Für Harris W. Seed

{5}Das erzählte Geschehen ist frei erfunden. Irgendwelche Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen, seien sie lebend oder tot, sind rein zufällig.

{7}1. Kapitel

Sie wartete vor der Bürotür, als ich von meiner morgendlichen Kaffeepause zurückkehrte. Normalerweise liefen mir auf diesem etwas schäbigen Flur nur die verzweifelten Mädchen über den Weg, die alle Hoffnung auf die Modelagentur nebenan setzten. Diese Frau war anders.

Sie besaß die Art von Stil, der nicht mit dem Make-up aufgetragen wurde, und war etwa in meinem Alter. Wenn ein Mann älter wird und weiß, was gut für ihn ist, dann werden auch die Frauen, die ihm gefallen, älter. Leider sind die meisten von ihnen verheiratet.

»Mein Name ist Blackwell«, sagte sie. »Sie müssen Mr. Archer sein.«

Ich bestätigte ihre Vermutung.

»Mein Mann ist in ungefähr einer halben Stunde mit Ihnen verabredet.« Sie sah auf eine Armbanduhr, auf der Diamanten funkelten. »In fünfunddreißig Minuten, genauer gesagt. Ich warte schon einige Zeit.«

»Das tut mir leid, ich war auf dieses Vergnügen nicht vorbereitet. Colonel Blackwell ist der einzige Besucher, den ich heute Vormittag erwarte.«

»Gut. Dann können wir uns unterhalten.«

Ich würde nicht unbedingt sagen, dass sie ihren Charme versprühte. Der Charme war einfach da. Ich schloss die {8}Außentür auf und führte sie durchs Wartezimmer und die Tür mit der Aufschrift »Privat« in mein Büro, wo ich ihr einen Stuhl zurechtrückte.

Sie saß aufrecht, ihre schwarze Ledertasche unter den Ellbogen geklemmt, darauf bedacht, mit dem Stuhl so wenig in Berührung zu kommen wie möglich. Ihr Blick richtete sich auf die Polizeifotos an der Wand, die Gesichter, die einen in schlechten Träumen und allzu oft auch im Wachzustand verfolgen. Sie schien verstört. Vielleicht machten die Bilder ihr bewusst, wo sie war, wer ich war und womit ich meinen Lebensunterhalt verdiente.

Ihr Gesicht gefiel mir. Dunkle intelligente Augen, die Wärme ausstrahlen konnten. Ein Hauch von Schwermut um den Mund herum. Es war ein Gesicht, das Leid erlebt hatte und die Bekanntschaft damit gerade zu erneuern schien.

Um ihr ein wenig auf den Zahn zu fühlen, sagte ich: »›Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren.‹«

Sie errötete leicht. »Sie haben ein gutes Gespür für Stimmungen. Ist das ein Standardspruch von Ihnen?«

»Ich habe ihn schon früher mal verwendet.«

»Und Dante auch.« Sie hielt inne, dann sprach sie schneller und aufgeregter weiter. »Mein Kommen muss Ihnen eigenartig erscheinen. Sie dürfen nicht denken, dass mein Mann und ich miteinander im Streit liegen. Davon kann eigentlich keine Rede sein. Aber was er vorhat, könnte verheerende Folgen haben.«

»Am Telefon hat er sich nicht genauer dazu geäußert. Trägt er sich mit dem Gedanken an eine Scheidung?«

»Um Himmels willen, nein. Probleme dieser Art gibt {9}es nicht in unserer Ehe.« Vielleicht fiel ihr Widerspruch ein bisschen zu hef‌tig aus. »Es ist die Tochter meines Mannes, um die ich mir – um die wir uns beide Sorgen machen.«

»Ihre Stief‌tochter?«

»Ja, obwohl ich diesen Ausdruck nicht mag. Ich habe versucht, ihr etwas Besseres zu sein als die sprichwörtliche Stiefmutter. Aber ich bin erst sehr spät an Harriet geraten. Sie war noch ein Kind, als sie ihre Mutter verlor.«

»Ihre Mutter ist gestorben?«

»Pauline ist noch ausgesprochen lebendig. Aber sie hat sich vor Jahren von Mark getrennt, als Harriet elf oder zwölf war. Die Scheidung der Eltern kann so ein junges Mädchen schwer treffen, gerade so kurz vor der Pubertät. Ich konnte Harriet dann nicht mehr viel Unbeschwertheit vermitteln. Sie ist eine erwachsene Frau, und natürlich misstraut sie mir.«

»Warum?«

»Das liegt in der Natur der Sache, wenn ein Mann zum zweiten Mal heiratet. Harriet und ihr Vater standen sich immer sehr nahe. Bevor ich ihn heiratete, hatte ich einen besseren Zugang zu ihr.«

Mit einer Geste des Unbehagens wandte sie ihre Aufmerksamkeit mir zu. »Haben Sie Kinder, Mr. Archer?«

»Nein.«

»Waren Sie je verheiratet?«

»Ja, aber ich sehe nicht ganz, was das zur Sache tut. Sie sind nicht gekommen, um mein Privatleben zu erörtern. Sie haben überhaupt noch nicht erklärt, warum Sie hier sind, und in Kürze wird Ihr Mann aufkreuzen.«

{10}Sie sah auf die Uhr und schnellte, allein durch die innere Anspannung, wie mir schien, unwillkürlich hoch.

Ich bot ihr eine Zigarette an, die sie ablehnte, und zündete mir selbst eine an. »Täusche ich mich, oder haben Sie ein wenig Angst vor ihm?«

»Da täuschen Sie sich gewaltig«, wehrte sie entschieden ab, doch dann suchte sie nach Worten. »Angst habe ich nur davor, ihn zu enttäuschen. Mark muss mir vertrauen können. Ich möchte nicht hinter seinem Rücken agieren.«

»Und doch sind Sie jetzt hier.«

»Ja, das bin ich.« Sie ließ sich auf den Stuhl zurücksinken.

»Was uns wieder zu der Frage nach dem Warum führt.«

»Ich will offen mit Ihnen sein, Mr. Archer. Mir gefällt Marks Schlachtplan nicht« – sie gab ihrer Formulierung eine ironische Note –, »und das weiß er auch. Ich habe Sozialarbeit gemacht und besitze eine Vorstellung davon, was es heißt, als junge Frau in der Welt von heute zurechtzukommen. Meiner Meinung nach ist es das Beste, der Natur ihren Lauf zu lassen. Soll Harriet diesen Mann doch heiraten, wenn ihr Herz an ihm hängt. Aber Mark kann meinen Standpunkt nicht nachvollziehen. Er lehnt diese Verbindung rundweg ab und ist entschlossen, etwas Drastisches zu unternehmen.«

»Und dieses Drastische bin ich.«

»Sie sind eine Variante davon. Von Pistolen und Reitpeitschen war auch schon die Rede. Nicht dass ich«, fügte sie rasch hinzu, »alles ernst nehmen würde, was er sagt.«

»Ich nehme es immer ernst, wenn jemand von Waffen spricht. Was soll ich also für Sie tun?«

{11}Ihr Blick war zu den Fotos an der Wand zurückgekehrt. Mörder, Steuersünder, Bigamisten und Betrüger sahen sie unverfroren an. Sie nahm ihre Handtasche auf den Schoß und hielt sie fest.

