bedenken im Hinblick auf die nationale Sicherheit und bezüglich der Nutzung der Technologie durch Drogenhändler und Steuerhinterzieher und schließlich die Gefahr des Zerfalls der Gesellschaft angeführt werden. Viele dieser Bedenken werden stichhaltig sein; die Krypto-Anarchie wird es ermöglichen, Staatsgeheimnisse, gesetzwidriges und gestohlenes Material frei zu handeln. Durch einen anonymisierten, computerbasierten Marktplatz werden sich sogar verabscheuungswürdige Märkte für Attentate und Erpressung ergeben. Verschiedene kriminelle Elemente, aber auch religiöse Fanatiker und andere Extremisten werden aktive Nutzer des Krypto-Netzes sein. Doch dies wird die Ausbreitung der Krypto-Anarchie nicht aufhalten.

So wie der Buchdruck die Macht mittelalterlicher Gilden geschwächt und die sozialen Machtstrukturen verändert hat, so werden auch kryptologische Verfahren die Struktur von Unternehmen und Formen von staatlicher Einmischung in wirtschaftliche Transaktionen fundamental verändern. Im Zusammenspiel mit aufkommenden Informationsmärkten wird die Krypto-Anarchie einen liquiden Markt für alles und jedes schaffen, was in Wort und Bild ausgedrückt werden kann. Und so wie die kleine Erfindung des Stacheldrahts das Einzäunen von großen Farmen ermöglicht und dadurch das Konzept von Land und Eigentum im amerikanischen Westen für immer verändert hat, so wird die scheinbar unbedeutende Erfindung eines obskuren Zweiges der Mathematik zur Drahtschere werden, die den Stacheldraht um das geistige Eigentum herum demontieren wird.

Erhebt Euch, Ihr habt nichts zu verlieren als Eure Stacheldrahtzäune!

Timothy C. May, 1988, publiziert im September 1992, übersetzt von Joerg Platzer und gekürzt um einen unbedeutenden Satz, der sich auf 80er-Jahre-Technologie bezieht.

[Anmerkung des Übersetzers: Das, was Tim May die Krypto-Anarchie nannte, nennen wir heute Krypto-Ökonomie]

Vorwort

20 Jahre später

In den zwei Jahrzehnten, nachdem Tim May das kryptoanarchistische Manifest verfasste, gab es Dutzende verschiedener Projekte, mit denen versucht wurde, ein digitales Bargeld zu erschaffen, also eine eigenständige Währung, mit der über Computernetzwerke wie das Internet genauso schnell, gebührenfrei und in völliger Privatsphäre Zahlungen getätigt werden können, wie in der realen Welt mit unseren gewohnten Geldscheinen und Münzen. Nicht unbedeutend für die Motivation dieser Anstrengungen war auch die ökonomische Einsicht, dass die Menschheit ein von der Manipulation zentraler Instanzen wie Zentralbanken und Regierungen unabhängiges Zahlungsmedium gut gebrauchen könnte, haben doch diese Instanzen und die von ihnen entwickelten sogenannten Fiat-Geld-Systeme eine beeindruckende Quote von 100% vorzuweisen, wenn es um das Scheitern eben dieser Finanzsysteme geht.

Teilweise waren dies großartige Konzepte, die aber Konzepte blieben, wie Wei Dais b-money oder Nick Szabos bit gold, aber auch solche, die umgesetzt wurden, aber als sie erste Erfolge verzeichneten, auf betreiben des alteingesessenen Finanzsystems sofort wieder gestoppt wurden, wie Doug Jacksons e-gold, bei dem der Ansatz verfolgt wurde, dem staatlichen Fiat-Geld (also Werterschaffung per Dekret, wie das bekannte »Fiat lux« aus der Bibel, »Es werde Licht«) ein Geld entgegenzusetzen, das wieder durch echten Wert gedeckt ist, ähnlich dem Goldstandard früherer Zeiten.

