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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Vorspiel

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Nachspiel

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

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Nr. 2376

 

Tolle Tage in Terrania

 

Die Hauptstadt der Erde steht kopf – mysteriöse Vorgänge in der Thora Road

 

Leo Lukas

 

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Seit die Einheiten der Terminalen Kolonne TRAITOR mit ungeheurer Waffengewalt die Kontrolle über die Milchstraße und ihre Planeten übernommen haben, steht die Menschheit in einem verzweifelten Abwehrkampf. Immerhin leistet das Solsystem – geschützt durch den TERRANOVA-Schirm – unter Perry Rhodans Führung hartnäckigen Widerstand gegen die Armada der Chaosmächte.

Nur wenige Verstecke in der Menschheitsgalaxis sind bislang nicht von TRAITOR besetzt. Zu diesen Schlupfwinkeln zählt der Kugelsternhaufen Omega Centauri mit seinen uralten Hinterlassenschaften ebenso wie die Charon-Wolke. Nahezu alle anderen Systeme sind jedoch ungeschützt.

Auf Terra legt man auch weiterhin nicht die Hände in den Schoß. Allenthalben wird geforscht. Seltsame Aktivitäten steigern sich – und es kommen TOLLE TAGE IN TERRANIA …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Hajmo Siderip – Der Xeno-Psychologe kann sich nicht für Swoon-Musik begeistern.

Darasalaanaghinta Mitchu – Die Reporterin »Sparks« wittert die Story ihres Lebens.

Matheux Alan-Bari – Der Hyperphysiker erfährt eine späte Berufung.

Pal Astuin und Merlin Myhr – Das düstere Duo betreibt Schadensbegrenzung.

Dein Leben ist geordnet,

Dein Bett perfekt gemacht.

Deine Welt scheint sicher.

Aber plötzlich, über Nacht,

Lässt du ganz am Rande

Jemand ins System hinein,

Und das Chaos, ja, das Chaos,

Pures Chaos nistet sich ein …

Swoofonics, »Innovasion«

 

 

Vorspiel

 

»Mami, schau, da reitet ein Mann auf der Rakete!«

Die helle, kräftige Kinderstimme trug weit. Köpfe wurden gehoben, Hälse gedreht; Blicke folgten dem ausgestreckten Ärmchen.

Dann ertönten Rufe des Erstaunens.

»Wer ist das?«

»Was tut er da?«

»Wie ist er überhaupt dort raufgekommen?«

Der Mann trug ein violett schimmerndes Gewand, eine Art Morgenmantel, und um den Kopf blütenweiße Heilfolie. Er ritt nicht, sondern kauerte, und auch nicht direkt auf dem antiken Fluggerät, sondern auf der stilisierten Schleife aus Perlmutt-Marmor, die sich um die schlanke Spindel wand.

Das Gewirr aus Dutzenden von Stimmen schwoll immer stärker an. »Was hat er vor?«

»Spinnt der?«

»Ach, wahrscheinlich wieder so eine Kunstaktion.«

»Runter da!«

»He, mach bloß keinen Blödsinn!«

Neugier und Besorgnis mischten sich mit Entrüstung. Der Mann trug keine sichtbaren Waffen oder sonstigen Gerätschaften. Er wirkte nicht bedrohlich, eher verschreckt.

Wollte er Selbstmord begehen? Dann hatte er sich einen denkbar schlechten Platz ausgesucht.

Nicht nur erschien die Distanz zum Boden zu gering für einen ultimativen Sprung in den Tod. Schwerer noch wog, dass man so etwas hier, an diesem Ort, ganz einfach nicht machte.

Denn dies war nicht irgendeine Rakete. Dies war die STARDUST. Keine Replik, sondern das Original: der winzige Flugkörper, mit dem Perry Rhodan vor über drei Jahrtausenden die erste Mondexpedition angetreten und der Menschheit den Weg zu den Sternen eröffnet hatte.

Empörung brandete über den Platz inmitten des Gobi-Parks. Die echte, konservierte, uralte STARDUST stand hier als Sinnbild der Hoffnung, der grenzenlosen Zuversicht, des Aufbruchs der Terraner hinaus ins Universum; sie stand für Wagemut und Optimismus.

Und für Beharrlichkeit, Loyalität, Durchhaltevermögen: Die im Jahr 1311 Neuer Galaktischer Zeitrechnung hinzugefügte Marmor-Schleife, auf der die Gestalt kniete, sollte an den heldenhaften, gewaltlosen Widerstand der Gruppe »Sanfter Rebell« gegen die arkonidische Besatzung erinnern.

