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Oscar Peer (1928–2013), geboren und im Unterengadin aufgewachsen, gehört zu den bedeutendsten rätoromanischen Autoren der Gegenwart. Nach dem Lehrerseminar in Chur begann er ein Studium der Romanistik, das er mit einer Dissertation zum surselvischen Schriftsteller Gian Fontana 1958 abschloss. Mit dem «Dicziunari rumantsch, ladin-tudais-ch» ist ein Basiswerk für die romanische Sprache entstanden. Viele Jahre unterrichtete er an Mittelschulen, daneben entstand kontinuierlich sein literarisches Werk.

Oscar Peer

Hannes

Roman

Limmat Verlag

Zürich

Sein Leben war nicht so verlaufen, wie er es sich in der Jugend geträumt hatte. So etwas wäre weiss Gott nichts Neues, doch er, Hauptperson dieses Berichts, war ein bisschen schief in die Welt geraten und litt am Gefühl, nicht ganz wie die andern zu sein. Die Begegnung mit einer ungewöhnlichen Frau sollte sein Leben gründlich verändern.

Eines Morgens gegen halb neun befand er sich auf dem städtischen Polizeiamt und berichtete von einem Vorfall, der sich letzter Nacht bei ihm zu Hause ereignet hatte. Er mochte gut dreissig sein, hatte ein interessantes, im Moment allerdings fahles Gesicht, dunkelbraunes Haar, da­zu leicht ungerade Schultern, das heisst die linke eine Idee höher als die rechte.

Ein Polizeibeamter stand hinter dem Tresen und glotz­te ihn an, in einem Nebenraum sassen noch zwei oder drei andere, deren Morgenplauderei bald verstummte. Einer von ihnen erschien in der Tür, näherte sich, liess sich alles nochmals erklären, notierte seine Personalien, während ein anderer telefonierte. Nachher musste er warten. Er setzte sich auf eine längliche Wandbank, nahm das Taschentuch heraus, um sich zu schnäu­zen. Irgendwo im Haus vernahm man ein Pochen, vermutlich wurde gebaut. Der Fussboden war ausgetreten, stellenweise uneben, die Mauern frisch gestrichen. Es roch nach Tünche und Zigarettenrauch.

Nach einer Weile ging die Tür auf, ein Polizist schaute herein und winkte ihm zu kommen. Draussen bestiegen sie ein Auto, fuhren von einem Innenhof auf die Strasse hinaus. Er sass vorne neben dem Lenker, auf dem Hintersitz noch zwei andere, beide in Uniform. Niemand redete. Es ging bergwärts, Strassen, Plätze, Quartiere seiner Stadt, die ihm jetzt, obwohl er sie längst kannte, merkwürdig verändert vorkamen. Dabei schien eine liebliche Aprilsonne. Hie und da ein Rotlicht, dann wieder grün, Menschen auf den Gehsteigen, Frauen mit Einkaufstasche, ein Strassenwischer, ein Briefträger … Es war wie der Morgen eines ganz gewöhnlichen Tages.

Vor seinem Haus hielt bereits ein anderer Wagen, aus dem zwei Männer in Zivil stiegen. Der ältere, ein gut gekleideter Fünfziger, stellte sich und seinen Begleiter vor: «Kommissar Grädel – mein Kollege Fausch.» Er blickte sich auf dem Platz um, fragte ihn, wem der rote BMW gehöre. Er antwortete, das sei der Wagen seiner Frau.

«Sie meinen der Frau, die jetzt …?»

«Ja.»

«Und Ihr Name?»

«Hannes Monstein.»

Im Garten ein leeres Schwimmbecken, eine Pergola, eine Bocciabahn, dazu etwas dürres Laub vom Vorjahr. Sie traten ins Haus, stiegen eine breite Steintreppe hinauf. Oben blieb er stehen, zeigte auf eine Tür und zog sich beiseite. Die Männer gingen hinein, blickten sich um, schauten dann alle nach einer bestimmten Seite. Ihre Gesichter. Das Wohnzimmer war noch halb dunkel, jemand zog die Vorhänge auseinander, dann wurde es heller. Er sah den Ledersessel, das Büchergestell, das umgeworfene Tischchen mit den Klaviernoten, ein Stück seines Steinways, Morgensonne auf dem farbigen Teppich.

Während er wartete, erschienen noch zwei andere, ein jüngerer und ein älterer mit Glatze; sie kamen die Treppe herauf, streiften ihn mit einem Blick und gingen ebenfalls hinein. Hannes war erstaunt, dass fast nur gemurmelt wurde, als dürfe man keinen Lärm machen. Der Kom­missar telefonierte, blickte sich im Zimmer um, kam dann zu ihm heraus:

«Jetzt müssen Sie mir nochmals erklären, wer die beiden Toten sind.»

Hannes sagte: «Meine Frau, Franziska Monstein – geborene Schnöll, und mein Stiefbruder Paolo Blum.»

«Ihr Stiefbruder?»

«Ja, der Sohn meiner Stiefmutter.»

Der Mann, relativ gross, stand da vor ihm, schaute ihm ruhig ins Gesicht. Er kondolierte, berührte seinen Arm, bat ihn, ins Zimmer zu kommen. Hannes zögerte: «Muss das sein?»

«Ja. Bitte, kommen Sie.»

Es hatte sich nichts verändert. Sie sassen oder lagen halbwegs auf dem Sofa; Paolo hielt Franziska mit einem Arm um die Schulter, wie um sie zu schützen. Franziskas Gesicht ruhig wie bei einer Schlafenden, dasjenige Paolos von einer Kugel verletzt, an der Stirn etwas verkrustetes Blut, der Mund leicht geöffnet; er blickte schräg zur Zimmerdecke hinauf, mit eingezogenem Nacken und wie grenzenlos erstaunt.

Wahrscheinlich war die Sache nicht nur Traum, auch wenn ihm alles traumartig vorkam, irreal bis zum Unsinn. Irreal auch diese Männer, die er nicht kannte, etwa der Glatzköpfige, der etwas in sein Köfferchen versorgte, während ein anderer eifrig drauflos fotografierte. Der jüngere Kriminalbeamte und ein Uniformierter standen bei der Balkontür und betrachteten eine kaputte Glasscheibe; man sah ein geschweiftes Loch mit sternartig zentrierten Rissen – vermutlich ein Kugeleinschlag. Hannes wollte das umgeworfene Notentischchen aufrichten, er bückte sich bereits über Chopin und Johannes Brahms, als ihm jemand energisch zurief: «Nichts berühren!»

Später sass er mit dem Hauptkommissar drüben in seinem Arbeitszimmer, wo er ihm, wie jeweils in Kriminalfilmen, allerlei Fragen beantworten musste: War die Haustür, waren einzelne Fenster offen; dazu Angehörige, Bekanntenkreis, Freunde, Feinde und mögliche Täter, dann Angaben zu seiner Frau. Er musste ihre Identitätskarte holen, ihren Reisepass. Der Beamte blätterte nur kurz darin und gab sie ihm zurück. Hierauf, wie zu erwar­ten, gleichsam mit einem Lächeln, seine Frage:

«Wo waren Sie gestern Abend, Herr Monstein?»