Bis am 1. November 2008, also grade nach Beginn der aktuell immer noch andauernden Finanzkrise des derzeitigen Systems, ein vollkommen unbekannter Programmierer namens Satoshi Nakamoto ein weiteres solches Konzept auf einer Kryptographie-Mailingliste () vorstellte. Es hatte den obskuren Titel »Ein distribuiertes Zeitstempelsystem für Verträge«. Nicht viele Menschen nahmen davon Notiz, Nakamoto programmierte die erste Version seiner Bitcoin-Software, und wenige Tage nachdem er damit am 3. Januar 2009 die ersten Bitcoins erschaffen hatte, publizierte er die Software als Open Source unter anderem im Forum der P2P Foundation. Kaum jemand bemerkte zu diesem Zeitpunkt, dass der Geburtstag, den der Nutzer Nakamoto in seinem dortigen Profil angegeben hatte, nämlich der 5. April, auf den gleichen Tag fiel, an dem Präsident Roosevelt im Jahre 1933 den Bürgern der USA mit der »Executive Order 6102« den Besitz von Gold verbieten ließ, dieses konfiszierte und das Land damit in die Akzeptanz der von der privatwirtschaftlichen Zentralbank geforderten, beliebig vermehrbaren Fiat-Währung zwang.

In den ersten entstandenen Block des Bitcoin-Systems hatte Nakamoto als Zeitstempel, also als Beweis dafür, das dieser Block an diesem Tag und nicht früher entstand, die Schlagzeile der Londoner Times des selben Tages »Chancellor on brink of second bailout for banks« (»Schatzkanzler kurz vor dem zweiten Bailout für die Banken«) implementiert, und somit einen ähnlich symbolhaltigen Hinweis für die Motivation seines Projektes hinterlassen wie den Geburtstag in seiner Online-Identität.

Wie Nakamoto selbst beschrieb, war das Ziel des Konzeptes, jegliches Vertrauen in die Finanzwirtschaft obsolet zu machen. Vertrauen in die Stabilität des Wertes unseres Geldes, Vertrauen, dass wir in die Hüter unserer Währungen haben müssen, ebenso wie das Vertrauen darauf, dass uns die Früchte unserer Arbeit gehören und nicht zum Beispiel im Zuge einer »zypriotischen Lösung« genommen werden, um scheiternde Banken zu retten. Ein Vertrauen, das während der letzten zwei bis drei Jahrtausende mit solch sicherer Regelmäßigkeit gebrochen wurde, wie die Nacht auf den Tag folgt, und das bei Bitcoin niemand aufbringen muss, da es hier durch klare Regeln ersetzt wird, die auf Mathematik beruhen und die im Quelltext manifestiert werden, so dass niemand sie jemals brechen kann. Ein System, welches kein Vertrauen benötigt und eben deshalb schnell das vollste Vertrauen vieler Anwender gewann, die sich diesem gern und in voller Freiwilligkeit anschließen und es nutzen, nicht weil sie dazu gezwungen werden, sondern weil seine Eigenschaften überzeugen.

Das System, das Nakamoto geschaffen hatte, erregte schnell Aufmerksamkeit in der internationalen Kryptographie- und Digitalgeld-Szene. Nicht nur hatte er damit einige bis dahin ungelöste theoretische Probleme gelöst, er hatte auch das erste System geschaffen, welches es ermöglichte, einen digitalen Wert über ein dezentralisiertes Netzwerk nicht zu kopieren, sondern so zu verschieben, dass jeder Teilnehmer des Netzwerkes zweifelsfrei feststellen kann, wer gerade im Besitz dieses Wertes ist. Weitere Eigenschaften, die zum schnellen Erfolg des Systems beitrugen, sind die immanente Belohnungsstruktur – wer sich am Netzwerk beteiligt und dieses dadurch stärkt, kann diese Werte, also Bitcoins verdienen – und auch die Tatsache, dass das Wachstum und die endgültige Menge dieses digitalen Geldes von vorneherein festgelegt, limitiert und von niemandem jemals wieder verändert werden können. Die Analogie zum Geld aller Gelder, dem Gold, war schnell erkannt und somit die Metapher vom digitalen Gold geschaffen. Und in der Tat: Hätte man sich vor einigen Jahren hingesetzt und sich aus Spaß einmal genau überlegt, welche Eigenschaften ein Superhelden-Geld haben sollte, und diese Eigenschaften dann einfach ganz frei und mit Freude an der Utopie formuliert, wäre dabei eine ziemlich genaue Beschreibung von Bitcoin herausgekommen, nur dass keiner gewusst hätte, wie man eine solche Utopie jemals umsetzen könnte.