Ein solches Monument missbrauchte, befleckte, entweihte man nicht zu persönlichen Zwecken, und mochte man noch so verzweifelt sein.

»Mann, verzieh dich!«

»Kann ihn vielleicht endlich jemand herunterholen?«

»Mami, ich hab Angst.«

»Wahrscheinlich bloß wieder so eine Kunstaktion.«

»Seid ihr Blechkübel nur zur Verzierung da oder was?«

Klobige Roboter, unwesentlich jüngeren Baujahrs als die primitive Rakete, bildeten eine kreisförmige Absperrung um das STARDUST-Memorial. Gewöhnlich fungierten sie nur als symbolische Barriere. Nun aber hatten sie alle Hydraulik-Arme voll zu tun, um die andrängende Menge zurückzuhalten.

Da erklang aus unsichtbaren Akustikfeldern ein Gong, gefolgt von der Aufforderung, Ruhe zu bewahren und den zuständigen Ordnungskräften den Weg frei zu geben.

Eine Gasse tat sich auf. Zwei Humanoide schritten hindurch, zielstrebig, Autorität ausstrahlend.

Hinterher wollte sich niemand an ihr genaues Aussehen erinnern. Aber viele Augenzeugen stimmten überein, dass es sich um »rabenschwarze Typen« gehandelt habe.

Die beiden Dunklen schwebten, wohl von Antigravfeldern getragen, empor zur Marmor-Schleife und bargen den Mann, der keine Gegenwehr leistete. Willenlos ließ er sich abtransportieren, wobei er kaum Verständliches stammelte.

»Was hat er gesagt?«

»Irgendwas über Bäume.«

»Eschen, glaub ich. Und dass sie gefährlich sind.«

»Eschen? Hä? Seit wann sollen die gefährlich sein?«

»Wenn ihr mich fragt – wahrscheinlich eine dieser Kunstaktionen, für die unsere Steuergelder verschleudert werden.«

»Halt die Klappe, Idiot!«

So schnell, wie er entstanden war, zerstreute sich der Menschenauflauf wieder. Die Kinder wurden von den Eltern besänftigt, die Pärchen flanierten weiter, die Müßiggänger fläzten sich erneut in ihre Pneumo-Liegestühle und ließen sich das Gesicht von der Abendsonne wärmen.

Bald lag der Gobi-Park genauso friedlich da wie zuvor. Nur eine hübsche Frau mittleren Alters huschte eifrig von einem Grüppchen zum anderen. Auf ihre Fragen erntete sie Achselzucken und Kopfschütteln.

Nichts blieb übrig von der Aufregung, als hätte sie der milde Wind restlos verweht. Dies war schließlich Terrania, nicht wahr? Hier passierte ständig etwas.

1.

Sprech-Stunden? Hilfe!

14. Dezember 1345 NGZ

 

Hajmo Siderip liebte den See.

Es handelte sich weder um den größten der Metropole, noch um den landschaftlich-architektonisch reizvollsten. Der Lake Rhuoshui durchmaß nur sieben Kilometer in west-östlicher und rund zwei Drittel davon in nord-südlicher Ausdehnung; an keiner Stelle war er tiefer als fünfzehn Meter. Mit dem exotischen Freizeit-Angebot des Lago Juyanze vermochte er ebenso wenig mitzuhalten wie mit den prunkvollen Restaurants und Drachenschiffen am Goshun-See.

Aber um die Mittagszeit spiegelte sich die Sonne im Lake Rhuoshui, dessen Oberfläche die Strahlen Sols bis herauf in Hajmos Appartement reflektierte. Die Brechung und die leichten Wellenbewegungen ergaben ein ganz merkwürdiges Licht, so, als befände sich das Arbeitszimmer unter Wasser und nicht fast einen Kilometer über dem Erdboden.

Das war einer der Hauptgründe dafür gewesen, dass Hajmo sich für dieses Appartement entschieden hatte – trotz des Preises, welcher der exponierten Lage an Höhe nicht nachstand.

Nuoriel war solch unnötiger Luxus ein steter Dorn im Auge. Wenn Hajmo und sie stritten, dauerte es nie lang, bis sie beim Thema Wohnen landeten. Und wann stritten sie in letzter Zeit eigentlich nicht?

Wenn wir einander aus dem Weg gehen, gab sich Hajmo mit leichter Bitterkeit selbst die Antwort.