»Nun, ich kann Sie wohl schlecht bitten, ihm abzusagen. Das würde ohnehin nichts nützen. Dann sucht er sich einen anderen Detektiv, um ihn auf Harriet und – ihren Freund anzusetzen. Ich wollte Sie eigentlich nur auf seinen Besuch vorbereiten. Sie werden eine sehr einseitige Schilderung der Situation von Mark erhalten.«

»Was ich von Ihnen bisher gehört habe, war sehr vage.«

»Lassen Sie es mich noch einmal versuchen«, sagte sie mit verkrampf‌tem Lächeln. »Vor ungefähr fünf Wochen ist Harriet nach Mexiko gereist. Mit der erklärten Absicht, ihre Mutter zu besuchen – Pauline lebt am Chapalasee – und ein wenig zu malen. Tatsache ist aber, dass sie kein besonders gutes Verhältnis zu ihrer Mutter hat, und ihr Talent als Malerin ist auch nicht weltbewegend. Ich glaube, sie ist ganz bewusst zum Chapalasee gefahren, um dort einen Mann zu finden. Irgendeinen beliebigen Mann. Das soll nicht zynisch klingen, ich hätte unter den gegebenen Umständen vielleicht das Gleiche getan.«

»Was für Umständen?«

»Ich meine die zweite Ehe ihres Vaters mit mir. Es war ganz offensichtlich nicht das Richtige für Harriet, mit uns zusammenzuleben. Zum Glück für sie, für uns alle, war ihre kleine Expedition erfolgreich. Sie hat einen Freund erbeutet und ihn lebend zurückgebracht.«

»Hat das lebende Exemplar einen Namen?«

{12}»Er heißt Burke Damis und ist Maler. Der junge Mann ist zwar nicht unbedingt das, was man eine gute Partie nennt – mein Mann neigt dazu, das gesellschaftliche Ansehen überzubewerten –, aber doch eine recht angenehme Erscheinung. Er hat kein Geld, was einer von Marks Einwänden ist, aber dafür hat er künstlerisches Talent, sehr viel mehr Talent als Harriet, wie sie sehr wohl weiß. Und schließlich wird sie so viel Geld besitzen, dass es ohnedies für beide reicht. Mit seinem Talent und seiner – Männlichkeit und mit ihrem Geld und ihrer Hingabe hätten sie alles, was man für eine Ehe braucht, würde ich sagen.«

»Sie wird zu Geld kommen?«

»Zu einer ganzen Menge Geld, und zwar recht bald. Eine ihrer Tanten hat ihr ein beträchtliches Erbe als gebundenen Fonds hinterlassen. Harriet kann darüber verfügen, sobald sie fünfundzwanzig ist.«

»Wie alt ist sie jetzt?«

»Vierundzwanzig. Alt genug, um ihren eigenen Kopf durchzusetzen, ihr eigenes Leben zu leben und sich von Marks Herrschaft zu befreien –« Sie hielt inne, als hätte sie sich schon allzu weit vorgewagt.

Ermunternd sagte ich: »Herrschaft ist ein starkes Wort.«

»Das ist mir so herausgerutscht. Es ist nicht meine Absicht, meinen Mann hinter seinem Rücken schlechtzumachen. Er ist ein guter Mensch, im Rahmen seiner Möglichkeiten, aber wie viele Männer ist er gegen Torheit in Gefühlsdingen nicht gefeit. Dies ist nicht Harriets erste Liebesbeziehung, die er zu hintertreiben versucht. Bisher ist es ihm immer gelungen. Wenn er es auch diesmal schaff‌t, könnten wir es mit einem sehr traurigen Mädchen zu tun {13}bekommen.« In ihrem Gesicht spiegelte sich lebhafte Anteilnahme.

»Sie sorgen sich wirklich um Harriet, Mrs. Blackwell.«

»Ich sorge mich um uns alle drei. Es tut Harriet nicht gut, im Schatten ihres Vaters zu leben. Und mir tut es nicht gut, dabei zuzusehen. Ich bin nicht der Typ, der tatenlos zusieht – und je länger das so geht, desto schlimmer wird es werden. Harriet ist im Grunde sehr verletzlich, und Mark ist eine sehr dominierende Persönlichkeit.«

Wie um diese Bemerkung zu untermalen, ertönte im Vorzimmer eine kräf‌tige männliche Stimme. Ich kannte sie von meinem Telefonat mit Blackwell. Durch die Mattglasscheibe der Tür sagte er: »Isobel, bist du da drin?«

Sie sprang erneut auf, als hätte sie ein Blitz durchzuckt. Dann machte sie sich ganz klein.

»Gibt es hier noch einen Hinterausgang?«, flüsterte sie.

»Leider nicht. Soll ich ihn abwimmeln?«

»Nein, das gäbe nur noch mehr Ärger.«

Ihr Mann machte sich an der Tür zu schaffen, sein Schemen huschte über die Scheibe. »Ich habe mich schon gefragt, was du hier zu suchen hast, als ich dein Auto auf dem Parkplatz sah. Isobel?«

Sie antwortete nicht. Stattdessen schob sie sich zum Fenster und blickte durch die Lamellenjalousie hinaus auf den Sunset Boulevard. Im gestreif‌ten Licht sah sie sehr schmal und zerbrechlich aus. Vermutlich wurde dadurch mein Beschützerinstinkt geweckt. Ich öffnete die Tür einen Spalt, schlüpf‌te hinaus ins Wartezimmer und zog die Tür wieder hinter mir zu.

{14}Es war meine erste Begegnung mit Colonel Blackwell. Sein Anruf tags zuvor war der einzige Kontakt zwischen uns gewesen. Ich hatte anschließend Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass er ein ehemaliger Berufsof‌fizier war, kurz nach dem Krieg nach einer nicht weiter bemerkenswerten Karriere aus dem Dienst ausgeschieden.

Er war ein recht stattlicher Mann, der erste Rückschläge im Kampf mit dem Alter hatte hinnehmen müssen. Über dem braunen Naturburschengesicht wirkten die Haare wie vorzeitig ergraut. Er präsentierte sich mit stocksteifer Würde, doch sein Körper begann bereits zu schrumpfen. Das Tweedjackett schlotterte um die Schultern, der Hemdkragen war sichtlich zu weit für seinen sehnigen Hals.

Die Augenbrauen waren sein auf‌fälligstes Merkmal, sie verliehen ihm das Aussehen eines frührömischen Herrschers. Im Kontrast zu seinen Haaren noch tiefschwarz, trafen sie sich in der Mitte und bildeten auf seiner Stirn einen Strich wie eine Eisenkante. Der Blick darunter war erstaunlich konfus.

Er brüllte gegen seine eigene Verwirrung an. »Ich möchte wissen, was da drin vor sich geht. Meine Frau ist da drin, nicht wahr?«

Ich begegnete ihm mit ausdruckslosem Blick. »Ihre Frau? Kenne ich Sie?«

»Ich bin Colonel Blackwell. Wir haben gestern telefoniert.«

»Verstehe. Können Sie sich ausweisen?«

»Ich brauche mich nicht auszuweisen! Mein Name bürgt für mich!«

{15}Er schrie wie besessen, als hätte ein Dämon, vielleicht der gequälte Geist eines Oberfeldwebels, von ihm Besitz ergriffen. Sein gebräuntes Gesicht wurde erst rot, dann lavendelfarben. Ins puterrote Ende des Geschreis hinein sagte ich: »Sind Sie wirklich Colonel Blackwell? So wie Sie hier hereingepoltert sind, habe ich Sie für einen Spinner gehalten. Wir haben’s hier oft mit Spinnern zu tun.«

Eine Frau mit sehr ausladenden rosa Haaren blickte, ihre künstlichen Perlen in der Faust knetend, vom Flur zu uns herein. Es war Miss Dittmar, die Betreiberin der Modelagentur.

