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MARTIN LUTHER

Ein Brevier

Luther

Herausgegeben von Uwe Wolff

Das Leben
besteht nicht im Ruhen,
sondern in der Wandlung
vom Guten
zum Besseren.

Vorwort


Am 31. Oktober 2017 jährt sich der Thesenanschlag zum 500. Mal. Damit wurde Martin Luther zu einer Schlüsselfigur der Weltgeschichte. Luther ist der berühmteste Deutsche. Er ist der größte und erfolgreichste deutsche Schriftsteller und Übersetzer aller Zeiten.

Luther ist ein Magier der Sprache. Er war Pädagoge und Politiker, Dichter und Prophet. Er hat sich zu allen Bereichen des täglichen Lebens wie Partnerschaft, Kinder, Familie, Nahrung, Gesundheit, Politik, Liebe, Leid, Krankheit und Tod geäußert.

Im Zeitalter der Ökumene muss ein Jahresbegleiter zum lutherischen Reformationsjubiläum auch den Blick auf die anderen Konfessionen und große Persönlichkeiten wie Johannes Calvin oder Ulrich Zwingli werfen. Ja, der Blick muss sich ebenfalls auf die Päpste in Rom, die großen Namen der Politik, der Kunst, der Literatur und der Malerei richten. Deshalb ist auf jeder Seite dem Lutherwort ein wichtiges historisches Ereignis zur Seite gestellt. Der Blick richtet sich zudem auf die Familie von Martin und Katharina Luther. So kommen kleine Szenen aus dem Alltag ebenso zur Sprache wie Luthers echte und eingebildete Leiden. Wie viele herausragende Gestalten der Geschichte, so war Luther ein großer Hypochonder und litt zwischen den Phasen höchster Aktivität an Schwermut. Die Auswahl der Zitate will hier nichts glätten oder verschweigen, auch nicht Luthers Teufelsglauben.

Wie wir, so lebte Luther in einer Zeit des religiösen und politischen Umbruchs. Wie wir, so war auch er mit vielen Ansprüchen und Heilslehren konfrontiert: Welcher Weg ist richtig? Welcher Weg ist nichtig? Seine berühmten drei Antworten sind noch immer wegweisend:

Allein auf den Glauben kommt es an! Was nützt uns alles Wissen, wenn wir nicht weise werden? Was nützen uns alle spirituellen Anstrengungen, wenn wir nicht auch in uns die befreiende Kraft des Glaubens erfahren?

Allein auf die Gnade kommt es an! Wir sammeln Besitztümer, wir versichern unser Leben, wir bauen ein Haus, gründen eine Familie, wir verwirklichen uns – doch wer schenkt uns die kleinen Momente des Glücks, die tiefe Erfahrung von Zufriedenheit, das sichere Gefühl von Geborgenheit? In ihnen liegt letztlich der Sinn des Lebens. Alles, was wirklich trägt, können wir nicht kaufen, es ist Gnade.

Allein auf die Worte der Bibel kommt es an! Keine Generation hatte so sehr wie wir die Chance alle heiligen Schriften der Menschheit zu lesen: Aber was ist für mich wichtig? Was geht mich etwas an? Wo stehe ich? Was sagt meine Tradition? Wahrheiten fallen nicht vom Himmel. Sie wollen im Gespräch mit den Weltreligionen gefunden werden. Was aber gehört zur christlichen Überlieferung? Wer bestimmt darüber? Der Papst in Rom? Die Pastorin auf der Kanzel? Allein auf die Bibel kommt es an! Doch wer kann sie heute noch lesen? Und wer, der sie liest, versteht sie?

Luther hat die deutsche Sprache in beispielloser Weise geprägt. Seine Sprache strahlt wie die Felswände der hohen Gebirge aus schroffer Schönheit. Wir dürfen sie als Urlaut unserer Muttersprache genießen. Luther hat die Sprache des Volkes gesprochen, dem Volk auf’s Maul geschaut, aber nicht liebedienerisch dem Volk nach dem Mund geredet.

Luthers derber Tonfall hat heute manchmal eine unfreiwillige Komik, noch mehr aber eine Drastik, die unseren Widerspruch auslöst. Neben wunderbaren Worten stehen verbale Ausschreitungen und Entgleisungen. Dieses kleine Lesebuch zeigt den ganzen Menschen Martin Luther. Er hat helle und dunkle Seiten – wie wir. Wir dürfen ihn so nehmen, wie er ist.

Haus Sonnenschein 2013
Uwe Wolff

www.engelforscher.de

Januar

Luther

1. Januar

Luther

Wer da fromm werden will,

der sage nur nicht:

Ich will anfangen und gute Werke tun,

damit ich die Gnade erlange.