Nun wissen wir weder, wer Satoshi war oder waren, noch haben wir Kenntnis darüber, ob er sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich wirklich der Genialität und des tatsächlichen Zukunftspotentials seiner Entwicklung bewusst war. Mittlerweile erkennen jedoch mehr und mehr Menschen, dass es sich bei diesem System nicht nur um ein freies, nicht manipulierbares Geld- und Zahlungssystem handelt, das allen Menschen auf der Welt zur Verfügung steht, ohne dass irgendeine Erlaubnis eingeholt oder irgendwo einen Antrag gestellt werden müsste.

Bitcoin ist viel mehr. Bitcoin wird gerne »das Geld des Internets« genannt, ist aber in Wirklichkeit das Internet des Geldes. Die Möglichkeiten, die das Bitcoin-Netzwerk bietet, sind bislang überhaupt erst ansatzweise verstanden worden und gehen über die reine Zahlungsfunktion weit hinaus. Es handelt sich um das erste globale System zur Konsensfindung, die erste funktionierende Implementierung eines Triple-Entry-Accountings, es unterwirft unser Geld basisdemokratischen Grundsätzen und es ist vor allem eines: ein frei programmierbares, globales Wirtschafts- und Finanzsystem. Jeder auf diesem Planeten kann es weiterentwickeln. Wenn eine Weiterentwicklung für andere Menschen Sinn macht, dann können diese die Weiterentwicklung nutzen und ebenfalls nach Gutdünken verändern und ihre Änderung wiederum der Menschheit zur Verfügung stellen. Vor uns liegt eine Welt voller Ideen und Innovation und ein freier Markt, auf dem diese Ideen und Entwicklungen sich dann durchsetzen, wenn sie für die Menschen Sinn machen und nicht, wie in unserem althergebrachten System, in dem wir vielleicht grade mal die Wahl der Farbe unserer Kreditkarte haben, durch Anordnung, Vorschrift oder Monopole.

All diese Eigenschaften verleihen Bitcoin eine Disruptionskraft, wie wir sie vorher nur bei Meilensteinen der technologischen Entwicklung wie der Druckerpresse, der Dampfmaschine, des Computers oder des Internets erfahren haben, wobei es eben dieses Mal um unser Geld geht. Bitcoin und das damit entstandene System der Krypto-Währung und der Krypto-Ökonomie verhalten sich zu unserem bestehendem Wirtschaftssystem wie eine unaufhaltsame Kraft, die auf ein unbewegliches Objekt trifft.

Bitcoin und die damit entstandene Krypto-Ökonomie sind auf dem Weg, alle Aspekte unserer ökonomischen Interaktionen zu dezentralisieren und komplett zu erneuern, und wir sehen bislang nur die Anfänge. Es ist davon auszugehen, dass wir in ein bis zwei Jahrzehnten wirtschaftlich über Mechanismen miteinander interagieren werden, für die wir bislang weder Konzepte noch Begriffe haben, so wie sich vor zwei Jahrzehnten niemand vorstellen konnte, über soziale Netzwerke wie Facebook zu kommunizieren, in der Badewanne HD-Videos auf seinem Smartphone zu streamen oder irgendetwas zu »googeln«, zu »tweeten«, zu »bloggen«, »hoch-« oder »runterzuladen«. Bitcoin steht heute da, wo das Internet vor 20 Jahren stand. Entsprechend schnell sind die Entwicklungen und Veränderungen in der jungen Ökonomie und entsprechend groß ist ihr Wachstumspotential.