»Gibt es Probleme?«

»Alles unter Kontrolle«, sagte ich. »Wir haben nur ausprobiert, wer am lautesten schreien kann. Der Herr hier hat gewonnen.«

Colonel Blackwell konnte es nicht ertragen, dass so über ihn gesprochen wurde. Er wandte mir den Rücken zu und stand mit dem Gesicht zur Wand, wie ein Frischling an der Marineakademie, der seinen Anschiss erwartet. Miss Dittmar wedelte huldvoll mit der Hand und trug, eine Duftwolke hinter sich herziehend, ihre Bienenstockfrisur wieder von dannen.

Die Tür zum Büro stand jetzt offen. Mrs. Blackwell hatte ihre Fassung zurückgewonnen, und genau darum war es mir im Wesentlichen gegangen.

»War das eben eine Fata Morgana?«, fragte sie.

»Das war Miss Dittmar aus dem Büro nebenan. Der Lärm hat sie aufgeschreckt. Sie wird immer schnell nervös, wenn es um mich geht.«

»Ich muss mich wirklich entschuldigen«, sagte {16}Mrs. Blackwell mit einem Seitenblick auf ihren Mann. »Für uns beide. Ich hätte nicht herkommen dürfen. Dadurch sind Sie zwischen die Fronten geraten.«

»Das ist nichts Neues für mich. Ich fühle mich ganz wohl zwischen den Fronten.«

»Sie sind sehr freundlich.«

Wie von einer unsichtbaren Kraft bewegt, wandte Blackwell uns sein Gesicht zu. Der Zorn war verraucht, die Züge hatten sich entspannt. In seinen Augen aber lag ein verletzter Ausdruck, vielleicht empfand er das Kompliment seiner Frau für mich als eine gegen ihn gerichtete Spitze. Mit einem breiten, schmerzlichen Lächeln versuchte er, das zu überspielen. »Fangen wir noch einmal von vorne an, diesmal in gedämpf‌ter Lautstärke?«

»Das wäre mir sehr recht, Colonel.«

»Schön.«

Es tat ihm gut, dass ich ihn mit seinem Dienstgrad anredete. Mit einer abrupten horizontalen Bewegung der Hand deutete er an, dass er sich selbst und die Situation voll im Griff hatte. Er ließ den Blick abschätzend durch mein Wartezimmer schweifen, als überlegte er, wie er es umgestalten könnte. Mit einem ähnlichen Blick auf mich sagte er: »Ich werde Sie gleich in Ihrem Büro aufsuchen. Vorher bringe ich noch Mrs. Blackwell zu ihrem Auto.«

»Das ist nicht nötig, Mark. Ich finde selbst –«

»Ich bestehe darauf.«

Er bot ihr seinen Arm. Sich bei ihm unterhakend, trottete sie nach draußen. Obwohl er der Große und der Laute war, hatte ich den Eindruck, dass sie ihn stützte.

Durch die Jalousie beobachtete ich, wie sie auf den {17}Gehsteig traten. Ausgesprochen förmlich schritten sie nebeneinanderher, als wären sie auf dem Weg zu einer Beerdigung.

Ich mochte Isobel Blackwell, aber insgeheim hoff‌te ich, ihr Mann würde nicht zurückkehren.

{18}2. Kapitel

Er kam dann doch zurück, einen Ausdruck der Läuterung im Gesicht, der mir allerdings nicht verriet, wer geläutert worden war und inwiefern. Ich schüttelte die Hand, die er mir über den Schreibtisch entgegenstreckte, aber leiden konnte ich ihn immer noch nicht.

Er spürte das offenbar – erstaunlich bei einem Mann von seinem Naturell und Hintergrund – und unternahm einen ungeschickten Versuch, sich in ein besseres Licht zu rücken: »Sie haben keine Ahnung, unter welchem Druck ich stehe. Die vereinte Energie der Frauen in meinem Leben –« Er hielt inne und beschloss, den Satz nicht weiterzuführen.

»Mrs. Blackwell hat mir schon ein wenig von der Art des Drucks berichtet.«

»Ja, das sagte sie. Sicherlich war es nur gut gemeint, dass sie zu Ihnen gekommen ist, aber verdammt noch mal, wenn nicht mal die eigene Frau den Dienstweg einhält«, sagte er etwas undurchsichtig, »wer dann?«

»Offenbar sind Sie verschiedener Meinung über Ihren zukünf‌tigen Schwiegersohn.«

»Burke Damis ist nicht mein zukünf‌tiger Schwiegersohn. Ich habe nicht die Absicht, dieser Heirat zuzustimmen.«

»Warum nicht?«

{19}Er sah mich finster an, dabei bewegte er seine Zunge im Mund hin und her, als hätte er Fremdkörper zwischen den Zähnen. »Meine Frau hegt die typisch weibliche Illusion, dass alle Ehen im Himmel geschlossen werden. Offenbar hat sie Sie damit angesteckt.«

»Ich habe nur eine schlichte Frage zu dieser speziellen Heirat gestellt. Wollen Sie sich nicht setzen, Colonel?«

Steif nahm er auf dem Stuhl Platz, den zuvor seine Frau benutzt hatte. »Der Mann ist ein Mitgiftjäger, wenn nicht Schlimmeres. Einer dieser Hochstapler, die davon leben, dass sie törichte Frauen zur Ehe verleiten.«

»Haben Sie irgendwelche Belege für diesen Verdacht?«

»Der Beleg steht ihm ins Gesicht geschrieben, er liegt in seinem Verhalten, in der Natur seiner Beziehung zu meiner Tochter. Er ist der Typ Mann, der sie nur unglücklich machen würde, und das ist noch zurückhaltend ausgedrückt.«

Die Anmaßung in seinem Ton wurde jetzt von echter Sorge verdrängt. Er war nicht der aufgeblasene Fatzke, für den ich ihn gehalten hatte, zumindest hatte er etwas mehr als heiße Luft zu bieten.