Auch Hannes musste lächeln. «Jedenfalls nicht hier», sagte er. Er war mit einer Reisegruppe in Griechenland gewesen, zehn Tage lang, dann wegen Kopfscherzen etwas früher als die andern heimgekommen, allein – zuerst mit dem Flugzeug bis Wien, dann letzte Nacht mit dem «Wienerwalzer» bis nach Hause. In Griechenland war es schon sommerlich heiss gewesen, daher vermutlich seine Kopfschmerzen. Der Kommissar hörte ihm zu, konnte sich Kopfschmerzen in Griechenland durchaus vorstellen. Aber warum der Zwischenhalt in Wien und warum der nächtliche «Wienerwalzer»?

Das war so: Während der Zwischenlandung in Wien hatte er in einer Zeitung gelesen, dass abends ein Klavierrecital stattfand, mit Andras Schiff, den er gern einmal öffentlich gehört hätte. Er hatte am Westbahnhof sein ­Ge­päck eingestellt, war per Taxi zum Grossen Musikvereinssaal gefahren, wo er mit viel Glück eine Eintrittskarte bekam. Klaviermusik, sagte er, sei schon immer seine Passion gewesen, eine Pianistenlaufbahn einst sein Jugendtraum.

Der Kommissar nickte. Er fragte: «Und dieser Pianist, was spielte er?»

«Zuerst Bach, die sechste Partita in e-Moll, dann eine etwas fade Sonate von Mozart, nach der Pause Schubert, die grosse Sonate in B.»

«Und dann sicher noch Zugaben?»

«Ich denke schon, nur musste ich da eben weg, um meinen Nachtzug nicht zu verpassen.»

«Hätten Sie dann nicht in Wien übernachten können und erst heute mit dem Flugzeug heimkommen? Sie hatten doch Ihr Flugticket?»

«Ja, aber dann hätte ich noch ein Hotelzimmer suchen müssen, und dazu hatte ich keine Lust. Dann lieber gleich weiter. Abgesehen davon fahre ich ganz gern in der Nacht.»

Die Frage des Kommissars, wie lange die Zugfahrt von Wien bis hierher dauere und wann er angekommen sei, konnte er genau angeben. Bekannte hatte er in der Eisenbahn leider nicht gesehen, jedenfalls war ihm in seinem schwach besetzten Abteil kein bekanntes Gesicht aufgefallen.

Jemand klopfte an die Tür, Grädel ging hinaus, unterhielt sich mit jemandem. Nachher hörte man die Hausglocke, Stimmen von unten, Stimmen im Flur, im Wohnzimmer. Er horchte. Unglaublich, wie viel Personal für eine solche Angelegenheit aufgeboten wurde. Was würden die jetzt tun, wenn hier nichts passiert wäre? Er war sitzen geblieben, es hatte keinen Sinn, aufzustehen. Einfach sitzen bleiben und warten, bis die Sache ein Ende nahm. Der Kommissar hatte die Tür zugezogen, gab jemandem Anweisungen. Hannes überlegte, ob er eine Zigarette rauchen könnte, doch das ging jetzt wohl nicht.

Endlich kam der Mann zurück, entschuldigte sich, dass er ihn einfach warten liess. Er ging ans Fenster, schaute hinaus. «Einen schönen Garten haben Sie», sagte er. «So etwas würde mir auch gefallen. Und eine herrliche Aussicht!» Hierauf, indem er sich umwandte: «Was arbeiten Sie eigentlich, Herr Monstein?»

«Ja, was arbeite ich … Zuerst war ich lange im Möbel- und Teppichgeschäft meines Vaters, nachher wollte ich Pianist werden, habe das aber aufgegeben und dann ein bisschen an der Uni studiert. Seit Jahren bin ich bei Dr. Rehberg – Druck und Verlag AG, vielleicht kennen Sie es.

«Und was machen Sie da?»

«Allerlei Publikationsarbeit, Kalender, Jahrbücher, zu­dem Beiträge für die FAVILLA, unsere Vierteljahresschrift. Daneben schreibe ich im Moment an einem längeren Text – eine Art Versuch über Jürg Jenatsch.»

«Sie sind also Schriftsteller?»

«Ja, wenn man so will. Aber eigentlich bin ich nichts Bestimmtes. Mein Leben war bis jetzt mehr oder weniger Dilettantismus.»

«Das tönt nicht gerade optimistisch. Sind Sie mit Ihrem Leben nicht zufrieden?»

«Wer ist das schon? Sind Sie immer zufrieden?»

Der Kommissar lächelte: «Ja, ja, die Zufriedenheit … Nein, was mich interessiert, Herr Monstein: Ihre Frau und Ihr Stiefbruder – waren die oft zusammen?»

«Eigentlich schon.»

«Und Sie waren nicht eifersüchtig?»

Jemand rief ihn wieder hinaus. Hannes blieb sitzen, obwohl er schon eine ganze Weile sass. Durch die halb ­offene Tür sah er, wie die beiden Toten in Notsärgen, vermutlich Aluminium, aus dem Wohnzimmer getragen wur­den. Es kam ihm die groteske Vorstellung, dass die Männer auf der Treppe stolpern könnten, wobei die zwei Toten aus ihren Särgen fallen würden. Er stützte sich auf die Sessellehne, richtete sich auf. Dabei schwindelte ihm auf einmal, und zwar dermassen, dass er für eine Weile nicht mehr wusste, wo er sich befand; es rauschte ihm in den Ohren, eine Art Tunnelgetöse, zudem schien ihm, als läute irgendwo dauernd ein Telefon.

Er begab sich in die Küche, benetzte sich das Gesicht mit kaltem Wasser, trank an der Röhre, blickte zum Fenster hinaus. Im Garten zwei Polizisten, die irgendetwas zu suchen schienen, vielleicht Projektile oder Patronenhülsen. Als er sich umdrehte, stand der Kommissar in der Tür.

«Tja, Herr Monstein, dann wollen wir Sie nicht länger belästigen, für heute. Sie werden ja ohnehin einen schweren Tag vor sich haben.»

Und wie sich Hannes das Gesicht trocknete und ihn ansah: «Es ist mir übrigens aufgefallen, dass Sie ganz leicht hinken. Haben Sie sich wehgetan?»

«Nein, ich hinke von Geburt. Mein linkes Bein ist eine Idee kürzer als das rechte, knapp ein Zentimeter.» Auf seine Frage, was jetzt mit den Toten geschehe, antwortete der Kommissar, die kämen zuerst in die gerichtsmedizinische Untersuchung und würden dann für die Bestattung freigegeben.

«Weiss man schon, wann es passiert ist?»

«Vor zehn bis zwölf Stunden, sagt der Arzt. Also gegen Mitternacht – als Sie in Ihrem ‹Wienerwalzer› sassen.»

Fausch, sein jüngerer Kollege, kam mit zwei Plastiktüten aus dem Wohnzimmer; in der einen hatte er ein paar Projektile, in der andern eine Pistole. Er hielt sie Hannes vors Gesicht: «Kennen Sie diese Waffe?»

