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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

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Nr. 2357

 

Camp Sondyselene

 

Ein Posten der Friedensfahrer entsteht – Kirmizz sucht nach Erinnerungen

 

Michael Marcus Thurner

 

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Wir schreiben das Jahr 1345 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4932 alter Zeitrechnung. Die Milchstraße ist von der Terminalen Kolonne TRAITOR besetzt, einer gigantischen Flotte der Chaotarchen.

Ihr Ziel ist es, aus Welten der Galaxis einzelne »Kabinette« für einen Chaotender zu formen, eines der machtvollsten Instrumente des Chaos schlechthin: Dieser Chaotender soll einmal VULTAPHER heißen und das Territorium einer entstehenden Negasphäre sichern. Eine Negasphäre wiederum ist eine Brutstätte des Chaos, die normale Lebewesen als absolut lebensfeindlich empfinden.

Perry Rhodan und die Menschheit sind im Solsystem bisher sicher vor dem Zugriff der Terminalen Kolonne. Der TERRANOVA-Schirm schützt das System gegen Angriffe, unterstützt durch den Nukleus, ein sogenanntes Geisteswesen, das aus menschlichen Mutanten hervorgegangen ist. Innerhalb der Galaxis gibt es weitere kleine Widerstandsgruppen.

Zentrum des Geschehens ist aber nicht die Milchstraße selbst, sondern die Galaxis Hangay, in der sich längst die Chaosmächte festgesetzt haben. Endlich werden dort aber auch die Verbündeten der Menschheit aktiv – und Friedensfahrer gründen das CAMP SONDYSELENE …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Kirmizz – Der Stolze Herr sucht nach seiner Erinnerung.

Cosmuel Kain – Die Halb-Cyno steht vor ihrer Initiationsaufgabe zur Friedensfahrerin.

Kantiran – Der Sternenvagabund soll Cosmuel als Mentor betreuen.

Ushekka – Ein Hauri sucht Naigon von seiner Last zu befreien.

Cajanthas – Ein »Taxifahrer« wittert das ganz große Geschäft.

Die Vernunft formt den Menschen; das Gefühl leitet ihn.

(Jean-Jacques Rousseau)

 

 

1.

 

»Nervös?«, fragte Kantiran.

»Sollte ich das denn sein?« Cosmuel Kain wölbte eine Augenbraue.

Eine entzückende Augenbraue, in der Tat. Die linke übrigens. Nicht zu buschig war sie, auch nicht zu dünn. Nicht in Streifen ausrasiert, nicht weggeharzt und stattdessen nachtätowiert, nicht irisierend gefärbt, nicht mit Metallglitter oder sinnesverwirrenden Blinkbojen versehen, nicht mit Riechsymbionten durchsetzt …

»Warum starrst du mich so an? Träumst du?«

»Hm? Neinnein, ich dachte bloß über ein semantisches Problem des Thonischen nach und habe mich dabei wohl ein wenig in Gedanken verloren.«

»Dir kommen die Lügen so aalglatt über die Lippen, dass einem angst und bange werden kann.« Cosmuel zeigte ihm frech die Zunge.

Eine zartrote, entzückend kleine Zunge übrigens. Fleischig, aber nicht zu dick. Schmal, mit leicht angedeuteten Querrissen, keinerlei Belag auf der Oberfläche und wenigen Feuchtigkeitsbläschen. Da waren keine eingeätzten und armseligen Werbebotschaften zu sehen; auch keine »Bildfrösche«, die mit jedem Wort kleine, seifenblasenähnliche Bilder mitlieferten und das Gesagte optisch unterfütterten. Auch keine Operationsnarben, die auf eine Verstärkung der Geschmackskapillaren und damit auf Extrem-Drogengebrauch hinwiesen. Dies war eine ganz normale, gesunde und besonders liebenswerte Zunge. Spitz und frech lappte sie nach vorne, zog sich gleich darauf wieder in die Mundhöhle zurück.

»Du starrst mich schon wieder an!« Die Cyno stampfte laut hörbar mit einem Fuß auf und funkelte ihn empört an.

