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Deutsche Erstausgabe (ePub) Juni 2015

 

Für die Originalausgabe:

© 2013 by SJD Peterson

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Pup«

 

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2015 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Casandra Krammer Design

 

ISBN ePub: 978-3-95823-548-9

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Für Micah steht fest: Er braucht einen erfahrenen Dom, der mit seiner Konzentrationsschwäche umgehen kann. Und er hat den Richtigen für diese Aufgabe auch schon gefunden. Doch Tackett ist nicht auf der Suche nach einem Sub, schon gar nicht nach einem, der so jung und ruhelos ist wie Micah. Als er sich dennoch für die vereinbarten zwei Wochen auf ihn einlässt, ist beiden noch nicht klar, dass ihre Sessions viel mehr berühren werden, als sie je für möglich gehalten hätten.


 

SJD Peterson

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Aus dem Englischen
von Nina Strichan


 

 

 

 

Für Jason Bradley. Ohne sein beständiges Wissen,

seine Hilfe und Motivation wären diese

Geschichten niemals erzählt worden.


 

Kapitel 1

 

 

In der Grundschule – etwa in der ersten oder zweiten Klasse – hatte Tackett Austin bemerkt, dass er anders war. Er war recht spät in die Pause auf den Schulhof gekommen und die üblichen Grüppchen hatten sich bereits gebildet. Einige der Jungen spielten Ball. Andere benutzten Zeige- und Mittelfinger als Pistolen, um aufeinander zu schießen, während sie umeinander herum rannten, sich duckten und abrollten. Dann war da eine Gruppe Mädchen, die Hüpfekästchen spielten – ein langweiliges Spiel –, während eine andere Mädchengruppe auf dem Klettergerüst saß, um das Spiel der Jungen und deren Späße zu beobachten. Ohne Zögern schloss sich Tackett den Mädchen auf dem Klettergerüst an und schaute den Jungen zu. Für diese Entscheidung erntete er viel Spott, wurde als Memme oder Freak beschimpft und von den anderen Jungen gehänselt, doch Tackett ließ all das an sich abprallen und stellte seine einmal getroffene Entscheidung niemals infrage.

Während sich Tackett in seiner experimentierfreudigen Teenagerzeit mit der Blowjob-Etikette und den Grundlagen des Spankings vertraut machte, begriff er, dass er einen Hang zum Fetisch besaß. Er wollte nicht nur, dass ein anderer Mann seinen Schwanz lutschte, er wollte ihn dazu zwingen. Vanilla befriedigte ihn nicht, nicht einmal, wenn es neu war. Ohne die Ursachen zu ergründen, suchte er sich ähnlich gestrickte BDSMler und der Rest war, wie man so schön sagt, Geschichte.

Eigentlich neigte er nicht zur Selbstreflexion und stellte seine Entschlüsse selten infrage. Umso mehr war er verwundert, als er sich mehrere Jahrzehnte später in einer Bar wiederfand und alle Entscheidungen, die er jemals getroffen hatte, anzweifelte. Verdammt, er starrte auf ein leeres Glas und konnte sich noch nicht einmal festlegen, ob er sich einen doppelten Schuss Bourbon erlauben oder beim Wasser bleiben sollte.

Tackett konnte den exakten Moment bestimmen, in dem sich alles geändert hatte.

Jene Nacht, als Ty sein Halsband bekommen hatte. Solange war er nicht mehr im Guards of Folsom gewesen. Das war jetzt sechs Wochen her. Er war beeindruckt von dem Wandel, den Blake und Ty dem Ort seitdem unterzogen hatten. In den Jahren zuvor hatte Bobby, der vorherige Besitzer, nicht viel an dem Club gemacht. Dennoch war er, wenn auch etwas altmodisch, immer ein großartiger Ort zum Spielen gewesen.

Die zwanzig Jahre alten Sitznischen waren weichen Ledersofas gewichen und die verschrammten, abgenutzten Tische durch neue, glänzend schwarze ersetzt worden. Statt des mittelalterlichen Flairs, das ihm zuvor angehaftet hatte, besaß der Club nun ein warmes, angenehmes Ambiente, trotz des dunklen Farbschemas und der schwachen Ausleuchtung. Die Machtspiele zwischen Doms und Subs, der Geruch von Leder und Sex in der Luft – das war immer noch das Gleiche, aber nun in einem schlichten, neumodernen Setting.

Vielleicht war es der moderne Touch, der ihn bedrückte und ihn daran erinnerte, dass er – genau wie die frühere Einrichtung – ebenfalls überholt war. Allerdings wusste er, dass noch mehr dahintersteckte. Die Zeremonie, während der Ty sein Halsband bekommen hatte, war wundervoll gewesen. Als Tackett ihr beigewohnt hatte, hatte er gewusst, dass er Zeuge von etwas geworden war, das er noch nie zuvor erlebt hatte, obwohl er schon hunderte Zeremonien dieser Art gesehen hatte. Aus irgendeinem Grund brachte diese ihn dazu, sein Leben rückblickend zu betrachten, und er war nicht sehr glücklich damit, wohin es ihn geführt hatte.

Fünfundvierzig Jahre alt und was konnte er nach all der Zeit vorweisen?

Sicher, er besaß ein erfolgreiches Finanzunternehmen und mehr Geld, als er jemals ausgeben konnte, alle Spielzeuge, die man sich mit Reichtum kaufen konnte, gute Freunde und einen steten Strom an süßen, kleinen Subs, an denen er sich erfreute.