Ich möchte Ihnen mit diesem Buch sowohl einen Einblick in die Funktionsweise dieser neuen technologischen Möglichkeiten bieten als auch aufzeigen, wie Bitcoin in den abstrakten Kontext Geld einzuordnen ist, und wünsche Ihnen viel Spaß beim lesen!

Kapitel 1. Bitcoin in a Nutshell

Bitcoin ist eine höchst innovative Technologie, die uns neue Denkweisen abverlangt, vor allem was die dezentrale Struktur dieses Systems betrifft. In diesem einführenden Kapitel möchte ich die grundlegende Funktionsweise des Bitcoin-Netzwerkes erläutern und einige zentrale Begriffe erklären, um dann in den weiteren Kapiteln mehr auf die Details einzugehen.

Das Bitcoin-Netzwerk

Für das Verständnis von Bitcoin – oder jeder anderen dezentralisierten Krypto-Währung – ist es zunächst einmal wichtig zu verstehen, dass es sich bei Bitcoins nicht einfach um irgendwelche Dateien handelt, die man zum Beispiel per E-Mail verschicken kann, sondern dass diese nur innerhalb der zugrundeliegenden Infrastruktur, also des Bitcoin-Netzwerkes, vorhanden sind und angewendet werden können. Wir wollen daher vorab das Bitcoin-Netzwerk ein wenig genauer betrachten.

Dieses Netzwerk zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es eines nicht gibt: eine zentrale Instanz oder Server, über die die Teilnehmer des Netzes miteinander kommunizieren. Bitcoin ist ein reines Peer-to-Peer-Netzwerk. Dies bedeutet, dass jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer des Netzes direkt mit anderen, gleichberechtigten Teilnehmern verbunden ist. Wenn ein Teilnehmer das übrige Netz mit bestimmten Informationen versorgen möchte, teilt er diese Information den mit ihm verbundenen Teilnehmern (»peers«) mit, die diese sofort an die wiederum mit ihnen verbunden Peers weiterleiten. Auf diese Weise verbreiten sich Informationen in Sekundenschnelle rund um den Globus und alle Teilnehmer sind diesbezüglich zu jeder Zeit auf dem gleichen Wissensstand, ohne auf die Datenbank irgendeiner zentralen Instanz zugreifen zu müssen.

Links ein zentralisiertes, rechts ein P2P-Netzwerk-Modell
Abbildung 1.1 Links ein zentralisiertes, rechts ein P2P-Netzwerk-Modell

Die Teilnehmer (»Peers«)

Teilnehmer des Netzes ist jeder, der einen mit dem Internet verbundenen Bitcoin-Client, also eine Bitcoin-Software nutzt. Diese kann eine oder auch mehrere »Wallets«, also digitale Brieftaschen, enthalten, mit denen die Bitcoins verwaltet werden. Die Analogie zur Brieftasche ist stimmig, denn auf die gleiche Weise, wie Bargeld in einer Brieftasche aufbewahrt wird, werden Bitcoins (genauer: der Zugang zu den eigenen Bitcoins) in einer solchen Wallet aufbewahrt. Der Vorteil einer digitalen Wallet mit digitalem Geld gegenüber dem gewohnten Papier und der gewohnten Münzen in der Brieftasche ist offensichtlich: Ersteres lässt sich durch Verschlüsselung und entsprechende Backups sichern, was beim Letzteren nicht möglich ist. Wallets verwalten die sogenannten Bitcoin-Adressen, denen im Netzwerk bestimmte Bitcoin-Guthaben zugeordnet sind und die aus einem öffentlichen Schlüssel (den jeder sehen kann) und einem damit mathematisch korrespondierendem privaten Schlüssel (den möglichst niemand außer dem Besitzer kennen sollte) bestehen. Mit dem privaten Schlüssel kann jeder Teilnehmer zweifelsfrei nachweisen, dass er hinsichtlich der Bitcoins, die zu einer öffentlichen Adresse gehören, verfügungsberechtigt ist.