Das Funkeln kam aus grünen Augen. Wunderschönen Augen übrigens. Sie waren hinter keinerlei Wolken-, Sonnen-, Blitz- oder Regenbildern verborgen, die die Emotionen einer Stimmungslinsenträgerin veranschaulichen sollten. Auch gab es keine »Flash-Adds«, über die Bindehaut projizierte Werbeflächen, die im Hundertstelsekundenrhythmus Botschaften verbreiteten. Das Auge war, wie vielleicht bereits erwähnt, wunderschön. Die Pupille verbarg sich hinter einer hellgrün irisierenden Regenbogenhaut, die sich in entzückendem Rhythmus verengte und wieder verbreiterte, als könnte Cosmuel nicht richtig fokussieren.

Verwirrung ist das!, dachte Kantiran. Sie verträgt es nicht, derart offen angestarrt zu werden.

Er wandte sich ab.

Irgendetwas hatte er doch sagen wollen – oder? Er wusste es jedoch nicht mehr.

»Wir streiten später weiter«, murmelte er und verließ überstürzt, fast fluchtartig die Zentrale der THEREME.

Kantiran hastete zurück in seine Kabine, warf sich rücklings auf sein Liegebett und bemühte sich, Cosmuel ganz nüchtern als Begleiterin und nicht als verdammt gut duftendes Wonnegeschöpf zu beurteilen.

Das ging gerade mal drei bis vier Sekunden gut. Dann setzte er sich wieder auf, schüttelte den Kopf, knirschte mit den Zähnen.

Es war an der Zeit, dass er sich selbst in den Griff bekam. Befahl ihm der Verstand, den linken Weg zu gehen, so ermunterte ihn das Herz, rechts abzubiegen. Wollte er freundlich sein, so wallte anerzogene Arroganz hoch. Bildete er das Wort »Liebe« in seinem Mund, so kam überraschenderweise »Verachtung« über seine Lippen.

Angewidert über sich selbst, pfefferte Kantiran den Schlagetot-Wecker in eine Ecke. Das Spielzeug, das ihm irgendwer auf Terra geschenkt hatte, murmelte beleidigt vor sich hin, schüttelte energisch sein Schutzfell aus und krabbelte schließlich auf Hunderten Miniatur-Saugnapfbeinen behäbig zurück zum echthölzernen Nachtkästchen.

»Was weißt du über Frauen, ILKAN?«, fragte er den Bordrechner der THEREME.

»Das ist eine Fangfrage, Kantiran«, antwortete eine heisere Stimme. »Du hast mir verboten, mit dir über dieses Thema zu diskutieren.«

»Dann hebe ich dieses Verbot nunmehr auf.«

»Du selbst hast mich angewiesen, dich in einem solchen Fall zu ignorieren. Wenn ich zitieren darf …«

»Nein – darfst du nicht!« Neuerlich schleuderte Kantiran den Schlagetot, diesmal mit aller Wucht, gegen die Decke. Brabbelnd und rot vor Wut begab sich der Wecker neuerlich auf den Weg zurück zum Nachtkästchen.

Verdammt! Er war Anfang dreißig! Ein gestandenes Mannsbild sozusagen. Längst schon sollte er gelernt haben, Emotionen im Griff zu behalten. Er sollte erhaben sein über die hormonelle Hexenküche in seinem Leib; aber was geschah stattdessen? Es zwickte und zwackte, immer wieder fühlte er Hitzeschübe, stotterte Unsinniges, tat Dinge, die ihm keinesfalls entsprachen.

Und warum?

Wegen dieser … dieser Göre!

Neuerlich warf er sich aufs Bett, schubste den eben angekommenen Schlagetot aus purer Bosheit von seinem Platz und versuchte sein Bestes, Cosmuel Kain abgrundtief zu hassen.

Natürlich gelang es dem Sternenvagabund nicht.

 

*

 

»Alles klar bei dir?« Die Cyno blickte nur kurz hoch, als er die Zentrale der THEREME betrat. Rings um sich hatte sie Holobilder angeordnet, die den Flugvektor der THEREME, besondere Sternensysteme der näheren Umgebung sowie die Gesamtheit des Lazaruu-Sternhaufens zeigten. Im Zentrum der Betrachtungen stand Vibe-Lotoi. Eine der drei bedeutendsten Welten dieses 135 Lichtjahre durchmessenden Sternhaufens im Halo der Galaxis Hangay.