Sondern: Ich will warten,

ob Gott mir durch sein Wort

seine Gnade und Geist geben wolle.

AM NEUJAHRSTAG 1522 NEHMEN ÜBER 1000 MENSCHEN IN DER LUTHERSTADT WITTENBERG DAS ABENDMAHL IN BEIDEN GESTALTEN VON BROT UND WEIN.

2. Januar

Luther

Nun freut euch, lieben Christen g’mein,

und lasst uns fröhlich springen,

dass wir getrost und all in ein

mit Lust und Liebe singen,

was Gott an uns gewendet hat

und seine süße Wundertat;

gar teu’r hat er’s erworben.

IN WITTENBERG ERSCHEINT 1524 DAS ACHTLIEDERBUCH MIT VIER KIRCHENLIEDERN DES REFORMATORS.

3. Januar

Luther

Aber der Herr sprach zu dem Teufel:

Hebe dich weg von mir, Satan!

Wie aber spricht der Papst?

Komm her, Satan!

Und hättest du noch andere Welten als diese:

Ich wollte sie alle annehmen

und dich nicht nur anbeten,

sondern am Hintern lecken.

PAPST LEO X. SETZT LUTHER 1521 MIT DER BULLE DECET ROMANUM PONTIFICEM IN DEN KIRCHENBANN. SIE VERURTEILT IHN ALS HÄRETIKER.

4. Januar

Luther

Wenn in der Ehe weder der Mann der Frau

noch die Frau dem Manne etwas nachsehen will,

dann wird bald der Ehestand zu einer Tyrannei

und alles verdirbt.

DER MÖNCH LUTHER PREDIGT 1519 ZUM ERSTEN MAL ÜBER DIE EHE.

5. Januar

Luther

Die Lüge ist wie ein Schneeball:

Je länger man ihn wälzt,

desto größer wird er.

ALS LUTHER 1531 BERÜHMT GEWORDEN IST, BEGINNEN CONRAD CORDATUS, VEIT DIETRICH UND JOHANN SCHLAGINHAUFEN MIT AUFZEICHNUNGEN DER TISCHGESPRÄCHE.

6. Januar

Luther

Allewege ist Vorsorge

besser denn Nachsorge.

VIER JAHRE VOR SEINEM TOD (18. FEBRUAR 1546) SCHREIBT LUTHER 1542 SEIN TESTAMENT. ER VERMACHT SEINER »LIEBEN UND TREUEN HAUSFRAUEN KATHERIN« SEINEN GESAMTEN BESITZ UND BESTIMMT SIE GEGEN DEN BRAUCH DER ZEIT ZUM VORMUND DER GEMEINSAMEN KINDER.

7. Januar

Luther

Ich bin dazu geboren, dass ich mit den Rotten und Teufeln muss kriegen und zu Felde liegen, darum sind meine Bücher sehr stürmisch und kriegerisch. Ich muss die Klötze und Stämme ausrotten, Dornen und Hecken weghauen, die Pfützen ausfüllen und bin der grobe Waldrechter, der die Bahn brechen und zurichten muss.

IN DER VORREDE ZU DEM KOLOSSERBRIEF-KOMMENTAR SEINES FREUNDES PHILIPP MELANCHTHON CHARAKTERISIERT LUTHER 1529 SICH SELBST ALS WALDARBEITER.

8. Januar

Luther

Ich kenne drei böse Hunde:

Undankbarkeit, Stolz und Neid.

Wen diese drei Hunde beißen,

der ist sehr übel gebissen.

LUTHER ERHÄLT 1545 DURCH KÖNIG CHRISTIAN III. VON DÄNEMARK EIN JÄHRLICHES GNADENGELD VON 100 GULDEN. KATHARINA WIRD DIESE SCHENKUNG BIS ZU IHREM TOD BEZIEHEN.

9. Januar

Luther

Niemand rühme sich seiner fleischlichen Geburt,

seiner Vorfahren, Weisheit,

Reichtums oder Gewalt, sondern

dessen soll er sich allein rühmen,

dass er Gott als den Herrn erkennt.

HADRIAN VI. WAR ERZIEHER, RATGEBER UND STATTHALTER KAISER KARL VI. ER FOLGT 1522 LEO X. AUF DEM PÄPSTLICHEN STUHL.

10. Januar

Luther

Wenn die Taufe uns nicht jung gegeben würde,

würden sich ihrer wenige taufen lassen.

Denn wir sehen es an der Predigt

und am Sakrament,

wie gering wir es achten.

Aber wenn der Pfarrer einem jeden

einen Taler gäbe,

würde die Kirche zu eng werden.