«Natürlich», sagte Hannes. «Die muss man dort aus mei­nem Waffenschrank genommen haben.» Fausch steckte alles in seine Mappe, erkundigte sich nach dem Reiseunternehmen, mit dem er in Griechenland gewesen war. Hannes gab ihm die Adresse an, der Mann notierte, meinte hierauf: «Wir bräuchten dann unbedingt eine Liste mit den Namen der Leute, die mit den zwei Toten Kontakt hatten, auch was für Tatmotive die gehabt haben könnten. Möglichst vollständig.»

Grädel fügte hinzu: «Das ist für uns sehr wichtig. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass es sich beim Täter um jemanden aus dem Bekanntenkreis handelt.»

Hannes, von den Ereignissen angegriffen, antwortete gereizt: «Dann könnten Sie mich gleich fragen, ob ich der Täter bin.»

«Das haben jetzt Sie gesagt. Oder haben Sie bereits eine Ahnung, wer es sein könnte?»

«Wie soll ich das wissen? Ich kann doch nicht aufs Geratewohl jemanden denunzieren, das werden Sie hoffentlich verstehen.»

«Ja, ja, wir verstehen schon.»

Hannes fragte: «Und Raubmord? Ich meine durch Unbekannte?»

«Das ist unwahrscheinlich. Ihr Stiefbruder hatte noch seine Brieftasche, darin fast tausend Franken, und Ihre Frau eine goldene Armbanduhr. Das wäre sicher weg.»

Die zwei Männer standen vor ihm, Grädel mit brauner Tweedjacke und Krawatte, der Jüngere mit abgewetzter Lederjacke, offenem Kragen und Bartstoppeln. Als Hannes erklärte, er habe nicht die geringste Lust, diese Personenliste zusammenzustellen, antwortete Fausch: «Wir brauchen sie aber, ob Sie Lust haben oder nicht. Wir haben hier einen Mord aufzuklären.»

«Also bitte, dann klären Sie auf, aber lassen Sie mich damit in Ruhe.»

Der Kerl lachte ihm fast mitleidig ins Gesicht: «Können wir leider nicht, mit der Ruhe ist es jetzt vorbei. Sie stecken hier mittendrin, wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen. Verstehen Sie?»

Nachher wollten sie noch wissen, ob er die beiden Toten berührt habe. Hannes verstand nicht: «Wieso sollte ich sie berührt haben?»

«Es wäre doch denkbar. – Also Sie haben sie nicht berührt?»

«Nein doch. Ich hatte auch nicht die geringste Lust.»

Fausch nahm seine Mappe und ging. Grädel bat, noch das Zimmer seiner Frau sehen zu dürfen. Hannes führte ihn hinauf, öffnete die Tür: «Bitte.» Er blieb draussen, sah wie der Kommissar Schränke und Schubladen aufmachte, einen Blick hineinwarf, aber eigentlich nur sehr flüchtig. Nachher kam er heraus, schloss die Tür und versiegelte sie. Unten im Flur zeigte ihm Hannes den Wandschrank, der seine Waffen enthielt – zwei Matschgewehre, einen Jagdstutzen und zwei Pistolen. Grädel fragte ihn, ob er den Schrank nicht abschliesse, was er mit diesen Waffen treibe, ob er auch auf die Jagd gehe. Ja, sagte Hannes, er sei schon öfter auf der Jagd gewesen, mit ihrem Pächter in ­Falön, Unterengadin. Seine Mutter stamme von dort, mit ihr habe er auch Romanisch geredet. Und zu den Matschgewehren: er sei in einem Schützenverein – im gleichen wie der pensionierte Polizeiinspektor Locher.»

«Ach, Sie kennen den Locher? Das ist jetzt eine Überraschung! Sind Sie gut befreundet mit ihm? Wenn Sie ihn wiedersehen, dann grüssen Sie ihn von mir.»

Während er so redete, hantierte er mit den Waffen. Offenbar interessierten ihn vor allem die zwei Pistolen, eine SIG 210 und eine kleinkalibrige Hämmerle. Er öffnete fachmännisch den Verschluss, guckte in den Lauf, machte wieder zu. Hannes fragte ihn, ob er die Erwerbsscheine sehen wolle.

«Vielleicht später einmal, es wird schon in Ordnung sein», sagte er, schrieb etwas in ein Notizheft. Hierauf, in­dem er sich verabschiedete: «Die Männer vom Erkennungsdienst werden noch ein paar Stunden hier sein – Spurensicherung, Sie verstehen. Übrigens wären wir froh, wenn wir Sie in den nächsten Tagen jederzeit erreichen können.» Er lächelte wieder: «Ich denke, Sie werden nicht gleich wieder nach Griechenland zurückkehren, wenn Sie dort Kopfweh bekommen?»

Offenbar hatte der Mann keine Eile, nach Hause zu gehen. Später am Küchenfenster stehend, sah Hannes, wie er unten im Garten umherspazierte, dann stehen blieb und eine Weile das Haus betrachtete.

Er wäre tatsächlich am liebsten wieder verreist, nach Griechenland oder sonst wohin, nur weg von hier. Statt dessen hatte er jetzt das Vergnügen, die Angehörigen zu benachrichtigen und ihnen zu erzählen, was sich bei ihm ereignet hatte. Um nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, telefonierte er zuerst mit seiner Schwester Sonja, nachher in abgerissenen Worten mit dem Vater, legte dann gleich auf, ohne den armen Alten zu Atem kommen zu lassen.

Es dauerte dann eine ganze Weile, bis er im Elternhaus auftauchte. Sonja empfing ihn vor dem Eingang, ging dann mit ihm die Treppe hinauf, ohne zu reden. Oben betraten sie den Salon, wo Eltern, Schwiegereltern und Tanten auf ihn warteten. Er sah sie dort beisammen sitzen, bleich, starr wie auf einem Gruppenbild von Edward Munch. Noch leicht ausser Atem berichtete er so knapp wie möglich, was es zu berichten gab: seine vorzeitige Heimkehr aus Griechenland, die nächtliche Bahnfahrt, die Entdeckung der beiden Toten im Wohnzimmer, die Polizei und so weiter. Das alles musste er den Leuten erzählen, sah dabei ihre Betroffenheit. Es war entsetzlich, auch für ihn. Familienszenen hatte er ohnehin nie gemocht, es gab nichts Schlimmeres – Seufzer, Gejammer, die Fragen, wie so etwas möglich sei und wer es getan habe. Lilles Tränen um ihren Sohn, Francines Klagen um ihre Tochter – wobei ihr Weinen ab und zu in ein nervöses Lachen überzugehen schien; dazu die Hausmagd Annunziata, eine Seele von Mensch, die auf italienisch jammerte, Vaters geschlagenes Gesicht. Franziskas blonde Patin, obwohl gewesene Krankenschwester, konnte es auch nicht fassen, offenbar auch der Hund nicht, der draussen an der Tür kratzte und dann noch zu bellen begann. Sonja stand auf und liess ihn herein. Einmal klingelte das Telefon und niemand ging dran …

Sein grösster Wunsch: Bald wieder allein sein.

Unterdessen war es Mittag, Annunziata meldete, es sei angerichtet, fragte dann fast stimmlos, ob sie das Essen an die Wärme stellen solle. Da niemand antwortete, ging sie wieder davon. Santa Madre.