»Ja.« Kantiran ließ sich schwer in den kunstledernen Fauteuil fallen. »Wir sollten keine Zeit mehr verlieren. Die Friedensfahrer benötigen hier so rasch wie möglich einen Stützpunkt.«

»Womit wir beim leidigen Thema wären.« Cosmuel seufzte. »Ich halte es für zu gefährlich, diesen Stützpunkt derart nahe der Hauptstadt La Untique anzulegen, wie du es vorgeschlagen hast.«

»Das geplante Camp ist immerhin 20 Kilometer vom Stadtrand entfernt. Von ›nahe‹ kann also keine Rede sein.«

»Wenn wir die Größe des geplanten Projektes heranziehen, wiederum doch«, beharrte Cosmuel auf ihrer Meinung. »Das soll ja schließlich kein Sternenpfadfinderlager, sondern der Stützpunkt der Friedensfahrer am Rande Hangays werden. Wenn uns unsere Gegner entdecken und als Gefahr einstufen, werden sie mit Traitanks angerauscht kommen und in ihrer bekannt kompromisslosen Art alles plattmachen, was ihnen im Weg ist. Diese Stadt …« Sie deutete auf mehrere Holobilder eines dampfenden, von hektischer Geschäftigkeit durchdrungenen Molochs mit hässlichen, ins Flachland gesetzten Vororten. »… wird möglicherweise als Kollateralschaden vom Antlitz dieser Welt gewischt werden. Oder, noch weiter gegriffen: Vibe-Lotoi hat dreihundertzwanzig Millionen Bewohner. Meiner Meinung nach würden die chaotarchischen Truppenverbände, ohne mit der Wimper oder sonst was zu zucken, den Untergang der Welt in Kauf nehmen, wenn sie ihre Pläne gefährdet sehen.«

Sie holte tief Atem, hielt ihn mit einer forschen Armbewegung vom Dreinreden ab.

»Unweit von hier entsteht eine Negasphäre. Eine Art Ferienparadies für die bösen Mächte dieses Multiversums oder so – wer weiß das schon? Wir reden von ganzen Galaxien, die im Zuge dessen in Gefahr geraten. Die Friedensfahrer tun also gut daran, ihre Aktivitäten vorerst so weit wie möglich unter der Oberfläche zu ›fahren‹.«

»Du redest wie ein Enthone, weißt du das?«

»Sicherlich nicht! Ich begreife die Notwendigkeit, warum die Friedensfahrer aktiv in diesen galaxienübergreifenden Kampf eingreifen sollen. Aber bei allem, was wir tun, sollten wir aufs Maß achten. Und eine Geheimstation in der Nähe einer Millionenstadt stellt für deren Bevölkerung nun einmal ein unabdingbares Risiko dar.«

»Deiner Argumentation nach müssten wir dann einen unbewohnten Planeten als Stützpunkt auswählen, nicht wahr?«

Cosmuel nickte eifrig.

»Damit würden wir uns aber selbst ins Knie schießen«, belehrte sie Kantiran. »Wie du selbst erwähntest, handelt es sich bei Camp Sondyselene nicht gerade um ein Feriendorf. Von hier aus agieren wir als Horchposten, um, wenn möglich, nach Hangay hineinzulauschen. Darüber hinaus dient der Stützpunkt als mögliches Sprungbrett, sobald wir wieder die Möglichkeit haben, in diese Galaxis vorzudringen. Um dies zu erreichen, bringen wir Reaktoren, Richtfunkanlagen, Verteidigungsstellungen, eine Defensiv- und Ortungsabteilung, besonders leistungsfähige Rechen- und Steueranlagen und das übliche Brimborium mit uns. Mund zu – ich habe dich vorher reden lassen, nun hörst du mir zu! Also weiter: Dies alles bedingt den Einsatz hochenergetischer Aktivitäten. Solche, die möglicherweise durch ihre ungewöhnlichen Kennungen die Neugierde unserer chaotarchischen Freunde wecken könnten. Und wo, bitte schön, könnten wir unsere Aufbauarbeiten und Tätigkeiten besser tarnen als im Umfeld jener Stadt, die als das zivilisatorische Nonplusultra in diesem Sternhaufen gilt? – Darüber hinaus können wir uns, wenn’s denn notwendig sein sollte, auch der bestehenden Infrastruktur bedienen. Hier gibt es Raumschiffswerften, verarbeitende Industrien und Hyperfunkanlagen, die ihre Nachrichten in ganz Lazaruu verbreiten.«