Es gab keinen Grund, unzufrieden zu sein. Und er war zufrieden gewesen – zumindest hatte er das gedacht –, bis er die Liebe zwischen Blake und Ty gesehen hatte und ihm bewusst geworden war, was in seinem Leben fehlte. Wie leer es in Wirklichkeit war. Hatte ihn in den letzten sechs Wochen also Neid davon abgehalten, hierher zurückzukehren? Vielleicht. Aber es war mehr als einfache Eifersucht.

Sein Leben war zu einer vorhersehbaren Aneinanderreihung von Ereignissen geworden. Aufwachen, essen, arbeiten, ficken, schlafen und von vorn. Er fragte sich, wie lange er noch hatte, bis die schmeichelnden Subs einen neuen Dom finden würden, dem sie dienen konnten. Wenn er nicht mehr die Kraft und die Energie besaß, sie zu befriedigen… was dann? Vielleicht nicht in einer Woche oder in einem Jahr, aber die Zeit verging so rasch und plötzlich würde er als alter, einsamer Mann aufwachen.

»Noch ein Drink, Sir? Diesmal vielleicht etwas Männlicheres?«

Tackett sah auf und blickte geradewegs in Micahs lachende, blaue Augen. Der Junge hatte es faustdick hinter den Ohren. Er konnte nicht mehr als einundzwanzig, maximal fünfundzwanzig sein und obwohl ihm Sub geradezu auf der Stirn geschrieben stand, besaß er eine selbstbewusste Ausstrahlung, die es mit den meisten Doms, die Tackett kannte, aufnehmen konnte. Wie der kleine Klugscheißer einen Job in dem BDSM-Club bekommen hatte, war Tackett ein Rätsel.

»Männlich? Was weiß denn ein Milchbubi wie du davon? Hast du überhaupt schon angefangen, dich zu rasieren?«

»Nur am Sack, Sir.« Er gluckste und nahm das leere Glas von der Bar. »Also noch ein Tonic mit einem Schuss Zitrone? Oder wie wäre es mit einem Marshmallow Cake-tini? Den werden Sie lieben, Sir. Er ist pink und hat diese leckeren, kleinen Streusel am Rand.« Micahs Lächeln wurde verspielt. »Ich könnte sogar eins von diesen süßen, kleinen Schirmchen reinstecken.«

Vor zehn Jahren – verdammt, vor sechs Wochen – hätte Tackett die Herausforderung in den babyblauen Augen angenommen. Er hätte das spöttische Lächeln weggewischt und in ein komplett anderes verwandelt, bestehend aus purer Glückseligkeit und Befriedigung.

Doch die melancholische Laune, in der er sich befand, hatte ihn zu fest im Griff. Er war in dieser Nacht einfach nicht bereit, sich auf Spielchen einzulassen.

»Einfach nur noch ein Wasser.«

Micahs Lächeln bröckelte kurz, erholte sich aber rasch, obwohl jetzt weniger davon seine Augen erreichte, nachdem sich seine Angriffstaktik als ineffektiv herausgestellt hatte. »Jawohl, Sir.«

Er stellte ein weiteres Glas vor ihn hin – ohne süßes Schirmchen. »Danke.«

Micah öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, ließ ihn jedoch zuschnappen, als Blake den Stuhl zu Tacketts Rechten in Beschlag nahm. »Guten Abend, Tackett.« Er registrierte das Wasser. »Wie ich sehe, bist du heute Abend zum Spielen gekommen?«

Tackett spürte Micahs Blick auf sich und merkte, wie der junge Mann sich etwas vorlehnte, ohne Zweifel gespannt, wie Tacketts Antwort lauten würde. Doch falls Micah hoffte, dass er mit ihm spielen würde, musste er ihn bitter enttäuschen.

»'n Abend, Blake.« Tackett nahm sein Glas und prostete ihm zu. »Nein, keine Spiele heute Nacht, nur durstig.« Er nahm einen Schluck, dann setzte er das Glas mit verstohlenem Blick auf den nun schmollenden Micah wieder ab.

Wie immer aufmerksam, bemerkte auch Blake Micahs Interesse an ihrer Unterhaltung. »Micah, da ist ein Kunde, der deinen Service benötigt.«

Das verwegene Lächeln stellte sich wieder auf den Zügen des Jungen ein und er trat einen Schritt zurück. »Jawohl, Sir.« Er zwinkerte Tackett zu, ehe er sich auf seine Aufgabe besann. Unwillkürlich wurde Tacketts Blick von dem Schwingen der schmalen Hüften angezogen.

Blake lachte. »Ich glaube, du hast einen Bewunderer.«

Micah platzierte seine Hände am anderen Ende der Bar vor dem Kunden, spreizte die Beine und streckte seinen kleinen Hintern raus. Verdammt, der Junge bettelte geradezu danach, den Arsch versohlt zu bekommen. Tackett schüttelte den Kopf angesichts dieser Dummheiten.