Lille stand entschlossen auf und erklärte, sie könne jetzt unmöglich essen; sie fragte Francine, ob sie mit ihr komme – sie wolle hinfahren, die zwei Toten sehen.

«Die kannst du jetzt nicht sehen», sagte Hannes.

«Wieso nicht?»

«Weil sie nicht mehr dort sind. Die werden jetzt noch gerichtsmedizinisch untersucht.»

Sie liess sich auf den Stuhl fallen, betrachtete ihn hilflos, ihre Tränen trocknend. Der Vater, dem seit seiner Streifung das Reden schwerfiel, murmelte vor sich hin. Nur Sonja, etwas abseits sitzend, sagte kein Wort. Harro, ihr schwarzer Neufundländer, lag jetzt auf dem Teppich, mit dem Kopf auf den Vorderpfoten.

Schliesslich ging man doch zu Tisch. Es folgte eine Mahlzeit ohne Worte. Lille konnte tatsächlich nicht essen; bald stand sie wieder auf und ging hinaus, Francine folgte ihr, dann sah man, wie sie sich draussen umarmten und gemeinsam weinten.

Als Hannes gegen zwei Uhr heimging, waren die Männer des Erkennungsdienstes noch immer da, bald im Haus, bald im Garten oder auf dem Balkon. Einmal erschien Fausch, hielt sich längere Zeit in Franziskas Zimmer auf. Hannes überlegte, ob er den Leuten etwas anbieten solle, doch vielleicht war es klüger, es zu unterlassen.

Lange sass er in seinem Arbeitszimmer, leerte die Schubladen, zerriss ein paar Briefe, blätterte in seinen Reisenotizen, dann in Franziskas Tagebuch, das er schon am Morgen an sich genommen hatte – ein dickes, in Leder gebundenes Heft, in das sie öfter gewisse Dinge schrieb.

Gegen Abend, endlich allein im Haus, telefonierte er mit einer in Wien lebenden Freundin, Caroline Z., Lehrerin für Musikpädagogik, die ihm bestätigen konnte, dass Andras Schiffs Recital stattgefunden hatte. Er erzählte ihr, was sich in seinem Haus zugetragen hatte, beschrieb ihr seine Seelenverfassung, vor allem seine Sorge, in den Schlamassel hineingezogen zu werden – wobei er natürlich schon drinsteckte. «Es ist haarsträubend», sagte er, «etwas wie eine Manipulation aus dem Unbekannten.» Hierauf fragte er sie, ob sie im Fall einer polizeilichen Einvernahme aussagen könnte, dass er am Vorabend mit ihr an diesem Recital gewesen sei. Caroline war verstummt, zögerte natürlich, was er durchaus verstehen konnte. Zuletzt, wenn auch ungern, sagte sie zu; sie mochte sich dar­an erinnern, dass er ihr vor einem knappen Jahr, als sie Spitalschulden bezahlen musste, zu Hilfe gekommen war, mit einer ordentlichen Summe, die sie ihm noch nicht ­zurückerstattet hatte. Aber, wie gesagt, er glaubte nicht, dass sie befragt würde; und wenn schon, dann würde sie einfach erklären, sie wären zusammen an diesem Konzert gewesen und er, Hannes, sei schon etwas früher weggegangen, um den Nachtzug nicht zu verpassen.

Die Informationssperre dauerte leider nicht lange. Schon nach drei Tagen war die Hölle los, mit Telefongeklingel, Expressbriefen und Kondolenzen. Dann wie erwartet ein Ansturm von Fotografen, Skandalreportern und Sensationsjägern. Morgens um acht sah er, wie sie unten mit ihrem Krimskrams aus dem Wagen stiegen. Die Haustür war geschlossen, und da sie trotz wiederholten Läutens nicht aufging, setzten sie sich auf das Bänkchen und warteten geduldig. Ab und zu ging er ans halb offene Küchenfenster und horchte. Unten ihre Stimmen, auch ein bisschen Musik, Zigarettenduft. Später sah er, wie sie von der Strasse herüber das Haus fotografierten. Es gelang ihm, sich auf der Gartenseite durch die Kellertür unbemerkt zu entfernen. Man musste sich buchstäblich aus dem eigenen Haus davonstehlen. Als er zwei Stunden später zurückkam, waren sie noch immer da. Vermutlich wurde man die Lümmel nicht so bald los, und so liess er sie herein. Sie schleppten ihren Plunder die Treppe herauf, richteten sich ein. Einer machte eifrig Aufnahmen, hätte ums Verrecken gern auch das Wohnzimmer und das Sofa fotografiert, auf dem die beiden, wie er sagte, abgeknallt worden waren. Als ihm Hannes erklärte, das Zimmer bleibe vorläufig geschlossen, meinte er: «Schade, gerade das wäre für uns sehr wichtig gewesen.» Zwei andere interviewten ihn, liessen dabei ein kleines Tonbandgerät laufen. Ihre Fragen:

«Wo waren Sie, als die Schüsse fielen? – Warum waren Sie nicht zu Hause? – Ahnten Sie, dass einmal etwas passieren würde? – Was empfanden Sie, als Sie die Toten sahen? – Wie ist Ihnen jetzt zu Mute? Wie lebt man in einem Haus, in dem gemordet worden ist? – War es Raubmord oder eine Abrechnung? – Wer kommt für Sie als Täter in Frage? – Wer war dieser Ernesto Plözzer? – Liebten Sie Ihre Frau?»

Mit den Gerichtsbeamten, vor denen er in den nächsten Tagen erscheinen musste, hatte er weniger Mühe. Es begann durch eine Anhörung vor dem Oberstaatsanwalt, was vermutlich zum normalen Verfahren gehörte. Die Leute taten ja nur ihre Pflicht. Der Mann, obwohl in gehobener Position, sah nicht anders aus als ein gewöhnlicher Bürger (wobei natürlich Gewöhnlichkeit täuschen kann): ein leicht korpulenter Sechziger mit spärlich behaartem Schädel, korrekt gekleidet, Brille mit Goldrand. Er war nicht unfreundlich, höchstens insofern nicht sehr angenehm, als er meistens einfach schwieg, sodass Hannes nicht wusste, ob er von sich aus reden oder besser schweigen solle. Im Grunde beschränkte sich die Begegnung auf ein paar belanglose Floskeln. Offenbar hatte der Mann kei­ne Eile; er sass einfach da und schaute einem ins Gesicht, wie gesagt, nicht unfreundlich, höchstens mit ei­nem Anflug von Ironie.

Ein Ermittlungsbeamter, der ihn zwei Tage später befragte, war gesprächiger und insofern menschlicher. Er hatte ein Glasauge, wirkte im Übrigen schlicht und offen, stellte seine Fragen ohne künstliche Pausen. Hannes antwortete, so gut er konnte, ein Gespräch von Mann zu Mann. Mühe bereitete ihm höchstens dieses Glasauge; er versuchte, es nicht zu beachten und blickte es doch immer wieder an.