»Was hat es mit der Beziehung auf sich?«

Er schob seinen Stuhl ruckartig vor. »Sie ist vollkommen einseitig. Harriet bietet ihm alles – ihr Geld, ihre Liebe, ihre nicht unerheblichen Reize. Damis hat gar nichts zu bieten. Er stellt auch nichts dar – er ist ein Niemand, ein Marsbewohner. Er gibt vor, ein ernsthafter Maler zu sein, aber ich verstehe etwas von Malerei, und ich würde ihn nicht mal engagieren, um eine Scheune zu streichen. Niemand hat je von ihm gehört, ich habe Nachforschungen angestellt.«

»Wie umfangreich?«

{20}»Ich habe mich im Kunstmuseum erkundigt, bei einem Experten für zeitgenössische amerikanische Malerei. Der Name Burke Damis sagte ihm nichts.«

»Zeitgenössische amerikanische Maler gibt es wie Sand am Meer, und ständig tauchen neue auf.«

»Ja, und viele von denen sind Blender und Hochstapler. Mit so einem haben wir es hier zu tun, bei diesem Burke Damis. Ich glaube, der Name ist ein aus der Luft gegriffenes Pseudonym.«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Vor allem, weil er mich nicht vom Gegenteil überzeugen kann. Ich habe versucht, ihn zu seinem persönlichen Hintergrund zu befragen. Die Antworten waren ausweichend. Als ich wissen wollte, wo er herkommt, sagte er, aus Guadalajara, Mexiko. Er ist aber ganz offensichtlich kein Mexikaner und hat schließlich zugegeben, dass er in den Staaten geboren wurde, aber er wollte nicht sagen, wo. Er wollte mir nicht erzählen, wer sein Vater war, was er beruf‌lich gemacht hat oder ob es noch irgendwelche Verwandte gibt. Als ich nicht lockerließ, behauptete er, er sei ein Waisenkind.«

»Vielleicht stimmt das. Jungen aus armen Verhältnissen sind da oft empfindlich, vor allem, wenn man sie ins Kreuzverhör nimmt.«

»Er ist erstens kein Junge, zweitens war es kein Kreuzverhör, und drittens ist er ungefähr so empfindsam wie ein Wildschwein.«

»Dann liege ich wohl auf der ganzen Linie falsch, Colonel.«

Er lehnte sich, ohne zu lächeln, auf dem Stuhl zurück {21}und strich sich mit der Hand über den Kopf, sorgsam darauf bedacht, den tadellos frisierten weißen Haarschopf nicht durcheinanderzubringen.

»Ihre Auf‌fassung, dass ich dieses Problem falsch angehe, haben Sie sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Aber ich versichere Ihnen, dem ist nicht so. Ich weiß nicht, wie viel Ihnen meine Frau erzählt hat oder wie viel von dem, was sie erzählt hat, der Wahrheit entspricht – der objektiven Wahrheit. Tatsache ist jedenfalls, dass meine Tochter, die ich von Herzen liebe, sich furchtbar dumm anstellt, wenn’s um Männer geht.«

»Mrs. Blackwell erwähnte«, sagte ich vorsichtig, »dass es schon einmal eine ähnliche Situation gegeben hat.«

»Schon mehrmals. Es ist Harriets dringender Wunsch, sich zu verheiraten. Leider paart sich dieser Wunsch mit einem phänomenalen Talent, sich dafür den falschen Mann auszusuchen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin nicht gegen eine Vermählung. Meine Tochter soll ruhig heiraten – den richtigen Mann, zur rechten Zeit. Aber dass sie sich Hals über Kopf in die Ehe stürzen will, mit einem Kerl, den sie kaum kennt –«

»Wie lange genau ist sie mit Damis bekannt?«

»Höchstens einen Monat. Er ist ihr in Ajijic am Chapalasee über den Weg gelaufen. Ich bin selbst in Mexiko gereist und kenne die zwielichtigen Gestalten, die einem dort begegnen. Es ist kein Pflaster für alleinstehende junge Frauen. Jetzt weiß ich, dass ich sie nicht hätte fahren lassen dürfen.«

»Hätten Sie es denn verhindern können?«

Sein Blick verdüsterte sich. »Tatsache ist, dass ich es {22}gar nicht versucht habe. Der Winter war ihr aufs Gemüt geschlagen, ich merkte, dass sie eine Ortsveränderung brauchte. Ich dachte, sie würde bei ihrer Mutter wohnen, meiner Exfrau, die in Ajijic lebt. Es war dumm von mir, mich auf Pauline zu verlassen. Ich hatte natürlich angenommen, sie würde für einen gesellschaftlich angemessenen Umgang sorgen. Stattdessen hat sie sie einfach auf eigene Faust losziehen lassen.«

»Verzeihen Sie, wenn ich das so unverblümt sage, aber Sie sprechen von Ihrer Tochter, als wäre sie noch unmündig. Sie ist doch nicht geistig behindert?«

»Ganz und gar nicht. Harriet ist eine normale junge Frau von überdurchschnittlicher Intelligenz. Die meiste Zeit«, fügte er wie erklärend hinzu, »habe ich sie höchstpersönlich unterrichtet. Nachdem Pauline es sich angelegen sein ließ, uns zu verlassen, war ich meinem Mädchen Vater und Mutter zugleich. Es betrübt mich selbst, ihr diese Heirat zu verwehren. Sie glaubt, ihr Glück hänge davon ab. Aber die Ehe würde keine sechs Monate halten. Besser gesagt, sie würde genau sechs Monate halten – gerade lange genug, dass er an ihr Geld herankommt.« Er stützte den Kopf auf eine Faust und schielte zu mir herüber, ein Auge vom Druck der Hand halb geschlossen. »Meine Frau erwähnte sicherlich, dass Geld im Spiel ist?«

»Sie hat nicht gesagt, wie viel.«

»Meine verstorbene Schwester Ada hat für Harriet einen Treuhandfonds über eine halbe Million eingerichtet. Von ihrem nächsten Geburtstag an kann sie frei über dieses Geld verfügen. Und sie wird mindestens noch einmal genau so viel bekommen, wenn ich – mal nicht mehr bin.«

{23}Der Gedanke an seinen eigenen Tod bedrückte ihn. Doch die Traurigkeit verwandelte sich alsbald in Zorn. Er beugte sich vor und schlug so hef‌tig auf die Schreibtischplatte, dass der Behälter mit meinen Stif‌ten einen Hüpfer machte. »Kein Dieb wird dieses Geld in seine schmutzigen Finger bekommen!«

»Sie sind sich völlig sicher, dass Burke Damis einer ist.«

»Ich kenne die Männer, Mr. Archer.«

»Erzählen Sie mir von den anderen Anwärtern, die Harriet heiraten wollte. Vielleicht hilft das, um ein Muster in ihrem Verhaltens zu erkennen.« Und in dem ihres Vaters.

»Das weckt ziemlich unangenehme Erinnerungen. Aber sei’s drum. Der eine war ein Mann in den Vierzigern mit mehreren Kindern aus zwei gescheiterten Ehen. Dann gab es noch einen, der sich als Folksänger bezeichnete. Eine Nullität mit Bart. Ein anderer war Inneneinrichter in Beverly Hills – eine Tunte, wie sie im Buch steht. Einer wie der andere waren sie hinter Harriets Geld her. Als ich ihnen das auf den Kopf zusagte, haben sie sich mehr oder weniger würdevoll zurückgezogen.«

»Wie hat Harriet reagiert?«

»Einsichtig. Heute schätzt sie die Typen so ein, wie ich das von Anfang an getan habe. Wenn wir sie davon abhalten können, etwas Überstürztes zu tun, wird sie schließlich auch Damis durchschauen, genau wie ich.«

»Muss schön sein, wenn man Röntgenaugen hat.«

Unter seinen beeindruckenden Augenbrauen hervor starrte er mich finster an. »Diese Bemerkung möchte ich überhört haben. Sie ist nicht nur kränkend, sie zeigt {24}auch, dass Sie mein Problem nicht sonderlich ernst nehmen. Sie haben sich offensichtlich von meiner Frau beeinflussen lassen.«