Eine Bitcon-Adresse in ihren verschiedenen Ausprägungen
Abbildung 1.2 Eine Bitcon-Adresse in ihren verschiedenen Ausprägungen

Die Clients haben aber noch eine weitere faszinierende Funktion: Sie können die Information, die ihnen von anderen Clients mitgeteilt werden, sofort auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen. Dies tun sie vollkommen emotionslos und auf rein mathematischer Basis – die Information ist entweder mathematisch korrekt, dann wird sie verarbeitet (die Transaktion wird akzeptiert) und entsprechend an andere Teilnehmer weitergeleitet, oder sie ist falsch, dann fällt sie unter den Tisch (und die Zahlung wird nicht akzeptiert). Auf die physikalische Welt übertragen können Sie sich einfach eine Brieftasche vorstellen, in die sich keine falschen Geldscheine stecken lassen, weil die Brieftasche sie als falsch erkennt und sich weigert, sie aufzunehmen.

Die Clients sind deshalb dazu in der Lage, weil sie alle auf die gleiche Informationsquelle zugreifen, nämlich eine Datenbank, in der alle jemals im Netzwerk getätigten Informationen verzeichnet sind – die Blockchain, die von jedem vollwertigen Netzwerkkonto lokal vorgehalten wird. Wenn sie weiß, wem zu welchem Zeitpunkt was gehört hat beziehungsweise gehört, können die Clients prüfen, ob der, der gerade Geld verschicken möchte, dieses auch tatsächlich besitzt.

Die Blockchain

Bei der Blockchain handelt es sich um das zentrale Werkzeug und die bahnbrechende Innovation, die Bitcoin erst möglich macht und ohne die die dezentralisierte, verteilte Buchhaltung des Systems nicht möglich wäre. Sie bildet die Grundlage der gesamten Magie des »magic internet money« und das Verständnis ihres Konzepts ist Voraussetzung für jeden, der die Funktionsweise von Bitcoin nachvollziehen möchte.

Im Gegensatz zu einer zentralisierten Buchhaltung, bei der zum Beispiel in einer großen, zentralen Datenbank alle Informationen darüber zu finden sind, wem was gehört, stehen im Bitcoin-Netzwerk jedem Teilnehmer zu jeder Zeit alle diese Informationen zur Verfügung. Nun wäre es ziemlich aufwändig, nach jeder vorgenommenen Buchung ein Update der gesamten Datenbank an alle Teilnehmer zu schicken. Außerdem stellte sich hier die Frage, woher diese denn wissen sollen, dass das, was in der jeweiligen Version steht, auch stimmt?

Um dieses Problem zu lösen, wird die Buchhaltung des Bitcoin-Netzwerkes in Häppchen verteilt und ein solches Häppchen nennt man einen Block. Ungefähr alle zehn Minuten entsteht ein neuer Block und er enthält folgende Informationen:

  • die Transaktionen, die dem Netz seit der Erstellung des letzten Blocks von den Teilnehmern gemeldet wurden;

  • sogenannter »Proof-of-Work« (»Arbeitsbeweis«), der das Ergebnis des Bitcoin-Minings ist (siehe Kapitel 8 für Details);

  • einen leicht überprüfbaren mathematischen Bezug zum vorausgegangenen Block, um jedem anderen Netzwerkteilnehmer gegenüber zu belegen, dass der neue Block auf dem bisherigen Stand der gemeinsamen Buchhaltung aufsetzt.