Rührend indessen nach wie vor die ihm von den zwei Kriminalbeamten entgegengebrachte Aufmerksamkeit. Vielleicht hatten sie im Moment wenig zu tun und konnten sich in aller Ruhe ihm widmen. Kommissar Grädel zeigte viel Interesse für sein Haus, hatte unterdessen jeden Winkel beschnüffelt, wollte zuletzt nochmals den Estrich sehen. Sie stiegen hinauf. Oben blickte er sich um, bewunderte das kunstvoll verschränkte Sparrenwerk, entdeckte dann an einem massiven Stützbalken ein paar Einschussstellen. Hannes erklärte ihm, die seien noch von Franziska, die einmal, noch vor ihrer Heirat, sehen wollte, wie man mit einer Pistole schiesst.

«Und Sie haben es ihr gezeigt?»

«Ich erfüllte ihr jeden Wunsch.»

Noch am selben Abend erschien Fausch, der jüngere mit dem Dreitagebart und der Lederjacke. Er befand sich «zufällig» gerade im Quartier und wollte eigentlich nur schnell seine zwei Pistolen sehen, obwohl er sie offenbar schon dem Chef gezeigt hatte. Hannes öffnete den Wandschrank. Fausch nahm die Waffen, musterte sie eine Weile, legte sie zurück, fragte wie nebenbei: «Und andere Pistolen haben Sie nicht?»

«Nein, habe ich nicht. Das heisst natürlich noch diejenige, die im Wohnzimmer am Boden lag und die Sie mitgenommen haben.»

«Ja, ich weiss – eine 7,68.»

Hierauf, als käme es ihm zufällig in den Sinn, fragte er Hannes, ob er vielleicht noch die Fahrkarte für den Wie­nerwalzer besitze. Hannes stutzte. Doch, sagte er, die müsste er sicher noch haben. Er holte seine Brieftasche, öffnete sie und schaute nach. Das Flugticket war noch da, dazu ein paar griechische Eintrittskarten. Er sann nach, ging in sein Schlafzimmer, nahm die Wildlederjacke und die braunen Manchesterhosen aus dem Schrank, kam damit zurück, suchte vor den Augen des Beamten in allen Taschen, fand aber nur ein Messerchen, einen Kugelschreiber, ein Notizheft und Papiernastücher. Das Eisenbahnbillet kam nicht zum Vorschein, obwohl er absolut sicher war, auf der Heimfahrt diese Hosen und diese Jacke angehabt zu haben. Er fand es auch im Regenmantel nicht, erinnerte sich aber genau, wie viel er dafür bezahlt hatte.

«Lassen wir es», sagte Fausch. «So etwas wirft man ja leicht weg.»

Er blickte sich um, betrachtete zwei vergrösserte Gebirgsfotos an der Wand, das eine davon mit Biancograt und Piz Bernina. Er zeigte mit dem Finger: «Da oben war ich auch einmal.»

«Ich auch», sagte Hannes, «mit meinem Stiefbruder und meinem Schwager.»

Während Fausch das andere Bild anschaute, betrachtete ihn Hannes von der Seite. Eigentlich gefiel ihm der Mann. Sie mochten etwa gleich alt sein. Fausch wandte sich um, schaute ihm flüchtig ins Gesicht, entschuldigte sich für die Störung und verabschiedete sich. Hannes begleitete ihn hinaus.

Überraschungsbesuche auch bei den Angehörigen. Besonders an Sonja schienen sie interessiert zu sein. Ihre sogenannten Routinefragen. Dann Sonjas Ex-Gatte Philipp, Franziskas Eltern, sein Freund Leon W., Dr. Rehberg, der Dichter Isidor Turell usw. Nur Ernesto Plözzer, Paolos einstiger Freund und zuletzt erbitterter Feind, der für sie so wichtig gewesen wäre, stand nicht mehr zur Verfügung, weil er mit seinem Sportflugzeug tödlich verunglückt war, im Gebiet zwischen Piz Kesch und Bergün, angeblich wegen turbulenter Windverhältnisse. Die Toten waren immer fein raus.

Menschliche Aufmerksamkeit ist etwas Rührendes, doch wenn jemand die ganze Zeit anruft oder unerwartet vor der Tür steht, kann es einem auf die Nerven gehen. Als ihn Grädel wieder einmal anrief und ihn fragte, ob er vielleicht zu ihm aufs Präsidium kommen könnte, war er nahe daran, ihm zu antworten, er habe jetzt leider keine Zeit. Eine Weile schwieg er, bis Grädel freundlich nachfragte: «Hallo? Sind Sie noch da? – Aber nur wenn es Ihnen nichts ausmacht.» Als Hannes eine halbe Stunde später dort war, entschuldigte Grädel sich, freundlich wie immer: «Ich habe leider Picket und muss im Haus bleiben, deshalb bin ich Ihnen dankbar, dass Sie zu mir kommen.»

Er ging mit ihm eine Treppe hinauf, oben durch einen Gang, dann in ein nüchtern eingerichtetes Zimmer: ein Tisch, zwei Stühle, Wandschrank, Waschbecken mit Spiegel und Handtuch, das war alles. Kein Bild, nicht einmal ein Carigiet, dessen Lithografien in der Schweiz unzählige Büros und Wartezimmer schmücken.

Statt gleich zur Sache zu kommen, plauderte Grädel über Musik, von der er offensichtlich nicht viel verstand; fragte ihn, welche Pianisten er besonders schätze, ob Andras Schiff auch dazugehöre? Nachher kam er mit Fussball, dann mit Politik, was Hannes im Augenblick schon gar nicht interessierte. Er fragte sich, ob der Mann darauf aus war, ihn mit blossem Geplauder fertigzumachen, bis ihm schwindlig würde, ähnlich wie jener Untersuchungsrichter Porphyrij Petrowitsch, der den Raskolnikow buchstäblich zu Tode redete. Einen Augenblick war er leicht ab­wesend, doch als ihm endlich konkrete Fragen gestellt wurden, gab er sich Mühe, klar und sachlich zu antworten. Grädel wartete geduldig, wenn ihm irgendetwas nicht gleich in den Sinn kam. Hannes hatte nichts zu verbergen, nur konnte er sich mit dem besten Willen nicht an jede Lappalie erinnern, was Grädel ohne weiteres verstehen konnte. «Lassen Sie sich ruhig Zeit. Gedächtnislücken, die habe auch ich.» Er lächelte. Fragte zum Beispiel:

«Wie kam es, dass Paolo, obwohl er Jura studierte, in Ihrem Möbel- und Teppichladen arbeitete? Wie kamen Sie miteinander aus? Er sammelte ja alte Waffen, wo fand er die jeweils?»– Oder Franziska betreffend: «Seit wann hatte sie als Physiotherapeutin eine eigene Praxis? Wer waren ihre Kunden? Stimmt es, dass es sich dabei auch um gut betuchte Herren handelte?»

Auf die Frage, ob er Paolo gehasst habe, antwortete Hannes ausweichend, präzisierte dann, im Grunde habe er nie hassen können.

«Wirklich nicht? Aber Sie wären froh, wenn Sie ihm nie begegnet wären?»

«Man kann seine Begegnungen nicht auswählen. Man kann sie auch nicht rückgängig machen.»

«Da haben Sie recht, geht mir genauso.» – «Und Ihre Begegnung mit Ihrer Frau?»

