Carl-Auer

Stimmen zum Buch

»Daniel Bindernagel und seinen Mitautoren gelingt es in diesem Buch einerseits, ihre therapeutische Methode, anderseits die dahinter stehende Haltung ausgezeichnet und verständlich darzustellen. Das Buch hat meines Erachtens sowohl für Anfänger im Bereich der Psychotherapie wie für Fortgeschrittene viel zu bieten.«

Wilhelm Felder, Prof. em. Dr. med., ehemaliger Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Bern

»Was in diesem Buch unter dem Begriff der idiolektischen Gesprächsführung – dem bewussten Aufgreifen der Eigensprache von Kindern – vorgestellt wird, ist mehr als eine neue pädagogische Methode. Es geht um die grundsätzliche Entscheidung, Kinder in ihrer Selbstbestimmtheit und ihren Lebensäußerungen uneingeschränkt anerkennen und sich ihrer jeweiligen Eigenheit und Einzigartigkeit verstehend annähern zu wollen. Ein Gewinn für die Frühpädagogik!«

Susanne Viernickel, Prof. Dr. phil., Diplom-Pädagogin, Alice Salomon Hochschule Berlin

»Das Buch unterteilt die Entwicklung schön und folgerichtig von der Geburt bis zur Adoleszenz. Anschaulich wird die Theorie zur Entwicklung der Eigensprache altersgruppenspezifisch an einer Reihe von klinischen Vignetten dargestellt, die typisch für Problemstellungen sowohl in der Kinder- und Jugendpsychiatrie als auch in pädagogischen Kontexten sind. Ich empfehle dieses Buch von ganzem Herzen für erfahrene Profis, Psychotherapeuten in Ausbildung und neugierige Eltern gleichermaßen.«

Daniel S. Schechter, M. D., Direktor der Konsiliar- und Liasonpsychiatrie der Kinderkliniken der Universität Genf

»Die in diesem Buch zum Ausdruck kommende Haltung gegenüber den kleinen und großen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen finde ich außerordentlich sorgfältig, respektvoll, differenziert und liebevoll. Einen großen Reichtum bilden die vielen konkreten Beispiele von Gesprächssituationen in alltäglichen und klinischen Kontexten. Dafür ein großes Kompliment!«

Barbara Zollinger, Dr. phil., dipl. Logopädin und Mitbegründerin des »Zentrum für kleine Kinder« in Winterthur

»Die idiolektische Gesprächsführung stellt ein wertvolles Zusatzverfahren dar, das in seiner Sprach- und Beziehungsorientiertierung anerkannte Therapieverfahren wertvoll ergänzt. Idiolektik leistet vor allem im Umgang mit der so zentralen therapeutischen Beziehungen einen ungewohnten, äußerst wertvollen Beitrag. Der kommt nicht nur den behandelten Patienten, sondern gleichermassen auch jüngeren oder auch älteren Therapeuten in ihrer Weiter- und Fortbildung zugute. «

Markus Binswanger, Dr. med., ehemaliger Direktor der Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Clienia Littenheid AG, Wil

»Das Werkzeug der Idiolektik – anschaulich dargestellt in den vielen Praxisbeispielen – kann sehr hilfreich und machtvoll sein. Deshalb ist die achtsame, respektvolle und an der ›inneren Weissheit‹ des Gesprächspartners ausgerichtete Grundhaltung unverzichtbar.«

Anka Surber, Schulische Heilpädagogin, Sonderpädagogin und Rhythmikpädagogin, Trogen

»Daniel Bindernagel liefert in diesem umfangreichen Werk u. a. einen hervorragenden Überblick über Forschungsergebnisse und Weiterentwicklungen zum Thema frühe Kindheit. Er zeigt auch eine mögliche Integration von Ergebnissen aus der Säuglings- und der Bindungsforschung in tiefenpsychologisch orientierte Therapiekonzepte auf.