Die Buchungen in der verteilten Buchhaltung des Bitcoin-Netzwerkes werden in Form von zeitlich aufeinanderfolgenden, mathematisch aufeinander aufbauenden Blöcken verzeichnet.
Abbildung 1.3 Die Buchungen in der verteilten Buchhaltung des Bitcoin-Netzwerkes werden in Form von zeitlich aufeinanderfolgenden, mathematisch aufeinander aufbauenden Blöcken verzeichnet.

Aufgrund der Bezugnahme eines jeden neuen Blocks auf den vorherigen entsteht eine Kette von Blöcken, eben die so genannte Blockchain. Auch die zeitliche Reihenfolge der Transaktionen wird auf diese Weise festgehalten, da der Block, mit dem eine Transaktion bestätigt wurde, dieser Transaktion einen unwiderruflichen Zeitstempel aufdrückt. Durch diese Kette ist es möglich, alle Transaktionen bis hin zum ersten von Satoshi Nakamoto (der vermutete Bitcoin-Erfinder) generierten Block, dem so genannten »Genesis Block«, zurückzuverfolgen. Dadurch kann mittels der Blockchain nicht nur festgestellt werden, wer zum aktuellen Zeitpunkt über wie viele Bitcoins verfügt, sondern es lässt sich außerdem überprüfen, ob das auch stimmen kann, weil ja jede einzelne Transaktion der Vergangenheit einsehbar ist.

Diese verteilte Buchhaltung ließe sich mithilfe folgender Metapher beschreiben: Stellen Sie sich vor, alle Menschen wären mit Superhirnen ausgestattet und könnten sich alles merken, was sie nur möchten. Jeder wüsste zu jedem Zeitpunkt, wer auf der Welt wie viel Geld besitzt. Des Weiteren hätten die Menschen in dieser hypothetischen Welt die Fähigkeit verloren, zu lügen, so dass wir uns gegenseitig hundertprozentig vertrauen könnten (dies wird bei Bitcoin durch die Kryptographie erreicht). Nun gehen Sie (Alice) abends ein Bier trinken und bezahlen Ihrem Wirt (Bob) die Euro 2,50 nicht mit Münzen, sondern indem Sie ihm diese mündlich überlassen. Er weiß ja, dass Sie so viel besitzen (er hat die Kontostände aller Menschen im Kopf), akzeptiert die Zahlung und gibt sechs anderen Gästen Bescheid, dass Sie ihm nun diese Euro 2,50 überlassen haben. Jeder dieser Gäste weiß, dass Alice so viel besitzt, dass Bob die Wahrheit sagt, nimmt sein Mobiltelefon und gibt kurz sechs anderen Leuten irgendwo auf der Welt Bescheid, dass Alice Bob gerade dieses Geld übergeben hat und es nun Bob gehört. Jeder dieser Personen gibt die Information direkt an weitere sechs Leute weiter, diese tun das gleiche und so weiter, so dass in Windeseile die gesamte Menschheit Bescheid weiß, dass nun Bob der Besitzer des Geldes ist. Alle zehn Minuten überprüft ein Buchhalter irgendwo auf der Welt noch einmal alle in den letzten zehn Minuten weltweit angefallenen Zahlungen sowie deren Stimmigkeit mit allen bislang bekannten Kontoständen, bestätigt dem Rest der Welt erneut deren Richtigkeit und dokumentiert damit, wann Sie Ihr Bier bezahlt haben. Sie können diese Zahlung auch nicht wieder rückgängig machen, weil nun alle Welt weiß und dies auch bestätigt wurde, dass das Geld nun Bob gehört und er der einzige ist, der darüber verfügen darf.

Die Miner

Miner sind im Prinzip Clients mit einer zusätzlichen Spezialaufgabe. Sie sammeln die ins Netz gesendeten Transaktionen, prüfen diese auf ihren Wahrheitsgehalt, fassen sie zusammen und nehmen sie in die gemeinsame Buchhaltung mit auf.