«Die kam für mich völlig unerwartet. Ich habe lange versucht, ihr auszuweichen.»

«Wieso denn?»

«Weil ich Angst hatte.»

«Angst? Aber Sie machen mir nicht den Eindruck eines ängstlichen Menschen. – War es denn die erste Frau in Ihrem Leben?»

«Nein, die erste nicht, aber sie war anders als andere Frauen. Sie war unheimlicher.»

«Können Sie mir das näher erklären?»

«Sie war unberechenbar, sie hatte eine dämonische Seite. Vielleicht faszinierte mich das.»

«Sie waren in Griechenland, sind dann vor den andern heimgekehrt – angeblich wegen Kopfschmerzen.»

«Ich hielt es nicht aus, fern von ihr zu sein.»

«Trotz jener schönen Griechin, die Ihre Gruppe leitete und die Ihnen offenbar gefiel?»

«Ach, das wissen Sie auch? Ja, die war tatsächlich schön, aber vor allem erinnerte sie mich an Franziska; ich weiss nicht warum, aber ich sah in ihr ständig meine Frau.»

«Haben Sie es ihr gesagt?»

«Was gesagt?»

«Dass sie Ihnen gefalle.»

«Ich denke, sie hat es gemerkt.»

Eine Weile schien der Kommissar über etwas nachzudenken, kritzelte dabei mit seinem Stift schräge und senkrechte Striche auf ein Blatt – eine Art Regen-Zeichnung wie bei Klee oder Flora. Auf seine Frage, warum Paolo ihn ab und zu ‹Gaspard de la nuit› nannte, musste Hannes lachen. Er hatte früher oft jenes so betitelte Werk von Ravel gespielt. Zudem habe vielleicht dieser Übername zu ihm gepasst.

«Wegen der Nacht?»

«Ja, vielleicht.»

Er blätterte in seinem Dossier: «Sie haben offenbar ein enges Verhältnis zu Ihrer Schwester Sonja. Ich übergehe ein Vorkommnis, von dem mir Ihre Stiefmutter Lille erzählt hat. Mich interessiert etwas anderes, nämlich das Verhältnis Ihrer Schwester Sonja zu Ihrer Frau. Wie kamen die miteinander aus?»

Hannes zuckte die Achseln.

«Es heisst, Ihre Schwester sei sehr impulsiv. War sie eifersüchtig?»

«Kennen Sie Frauen, die nicht eifersüchtig sind?»

«Sie weichen meiner Frage aus, Herr Monstein. – Anders gefragt: Hat Ihre Schwester Sie geliebt?»

«Mich geliebt? Wie kommen Sie darauf?»

«Es wäre doch denkbar, nicht?»

«Natürlich wäre es denkbar, aber ich weiss nicht, worauf Sie mit Ihrer Frage hinauswollen.»

Der Kommissar insistierte nicht. Nachher war von Plözzer die Rede, von seinem Absturz, seinem vorangegan­genen Streit mit Paolo. Der Kommissar wusste, dass es dabei um ein Stück Bauland bei Stäfa ging, das Paolo kaufen wollte und das ihm Plözzer wegschnappte.

«Was war dieser Plözzer für ein Typ?»

«Eine Art Schwergewicht. Kantonsrat, Immobilienhändler, steinreich, grosszügig. Zudem ein bisschen verrückt.»

«Inwiefern verrückt?»

«Er stellte gern die Welt auf den Kopf, hatte eine Vorliebe für Paradoxe. Exzentrisch wie er war, behauptete er zum Beispiel, ein Mord sei für ihn etwas völlig Normales, jedenfalls nicht eine Frage der Moral, sondern des klaren Verstandes und des Selbstwertgefühls.»

Diese Aussage musste Hannes wiederholen. Während Grädel notierte, klopfte jemand an die Tür; er ging hinaus, unterhielt sich mit jemandem, kam wieder zurück, setzte sich, blätterte in seinem Dossier. Irgendwo tauchten ein paar Fotos auf – Hannes erkannte flüchtig sein Haus, sein Wohnzimmer und das Sofa. Der Mann schien etwas zu suchen. Nachher, halb abwesend, zeichnete er wieder Regenstriche. Ohne aufzuschauen, fragte er:

«Und Sie, was denken Sie über diesen Mord?»

Hannes schüttelte den Kopf. Er wusste es nicht.

«Stimmt es, dass Sie ab und zu unberechenbare Reaktionen haben?»

«Wer ist schon berechenbar? Ich bin auch nur ein Mensch.»

«Es heisst, dass Sie manchmal plötzliche Wutanfälle haben.» Hannes schwieg, er fuhr fort: «Da gab es zum Beispiel in Ihrer Jugend eine Auseinandersetzung mit ihrem Stiefbruder Paolo, an einem Flussufer, wo Sie ihn beinahe gesteinigt hätten. Offenbar hatten Sie ihn so unglücklich getroffen, dass er bewusstlos am Boden lag. Könnten Sie mir das etwas genauer erzählen?»

«Nein, ich mag nicht. Wozu die Vergangenheit aufwühlen?»

«Es ist sicher besser, darüber zu reden, als es zu verdrängen.»

«Ich verdränge es ja gar nicht.»

«Dann sagen Sie mir doch, wie es war.»

«Einfach ein Streit. Er hatte mich ins Wasser gestossen, worauf ich einen Stein nach ihm warf; nachher lag er am Boden, und ich wusste nicht, was tun.»

«Hatten Sie Angst?»

«Natürlich.»

Der Kommissar schwieg, ihm ins Gesicht schauend. Die merkwürdige Stille dieses Mannes. Hannes fragte ihn:

«Sagen Sie, Herr Grädel, ist dies eigentlich ein Verhör?»

«Aber nein, wer redet hier von Verhör. Ich versuche nur herauszufinden, wer Sie sind. Verstehen Sie? Sie interessieren mich, und deshalb unterhalte ich mich mit Ihnen.»

«Privat oder dienstlich?»

«Ach, wissen Sie, das geht bei mir immer ein bisschen ineinander. Ich kann den Beruf nie ganz von mir abstreifen.»

«Sodass jeder, dem Sie begegnen, im Grunde ein Krimineller sein könnte?»

«Nein, das sehen Sie falsch. Aber wenn man es ein Leben lang mit Menschen zu tun hat, entsteht mit der Zeit eine gewisse Neugier, über den Beruf hinaus.»

Es dämmerte bereits, und im Halbdunkel schien sein Gesicht leicht verändert. Endlich stand er auf, sie verliessen das Zimmer. Draussen wieder eine Treppe, ein Gang und nochmals eine Treppe. Grädel begleitete ihn bis zum Ausgang, wo sie sich verabschiedeten. Als Hannes nach ein paar Schritten flüchtig zurückschaute, stand der Mann immer noch in der Tür, winkte kurz mit der Hand.