Deshalb hielt sich Nuoriel meist draußen in Shonaar auf und er hier am Rhuoshui. An seinem kleinen See, der schweigsam, anspruchslos und verträumt zu Hajmo heraufblinkte und das Zimmer in flimmerndes Zauberlicht tauchte.

Siderip wischte sich über die Augen im Bemühen, die Melancholie zu verscheuchen. Geräusche aus dem Vorzimmer zeigten ihm an, dass sein erster Klient des Tages eingetroffen war.

 

*

 

Flippong, Elm und Drizhak führten den Besucher herein. Durcheinanderschnatternd, stellten sie ihn als Herrn Matheux Alan-Bari vor, nicht ohne tadelnd zu erwähnen, dass er um drei Minuten verspätet zum vereinbarten Termin erschienen sei. Hajmo scheuchte das quirlige Trio hinaus und bot seinem Gast einen Sessel an.

Falls ihn die Vorzimmerfamilie irritierte, so zeigte Alan-Bari dies nicht. Entweder fand er nichts dabei, von knapp halbmetergroßen, auf sechs Tentakelbeinen laufenden Krakenwesen begrüßt zu werden, oder er schenkte seiner Umwelt generell wenig Beachtung.

Hajmo tippte auf Letzteres.

Matheux Alan-Bari entsprach nahezu perfekt der Vorstellung, die sich manche Leute vom lebensfernen, versponnenen, etwas zerstreuten Wissenschaftler machten. Grauer Bart, graue Zottelmähne und ins Gräuliche verwaschene, schon vor Jahrzehnten aus der Mode geratene Kleidung erweckten einen Eindruck, der hart an Ungepflegtheit, wenn nicht Verwahrlosung grenzte. Hajmo musste es sich verkneifen, tief einzuatmen, um zu überprüfen, ob von seinem Gegenüber ein strenger Geruch ausging.

So viel zu professioneller Toleranz und Vorurteilslosigkeit, dachte er, halb verärgert, halb amüsiert, über seine instinktive Reaktion.

Laut sagte er: »Bevor wir beginnen, möchte ich darauf hinweisen, dass ich zwar ausgebildeter Psychologe bin, jedoch eigentlich auf Fremdwesen spezialisiert.«

Alan-Bari nickte. »Ich weiß, was das ›Xeno-‹ vor deiner Berufsbezeichnung bedeutet. Mir egal. Psychoklempner ist Psychoklempner.«

»Nun, das würde ich so nicht …«

»Im Übrigen, falls du’s genau wissen willst«, schnitt ihm Alan-Bari brummig das Wort ab, »war bei keinem anderen deiner Profession in absehbarer Zeit ein Termin frei. Momentan herrscht großer Bedarf an Seelendoktoren; wen wundert’s. Und wenn ich mir einen eingewachsenen Zehennagel operieren lassen will, aber kein Chirurg verfügbar ist, gehe ich eben notfalls zum Tierarzt, klar?«

»Verstehe.«

Der Vergleich schmeichelte Hajmo nicht unbedingt. Dennoch wurde ihm der alte, grantige Kauz gerade durch seine unverblümte Art allmählich sympathisch. »Du sagtest, du lehrst an der Waringer-Akademie?«

Alan-Bari feixte. »Verblüffenderweise hat sich daran seit meinem Anruf heute Vormittag nichts geändert.«

Obwohl seine Arbeitsstätte, der markante Rainbow-Dome, von hier aus gut sichtbar war, verschwendete er keinen Blick darauf. Auch Hajmo sah er nicht direkt an, sondern an ihm vorbei.

»Macht dir das Unterrichten Spaß?«

»Geht so. Angeblich hockt bei uns die Elite der Studenten, aber ich merke herzlich wenig davon. Unter uns – die Meisten könnte ich mit einem nassen Lappen erschlagen.«

»Das ist jedoch nicht das Problem, wegen dem du dich an mich gewandt hast.«

»Nein!«

Pause.