Alle zehn Minuten berechnet ein Miner das Ergebnis einer außerordentlich schwer zu lösenden Rechenaufgabe, einen sogenannten Block. In diesen Block wiederum fließen sowohl der letzte zuvor errechnete Block als auch die seither propagierten Transaktionen mit ein, und der Miner bestätigt mit diesem Schritt die Korrektheit dieser Transaktionen und ihre Stimmigkeit mit allen vorangegangenen Buchungen im Netzwerk.

Die zu lösenden Rechenaufgaben sind von einer ganz besonderen Art, die man »One-Way-Hashes« nennt. Dabei handelt es sich um Aufgaben, die einerseits sehr schwierig zu lösen sind, es andererseits aber ermöglichen, auf einfache Weise zu überprüfen, ob das gelieferte Ergebnis denn auch wirklich stimmt. Im Grunde genommen geht es bei diesen Aufgaben darum, eine bestimmte, sehr lange Zahl zu finden, die bestimmten Anforderungen entspricht und in einem bestimmten Standard-Format angegeben wird. Jeder Client kann also ohne nennenswerten Aufwand sofort überprüfen, ob das Ergebnis, welches der Miner mit großem Aufwand errechnet hat, auch richtig ist.

In unserer oben beschriebenen Metapher handelt es sich bei den Minern um die Buchhalter, die alle Buchungen der letzten (durchschnittlich) zehn Minuten nochmals überprüfen und der übrigen Menschheit bestätigen, dass diese richtig sind.

Was passiert bei einer Transaktion?

Führen wir uns Folgendes noch einmal vor Augen: Bitcoins liegen nicht irgendwo auf einem Datenspeicher rum und man kann sie auch nicht irgendwie durch die Gegend schicken. Eigentlich existieren Bitcoins einzig und allein als Einträge in der großen gemeinsamen Datenbank, der Blockchain. Einen Bitcoin-Wert von einem Nutzer zum anderen zu transferieren bedeutet, eine Umbuchung in dieser Datenbank vorzunehmen. Die Besitzverhältnisse in der Bitcoin-Welt sind also nicht dadurch geklärt, wer wie viel auf seiner Festplatte hat, sondern wer dem Rest des Netzwerkes belegen kann, dass er berechtigt ist, eine solche Umbuchung von einer Adresse an die andere vorzunehmen.

Nehmen wir also an, unsere eben vorgestellten Freunde Alice und Bob tätigen ein Geschäft und Alice will Bob einen Bitcoin übertragen. Der Bitcoin von Alice ist auf eine ihrer Adressen gebucht und über diese Adresse (den öffentlichen Schlüssel) und die dazu gehörigen Bitcoins hat ausschließlich sie die Kontrolle, weil sie nämlich als einzige, die den dazugehörigen privaten Schlüssel besitzt, in der Lage ist, eine Buchung weg von ihrer Adresse zu autorisieren.

Alice erhält nun von Bob die Adresse, an die sein Bitcoin geschickt werden soll. Mittels ihres Bitcoin-Clients teilt Alice dem Rest des Netzwerkes mit, dass sie den entsprechenden Wert an Bobs Adresse übertragen möchte. Hierzu signiert sie die entsprechende Buchungsaufforderung mit ihrem privaten Schlüssel und schickt sie an die mit ihr verbundenen Teilnehmer. Die anderen Netzwerk-Teilnehmer können diese nun validieren, was Folgendes bedeutet:

  • Mithilfe der öffentlich zugänglichen Buchhaltung wird sofort überprüft, ob Alice überhaupt einen Bitcoin auf dieser Adresse besitzt.

  • Anhand der kryptographischen Signatur wird erkannt, dass auch tatsächlich die Berechtigung vorhanden ist, diesen von dieser Adresse an eine andere zu transferieren.

Die anderen Clients nehmen zu diesem Zeitpunkt die Transaktionsanweisung erst einmal zur Kenntnis, sie ist aber noch nicht fester Bestandteil der gemeinsamen Buchhaltung. Hier kommt nun der Miner ins Spiel, der den nächsten Block errechnet.