Auf dem Heimweg erinnerte er sich an jenen Vorfall. Sie waren damals noch halbwüchsig, dreizehn- und vierzehnjährig, sie weilten in Falön in den Ferien, spielten eines Tages am Flussufer. Er zeigte Paolo, wie man flache Steine so über das Wasser werfen konnte, dass sie an den Wellen abprallten und weiterhüpften. Einmal geschah Folgendes: Er stand auf einem abgeschliffenen Steinbrocken, als ihm Paolo plötzlich von hinten einen wuchtigen Stoss versetzte. Er stürzte ins Wasser, wurde ein paar Meter fortgeschwemmt, konnte sich aber wieder aufrichten und ans Ufer steigen. Passiert war nichts, ausser dass er platschnass war, während Paolo laut lachte. Er war masslos wütend, begann Steine nach ihm zu werfen; einer traf ihn am Kopf, Paolo fiel hin und lag dann reglos am Boden. In einer plötzlichen Verwirrung wusste er nicht mehr, was passiert sei, er sah nur Sandbänke und eilende Wellen, während das Rauschen des Flusses immer lauter wurde. Zum Glück erschien jemand, man brachte den Verletzten zu einem Arzt, wo er sich langsam erholte. Eine Zeit lang trug er einen Verband um den Kopf, hatte oft Schwindelanfälle, bis es ihm allmählich besser ging und er das Geschehene wieder vergas.

Hannes selber konnte nicht vergessen. Die Erinnerung verfolgte ihn wie ein Schatten.

Das Begräbnis hätte im engeren Familienkreis stattfinden sollen, doch erschienen dann mehr Leute, als einem lieb war. Die Menschen langweilen sich und sind froh, wenn einmal etwas passiert. Während der Geistliche vor den zwei Gräbern redete, zählte er unauffällig die Anwesenden. Im ganzen etwa siebzig Personen. Irgendwo sein Chef Dr. Rehberg, der Dichter Isidor Turell, Kunstmaler Möcklin und Frau, dazu Charles, sein Mitarbeiter der FAVILLA. Ganz vorne die Leidtragenden – Lille, die Schwiegereltern, Franziskas blonde Patin, in der Mitte, am Arm gestützt, sein Vater. Er selber stand mit Sonja etwas erhöht auf der Seite gegenüber. Vor ihnen zwei Erdhaufen, zerschnittene Wurzeln, Blumen und Totenkränze. Sein Freund Leon war nicht da. Hingegen sah er irgendwo den pensionierten Kommissar Locher. Sein verwittertes Bauerngesicht. Er stand etwas am Rande, Hut in den Händen, Gebete schienen nicht seine Stärke; einmal strich er sich mit der Hand über den borstigen Schädel und blinzelte am Kirchturm in die Höhe.

«Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn …» Jemand schaufelte Erde in beide Gräber, Frauen warfen Blumen hinein, auch Sonja. Das Stillstehen ermüdete. Übrigens war es zu warm für die Jahreszeit – Mitte April, das war früher noch Vorfrühling, während heutzutage die Hitze immer überfallar­tiger hereinbrach. Wahrscheinlich herrschte Föhn. Man sah bewegtes Gezweig, junges Laub, irgendwo hinter der Mauer blühte ein Kirschbaum. Der Himmel fast dunkelblau.

Er war froh, als man nach der Grabzeremonie den kühlen Kirchenraum betreten konnte. Drinnen tönte Orgelmusik. Als sich die Leute gesetzt hatten, folgte eine Stille. Dann wieder die Stimme des Geistlichen, wieder ein Gebet, hierauf die Trauerrede, von der er mangels Kon­zentration fast nichts mitbekam. Er realisierte höchstens, dass einmal mehr Paulus das passende Stichwort lieferte. Stichworte, dachte er, das war immer etwas vom Wichtigsten. Stichworte waren auch Paolos Stärke gewesen, mit ihnen hatte er oft lebhafte Diskussionen ausgelöst. Bei Paolo ging es überhaupt immer lebhaft zu. Seltsam zu denken, dass er und Franziska jetzt für immer verstummt waren. Während der Pfarrer auf seiner Kanzel redete, dachte er an die beiden Gräber da draussen, beide dicht nebeneinander, sodass sie, falls es eine Totensprache gab, fast miteinander flüstern konnten. Die gute Lille war sogar auf den Gedanken gekommen, sie im selben Grab beizusetzen – ein Vorschlag, den der Vater entrüstet zurückgewiesen hatte; als wäre der Skandal nicht schon gross genug gewesen!

Hannes betrachtete den frisch restaurierten Kirchenraum. An der Mauer ein paar bleiche Fresken, in der Mitte ein segnender Christus, im Chor drei sonnendurchtränkte Farbfenster. Einmal, während der Pfarrer redete, kam ihm seine verstorbene Mutter in den Sinn, und er fragte sich, wie es für sie gewesen wäre, wenn sie Franziska gekannt hätte.

Nach der Predigt folgte eine Cello-Suite, hierauf sprach ein Rotarier, dann ein Tennisspieler, dann ein Offizier, dann wieder der Pfarrer. Hierauf Orgelmusik – «Nun kommt der Heiden Heiland» – ein Stück, das er selber oft auf dem Klavier gespielt hatte. Alles in allem, bis zum Schlussgebet, dauerte die Feier eineinhalb Stunden.

Draussen stand er mit den Angehörigen eine Weile vor den zwei Gräbern. Lille, Franziskas Mutter und die blonde Patin trockneten sich die Tränen. Unweit von ihnen, nahe an der Mauer, befand sich ein Komposthaufen, auf dem drei Raben krächzend um einen Brocken stritten.

Die meisten Trauergäste hatten sich entfernt, nur ein paar wenige standen noch herum. Ex-Kommissar Locher kam auf ihn zu, drückte ihm die Hand, nahm ihn freundschaftlich beim Arm und wanderte mit ihm auf Kies­wegen dem Ausgang zu. «Wie traurig, mein lieber Mon­stein», sagte er. «Zwei so lebensfrohe Menschen, die auf diese Weise das Irdische segnen müssen, wobei es hier nicht gerade segensreich zuging. Sehen Sie, ich hatte beruflich ein Leben lang mit Morden zu tun, Gewalttaten waren mein hartes Brot, aber von Abhärtung ist in mir nicht die Rede, im Gegenteil, so etwas geht mir noch immer an die Nieren. Und für Sie selber, als sensiblen Menschen, wird es doppelt schwer sein. Hören Sie, wenn Sie einmal das Bedürfnis haben, Ihren Schmerz von der Seele zu reden und jemandem Ihr Herz zu öffnen, dann melden Sie sich doch. Rufen Sie mich an, oder kommen Sie einfach. Für Sie habe ich immer Zeit.»

Dankbar war er für sein einfaches Büro, wo ihn niemand störte. Es waren im Haus knapp zwanzig Personen angestellt. Einzelne, zum Beispiel Charles, bekundeten offen ihr Beileid, andere schienen befangen oder grüssten zu freundlich. Am spontansten wie immer Frau Walter, die mütterliche Sekretärin, mit der er immer gut auskam. Sie war verwitwet, hatte ihm einmal vom Unfalltod ihres Mannes erzählt, der als Eisenbahn-Monteur auf dem Dach einer Lokomotive mit dem Starkstrom in Kontakt gekommen und dann gleichsam in einem blauen Blitz verschwunden war. Das erzählte sie nicht etwa klagend, sondern ganz ruhig, als wäre so ein Starkstromblitz das Natürlichste von der Welt. Er habe, erzählte sie, in seinem Sarg trotz Brandwunden wie ein Schlafender ausgesehen … Heute, als Hannes nach seiner längeren Abwesenheit erschien, beteuerte sie, sie habe die ganze Zeit an ihn denken müssen: «Wissen Sie, Herr Monstein, es trifft immer diejenigen, die es am wenigsten verdienen, aber Gottes Wege sind unergründlich.» Sie hielt seine Hände, es sah fast aus, als wünschte sie eine Umarmung. Bevor er wegging, fragte sie leise: «Gibt es schon eine heisse Spur?»