»Nein, der Junge ist doch nur ein kleiner Charmeur.«

»Er ist tatsächlich ein Charmeur. Es macht ihn zu einem sehr beliebten Barkeeper, aber diese extreme Form spart er sich für dich auf.«

Als Tackett den Blick von Micahs Rückansicht löste, setzte er eine geübt undurchsichtige Miene auf, die keinerlei Interesse verriet. »Was ist überhaupt seine Geschichte?«

»Er hat hier ungefähr zur gleichen Zeit angefangen wie Ty. Vorher hat er im Whip gearbeitet.«

»Sie haben ihn wegen seinen Dummheiten rausgeschmissen, nehme ich an?«

Blake schüttelte den Kopf. »Nein, tatsächlich kam er mit vorzüglichen Empfehlungen.«

Das überraschte Tackett doch sehr. Er blickte zum anderen Ende der Bar, wo Micah nun Drinks mixte, wandte sich jedoch rasch ab, als der Junge ihn dabei ertappte und ihm erneut zuzwinkerte. »Empfehlungen als Barkeeper oder als Sub?«

»Beides. Er hat nur noch keinen Dom gefunden, dem er gehorchen will. Der Bengel braucht einen erfahrenen Dom mit eiserner Faust und viel Geduld.« Mit einem listigen Ausdruck fügte Blake hinzu: »Jemanden wie dich.«

»Nicht interessiert«, entgegnete Tackett prompt. In seinem derzeitigen Zustand fühlte er sich einfach nicht in der Lage, einen derart unartigen Bengel zu erziehen.

»Das ist schade. Ich dachte, ihr würdet ein schönes Paar abgeben.«

»Micah!«, bellte plötzlich Bobbys tiefer Bariton hinter Tackett und ließ ihn zusammenzucken. »Eine Flasche von unserem besten Bourbon und drei Gläser!«

Tacketts alter Freund nahm den freien Platz auf seiner anderen Seite ein und schlug ihm auf den Rücken. »Happy Birthday, alter Mann.« Er zeigte mit seinem dicken Finger auf das Glas. »Wir können an deinen Geburtstag doch nicht mit Wasser anstoßen.«

Tackett wand sich innerlich. Scheiße, ich hätte zu Hause bleiben sollen! Auf die Erinnerung bezüglich seines fortschreitenden Alters hätte er verzichten können; dann wiederum: Er wäre nicht ins Guards of Folsom gekommen, wenn er nicht irgendwie doch gehofft hätte, dass sich jemand an seinen Geburtstag erinnern würde. Seine Familie – von seinen Eltern einmal abgesehen – hatte nicht daran gedacht.

»Danke, Bobby. Ging es nicht noch ein bisschen lauter?«, murmelte er.

»Wieso? Hab dich nicht so! Der Tag deiner Geburt muss geehrt werden und dein Leben gefeiert. Erzähl mir nicht, dass du dir Sorgen um dein Alter machst. Du, mein Freund, bist in den besten Jahren.«

Tackett hob eine Braue. »Ich werde dich dran erinnern, wenn du Geburtstag hast. Ein halbes Jahrhundert diesmal, wenn ich mich nicht täusche.«

Bobby lachte so herzhaft, dass sein Bauch mitwackelte. »Natürlich wirst du das, alter Freund. Da bin ich mir sicher.«

Micah stellte drei Gläser auf die Theke und füllte sie mit je zwei Fingern George T. Stagg aus Bobbys persönlichem Vorrat. Dabei sagte er nichts und Tackett mied seinen Blick, den er auf sich spürte.

Die drei Männer griffen nach ihren Gläsern und Bobby erhob seins. »Wie dieser exquisite Bourbon wirst auch du mit jedem Jahr nur besser. Happy Birthday, Tackett.«

»Happy Birthday«, echote Blake und sie stießen an.

Tackett nahm einen großen Schluck. Die dunkle Flüssigkeit war geschmeidig und wärmte den ganzen Weg bis in seinen Magen.

»Happy Birthday, Mr. Austin, Sir«, sagte Micah.

»Danke.« Tackett ertappte den Bengel dabei, wie dessen Mundwinkel zuckten. Das Lachen kehrte in seine babyblauen Augen zurück.

Sie starrten sich weiterhin an.

Seit Tackett Micah Slayde zum ersten Mal getroffen hatte, hatte der junge Mann seine kastanienbraunen Haare wachsen lassen. Die Locken hingen nun über sein linkes Auge. Diese Nacht trug er ein weißes Hemd, eine schwarze Stoffhose und eine Nerdbrille mit schwarzer Fassung. Er sah unschuldig aus, aber davon ließ sich Tackett nicht täuschen. Er hatte Micah bereits in nichts als tief sitzenden Jeans und einem Lederharness gesehen.

Er wusste, dass Micah unter der aktuell strebsamen Kleidung einen straffen, muskulösen Körper mit Piercings durch die Nippel und den Nabel verbarg. Außerdem hatte er mehrere Tattoos auf den Armen und eins von einer Pistole an seiner linken Hüfte, deren Lauf auf die beeindruckende Wölbung in seinem Schritt zielte.

»Junge, hast du keine anderen Kunden?«, rügte Bobby.

»Doch, Sir«, antwortete Micah, ohne den Blick von Tackett zu lösen. »Ich will nur sicher sein, dass das Geburtstagskind nicht noch irgendetwas von mir braucht. Ganz gleich was.«

Blake lachte leise über Micahs Angebot und die Betonung des letzten Teils. Es war eine unverhohlene Einladung, so offensichtlich wie der hoffnungsvolle Schimmer in den Augen des Jungen. Tackett wäre ein Narr, wenn er nicht in Versuchung geraten wäre, und er war noch nie als solcher bezeichnet worden. Das bedeutete jedoch nicht, dass er der Versuchung erliegen musste. Er verbot sich, davon angelockt zu werden.

Nachdem er den Rest seines Bourbons geleert hatte, setzte er das Glas ab und schob es in Micahs Richtung. »Sicher, du kannst mir noch einen eingießen, bevor du gehst.«

Das Spiel konnte man auch zu zweit spielen.

Micah zögerte, doch als Tackett ihn nur anlächelte, schnaufte er und goss nochmals zwei Finger voll ins Glas.