Nun gibt’s unser Herrgott umsonst.

IN ZWICKAU TRETEN ANGEBLICHE PROPHETEN AUF. SIE FORDERT DIE ABSCHAFFUNG DER KINDERTAUFE. DARÜBER KOMMT ES 1522 IN WITTENBERG ZU UNRUHEN.

11. Januar

Luther

Nicht der ist ein rechter Christ,

der keine Sünde hat noch fühlt,

sondern dem solche Sünde von unserm Herrgott

um seines Glaubens an Christus willen

nicht angerechnet wird.

IN BASEL ERSCHEINT 1543 DIE ERSTE ÜBERSETZUNG DES KORANS DURCH THEODOR BIBLIANDER MIT EINEM VORWORT VON MARTIN LUTHER.

12. Januar

Luther

Das Leben

besteht nicht im Ruhen,

sondern in der Wandlung

vom Guten zum Besseren.

LUTHER WIRD 1539 VON HEFTIGEN SCHWINDELATTACKEN ERGRIFFEN, ALS ER SICH AUF DEN WEG ZUR EINER DISPUTATION IN MELANCHTHONS HAUS BEGIBT.

13. Januar

Luther

Die Hoffnung, länger zu leben,

ist allen Menschen von Natur aus eingepflanzt.

Daher kommt es, dass die Menschen

all ihr Mühen und Denken darauf so ausrichten,

als wollten sie ewig leben. Denn in ihren Gedanken

machen sie aus ihrem Leben ein ewiges Leben,

wo ihnen doch der Tod

immer auf den Fersen sitzt

und unser allernächster Nachbar ist.

LUTHER HAT ZEITLEBENS UNTER ANGSTZUSTÄNDEN GELITTEN. MIT DIESEN PSYCHISCHEN BELASTUNGEN GEHT ER OFFEN UM. SO BERICHTET ER 1527 SEINEM FREUND SPALATIN VON EINER GROSSEN TODESANGST.

14. Januar

Luther

Das ist wunderlicher, dass ich, der ich

so viel von der Ehe schreibe

und mich unter die Frauen mische,

nicht schon längst eine Frau geworden bin.

JOHANNES LUTHER, DAS ERSTE KIND AUS SEINER EHE MIT KATHARINA VON BORA, ZAHNT 1527 ZUR FREUDE DES VATERS.

15. Januar

Luther

Die Musik ist die beste Gabe Gottes

und dem Satan sehr verhasst.

Mit ihr werden nämlich

Anfechtungen und traurige Gedanken vertrieben.

Der Teufel hält sie nicht aus.

ALS SEIN SOHN PAUL 1536 ÜBER BAUCHSCHMERZEN KLAGT, GREIFT LUTHER ZUR LAUTE UND SPIELT IHM EIN LIED VOR.

16. Januar

Luther

Selig, der Mann, der nicht wandelt

im Rat der Sakramentarier

noch tritt auf den Weg der Zwinglianer,

noch sitzt, wo die Zürcher sitzen.

LUTHER POLEMISIERT 1546 EIN LETZTES MAL GEGEN DIE REFORMIERTE KIRCHE DER DEUTSCHSPRACHIGEN SCHWEIZ.

17. Januar

Luther

Ich wünsche meinen letzten Tag herbei,

damit ich von den Arbeiten ausruhen kann.

Ich sehe kein anderes Ende des Schreibens

und des Lebens in Unruhe.

LUTHER KLAGT SEIT VIELEN JAHREN ÜBER SEINE ARBEITSBELASTUNG. 1545 IST ER FÜR EINEN MOMENT DES LEBENS ÜBERDRÜSSIG.

18. Januar

Luther

Wer Gutes tun will,

muss es verschwenderisch tun.

MITTEN IM WINTER 1538 VERSCHENKT LUTHER HUNGRIGEN STUDENTEN EINEN GROSSEN KORB MIT ÄPFELN AUS DER VORRATSKAMMER SEINER FRAU.

19. Januar

Luther

Ein Mensch hat zweierlei Brot.

Das erste und beste Brot, das vom Himmel kommt,

ist das Wort Gottes.

Das andere und geringere ist das zeitliche Brot,

das aus der Erde wächst.

Wenn ich nun das erste und beste Himmelsbrot habe

und lasse mich davon nicht abbringen,

so wird jenes zeitliche Brot auch nicht fehlen

noch fernbleiben.

LUTHER WEHRT SICH 1540 GEGEN DEN VORWURF MELANCHTHONS, ER GEHE BEI DER BEWIRTUNG SEINER GÄSTE VERSCHWENDERISCH UM.