Sein Vater fragte ihn, ob er nicht für ein paar Tage wegmöchte – ein Kulissenwechsel, frische Luft, zum Beispiel bei ihrem Pächter im Unterengadin? Hannes antwortete, er sei jetzt nicht gerade auf Ferien erpicht, zudem müsse er für die Polizei jederzeit erreichbar sein. Der Alte, im Polstersessel sitzend, fragte: «Wie lange dauert das noch?»

«Ich weiss es nicht, Vater, ich weiss es wirklich nicht. Das kann noch lange dauern.»

Abends beim Einnachten wanderte er, wie schon immer, etwas umher. Betrachtete dabei die Leute, die auf ihn zukamen, als wäre es noch immer möglich, unverhofft ein bestimmtes Gesicht zu sehen. An der Kaibrüstung blieb er stehen und schaute auf den Fluss hinunter, sah in der Dämmerung die lautlose Strömung, das Weiss von Möwen. In einer Seitenstrasse wurde noch gearbeitet – Geräusch einer Maschine, warmer Rauch, ein Duft von Teer, italienische Stimmen. Weiter hinten kam ein stilleres Quartier, irgendwo die Bahnpasserelle. Er stieg hinauf, blieb eine Weile oben, während unten beleuchtete Züge vorbeifuhren. Man sah schimmernde Geleise, irgend­wo ein rotes Signallicht. Rechts unten, unweit der Bahnlinie, das kleine Café, in welchem er eines Abends mit Franziska gewesen war, kurz nach ihrer Bekanntschaft; beim Weggehen hatte sie ihren Schal vergessen, er war zurückgeeilt, um ihn zu holen. Sie wartete auf der Passerelle, er sah ihre Silhouette; als er oben war, hatte sie sich versteckt, näherte sich von hinten, schnappte ihm den Schal aus der Hand und legte ihn blitzschnell um seinen Hals, wie eine Schlinge. Dabei lachte sie.

Am schwierigsten immer die Abende zu Hause, wenn es nichts zu tun gab. Er mochte weder Fernsehen noch Radio, Lektüre ging nicht, schreiben noch weniger; Musik ertrug er überhaupt nicht, nicht einmal Bach. Klavier spielen kam ohnehin nicht in Frage, zumal er das Aufenthaltszimmer, wo sein Flügel stand, nicht betreten mochte. Das eigene Haus schien unbewohnbar zu werden. Einmal wollte er in Franziskas Tagebuch lesen. Er nahm es aus der Schublade, blätterte kurz darin und legte es wieder zurück.

Eines Nachmittags, als er heimkam, waren Lille und Francine da, mit dem Einpacken von Franziskas Sachen beschäftigt. An sich wusste er, dass sie hier sein würden, doch unterdessen hatte er es vergessen. Er grüsste, warf ei­nen Blick in das Zimmer, sah offene Schränke und Schubladen, am Boden zwei offene Koffer. Hierauf begab er sich in sein Arbeitszimmer, setzte sich an den Tisch und machte sich daran, noch ein paar letzte Kondolenzbriefe zu beantworten; er benutzte hierzu die gedruckten Karten mit der Danksagung und den Namen der zwei Hingeschiedenen, versah sie mit seiner Unterschrift, fügte da und dort etwas Persönliches hinzu. Oben vernahm er die Stimmen der beiden Frauen, fragte sich, wie lange ihre Einpackerei noch dauern würde.

Einmal klopfte Lille an die Tür, fragte ihn, ob er ihr helfen könnte, einen Koffer ins Freie zu tragen. Er ging hinaus. Zu zweit ging es nicht gut, sodass er das schwere Ding allein die Treppe hinunterschleppte; Lille öffnete ihm die Haustür, draussen den Kofferraum von Francines Auto. Nachher, wieder in seinem Zimmer, tat ihm die rechte Hand so weh, dass er nicht mehr schreiben konnte. Er steckte sich eine Zigarette an, rauchte, zum Fenster hin­aus schauend. Sein Garten war mit Löwenzahn übersät, irgendwo blühte eine gelbtolle Forsythie.

Als er wieder das Zimmer verliess und auf den Balkon hinausging, hing da an einer Leine Franziskas rotes Abendkleid, dasjenige, das sie oft auf Partys getragen hatte. Eine Weile, halb abwesend, stand er da und schaute. An sich war nichts dabei, ein karminrotes Frauenkleid, das sich sanft im Frühlingswind bewegte. Doch ohne zu wissen, wie es kam, begann er auf einmal zu schreien. Die zwei Frauen eilten herbei, bleich vor Schreck. Was war denn passiert? Er schrie wie ein Übergeschnappter, als hätten sie etwas verbrochen, nur verstanden sie kein Wort. Hierauf kehrte er in sein Zimmer zurück, die Tür laut zuknallend.

***

Entschuldige, Leser, ich erzähle dies so, als handelte es sich um einen andern. «Je, c’est un autre», wie es der ge­nia­le Rimbaud gesagt hatte. Aber man kann sich nicht auf andere abschieben – ich spüre, dass ich auf schreckliche Weise ich selber bin. So bleibe ich besser bei der ­ersten Person, mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt.

Ich notiere, was mir so in den Sinn kommt, ohne Plan, eine Art écriture automatique, so kunstlos wie möglich. Von der Familie nur en passant, also nur die Eltern, meine Schwester Sonja und mein unterdessen zu Tode gekommener Stiefbruder Paolo.

Franziska selber, die mit ihm dahingegangen ist, wird erst später auftreten, obwohl sie mir dauernd vor der Seele schwebt. Ich sehe sie Tag und Nacht, manchmal nur schemenhaft, dann wieder deutlich wie ein lebendes Wesen. Letzthin zum Beispiel, als ich nach Hause kam, sass sie auf dem Bänkchen vor dem Eingang; wie ich betroffen stehen blieb und hinstarrte, winkte sie kurz mit der Hand, verschwand hierauf wie ein Luftgespinst. Im Traum sehe ich ihr Gesicht, ihre Goldglanzaugen, ihren auf mich gerichteten Blick. Sie war für mich alles in allem ein sehr dunkler Engel, durch den ich Himmel und Hölle kennenlernte.

Ich versuche es zunächst mit der Gegenwart, das heisst mit der Gegenwart von einst, obwohl diese Gegenwart natürlich für immer vorbei ist. Es ist überhaupt etwas Merkwürdiges mit der Zeit, die uns dauernd zu schaffen macht: bald sind wir froh, dass sie vorbei ist, dann wieder möchten wir, dass sie zurückkäme.