»Ihre Frau ist äußerst charmant und womöglich auch weise.«

»In manchen Situationen vielleicht. Aber Damis hat sie hinters Licht geführt – sie ist schließlich nur eine Frau. Dass Sie sich genauso täuschen lassen, überrascht mich allerdings. Mir wurde gesagt, dass Sie eine der besten Einmanndetekteien im Bezirk Los Angeles betreiben.«

»Wer hat Ihnen das gesagt?«

»Peter Colton von der Staatsanwaltschaft. Er versicherte mir, einen besseren Mann würde ich nirgends finden. Ich muss allerdings sagen, dass Sie mir kein sehr begeisterter Spürhund zu sein scheinen.«

»Vielleicht reicht Ihre Begeisterung ja für uns beide.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Für Sie ist der Fall ja schon restlos geklärt, bevor ich ihn überhaupt übernommen habe. Aber Sie haben mir keinerlei konkrete Beweise präsentiert.«

»Die Beweise beizubringen ist Ihr Job.«

»Falls es sie gibt. Ich werde keine Beweise erfinden oder Tatsachen so zurechtbiegen, dass sie zu Ihrer vorgefassten Meinung passen. Ich bin bereit, gegen Damis zu ermitteln, unter der Voraussetzung, dass das Ergebnis offen ist.«

Sein Herrscherblick schweif‌te durch mein Büro. Er prallte an dem schmutzig grünen, verbeulten Aktenschrank ab, strich missbilligend über die abblätternden Lamellen der Jalousie und befand die hässlichen Steckbriefvisagen an der Wand allesamt für schuldig im Sinne der Anklage. »Sie {25}meinen, Sie können es sich leisten, potentiellen Klienten Bedingungen zu stellen?«

»Gewisse Bedingungen sind bei jedem Auf‌trag vorausgesetzt. Manchmal muss ich ausdrücklich darauf hinweisen. Immerhin habe ich eine Lizenz und einen Ruf zu verlieren.«

Sein Gesicht durchlief erneut die Farbpalette, angefangen mit Rosa. »Falls Sie in mir eine Bedrohung Ihres guten Rufes sehen –«

»Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, ich besäße einen. Und ich will ihn behalten.«

Er versuchte, mich in Grund und Boden zu starren. Dazu setzte er seine Mimik ein wie ein Schauspieler, furchte die Stirn und verengte die Augen zu Pfeilspitzen, die unter den halbgeschlossenen Lidern hindurch auf mich zielten. Doch bald wurde er des Spielchens überdrüssig. Schließlich erhoff‌te er sich meine Hilfe. »Natürlich«, schlug er einen verständigen Ton an, »hatte ich nichts anderes im Sinn als eine redliche, unvoreingenommene Recherche. Sollte Ihr Eindruck ein anderer sein, haben Sie mich missverstanden. Meine Tochter, müssen Sie wissen, ist mir lieb und teuer.«

»Ich könnte ein paar Informationen über sie gebrauchen. Wie lange ist sie schon aus Mexiko zurück?«

»Gerade eine Woche.«

»Heute haben wir den siebzehnten Juli. Heißt das, sie ist am zehnten zurückgekehrt?«

»Warten Sie. Es war ein Montag. Ja, sie ist am Montag zurückgeflogen, am zehnten Juli. Ich habe sie beide gegen Mittag am Flughafen in Empfang genommen.«

»Damis war also bei ihr?«

{26}»Und wie er bei ihr war! Darum geht’s ja bei dem ganzen Ärger.«

»Was für Ärger genau hat es gegeben?«

»Keine offenen Streitigkeiten. Wir hatten einige – äh – Diskussionen im Kreis der Familie. Harriet hat sich ausgesprochen starrköpfig gezeigt, und Isobel steht auf der Seite der Turteltauben, wie Sie wissen.«

»Haben Sie mit Damis gesprochen?«

»Ja, bei zwei Gelegenheiten. Am Flughafen letzten Montag haben wir alle drei zu Mittag gegessen. Er hat viel geredet, über die Theorie der Malerei und dergleichen. Harriet hat ihm völlig gebannt zugehört. Mich hat er nicht beeindruckt. Doch wirklich misstrauisch geworden bin ich erst bei der zweiten Begegnung. Er kam am Samstag zum Abendessen zu uns. Harriet hatte mir bereits anvertraut, dass sie Heiratspläne hätten, daher habe ich die Gelegenheit genutzt, ihm unter vier Augen auf den Zahn zu fühlen. Dabei habe ich all die ausweichenden Antworten erhalten. Aber immerhin in einem Punkt ist er nicht ausgewichen. Er gab zu, nicht einen roten Heller zu besitzen. Gleichzeitig hat er sich in meinem Haus umgeguckt, als gehörte es ihm bereits. Ich habe ihm klargemacht, dass er es nur über meine Leiche bekommen würde.«

»Das haben Sie ihm ins Gesicht gesagt?«

»Später«, sagte er. »Nach dem Abendessen. Er hatte sich am Tisch höchst widerwärtig aufgeführt. Ich erwähnte, dass die Familie Blackwell eine Tradition verkörpert, die über drei Jahrhunderte zurückreicht, bis in die Zeit der Kolonisierung von Massachusetts. Damis schien das für lustig zu halten. Er machte eine spöttische Bemerkung über die {27}Organisation der Colonial Dames – meine Mutter war dort übrigens Mitglied – und verkündete, dass ihn solche Traditionen langweilen würden. Ich erwiderte, in diesem Fall wäre es sicherlich sehr langweilig für ihn, mein Schwiegersohn zu werden, und dem stimmte er zu.

»Aber später überraschte ich den Burschen in meinem Schlafzimmer. Er stöberte doch tatsächlich in meiner Garderobe herum. Auf meine Frage, was um alles in der Welt ihm einfalle, antwortete er flapsig, er wolle nur mal sehen, wie die oberen Zehntausend lebten. Ich sagte, das würde er niemals herausfinden, nicht auf meine Kosten oder die irgendeines Mitglieds meiner Familie. Ich forderte ihn auf, mein Haus zu verlassen und bei der Gelegenheit auch gleich mein anderes Haus zu räumen, in dem er logiert. Aber dann platzte Harriet dazwischen, und ich sah mich zum Widerruf – sah mich genötigt, die Auf‌forderung zurückzuziehen.«

»Damis bewohnt ein Haus, das Ihnen gehört?«

»Vorübergehend. Harriet hat mich am ersten Tag dazu überredet. Er brauche etwas, wo er malen könne, sagte sie, und ich erklärte mich bereit, ihm das Strandhaus zu überlassen.«

»Und dort ist er immer noch?«

»Das nehme ich an. Sie sind noch nicht mal verheiratet, aber er schnorrt sich schon bei uns durch. Ich sage Ihnen, der Kerl ist ein Schlitzohr.«

»Sonderlich durchtrieben hört sich das gar nicht an. Ich habe einige Maler kennengelernt. Die jungen, noch nicht anerkannten sind schlichtweg auf Unterstützung angewiesen, um arbeiten zu können. Die meisten wünschen sich {28}nichts weiter als ein Nordlicht und ausreichend Geld, um Farbe und etwas zu essen zu kaufen.«

»Das ist auch so eine Sache«, sagte er. »Harriet hat ihm Geld gegeben. Ich habe gestern zufällig mal einen Blick in ihr Scheckheft geworfen, kurz nachdem ich Sie angerufen hatte.« Er zögerte. »Normalerweise bin ich nicht neugierig, aber wenn es darum geht, sie zu beschützen –«