Hajmo wartete einige Atemzüge, dann sagte er: »Hör mal, du hast eine Stunde Konsultation gebucht. Verhältst du dich weiterhin derart defensiv, wirst du kaum auf deine Kosten kommen.«

»Ich war noch nie bei sowas!« Unwirsch fuchtelte Alan-Bari mit den Armen. »Mich macht das nervös. Außerdem dachte ich, es sei dein Job, das Gespräch zu führen.«

»Das versuche ich ja. Aber du erleichterst es mir nicht gerade. Für dich sprechen musst du schon selbst.« Hajmo atmete tief durch. »Wie wär’s, wenn du mich einfach darüber aufklärst, weshalb du so dringend psychologische Beratung suchst?«

 

*

 

Matheux Alan-Bari war 111 Jahre alt, ohne familiären Anhang, da er recht gut allein zurechtkam und seine eigene Gesellschaft jener anderer Personen vorzog.

Als notorischen Einzelgänger oder gar sozial gestört empfand er sich deswegen nicht. Dass er eine gewisse Distanz zu seinen Zeitgenossen hielt, bedeutete keineswegs, dass er nicht Anteil am Gemeinwesen nahm, oder? Und er war durchaus bereit, seinen Beitrag zu leisten, beispielsweise als Globist der ersten Stunde.

»Bist du mit dem bisherigen Verlauf deiner wissenschaftlichen Karriere zufrieden?«, fragte der Psycho-Fritze.

Matheux bejahte; nach leichtem Zögern.

Was Siderip sofort bemerkte. Vielleicht war der Kerl doch sein Geld wert. »Ich meine, die Waringer-Akademie ist nicht gerade die schlechteste Adresse der Milchstraße«, setzte er nach.

Eben. Matheux hatte keinen Grund, sich zu beschweren. Obgleich …

Sein Stellenwert und die nach all den Jahrzehnten erreichte Position waren maximal halbwegs befriedigend zu nennen. Ja, halbwegs traf es ganz gut: spätestens auf halbem Weg stehen geblieben, oder zumindest ermattet, träger geworden. Während andere, die über nicht annähernd so viel Talent verfügt hatten, an ihm vorbeizogen.

»Kränkt dich das?«

Matheux kratzte sich am Bart und studierte danach die dunklen Ränder unter seinen Fingernägeln. Er dachte nach. Die – oder besser: dieser – Frage hatte er sich schon lange nicht mehr gestellt.

»Nein«, sagte er schließlich wahrheitsgemäß. »Eigentlich kaum, ehrlich.«

Er hatte sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, es ein wenig gemütlicher anzugehen als seine ehrgeizigen Kollegen. Zu arbeiten, um zu leben, nicht umgekehrt. Lieber erbauliche Lektüre bei guter Musik und einem feinen Weinchen, statt dauernd unter Strom und Aufputschmitteln Ruhm und Erfolg nachzujagen.

»Klingt vernünftig«, bestätigte ihn Siderip. »Nicht jeder kann zu einem Baldwin Carapol oder Malcolm S. Daellian werden. Wobei ich, gerade im Fall des Zweitgenannten, mal dahingestellt lasse, ob das so erstrebenswert wäre.«

Matheux durchschaute den Psychologen: Er etablierte Übereinstimmung, baute Vertraulichkeit auf. Nun, das gehörte wohl zu seinem Handwerkszeug. Wenigstens entblödete er sich nicht, verschwörerisch zu zwinkern.

Sicher – wie Daellian in seinem fliegenden Sarg hätte Matheux nie enden wollen. Ihn schauderte bei der Vorstellung, eine solche Existenz zu fristen.

Andererseits musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass es ihm nicht selten an Antrieb, Biss und Bereitschaft, sich selbst zu überwinden, gemangelt hatte. In puncto Intelligenz war er immer einer der Besten, Schnellsten, Fixesten gewesen. Wie es so schön hieß: vielversprechend. Bloß war es beim Versprechen geblieben; eingelöst hatte er es nie.

Den einsamen Höhepunkt seiner Karriere hatte er schon in sehr jungen Jahren erreicht. Noch während des Studiums hatte Matheux beiläufig, quasi aus der Hüfte, ein hyperphysikalisches Theorem aufgestellt, durch das er schlagartig in akademischen Kreisen bekannt geworden war.

Nachgekommen war nichts mehr. Trotzdem zehrte er nach wie vor davon. Mit der Erhöhung der Hyperimpedanz taten sich neue Anwendungsbereiche für die Alan-Bari-Gleichung auf, und man erinnerte sich plötzlich wieder an den, der sie formuliert hatte.

Deswegen war er an die Waringer-Akademie berufen worden. Und aus demselben Grund hatte ihn am vorigen Tag eine Anfrage aus dem Forschungszentrum Merkur-Alpha ereilt. Es galt, einen wichtigen Abteilungsleiter-Posten neu zu besetzen – und man offerierte ihm die Stelle!