»Das wäre dann alles, Junge. Lass die Flasche ruhig hier«, wies Bobby ihn an. Und als Micah weiter Tackett anstarrte, fügte er hinzu: »Junge, muss ich erst den Lederriemen holen?«

Bobbys Drohung ließ das Lächeln auf Micahs Züge zurückkehren. Endlich wandte er sich von Tackett ab, kehrte Bobby den Rücken zu und wackelte mit seinem Hintern. »Jawohl, Sir. Ich gehe schon, Sir.«

Bobby griff nach der Flasche und goss sich noch einmal ein, ehe er sie an Blake weiterreichte. »Was zur Hölle hast du mit unserem süßen Jungen angestellt, Tackett?«

»Ich?« Tackett warf seinem Freund einen finsteren Blick zu. »Ich wollte nur ein Glas Wasser und bin bei diesem kleinen, frechen Bengel gelandet, der mich in einer Tour provoziert.«

»Unser kleiner Micah ist verknallt.« Blake stellte die Flasche zurück, ohne sich nachgeschenkt zu haben. »Ich denke, seinen Arsch hat er eher in deine als in Bobbys Richtung gewackelt.«

Blakes Bourbon im Glas schien unberührt. Tackett konnte sich nicht daran erinnern, Blake jemals Alkohol im Club trinken gesehen zu haben. Dafür verdiente der Mann Respekt. Tackett selbst war ebenfalls kein großer Trinker, aber diese Nacht hatte er nicht die Absicht zu spielen, also konnte er seinen Geburtstag ruhig ein wenig genießen.

Er nahm einen weiteren Schluck des Getränks. »Sein Fehler. Sicher würde er mehr Aufmerksamkeit von dem guten, alten Bobby hier bekommen.« Er stieß Besagten mit dem Ellenbogen an.

»Oh nein, nein. Rig bringt mich um, wenn ich noch einen Streuner heimbringe. Er mag es lieber, eine gewisse Auswahl zu haben, statt vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Außerdem habe ich ohnehin das Gefühl, dass der Junge nicht aufgibt, bis er sich am anderen Ende deiner Peitsche befindet.«

»Dein Ruf ist legendär«, fügte Blake übertrieben schmeichelnd hinzu. »Du hast den armen Jungen für alle anderen Doms ruiniert.«

»Ich hätte zu Hause bleiben sollen«, grummelte Tackett.

»Unsinn. Schnappt euch eure Drinks«, sagte Bobby, der aufstand und sich sein Glas sowie die Flasche Bourbon griff. »Lasst uns den Rest im Büro trinken. Ich habe eine großartige neue Zigarrensammlung.« Er ging voraus, ohne eine Antwort abzuwarten.

Tackett wandte sich an Blake, der nur mit den Schultern zuckte, seinen unangetasteten Drink an der Bar zurückließ und sich ebenfalls auf den Weg machte. »Er ist der Boss.«

Das stimmte nicht. Blake hatte den Club vor einer Weile gekauft. Er und sein Sub und Liebhaber, Ty Callahan, waren gleichberechtigte Partner im Guards of Folsom. Bobby hingegen war nur aus Gewohnheit geblieben, während er versuchte herauszufinden, was er mit seiner neu gewonnenen Freiheit anfangen wollte. Er und Rig hatten davon gesprochen, zu reisen und vielleicht nach ihrem nächsten Sub Ausschau zu halten, aber bisher hatten sie noch keinen der Pläne in die Tat umgesetzt.

Besitzer oder nicht, Bobby schien immer noch in gewisser Weise der Chef zu sein, denn auch Tackett folgte ihm ohne Widerworte ins Büro.

 

***

 

Micah beobachtete Tackett, der Blake und Bobby aus der Lounge in die Geschäftsräume folgte. Jeder Schritt gemessen und selbstsicher, mehr ein eleganter Tänzer als ein großer, muskulöser Dom. Heilige Scheiße, der Mann war sexy. Die Art, wie Tackett sich bewegte, die Aura der Autorität und dazu noch die schönen Gesichtszüge und der perfekte Körper.

Was zur Hölle muss ich tun, um deine Aufmerksamkeit zu bekommen?, dachte Micah, ehe Tackett aus seinem Blickfeld verschwand.

Seit er dem sexy Dom zum ersten Mal begegnet war, hatte Micah ihn geneckt und gereizt. Er hatte alles Erdenkliche versucht: vom unterwürfigen Sub bis hin zum frechen Bengel. Das Einzige, was er noch nicht probiert hatte, war, auf die Knie zu sinken, die Schuhe des Mannes zu lecken und zu betteln. Er war von seiner Zunge auf einem Stiefel nicht abgeneigt. Aber er bettelte nicht um ein Date. Wenn es ein Mann wert war, konnte er Micah um sehr viel betteln lassen, angenehme Dinge, schmerzhafte Dinge, aber ein Date gehörte nicht dazu. Vielleicht war es das, was ihn an Tackett Austin so faszinierte.

Micah war schon früh bewusst gewesen, dass ihn sowohl Jungen als auch Mädchen attraktiv fanden. Außerdem war er eitel genug, um es zu seinem Vorteil zu nutzen – zumindest wenn es um die Jungs ging. Das hatte sich auch nicht geändert, außer dass er inzwischen dominante Männer lieber mochte als Jungs. Er wusste, dass er gut aussah – er tat etwas für seinen Körper und achtete akribisch auf seine Erscheinung und Kleidung –, und er hatte sehr wohl bemerkt, dass Tackett ihn beobachtete, also was zur Hölle?