»Wovor genau wollen Sie sie beschützen?«

»Vor der Katastrophe.« Unheilvoll senkte er die Stimme. »Der totalen persönlichen Katastrophe. Ich habe meine Erfahrungen gemacht im Leben, und ich weiß, wozu es führen kann, wenn man die falsche Person heiratet.«

Ich fragte mich, ob sich das auf seine erste Frau bezog, und wartete auf eine Erläuterung. Doch er tat mir nicht den Gefallen, meine Neugier zu befriedigen. »Junge Leute«, sagte er, »scheinen einfach nicht aus der Erfahrung ihrer Eltern zu lernen. Welch eine tragische Verschwendung. Ich habe mir den Mund fusselig geredet, aber Harriet will nicht auf mich hören. Der Kerl hat sie völlig unter seiner Fuchtel. Am Samstagabend hat sie mir eröffnet, sie würde sich für Damis entscheiden, sollte sie gezwungen sein, zwischen mir und ihm zu wählen. Selbst wenn ich sie dann enterbe.«

»Das Thema Enterbung stand im Raum?«

»Ich habe es zur Sprache gebracht. Leider habe ich letztendlich keine Kontrolle über das Geld, das sie von ihrer Tante bekommt. Ada wäre gut beraten gewesen, mich das Vermögen auf Dauer verwalten zu lassen.«

Ich hatte da meine Zweifel. Blackwell war ein unglücklicher Mann mit Problemen, schwerlich dazu berufen, im Leben anderer Menschen den lieben Gott zu spielen. Doch {29}je unglücklicher sie waren und je mehr Probleme sie hatten, desto mehr strebten sie nach Allmacht. Ja die, die wirklich ein Problem hatten, hielten sich bereits für allmächtig.

»Apropos Geld«, sagte ich.

Wir vereinbarten mein Honorar, worauf er mir zweihundert Dollar Vorschuss sowie die Adressen seiner Häuser in Bel Air und Malibu gab. Außerdem überreichte er mir etwas, woran ich gar nicht gedacht hatte: einen Schlüssel für das Strandhaus, den er von seinem Bund löste.

{30}3. Kapitel

Es gehörte zu einer kleinen, abgelegenen Siedlung nördlich von Malibu. Weit unterhalb des Highways befanden sich zu Füßen des braunen Steilufers zwölf bis fünfzehn Häuser, die sich wie zum Schutz gegen das Meer zusammendrängten. An diesem Morgen, bei Ebbe, war es zwar ruhig, doch der bedeckte Himmel wirkte grau und bedrohlich.

Ich bog vom Highway nach links ab und fuhr eine alte gewundene Asphaltstraße hinunter, die in einer Sackgasse endete. Neben anderen Autos parkte ich vor einem weißen Schutzzaun, hinter dem das Gelände zum Strand hin steil abfiel. Eins der Fahrzeuge, ein neuer grüner Buick Special, war auf Harriet Blackwell zugelassen.

Ein Holzsteg führte vom Parkplatz aus an der Rückseite der Häuser entlang. Das Meer schimmerte trübe durch die schmalen Zwischenräume. Ich fand das gesuchte graue Holzhaus mit Spitzdach und klopf‌te an die schwere verwitterte Tür.

Von drinnen war ein männliches Grunzen zu hören. Ich klopf‌te noch einmal und hörte missmutige Schritte über die Holzdielen näher kommen.

»Wer ist da?«, rief es durch die Tür.

»Mein Name ist Archer. Man schickt mich, damit ich mir das Haus ansehe.«

{31}Er öffnete die Tür. »Was ist denn los mit dem Haus?«

»Nichts, hoffe ich doch. Ich überlege, es zu mieten.«

»Dann hat Sie der Alte hergeschickt, wie?«

»Der Alte?«

»Colonel Blackwell.« Er sprach den Namen überdeutlich aus, wie ein Schimpfwort, das mir auf keinen Fall entgehen sollte.

»Davon weiß ich nichts. Das Haus ist mir von einem Maklerbüro in Malibu angeboten worden. Man hat nichts davon gesagt, dass es belegt ist.«

»Das machen die mit Absicht so, um mich zu ärgern.«

Er stand aufrecht in der Tür, ein junger Mann mit Waschbrettbauch und Muskelpaketen am Oberkörper, die sich unter dem engen T-Shirt abzeichneten. Seine schwarzen nassen oder öligen Haare hingen ihm ins Gesicht. Die wässrigen dunkelblauen Augen blickten etwas düster drein. Es lag darin aber auch eine Fähigkeit zur Härte, von der er mir gegenüber keinen Gebrauch machte.

Er vermittelte den Eindruck eines jungen Mannes, der weiter kein Aufhebens um sein gutes Aussehen machen wollte. So jung war er allerdings auch wieder nicht. Er mochte um die dreißig sein, ein Dreißigjähriger, der einiges erlebt hatte.

Nasse Farbe klebte an seinen Fingern. Das Gesicht, sogar die nackten Füße waren bekleckert. Die fleckige Jeans war steif vor getrockneter Farbe.

»Na ja, letzten Endes ist es wohl sein gutes Recht. Ich bin eh so gut wie weg.« Er betrachtete seine Hände, spannte die buntbeschmierten Finger. »Ich bleibe nur noch so lange, bis ich mit dem Malen fertig bin.«

{32}»Sie streichen das Haus?«

Er warf mir einen leicht verächtlichen Blick zu. »Ich male ein Bild, amigo.«

»Verstehe. Sie sind Künstler.«

»Ich arbeite daran. Sie können eigentlich ruhig reinkommen und sich umsehen, wo Sie schon mal hier sind. Wie war doch gleich der Name?«

»Archer. Das ist sehr freundlich von Ihnen.«

»Not kennt kein Gebot.« Er schien sich diese Erkenntnis gerade erst in Erinnerung gerufen zu haben.

Er trat zur Seite, um mich einzulassen. Einmal abgesehen von der zur Linken abgeteilten Küche, nahm das Zimmer, das ich betrat, das gesamte obere Stockwerk ein. Es war geräumig, geradezu imposant, mit einer Balkendecke und vernageltem Eichenboden, der kürzlich abgeschliffen worden war. Die Möbel bestanden aus Rattan und beigefarbenem Leder. Zur Rechten, gleich hinter der Tür, führte eine teppichbelegte Treppe mit schmiedeeisernem Geländer ins Untergeschoss. Ihr gegenüber befand sich ein roter Backsteinkamin.

Am hinteren Ende, auf der Meerseite, war vor den Glasschiebetüren auf einer von Farbspritzern übersäten Abdeckplane eine Staffelei mit gespannter Leinwand aufgebaut.

»Das Haus kann sich sehen lassen«, sagte der junge Mann. »Wie viel Miete verlangt man von Ihnen?«

»Fünfhundert für den Monat August.«

Er pfiff durch die Zähne.