»Du willst unser Risiko minimieren und nimmst in Kauf, dass es das der unwissenden Stadt- und Planetenbevölkerung vergrößert«, beharrte Cosmuel Kain auf ihrer Meinung. »Glaubst du denn, ich habe beim Terranischen Liga-Dienst jahrelang bloß das Innenleben meiner Nasenlöcher erkundet? Einer der Grundsätze, die ich erlernen durfte, lautete: Im Vordergrund aller Tätigkeiten im Rahmen des TLD steht stets die Sicherheit der Zivilbevölkerung. Erst wenn diese gegeben ist, darf und muss der Agent unter Einsatz des Lebens seine Aufgabe erfüllen.«

»Wir sind nicht der TLD. Schon die Herren von der USO sehen das möglicherweise ein klein wenig anders – aber lassen wir das. Du liegst nämlich grundlegend falsch, Cosmuel. Du siehst zwar die Größe der Gefahr, die uns allen droht, aber du schätzt sie nicht richtig ein. Wenn wir als Friedensfahrer nicht bereit sind, Risiken zu übernehmen; wenn wir uns weiterhin hinter Grundsatzstandpunkten der immerwährenden Neutralität verbergen, wie es die Enthonen jahrhundertelang vorexerzierten, dann gibt es in absehbarer Zeit diesen Planeten, dieses System oder gar diesen Kugelsternhaufen nicht mehr. Eine Negasphäre wird Lazaruu verschlingen. Du bist keine TLD-Agentin mehr, Cosmuel. Ein Friedensfahrer zu sein bedeutet seit kurzem, aktiv für den Frieden einzutreten.«

Kantiran atmete tief durch. »Wir könnten endlos weiter argumentieren. Wahrscheinlich haben wir beide irgendwie Recht. Ich will gar nicht verleugnen, dass ich mich auf meinen Bauch verlasse. Auf mein terranisches Erbe sozusagen. Ich muss eine Entscheidung treffen – und sie fällt mir keineswegs leicht. Dies hier ist zwar deine große Fahrt; deine Initiationsaufgabe, um ins Korps der Friedensfahrer aufgenommen zu werden. Noch aber bist du kein … Mitglied.« Er sah ihr tief in die Augen. »Ich entscheide. Ich bestimme, dass wir genau hier landen und Camp Sondyselene ausbauen.«

Kantiran überlegte, deutete schließlich auf das Hochplateau inmitten eines massiven Gebirges, zoomte es mit einem Wink seines Fingers näher heran. Ein flacher Einschnitt im Gebirgsrücken, vielleicht zwei Kilometer lang und ebenso breit, wirkte von allen Seiten unzugänglich und war von keinerlei Wanderwegen oder Straßen durchzogen.

»Ich schlage dir einen Kompromiss vor. Einerseits ist dieser Ort nahe genug zur Stadt, um ins Umfeld ihrer energetischen ›Signatur‹, die sie in das Weltall abstrahlt, hineinzureichen. Andererseits befindet er sich in gehöriger Entfernung zu La Untique, ist mehr als vierzig Kilometer vom Stadtrand entfernt. Das Plateau liegt auf einer Höhe von tausendachthundert Metern und liegt im Schatten gewaltiger Bergriesen, die sich bis zu neuneinhalbtausend Metern auffalten. Bist du einverstanden?«

Cosmuel betrachtete die eingespielten Daten zum Bild eingehend und nickte schließlich zögernd. »Du kennst meine Vorbehalte«, meinte sie und lächelte traurig. »Aber ich akzeptiere. Angesichts der Umstände ist dies eine gute Wahl.«

Kantiran nickte und schnippte die Holobilder weg. »Dann sollten wir uns mit der Aufbau-Logistik beschäftigen. Heute ist der dreizehnte Juli fünfundvierzig. In vierzehn Tagen möchte ich Sondyselene in Betrieb gehen sehen. Bis dahin wird auch die Verstärkung eingetroffen sein …«

»Dann lass mich mal machen.«

»Wie bitte?«

»Du sagtest doch selbst, dass dies meine Initiationsaufgabe sei. Also übernehme ich auch die Verantwortung für den Aufbau des Camps. Du mischst dich bitte nicht mehr ein und überprüfst lediglich, ob ich meine Arbeit gut mache.«

»Du verlangst von mir, dass ich dir zusehe und mich langweile, während du deinen Spaß hast?«

»Meinetwegen kannst du Handlangerdienste leisten. Kaffee holen gehen, Listen abstreichen, den Roboteinheiten auf die Tentakel schauen und Essen kochen.«

Cosmuel stand auf, hob ihr bezauberndes Näschen, nickte ihm huldvoll zu und verließ die Zentrale.