Tackett war bestimmt nicht nur zum Trinken in den Club gekommen. Er spielte nicht oft; tatsächlich hatte Micah ihn bisher nur einen anderen Jungen mit in die hinteren Räume nehmen sehen, und diesem Typen würde Micah nur zu gerne eine kleben, wenn er ihn das nächste Mal sah. Eigentlich hatte er sogar drei Ohrfeigen verdient: einmal, weil Vincent gewusst hatte, dass Micah es auf den sexy Dom abgesehen hatte und sich dennoch an ihn herangemacht hatte, eine weitere dafür, dass der kleine Bastard ihn so angegrinst hatte, ehe er in den hinteren Bereich geführt worden war, und noch eine nur dafür, weil die kleine Schlampe Tackett vor ihm rumbekommen hatte.

»Junge, wie wäre es, wenn du den Kopf aus den Wolken nimmst und uns etwas zu trinken besorgst?«

Micah wandte sich an die beiden Neuankömmlinge, die sich an der Bar niedergelassen hatten, ohne dass er sie bemerkt hatte. Er blinzelte, um wieder zu sich zu kommen, das charmante Lächeln, das er für die Gäste reserviert hatte, spielte bereits um seine Mundwinkel.

»Was darf ich Ihnen bringen, Sir?«

Micah kannte den Dom. Zwar nicht persönlich und er hatte auch noch nie eine Session mit ihm gehabt, doch er wusste, dass der Mann sehr respektiert und nachgefragt war. Max hatte den Ruf, einer der extravaganteren Doms zu sein, mit einem Appetit auf extremere Vorlieben, der sogar den von Bobby und Rig übertraf. Sein bevorzugter Fetisch schien Pony Play zu sein. Und offensichtlich teilte er den mit vielen Angehörigen der Szene, denn seine Shows waren immer ausverkauft.

Micah konnte dem wenig abgewinnen. Die Vorstellung, mit einem Schweif im Arsch und einer Trense im Mund durch die Gegend zu springen, löste nichts bei ihm aus. Nun, vielleicht der Teil mit dem harten Zureiten, der Gerte, den Cowboystiefeln mit Sporen – verdammt, ja, damit drückte man bei ihm schon eher die richtigen Knöpfe.

Den anderen Mann neben Max konnte Micah überhaupt nicht einordnen, doch er hatte eine sehr offensichtliche Sub-Ausstrahlung. Außerdem wettete Micah, dass der Fremde entweder neu in der Szene war oder nicht besonders oft rauskam. Er hatte diese geweiteten Augen und wirkte irgendwie so überwältigt, dass man ihn vermutlich mit einem Federstreich umhauen könnte.

»Zwei Flaschen Wasser«, antwortete Max und wandte sich an den Mann neben sich. »Regel Nummer eins, Junge: Spiele niemals mit jemandem, der Alkohol getrunken hat. In den meisten Clubs, zumindest in den respektablen, wird darauf geachtet und es ist nicht erlaubt. Aber wenn du einen Dom siehst, der trinkt oder nach Alkohol riecht, spiel nicht mit ihm, verstanden?«

Wusste ich es doch. Willkommen in der Welt des Kinks, dachte Micah. Verdammt, dieser süße Typ würde ein beliebter Sub werden. Doms liebten es, Neulinge zu brechen und sie in den Lifestyle einzuführen, besonders, wenn sie so heiß waren wie der brünette Fremde.

Micah schob die Gedanken an Tackett für einen Moment beiseite, griff nach den Wasserflaschen und stellte sie auf die Bar. »Möchten Sie, dass ich sie öffne, Sir?«

Max warf ein paar Scheine auf den Tresen. »Danke, Junge. Ich mach das selbst.«

»Jawohl, Sir.«

Micah richtete seine Aufmerksamkeit auf die nächsten Gäste, da sich der Club allmählich füllte. Mit halbem Ohr hörte er zu, wie Max dem Typen erklärte, dass er niemals einen Drink oder eine geöffnete Flasche von anderen annehmen sollte. Max gehörte definitiv zu der Art Doms, die Blake als Mitglieder für seinen Club suchte. Blake war kein normaler Clubbesitzer. Ja, er bemühte sich wie alle Clubs um Doms, aber der Unterschied war, dass im Guards of Folsom die Subs im Mittelpunkt standen. Es ging Blake darum, ihnen eine sichere Umgebung zu gewährleisten – ganz anders als dem Besitzer des Whip.

Ty Callahan war ein echtes Glückskind. Nicht nur, dass er jemanden hatte, der ihn dominierte, ihn liebte und sich um ihn kümmerte, nein, er war auch noch das Wertvollste der Welt seines Doms. Wow. Das sah man wirklich nicht oft.

Ich frage mich, ob Tackett mich auch so wertschätzen würde.

Micah schüttelte den Gedanken ab. Er musste Drinks servieren und Gäste zufriedenstellen, dennoch war er fest entschlossen herauszufinden, was für eine Art Dom Tackett Austin war. Und zwar aus erster Hand.


 

Kapitel 2

 

 

Als Tackett Bobbys Büro verließ, herrschte im Club dichtes Gedränge. Das Aroma von Schweiß und Sex war noch stärker geworden und er inhalierte es tief. Er liebte den vertrauten Geruch. Auf der Bühne demonstrierte ein Dom – Tackett war sich nicht sicher welcher, da er ihm den Rücken zugewandt hatte – Flogging an einem Sub. Die Show musste bereits eine Weile in Gang sein, denn bei dem Sub, der bis auf ein Halsband mit D-Ring komplett nackt war, zeigten sich bereits zahlreiche leuchtend rote Striemen auf seinem Rücken und Hintern. Mit einem entrückten Ausdruck lehnte er gegen ein lederbezogenes Andreaskreuz.