»Ist das nicht die Summe, die Sie auch gezahlt haben?«

»Ich habe gar nichts bezahlt. Nada. Ich bin ein Gast des {33}Eigentümers.« Das schiefe Grinsen in seinem Gesicht nahm nach und nach einen gequälten Ausdruck an. »Wenn Sie mich entschuldigen wollen, ich mache mich wieder an die Arbeit. Lassen Sie sich ruhig Zeit, Sie stören mich nicht.«

Mit lauerndem Gang, wie ein Tier, das sich der Beute nähert, ging er auf die Staffelei zu. Seine ungezwungene Gastlichkeit machte mich ein wenig verlegen. Ich hatte etwas anderes erwartet: ein weiteres Brüllduell, vielleicht gar die Androhung von Gewalt. Ihm war auch tatsächlich eine innere Spannung anzumerken, aber er hatte sich im Griff.

Eine Art stummer Schrei ging von dem Punkt aus, wo er stand. Er starrte auf die Leinwand, als wollte er sie jeden Moment zerfetzen. Doch dann hob er plötzlich seine Palette vom Boden auf, rührte mit einem Pinsel in einem Mischmasch von Farben und bearbeitete mit anmutigen Bewegungen und angespannten Muskeln die Leinwand.

Durch zwei Schwingtüren betrat ich die Küche. Der Gasherd, der Kühlschrank, die Edelstahlspüle, alles blitzte vor Sauberkeit. Ich warf einen Blick in die Schränke, die gut gefüllt waren mit Konserven jeder Art, von Baked Beans bis zu Trüffel. Harriet gab hier offenbar die vorbildliche Hausfrau.

Ich ging hinüber zur Treppe. Der Mann vor der Staffelei stieß ein »Bäh!« aus, doch er sprach nicht zu mir, sondern zur Leinwand. Auf leisen Sohlen stieg ich die Treppe hinab. An ihrem unteren Ende führte eine schmale Tür zu einer Außentreppe, die auf den Strand hinausging.

Es gab zwei Schlafzimmer, vorn ein größeres und an der Rückseite ein kleineres, dazwischen ein Bad. Im hinteren {34}Zimmer standen lediglich zwei Einzelbetten mit unbezogenen Matratzen und Kopfkissen. Das Bad besaß ein rosa Waschbecken und eine rosa Badewanne mit Duschvorhang. Ein Rasierbeutel aus abgegriffenem Leder mit den in Gold aufgeprägten Initialen B.C. lag auf dem hinteren Rand des Waschbeckens. Ich zog den Reißverschluss auf. Das nasse Rasiermesser war erst kürzlich benutzt worden.

Das große Schlafzimmer hatte wie der Raum darüber Schiebetüren, die auf einen Balkon hinausgingen. Auf dem gelben Überwurf über dem breiten Doppelbett stapelte sich sorgfältig zusammengelegte Frauenkleidung: ein karierter Rock, ein Kaschmirpulli, Unterwäsche. Eine Schlangenlederhandtasche mit kunstvoll gewundenem, goldenem Verschluss, die aussah, als stammte sie aus Mexiko, lag auf der Kommode. Ich öffnete sie und fand eine rote Lederbrief‌tasche, die mehrere große und kleine Geldscheine sowie Harriet Blackwells Führerschein enthielt.

Ich blickte hinter die Lamellentüren des Wandschranks. Es fand sich keine Frauen- und nur wenig Männerkleidung darin. Der einsame graue Anzug aus leichtem Kammgarn trug das Etikett eines Schneiders an der Calle Juarez in Guadalajara. Die Hosen und Jacketts daneben waren in Los Angeles in der Filiale einer Kaufhauskette gekauft worden, ebenso die neuen schwarzen Schuhe auf der Ablage darunter. In der Schrankecke stand ein verschrammter brauner Samsonite-Koffer, an dessen Griff der Anhänger einer mexikanischen Fluggesellschaft baumelte.

Der Koffer war verschlossen. Ich hob ihn an. Er schien leer zu sein.

Die Tür am Fuß der Treppe hinter mir ging auf. Eine {35}Blondine im weißen Badeanzug, auf der Nase eine dunkle Brille mit buntem Gestell, kam herein. Sie bemerkte mich erst, als sie bereits neben mir stand.

»Wer sind Sie?«, sagte sie in erschrockenem Ton.

Ich fühlte mich selbst etwas überrumpelt. Sie war viel Frau auf einmal. Obwohl sie flache Strandsandalen trug, befanden sich ihre Augen fast auf gleicher Höhe wie meine. Ich lächelte in die dunklen Brillengläser hinein und trug die Erklärung für meine Anwesenheit vor.

»Vater hat das Strandhaus doch noch nie vermietet.«

»Offenbar hat er es sich anders überlegt.«

»Ja, und ich weiß auch, warum.« Für ein Mädchen ihrer Größe hatte sie eine helle, dünne Stimme.

»Nämlich?«

»Das braucht Sie nicht zu interessieren.«

Mit Schwung nahm sie die Brille ab, und es kam ein sehr grimmiges Gesicht zum Vorschein, aber nicht nur das. Ich begriff, warum ihr Vater nicht glaubte, dass irgendein Mann sie wahrhaftig oder auf Dauer lieben könne. Sie sah ihm ein bisschen zu ähnlich.

Sie schien das zu wissen, vielleicht begleitete der Gedanke daran sie auf Schritt und Tritt. Mit Fingern, deren Nägel silbern glänzten, strich sie sich über die Stirn und glättete die Zornesfalten. Nicht wegwischen ließ sich dagegen das über ihren Augen schroff vorspringende Stirnbein, das sie nicht hübscher machte.

Nachdem ich mich ein zweites Mal für mein Eindringen in ihre Privatsphäre und obendrein für die unausgesprochene Tatsache entschuldigt hatte, dass sie nicht hübsch war, ging ich wieder nach oben. Ihr Verlobter, falls er das {36}war, trug gerade mit einem Spachtel Kobaltblau auf die Leinwand auf. Er war schweißgebadet und bemerkte mich nicht.

Ich blieb hinter ihm stehen und beobachtete ihn bei der Arbeit an seinem Bild. Es war eins von den Gemälden, bei denen, wenn es fertig ist, nur der Maler selbst sagen kann, was es darstellt. Ich hatte dergleichen noch nie gesehen: eine wolkige, einem dunklen Gedanken ähnliche Masse, aus der einige hellere Farbflächen herausstachen wie Hoffnung oder Furcht. Es muss entweder sehr gut oder sehr schlecht gewesen sein, denn ich spürte, wie mich ein Schauer überlief.

Er ließ den Spachtel fallen und stieß, als er einen Schritt zurücktrat, gegen mich. Sein Turnhallengeruch vermischte sich mit den süßeren Düf‌ten der Ölfarben. Mit einem düsteren Funkeln in den Augen drehte er sich um. Das Funkeln verschwand, als er mich erkannte.