Für das Anliegen, Kinder darin zu unterstützen, ihre »Eigensprache« und sich selbst zu finden, finden sich in diesem Buch umfangreiche und hervorragende Orientierungshilfen. Es öffnet auf anregende Art mit vielen beeindruckenden konkreten Beispielen die Augen für einen intersubjektiven Dialog zwischen Kindern und Erwachsenen und den Kindern untereinander.« Egon Garstick, Sozialpädagoge, Psychotherapeut und Psychoanalytiker, Zürich

Daniel Bindernagel (Hrsg.)

Die Eigensprache der Kinder

Idiolektische Gesprächsführung mit Kindern, Jugendlichen und Eltern

Mit einem Vorwort von Therese Steiner

Vorwort

Die aktuelle Psychotherapieforschung zeigt deutlich, dass eine der wirksamsten Formen der Unterstützung von Patienten in der Aktivierung vorhandener Ressourcen besteht. Die idiolektische Grundhaltung wie die idiolektische Gesprächsführung weisen Therapierenden den Weg, wie eine solche Aktivierung erreicht werden kann. Nun liegt ein Buch vor, das erstmals systematisch die idiolektische Methode in ihrer Anwendung mit Kindern und Jugendlichen beschreibt. Im Fokus steht, wie bereits im Vorläufer-Buch Schlüsselworte, die Sprache sowohl derjenigen, die Hilfe suchen, als auch derjenigen, die Hilfe bieten.

Kommunikation – ob verbal oder nonverbal – stellt das Kerngeschäft von Psychotherapie dar. Das aufmerksame Wahrnehmen und Beachten der individuellen Art und Weise, wie Menschen sich uns mitteilen, wird in der Idiolektik zum Wegweiser jeglichen therapeutischen Tuns. Darauf basiert ein sich gegenseitig befruchtendes Geben und Nehmen zwischen Klienten und Therapeuten. Therapie wird so zu einem kooperativen Geschehen, bei dem das Wissen des einen so wichtig ist wie das Wissen des anderen. Dem einzigartigen Wissen von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern Priorität und Vertrauen zu schenken, verändert aus meiner Sicht das Verständnis von Psychotherapie. Es sind dann nicht mehr nur wir Therapeuten, die Veränderungen konstruieren bzw. initiieren, es sind vielmehr die Klienten selbst, die auf ihre einzigartige Weise wesentliche Schritte in die Wege leiten. Barry Duncan weist in seinen Überlegungen zu hilfreichem Therapeutenverhalten darauf hin, dass sinnvoller als eine manualisierte und dekontextualisierte Umsetzung bestimmter ressourcenaktivierender Interventionen eine Veränderung der Haltung des Therapeuten gegenüber dem Klienten ist: »Der Schlüssel ist die Einstellung des Therapeuten in Bezug auf die dem Klienten innewohnenden Fähigkeiten und Resilienz.«

Was mich als Leserin an diesem Buch besonders beeindruckt, ist die therapeutische Grundhaltung, auf der Idiolektik beruht und ohne die diese Methode nicht angewendet werden kann. Einige Grundpfeiler dieser Haltung lassen sich wie folgt wiedergeben:

Besonders im Umgang mit Kindern und Jugendlichen ist es nicht selbstverständlich, seine Arbeit auf solche Grundannahmen zu basieren. Wie schnell haben Erwachsene doch das Gefühl, sie wüssten, was das Beste für das Kind sei und was nun getan werden müsse. Dabei gerät in Vergessenheit, den Kindern zuzuhören, ihre Beiträge ernst zu nehmen. Gute Gelegenheiten werden vertan, das Kind in seiner Persönlichkeit zu stärken. In diesem Zusammenhang ist auch eindrücklich zu lesen, dass bereits Neugeborene gezielt und differenziert mit der Umwelt kommunizieren und nicht, wie bis vor Kurzem angenommen, nur ihre Grundbedürfnisse äußern können.