Neben den Gerüchen, Geräuschen und visuellen Stimuli spürte Tackett das erste Aufbäumen seiner eigenen Erregung. Er ignorierte es jedoch, da er nicht beabsichtigte zu bleiben. Sein Plan sah vor, seinen Mantel und Hut zu holen und abzuhauen. Nach dem Alkohol, der ihn immer noch angenehm wärmte, fühlte er sich besser und er hatte das Zusammensein mit seinen Freunden genossen. Dennoch war er einfach nicht in Stimmung für das Gedränge und den Lärm des Clubs. Stattdessen zog er es vor, den Rest des Abends in Ruhe zu Hause zu verbringen. Er wurde jedoch aufgehalten, als Micah aus einer Gruppe von Leuten trat, sich vor ihn stellte und ihm somit den Weg versperrte.

»Haben Sie Ihren Geburtstagstrunk und die Zigarre genossen, Sir?«

Der Bengel war ausdauernd, das musste man ihm lassen. »Es war sehr angenehm. Danke, Micah.« Er begann, den Jungen zu umrunden. »Noch einen schönen Abend.«

Micah stellte sich ihm wiederum in den Weg und sah ihn aus hoffnungsvollen blauen Augen an. »Darf ich Ihnen einen Drink spendieren, Sir?«

»Nein, danke, ich hatte genug.«

»Gut, ich hatte gehofft, dass Sie das sagen, Sir.« Micah warf ihm einen Blick unter halb gesenkten Lidern zu, der das unschuldige Aussehen, auf das er diesen Abend setzte, noch unterstrich. »Ich hasse den Geschmack von Alkohol, wenn ich küsse. Darf ich Sie stattdessen zum Tanzen auffordern?«

Tacketts Blick wurde zunächst von Micahs Hüften angezogen, als dieser begann, sie zur jazzigen Musik zu bewegen, und wanderte dann zum überfüllten Tanzbereich. »Bist du immer so dreist?« Er richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf den Jungen. »Du bist schrecklich hartnäckig und ziemlich anmaßend. Nicht wirklich Eigenschaften, die man bei einem Sub sucht.«

»In Europa sind wir der letzte Schrei«, entgegnete Micah mit einem einnehmenden Lächeln.

»Wirklich?«

»Keine Ahnung.« Er lachte. »Ich war nie da. Aber wir sollten es sein!«

Das brachte auch Tackett zum Lachen. »Ganz sicher sollte es so sein, genauso sicher bin ich mir, dass du einen Dom findest, dem deine freche Art gefällt.«

»Genießen Sie es nicht, Sir, meine Aufmerksamkeit zu haben?«

»Ich bin geschmeichelt.« Tackett lehnte sich vor und flüsterte Micah ins Ohr: »Aber ich mag meine Jungs lieber zu meinen Füßen oder unter mir. Was ich gar nicht mag, ist, wenn sie versuchen, mich mit ihrem Benehmen zu toppen.« Er richtete sich wieder auf und lächelte. »Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich wollte gerade meinen Mantel holen und gehen.«

»Meine Schicht ist gerade vorbei, möchten Sie Gesellschaft?« Micah stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte wiederum Tackett ins Ohr: »Ich würde niemals versuchen, Sie zu toppen, Sir. Es sei denn, Sie bitten mich darum.«

Micahs warmer Atem an seinem Ohr und seine Nähe ließen Tacketts Erregung zurückkehren. Er war noch nicht vielen Männern begegnet, die so attraktiv waren wie Micah; er fühlte sich definitiv von ihm angezogen. Außerdem waren ihm noch nicht viele Subs begegnet, die gewillt waren, einen Dom zu toppen. Das allein war Grund genug, um Tacketts Interesse weiter anzustacheln.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Doms, die er kannte, teilte Tackett nicht die Ansicht, dass der passive Part beim Sex eine Schwäche, eine Position der Unterwerfung darstellte. Seiner Meinung nach verwehrte sich ein Mann – egal ob schwul, hetero, dominant oder was auch immer – einen sehr tiefgreifenden Genuss, wenn er sich nicht ab und zu etwas in den Arsch schieben ließ. Es gab keinen intensiveren Orgasmus als jenen, der durch die Stimulation der Prostata hervorgerufen wurde. Leider war es im D/s-Lifestyle in der Regel verpönt, dem Sub die dominante Rolle eines Tops zu erlauben, daher musste sich Tackett Liebhaber außerhalb der Szene suchen, wenn er in der Stimmung war, gefickt zu werden.

»Nur ein Tanz, Sir.«

Micah bewegte sich immer noch im Takt der Musik. Seine babyblauen Augen waren voller Verlangen auf Tackett gerichtet. Ein Sub, der ihn ficken würde? Verdammt, das war heiß. Bevor sich Tackett seiner genickten Zustimmung bewusst wurde, wurde er bereits an der Hand auf die Tanzfläche geführt.