»Entschuldigung, ich hatte nicht bemerkt, dass Sie da stehen. Sind Sie mit Ihrem Rundgang fertig?«

»Fürs Erste habe ich genug gesehen.«

»Gefällt’s Ihnen?«

»Sehr. Was sagten Sie, wann ziehen Sie aus?«

»Ich weiß es nicht. Kommt drauf an.« Ein Ausdruck der Beunruhigung war an die Stelle der Selbstvergessenheit getreten, mit der er sich seiner Arbeit widmete. »Vor August wollen Sie ja sowieso nicht rein.«

»Vielleicht doch.«

In bestimmtem Ton meldete sich die Frau vom oberen Ende der Treppe: »Mr. Damis wird bis Ende der Woche ausgezogen sein.«

{37}Er bedachte sie mit seinem schiefen, selbstironischen Lächeln: »Ist das ein Befehl, Fräulein Colonel?«

»Natürlich nicht, Liebling. Ich gebe nie Befehle. Aber du weißt, was wir geplant haben.«

»Ich weiß, was wir überlegt haben.«

So eilig, dass ihr karierter Rock hin- und herschaukelte, lief sie auf ihn zu, wie ein Kind, das einen geliebten Erwachsenen bestürmt. »Du willst doch nicht etwa sagen, dass du es dir schon wieder anders überlegt hast?«

Er senkte den Kopf, dann schüttelte er ihn. Die Beunruhigung hatte sich von den Augen bis zum Mund ausgebreitet.

»Tut mir leid, Kleines. Es fällt mir schwer, Entscheidungen zu treffen, vor allem mitten in der Arbeit. Aber es hat sich nichts geändert.«

»Das ist wunderbar. Du machst mich glücklich.«

»Es ist leicht, dich glücklich zu machen.«

»Du weißt, dass ich dich liebe.«

Die Frau hatte mich vergessen, oder meine Anwesenheit war ihr egal. Sie versuchte, die Arme um ihn zu schlingen. Er schob sie mit den Handballen zurück, die Finger zurückgebogen. »Komm mir nicht zu nahe, ich bin ganz schmierig.«

»Ich mag dich schmierig.«

»Dummerchen«, sagte er, ohne seine Zurückhaltung aufzugeben.

»Ich mag dich, lieb dich und fress dich auf, du Schmierfink.«

Sie beugte sich vor, größer auf ihren Absätzen als er, und küsste ihn auf den Mund. Er ließ ihre Leidenschaft über {38}sich ergehen, die Hände auf Abstand von ihrem Körper. Er sah an ihr vorbei in meine Richtung. Seine Augen waren weit aufgerissen, der Blick ziemlich traurig.

{39}4. Kapitel

Als sie ihn wieder freigab, sagte er. »Gibt es sonst noch etwas, Mr. Archer?«

»Nein danke. Ich melde mich später wieder bei Ihnen.«

»Wenn es sein muss.«

Harriet Blackwell sah mich eigentümlich an. »Ihr Name ist Archer?«

Ich bejahte die Frage. Mit einer brüsken Bewegung, die mich an ihren Vater erinnerte, wandte sie mir den Rücken zu und blickte hinaus auf das graue Meer. Damis stand wie unter einer Glasglocke schon wieder vor seiner Staffelei.

Ich schlüpf‌te hinaus und musste mich fragen, ob es eine gute Idee gewesen war, das Strandhaus persönlich aufzusuchen. Die Antwort hieß nein, wie sich herausstellte. Noch bevor ich bei meinem Auto war, kam Harriet mir mit klappernden Absätzen über den Holzsteg nachgelaufen.

»Sie sind gekommen, um uns auszuspionieren, nicht wahr?« Sie packte meinen Arm und schüttelte ihn.

Ihre Schlangenlederhandtasche fiel zwischen uns zu Boden. Ich hob sie auf und reichte sie ihr im Sinne eines Friedensangebots.

Sie riss sie mir aus der Hand. »Was führen Sie gegen mich im Schilde? Was habe ich Ihnen getan?«

{40}»Überhaupt nichts, Miss Blackwell. Und ich führe nichts gegen Sie im Schilde.«

»Das ist gelogen. Vater hat Sie angeheuert, damit Sie meine Beziehung zu Burke zerstören. Ich habe gestern gehört, wie er mit Ihnen telefonierte.«

»Ihr Haus ist nicht besonders gut gesichert.«

»Ich habe ein Recht, mich zu schützen, wenn man sich gegen mich verschwört.«

»Ihr Vater ist der Ansicht, er würde Sie beschützen.«

»Aber sicher doch. Indem er genau das zerstört, was ich zu meinem Glück brauche oder haben kann.« Ihre Stimme bekam einen hysterischen Klang. »Vater gibt vor, mich zu lieben, aber im tiefsten Grunde seines Herzens, glaube ich, will er mir übel. Ich soll einsam und unglücklich sein.«

»Das ergibt doch keinen Sinn, was Sie da sagen.«

Ihre Stimmung schlug unvermittelt um. »Aber was Sie hier machen, das ergibt Sinn, ja? Sich in anderer Leute Haus einschleichen und sich für jemanden ausgeben, der man gar nicht ist!«

»Es war keine gute Idee.«

»Das geben Sie also zu.«

»Ich hätte die Sache anders angehen sollen.«

»Sie sind ein Zyniker.« Sie schürzte die Lippen voll jugendlicher Abscheu. »Möchte nur wissen, wie Sie es mit sich selbst aushalten.«

»Ich habe nur versucht, eine Aufgabe zu erledigen. Ich hab’s vermasselt. Fangen wir noch mal von vorne an.«

»Ich habe Ihnen absolut nichts zu sagen.«

»Ich Ihnen etwas sehr wohl, Miss Blackwell. Wären Sie {41}bereit, sich mit mir ins Auto zu setzen und mich anzuhören?«

»Das geht genauso gut gleich hier und jetzt.«

»Mir wär’s lieber, wir würden nicht unterbrochen«, sagte ich mit einem Blick zurück zum Strandhaus.

»Vor Burke brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich habe ihm nicht gesagt, wer Sie sind. Ich will ihn nicht bei der Arbeit stören.«

Sie hörte sich ganz wie eine junge Ehefrau oder angehende Braut an. Ich machte eine entsprechende Bemerkung. Sie schien sich darüber zu freuen.

»Ich liebe ihn. Das ist kein Geheimnis. Sie können es gern in Ihr schwarzes Büchlein schreiben und meinem Vater darüber ausführlich Bericht erstatten. Ich liebe Burke, und ich werde ihn heiraten.«

»Wann?«

»Schon sehr bald.« Sie setzte eine geheimnisvolle Miene auf, doch ihr Blick war matt. Als wäre sie sich ihres Geheimnisses nicht sicher. »Es fällt mir nicht im Traum ein, Ihnen zu verraten, wann und wo. Vater würde sofort die Nationalgarde losschicken, mindestens.«

»Heiraten Sie um Ihrer selbst willen oder um Ihren Vater zu ärgern?«

Sie sah mich verständnislos an. Kein Zweifel, dass es eine bedeutungsvolle Frage war, aber sie schien keine Antwort darauf zu haben.

»Vergessen wir den Vater einfach mal«, sagte ich.

»Wie könnte ich? Es gibt nichts, was er nicht tun würde, um uns aufzuhalten. Das hat er selbst gesagt.«

»Ich bin nicht hier, um Ihre Heirat zu verhindern.«

{42}»Was wollen Sie dann?«

»So viel über Ihren Freund herausfinden wie möglich.«

»Damit Vater es gegen ihn verwenden kann.«

»Das setzt voraus, dass es etwas gibt, was sich verwenden ließe.«

»Setzen Sie das nicht voraus?«

»Nein. Ich habe Colonel Blackwell klipp und klar gesagt, dass ich nicht bereit bin, Ihrem Freund irgendetwas unterzuschieben oder Material für irgendeine Form von moralischer Erpressung zu beschaffen. Das möchte ich auch Ihnen gegenüber klarstellen.«