»Kann es sein«, fragte Siderip lächelnd, »dass wir uns langsam dem Kern der Sache nähern?«

 

*

 

Etwas an der Geschichte des mürrischen Zottels berührte ihn. Hajmo benötigte keine tiefenpsychologische Supervision, um zu erkennen, was es war.

Mit Fug und Recht konnte man Alan-Bari ein vergeudetes Genie nennen. Und gab es da nicht Parallelen zu Hajmos eigener Situation? Auch ihn hatte man einen Senkrechtstarter genannt, auch ihm einen raketengleichen Aufstieg prophezeit. Und jetzt?

Wo stand er jetzt? An der Glasfront seines sündteuren Appartements, auf den Rhuoshui-See hinabstarrend, an dessen anderem Ufer seine primäre Wirkungsstätte lag, die Universität von Terrania.

Dozent durfte er sich schimpfen: Dozent. Bravo! Mehr ist nicht aus dir geworden, Goldjunge? Bloß ein Lehrer mit einem etwas hochtrabenderen Titel und einer – sogar in Zeiten wie diesen – lächerlich spärlich frequentierten Privat-Ordination …

Hajmo rief sich zur Ordnung. Sein Klient besaß das Recht auf volle Aufmerksamkeit. »Unverhofft kommt oft«, rettete er sich in einen billigen Gemeinplatz. »Auf einmal ist da wieder eine ganz große Chance. Und das belastet dich?«

»Brillant. Um auf diesen Gedanken zu kommen, brauche ich keinen Seelenschuster«, knurrte Alan-Bari, ungeniert in der fleischigen Nase bohrend. »Abgesehen davon, dass die Ehre eine relative ist.«

Er sei nicht blöd, sagte er, und sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass er den Ruf nach Merkur-Alpha lediglich einer gewissen Ausblutung verdankte. Zahlreiche Wissenschaftler waren zum Geheimstützpunkt Charon abgewandert. Frisches Blut von außerhalb kam kaum nach, seit die Belagerung der Terminalen Kolonne TRAITOR das Solsystem vom Rest der LFT faktisch abschnitt.

»Gleichwohl freust du dich.«

»Ja.«

Übrigens stank der Zottel keineswegs, sondern strömte einen leichten Veilchengeruch aus. Hajmo kannte das Parfum; Nuoriel verwendete es gelegentlich. Doch darum ging es hier nicht.

»Gratulation«, sagte er. »Ein Anlass zum Feiern. Aber statt ihn mit ›erbaulicher Lektüre bei guter Musik und einem feinen Weinchen‹ zu zelebrieren, bemühst du dich verzweifelt um einen Termin bei jemandem wie mir. Warum, alter Mann?«

Der Hyperphysiker glotzte schweigend ins Leere. Hajmo verlor die Geduld. Er beugte sich über den Tisch und schlug mit der flachen Hand auf die durchsichtige, hauchdünne Platte, die zu schwingen begann und einen hohen, singenden Ton produzierte, ähnlich dem einer Glasharfe. »Wir haben nur mehr knapp zehn Minuten. Raus mit der Sprache!«

»Ich … ich war noch nie weg«, gestand Alan-Bari kleinlaut. »Dort draußen, meine ich. Ich habe Terra in meinem ganzen Leben nicht verlassen.«

Ein Heimschläfer, dachte Hajmo, fast ein wenig enttäuscht. So nannte man Menschen, die sich von ihrem Heimatplaneten nicht trennen konnten, und sei es für eine noch so befristete Zeitspanne.

»Ich nehme an«, sagte er in heiterem Tonfall, »dass du dir die rationalen Argumente schon selbst aufgelistet hast. Erstens: Der Merkur liegt innerhalb des Sonnensystems und des TERRANOVA-Schirms, praktisch nur einen Katzensprung entfernt. Zweitens: Im dortigen Forschungszentrum sieht es garantiert nicht viel anders aus als an der Waringer-Akademie.«

»Drittens: Terra ist, wo Terraner leben«, vollendete Alan-Bari. »Und dank der gegebenen Kommunikations- sowie Transportmittel erschiene mir Merkur-Alpha vermutlich näher und weniger fremd als, sagen wir, Reykjavik oder gar Wien. Weiß ich, weiß ich alles.«

»An sämtlichen Personen-Raumhäfen werden Kurse gegen Raumflugangst angeboten. Ich gebe dir eine Kontaktadresse.«

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