Als sie die Mitte der Tanzenden erreicht hatten, drehte sich Micah zu ihm um, drängte sich dichter heran und schmiegte seine Lenden an Tacketts, als sie sich im Rhythmus der sinnlichen Musik bewegten. Tackett schlang seine Arme um Micah und spürte die festen Sehnen unter dessen Hemd. Der feste, kleinere Körper an seinem fühlte sich perfekt an. Micah war einige Zentimeter kleiner als Tackett, der eins fünfundachtzig maß, und vermutlich gute fünfundzwanzig Kilo leichter. Doch dadurch hatte er genau die richtige Größe, um den Kopf an Tacketts Schulter zu lehnen, während sie weitertanzten. Und Tackett genoss es, Micah so fest mit seinen Armen umschließen zu können.

Micahs Hände strichen über Tacketts Rücken, wanderten tiefer, bis sie den Bund seiner Hose erreichten und an seinem Hemd zogen. Das Seufzen aus Micahs Mund fühlte Tackett mehr, als dass er es hörte, als dessen Fingerspitzen die leicht behaarte Haut an Tacketts unterem Rücken berührten.

Micah wich etwas zurück, um zu ihm aufzublicken. »Das ist sexy, Sir.«

Das Geständnis brachte Tackett zum Schmunzeln. »Du bist nicht länger im Dienst, Micah. Du kannst mich Tackett nennen.«

Micah neigte den Kopf zur Seite und musterte Tackett. »Ich mag es, Sie Sir oder Mr. Austin zu nennen. Irgendetwas an Ihnen ist so sexy und dommy.«

»Dommy?« Die Wortwahl, die Art, wie Micah es sagte, sowie der Ausdruck auf dessen Gesicht waren ein Schlag für Tacketts Sinne. Ein Weckruf, der ihn daran erinnerte, wie jung der Mann war. Plötzlich fühlte sich Tackett noch älter als bei seiner Ankunft im Club vor einigen Stunden.

»Ja.« Micah gluckste und unterstrich damit nochmals seine Jugend.

Das Lied endete und Tackett drückte Micah einen Kuss auf die Stirn. »Danke für den Tanz und gute Nacht.« Er ließ ihn los und beeilte sich wegzukommen, ehe Micah protestieren konnte.

»Hey! Wo willst du hin?«, rief Micah, der ihm von der Tanzfläche folgte.

Tackett ging weiter zur Garderobe, wo er dem Angestellten sein Ticket gab, ehe er sich zu Micah umwandte.

»Obwohl ich ab und zu gewöhnlichen Sex mit Männern außerhalb der Szene habe, fange ich nichts mit Männern an, die nur so tun, als wären sie Subs, oder den Lifestyle als eine verdrehte Spielerei ansehen. Das kann –«

Der Angestellte unterbrach ihn, als er ihm den Mantel reichte. »Einen schönen Abend noch, Mr. Austin.«

»Danke«, antwortete er. Tackett drückte einen Schein in die offene Hand des Mannes, dann schlüpfte er in den Wollmantel, ehe er sich wieder an Micah, der ihn verwirrt ansah, wandte. »– ein sehr, sehr gefährliches Spiel für einen jungen Mann sein, besonders mit einem Mann wie mir.«

Micah schauderte sichtbar. War es Angst? Erregung? Tackett hakte weder nach, noch wartete er auf eine Antwort. Er nickte Micah knapp zu und verließ den Club.

 

Erneut musste Micah zusehen, wie Tackett verschwand. Eine spitze Erwiderung lag ihm auf der Zunge, doch er schloss den Mund. Mist!

Er hatte lediglich flirten, ihn ein bisschen reizen wollen, aber er war mit seiner frechen Art zu weit gegangen. Offenbar hatte Tackett einen falschen Eindruck von ihm gewonnen und das war Micahs eigene Schuld.

Sogar vor seinen ersten sexuellen Erfahrungen mit sechzehn hatte Micah gewusst, dass er eine Vorliebe für Kink hatte. Er hatte Stunden um Stunden im Internet gesurft und alles abgegrast, was das Web an Gay-Pornos anzubieten hatte, doch er war immer wieder auf den Bondage-Seiten gelandet. Mit geschlossenen Augen und dem Schwanz in einer Hand hatte er damals im Bett gelegen, während hinter seinen geschlossenen Lidern immer wieder die gleichen Bilder aufgetaucht waren: große, in Leder gekleidete Männer, die ihn überwältigten und dominierten. Die versauten Kopfkinos brachten ihn immer schnell und heftig zum Kommen.

Seine erste Erfahrung mit Spanking und Schmerz hatte er mit siebzehn gemacht und mit einundzwanzig hatte er genau gewusst, was und wer er war: ein Sub. Problematisch war nur – neben seiner eigenen Schwäche, sich zu konzentrieren –, dass bei den meisten Männern, denen er bisher begegnet war, das dominante Verhalten nur gespielt gewesen war. Micah starrte auf die Tür, durch die Tackett den Club verlassen hatte. »Irgendwie so, wie du es mir jetzt vorgeworfen hast, nur andersherum«, flüsterte er.

Bedeutete das, dass Tackett dieselben Erfahrungen gemacht hatte wie er? Dass diejenigen, die nur ein Spiel spielten, ihn eher abschreckten, während diejenigen, die den Lifestyle tatsächlich lebten, sehr schwer zu finden waren? Er wusste genau, wo er die Antworten auf seine Fragen bekommen konnte. Micah machte auf dem Absatz kehrt und strebte auf die Bar zu.

Ty hatte übernommen, als Micahs Schicht geendet hatte, und Micah musste daher nicht raten, wo sich sein Boss, Blake Henderson, befand, wenn nicht gerade ein anderes Problem seine Aufmerksamkeit erforderte.