Dazu nimmt er als Ausgangspunkt den bisherigen Stand der Buchhaltung, auf den sich das Netzwerk bislang geeinigt hat (also den letzten Block), fasst die seit dem letzten Block in das Netz gemeldeten Transaktionsanforderungen (sofern diese valide sind) zusammen und bezieht diese Informationen in das von ihm zu errechnende Ergebnis mit ein. Wenn der Miner den nächsten Block (also das Ergebnis der Rechenaufgabe) gefunden hat, sendet er diesen sofort an das gesamte Netzwerk und bestätigt damit die zwischenzeitlich angefallenen Transaktionen und deren Stimmigkeit mit allen jemals vorher im Bitcoin-Netzwerk erfolgten Aktionen.

Jeder am Netzwerk beteiligte Client kann sich nun diesen letzten Block herunterladen und sicher sein, dass seine Buchhaltung exakt auf dem gleichen Stand ist wie die des gesamten Netzes, und dieser Stand sagt jetzt aus, dass der Bitcoin, der vorher auf die Adresse von Alice gebucht war, sich nun unter der Kontrolle von Bob befindet und ihm gehört.

Adressen, Wallets und Clients

Wir verwenden nicht nur in diesem Buch, sondern auch in der Bitcoin-Ökonomie Begrifflichkeiten, die auf den ersten Blick überlappen und etwas verschwommen daherkommen. So werden Sie zum Beispiel lesen und hören, dass Bitcoins nicht nur zwischen Adressen, sondern auch zwischen Wallets ausgetauscht werden, und dann ist da auch noch die Rede von Clients. Deshalb möchte ich diese Begriffe vorab definieren.

Wallets sind im Prinzip Sammlungen von beliebig vielen Adressen, die gemeinsam verwaltet werden und deren aufsummierter Wert dem Nutzer als verwendbares Guthaben einer solchen Wallet angezeigt wird. Sie benötigen also eine Wallet, um die Bitcoins, die zu einer bestimmten Adresse gehören, ausgeben zu können. Die Wallet dient außerdem dazu, Adressen zu generieren, und ermöglicht in der Regel auch den Import von Adressen, die von anderen Wallets generiert wurden, sofern Sie denn den privaten Schlüssel zu der entsprechenden Adresse besitzen. Um genau zu sein, benötigt die Wallet nur den privaten Schlüssel zu einer Adresse, da sie die öffentliche Adresse jederzeit aus dem dazugehörendem privaten Schlüssel generieren kann. Bei einer Wallet kann es sich um ein Programm handeln, das auf Ihrem Computer ausgeführt wird (wie Bitcoin-Core oder das KryptoKit), oder auch um einen Online-Dienst auf einer Webseite, die Ihre Bitcoins verwaltet (wie easywallet.org).

Ein Client ist ein Programm, das auf Ihrem Computer ausgeführt wird und genau das tut, was eine Wallet macht. Bitcoin-Core ist somit gleichzeitig eine Wallet und ein Client, so dass die Begriffe hier austauschbar sind. Es gibt allerdings auch Clients, die in der Lage sind, mehrere Wallets gleichzeitig separat voneinander zu verwalten, wie zum Beispiel Armory.

Die Hierarchie von Adressen, Wallets und Clients
Abbildung 1.4 Die Hierarchie von Adressen, Wallets und Clients

Seien Sie nicht enttäuscht, wenn Sie nach Lektüre dieses ersten Kapitels noch viele Fragezeichen auf der Stirn haben. Alles andere wäre ungewöhnlich, denn wie bereits Dan Kaminsky, einer der weltweit führenden Experten im Bereich der Computersicherheit sagte: »Die ersten fünf mal, die man glaubt, Bitcoin verstanden zu haben, hat man das nicht.«. In den nächsten Kapiteln werde ich versuchen, diese Fragezeichen zu beseitigen.