20. Januar

Luther

Ein junger Mensch ist ein junger Most.

Der lässt sich nicht halten.

Er muss gären.

LUTHERS KINDER TOBEN AUSGELASSEN AUF DER STRASSE. DER VATER NIMMT SIE 1535 IN SCHUTZ VOR DEN STRENGEN BLICKEN EINIGER BÜRGER WITTENBERGS.

21. Januar

Luther

Wenn ein Mann herginge und wüsche die Windeln

oder täte sonst am Kinde ein verachtetes Werk,

und jedermann spottete seiner und hielte ihn

für einen Maulaffen und Frauenmann:

Lieber sage, wer spottet hier des andern

am feinsten?

Gott lacht mit allen Engeln und Kreaturen,

nicht weil er die Windeln wäscht,

sondern weil er’s im Glauben tut.

NACH EINER FEHLGEBURT IST LUTHERS FRAU 1540 SO KRANK, DASS DIE FAMILIE UM IHR LEBEN BANGT.

22. Januar

Luther

Wer sich auf den Ablass vertröstet und verlässt,

und so gestorben ist oder gelebt hat,

der hat damit den Heiland Jesus Christus fahren lassen müssen,

hat ihn verleugnen, vergessen und gar keinen Trost an ihm haben können.

Denn wer auf etwas anderes seinen Trost setzt

als auf Jesus Christus,

der kann keinen Trost an Christus haben.

DER LEIPZIGER DOMINIKANER JOHANN TETZEL WIRD 1517 ZUM ABLASSPREDIGER IN DER DIÖZESE MAGDEBURG BESTIMMT.

23. Januar

Luther

Denn wessen Schuld ist es,

dass es jetzt in allen Städten Deutschlands

so wenig geschickte Leute gibt?

Die Obrigkeit hat das junge Volk aufwachsen lassen

wie das Holz im Walde.

LUTHER BEKLAGT DEN NIEDERGANG DER SCHULEN UND SCHAFFT MIT DER SCHRIFT AN DIE RATSHERREN ALLER STÄDTE DEUTSCHEN LANDES, DASS SIE CHRISTLICHE SCHULEN AUFRICHTEN UND HALTEN SOLLEN 1524 EINE GRUNDLAGE FÜR DIE ERNEUERUNG DER ERZIEHUNG.

24. Januar

Luther

Schrei flugs und wehre dich!

Der Papst hatte mich auch gebunden,

aber ich bin seiner Bande losgeworden.

LUTHER WICKELT 1534 SEINEN SOHN PAUL. DAS KIND WEHRT SICH UND SCHREIT.

25. Januar

Luther

Kleine und unwesentliche Dinge

können mich sehr beunruhigen,

große aber nicht.

Ich denke daran:

Das geht über deine Kraft,

du kannst es nicht halten,

darum so lass es gehen!

KATHARINA PLAGEN 1545 SORGEN UM DIE BERUFLICHE ZUKUNFT IHRES SOHNES JOHANNES. DER VATER BLEIBT GELASSEN.

26. Januar

Luther

Die Treue

macht wesentlich

das eheliche Leben aus.

1528 KOMMENTIERT LUTHER DIE NACHRICHT VOM EHEBRUCH DES BÄCKERS AUS DER NACHBARSTRASSE.

27. Januar

Luther

Niemals gelingt mir’s so gut

zu beten, zu predigen oder zu schreiben,

als wenn ich zornig bin.

Denn der Zorn erfrischt mir meine Seele,

schärft mir den Geist,

vertreibt die Anfechtungen.

NACH EINER BEWEGENDEN PREDIGT WIRD LUTHER 1532 VON GEMEINDEMITGLIEDERN AUF DEN ZORNIGEN UNTERTON ANGESPROCHEN.

28. Januar

Luther

Das sollen Eltern wissen,

dass sie Gott, der Christenheit, aller Welt,

sich selbst und ihren Kindern

kein besseres Werk und Nutzen schaffen können,

als wenn sie ihre Kinder gut erziehen.

IM HAUS LUTHER KOMMT 1533 DER SOHN PAUL ZUR WELT. ER WIRD SPÄTER KURSÄCHSISCHER LEIBARZT.

29. Januar

Luther

Darum siehe, Pfarrherr und Prediger,

unser Amt ist nun ein anderes geworden,

als es unter dem Papst war. Es hat nun

viel mehr Mühe und Arbeit, Gefahr

und Anfechtung.

IN ZÜRICH BEGINNT 1523 DIE REFORMATION DURCH HULDRYCH ZWINGLI.

30. Januar

Luther

O dass ich so beten könnte,