Kantiran blieb eine Weile sitzen, starrte gegen das virtuelle Panoramabild sanft rauschenden Meereswassers, das einen flachen Sandstrand hinaufspülte.

»ILKAN – ich habe zwar meinen Willen durchgesetzt; dennoch habe ich das Gefühl, irgendwie übertölpelt worden zu sein.«

»Du hast mir verboten, zu unterschwellig Zwischenmenschlichem und terrestrischem Balzverhalten Stellung zu beziehen«, sagte das Bordgehirn gelangweilt. »Ich kann lediglich die Fakten beurteilen. Und die hat Cosmuel Kain eindeutig auf ihrer Seite.«

»Verräter!«, murmelte Kantiran. »Ich werde mich in den nächsten Tagen, während ich ohnehin nichts zu tun haben darf, ausgiebig deiner Programmierung widmen und einige Anpassungen vornehmen.«

ILKAN schwieg.

2.

 

Ushekka reichte dem seltsamen Gast eine Schleife mit jenen 2000 LZR-Iverand, die ihm als Gegenwert für die Bezahlung der Schiffspassage noch zustanden. Die roten, blauen und grünen Plättchen mit kristallin überzogenen Rändern schlugen gegeneinander und sorgten für die unverwechselbare Musik des Reichtums.

»Danke«, sagte Naigon, der Stolze Herr.

Ushekka nickte dreimal, wie es üblich war, und starrte weiterhin unverwandt den Passagier an, der sich bizarrerweise auch »Stolzer Herr« nennen ließ, wo Naigon doch so viel wie »Rätsel« bedeutete. Viele Wesen mochten den Augenkontakt nicht besonders und schon gar nicht mit einem Hauri. Er wusste das, und er nutzte diesen Vorteil nur zu gerne aus.

Nichts.

Der Stolze Herr reagierte nicht. Weder zeigte er Nervosität, noch wurde er unruhig oder fühlte sich sichtbar gestört. Nach einer Weile des gegenseitigen Anstarrens drehte er sich einfach um und betrat jene Kabine, die ihm Ushekka zugewiesen hatte.

In der Hand hielt er die Geldschleife, die verlockend klimperte. Im orangeroten Gürtel, den er locker um seine Hüfte trug, hingen noch mehr, wesentlich größere Reichtümer. Sieben – sieben! – Lytrila-Kristalle, wie Ushekka wusste. Wunderbare Stücke, für die man ein ganzes Inselreich, vielleicht gar einen Kontinent auf einem Siedlerplaneten kaufen konnte.

Wusste Naigon denn überhaupt, was er da an Schätzen besaß?

Scheinbar nicht, sonst würde er sich seines Reichtums nicht so offen brüsten. Niemand konnte so dumm sein und die Kristalle derart freizügig im Licht der Schiffsbeleuchtung glitzerglänzen lassen.

Nun – wenn der Stolze Herr die Reichtümer in seinen Händen nicht schätzte, war er ihrer auch nicht würdig. Und wenn er ihrer nicht würdig war, musste sich ein anderer darum kümmern.

Vorzugsweise Ushekka selbst.

3.

 

Kirmizz war Naigon – oder umgekehrt. Darüber hinaus hatte er auf recht schmerzhafte Weise herausgefunden, dass er ungewöhnliche Fähigkeiten besaß. Solche, die ihn weit über die Masse jener Lebewesen hoben, denen er seit seinem … Erwachen auf Hallie-Loght begegnet war. Kartanin, Incassis oder wie auch immer sie heißen mochten; sie konnten seinem erst vor kurzem entdeckten Stummen Gesicht nicht beikommen.

Darüber hinaus gelang es ihm, per Willenskraft über mehrere Wesen zu verfügen. Er konnte Wesen aller Art zwingen, das zu tun, was er wollte.

Kirmizz setzte sich. Sein Körper, mächtig und breit, füllte das abgewohnte Möbelstück zur Gänze aus.

Er atmete heftig durch die Halsfalten. Atemkiemen öffneten und schlossen sich in unruhigem Rhythmus. Kirmizz ärgerte sich über sich selbst. Über seine Vergesslichkeit, über seine geistigen Fehlfunktionen. Irgendetwas mehr.