Blake saß an einem Ende der Bar auf dem sogenannten Chefsessel. Von dort hatte er den perfekten Überblick und konnte die Bar, die Bühne, die Tanzfläche und den Rest des Clubs, abgesehen von den Hinterzimmern, im Auge behalten. Es hätte Micah nicht überrascht, wenn Blake den hinteren Bereich mit Videoüberwachung ausgestattet hatte. Er hatte Panikknöpfe in ihnen installiert, also warum nicht auch Kameras?

Die Vorstellung gab Micah ein Gefühl von Sicherheit und gleichzeitig machte sie ihn heiß und erregte ihn sehr. In einige Dinge, die dort hinten geschahen, war er eingeweiht worden. Kinky Spielchen, verdammt heißes Zeug. Die Vorstellung, von einem heimlichen Beobachter, der vielleicht sogar in seinem Stuhl vor dem Computerterminal wichste, sprach eine versaute, exhibitionistische Seite in Micah an. Es durchfuhr ihn heiß und ließ seinen Schwanz gegen seinen Schenkel hart werden.

Konzentrier dich, Micah. Du wolltest Fragen zu Tackett stellen, klar? Micah rüttelte sich selbst innerlich wach. Oh ja, richtig, Tackett.

Micah erreichte Blake. »Sir, kann ich Sie für einen Moment sprechen?«

Blake deutete auf den leeren Stuhl neben sich. »Ich habe dich erwartet. Setz dich.«

Micah nahm das Angebot an, setzte sich und fragte: »Sie haben mich erwartet, Sir?«

Blake lächelte. »Ich habe bemerkt, wie du Tackett ansiehst und wie du dich benimmst, wenn er in der Nähe ist. Also schieß los mit deinen Fragen.«

»So offensichtlich, was? Zumindest für jeden außer für Tackett.«

»Da wäre ich mir nicht so sicher, Micah. Ich würde sagen, du hast einen bleibenden Eindruck bei Mr. Austin hinterlassen.«

Micah begegnete Blakes Blick und versuchte, die Bedeutung seiner Worte von seinem Gesicht abzulesen, doch Blakes Züge blieben frustrierend neutral. Micah fummelte an einem Nietnagel herum, nicht sicher, wo er seine Hände lassen sollte. Es fühlte sich plötzlich komisch an, mit Blake über Tackett zu reden.

Vielleicht hätte er doch lieber mit Ty sprechen sollen. Ihren Unterhaltungen nach zu urteilen, gab es keinen frecheren Sub als Ty. Zumindest war er das gewesen, als er Blake zum ersten Mal getroffen hatte, und die Dinge hatten sich für die beiden doch gut entwickelt.

»Hey.«

Micah blinzelte langsam. Es kostete ihn eine Minute, bevor er realisierte, dass er Blake angestarrt hatte, während er in Gedanken gewesen war. »Sorry, Sir. Ich glaube, ich sollte besser mit Ty darüber sprechen.«

»Über was?«, fragte Ty und gesellte sich zu ihnen.

»Unser Micah steckt in einem Dilemma.«

»Worum geht's? Kannst du dich nicht entscheiden, wen du als Nächstes nerven sollst?« Ty lachte und stellte ein neues Glas Wasser vor Blake.

Micah hätte ihm am liebsten die Zunge herausgestreckt, doch stattdessen biss er sich darauf. Er würde es Ty später heimzahlen. »Haha. Vielleicht solltest du mal an deinen Barkeeper-Fähigkeiten arbeiten. Eigentlich sollst du Drinks und gute Ratschläge austeilen. Arschloch sein gehört nicht dazu.«

Ty hielt seine Hand hoch, um an seinen Fingern abzuzählen: »Erstens, du bemühst dich zu sehr. Zweitens, Tackett ist doppelt so alt wie du – schon mal daran gedacht, dass du ihn das spüren lässt? Drittens, du hast nicht genug recherchiert. Aktuell weißt du nicht genug über den Mann, den du zu betören versuchst. Offensichtlich braucht es mehr als gutes Aussehen, um ihn rumzukriegen. Und viertens und letztens, nicht ich war der frechste aus dem Duo. Das war Blake. Ich habe mich damals weder für ihn interessiert, noch wollte ich ihn kennenlernen, als wir uns begegnet sind, also hör auf mit dem frechen Sub-Mist. Es ist ein Widerspruch in sich. Da hast du deinen Rat.« Ty setzte das halb leere Glas, das er für Blake gerade durch ein frisches ausgetauscht hatte, vor Micah ab. »Und hier ist dein Drink.«

Blake hielt sich die Hand vor den Mund, um sein Lachen zurückzuhalten, aber er konnte nicht verhindern, dass sein Körper bebte. Micah funkelte ihn an, doch der Mann wandte sich ab und das Beben wurde stärker.

»Ich nehme es zurück. Das mit dem Ratschlagen beherrschst du gut«, schnaufte Micah und schob das Glas zurück zu Ty. »Aber du musst immer noch an dem Barkeeper-Part arbeiten. Ich möchte ein Bier.«

Ty versuchte nicht einmal, sein Lachen zurückzuhalten, als er sich entfernte.

»Ich will nicht respektlos sein, Sir, aber wie halten Sie es den ganzen Tag mit ihm aus?«

»Ich habe ein sehr großes Paddle.«

»Kann ich es mir leihen?«, fragte Micah und blickte immer noch in Tys Richtung.

»Nicht mal für eine Minute.« Blake gab seine Zurückhaltung auf und lachte herzhaft.

»Habe ich auch nicht mit gerechnet, Sir.« Micah nahm ein Schluck von dem Wasser und wandte sich Blake zu. »Also, wegen Tackett Austin…?«