Das vorliegende Buch zeigt auf, wie es Therapierenden gelingen kann, Kindern mit der oben beschriebenen therapeutischen Grundhaltung zu begegnen. Die Lektüre regt uns an, Säuglinge, Kinder und Jugendliche aufmerksam zu beobachten und ihnen unvoreingenommen zuzuhören. Ihre Aussagen lösen in uns eine Resonanz aus, die wir als Orientierung in unserer Gesprächsführung nutzen können. Dieses Tun an und für sich als therapeutischen Prozess zu konzeptualisieren braucht Mut, Vertrauen, Übung und die Überzeugung, dass unsere Klienten, ob jung oder alt, auch in schwierigen Situationen kundig sind und in ihrer Lösungsfindung einzigartig.

Im Zentrum stehen Kinder und Jugendliche und damit Menschen, die sich in vielem von den Erwachsen unterscheiden. Das in Kontakttreten mit der Außenwelt weist je nach Alter ganz spezifische Merkmale auf. Auf gut verständliche Weise wird die Sprachentwicklung vor dem Hintergrund der Entwicklung von Wissensstrukturen dargestellt. Dabei wird klar, wie wichtig das implizite Wissen bleibt, auch nach der Ausbildung des expliziten Wissens. Inneres Erleben kann allmählich mit äußeren Erfahrungen in Zusammenhang gebracht werden und umgekehrt. Explizites Wissen und implizites Wissen bilden das Substrat der Eigensprache. Durch das Beachten und Nutzen der Eigensprache fühlen sich die Menschen, vor allem auch die jüngeren Kinder, gehört und verstanden. Beachten im idiolektischen Sinne heißt unter anderem, auf den Klang, den Rhythmus und die Tonmodulation in der Kommunikation hören. Dieses »musikalische« Zuhören öffnet Türen zur kindlichen Erlebniswelt und erleichtert den Beziehungsaufbau.

Als große Bereicherung erscheint mir auch die wiederholte Beschreibung, wie paralogische Kommunikation und zieloffenes Fragen zugelassen und gefördert werden können. Worte der Kinder werden aufgegriffen, indem zum Beispiel nach einem Bild gefragt wird oder man sich mit Neugier erkundigt, wie etwas geht. Es steht nicht eine gezielte Exploration einer Aussage an, etwas, was Kinder ja ohnehin oft überfordert. Es geht vielmehr darum, unser Gegenüber einzuladen und zu ermuntern, mit der ganz persönlichen aktionalen, bildhaften und metaphorischen Ebene seiner Worte in Kontakt zu treten. Bei der idiolektischen Gesprächsführung verzichten Therapeuten also auf logische Beschreibungen. Sie nehmen das Wort beim Wort und lassen sich leiten. So sind sie ganz in der Haltung des Nichtwissens und in der Haltung des Annehmens. Sie lassen sich vom Expertentum des Gegenübers an dessen innere Ressourcen und dessen inneres Wissen heranführen. Kinder und Jugendliche erfahren durch diese Art der Kommunikation eine ganz neue Art, mit Erwachsenen in Kontakt zu sein. In der Regel sind sie von solchen Gesprächen positiv überrascht und bauen relativ rasch eine vertrauensvolle Beziehung auf, die zu Kooperation führt und das Generieren von nützlichen Ideen und Vorgehensweisen erleichtert.

Das Buch ist unterteilt in einen theoretischen Teil zu Beginn und nachfolgend nach Altersstufen klar gegliederte Kapitel, die altersspezifische Merkmale der Eigensprache darstellen und an konkreten Beispielen illustrieren. Die zahlreichen Fallvignetten geben einen guten Einblick in die vielfältige Anwendbarkeit der Idioletktik. Eine bereichernde Besonderheit des Buches ist die Tatsache, dass nicht nur Fachpersonen aus dem Arbeitskontext der Psychologie bzw. Psychiatrie zu Wort kommen, sondern auch Pädagogen. So wird klar, wie nützlich das Beachten der Eigensprache im Alltag auch dann sein kann, wenn es schlicht um Lernen geht. Idiolektik eignet sich zur Förderung von gesunder Entwicklung und sollte daher in ihren Grundzügen in jedem Zusammenleben mit Kindern Beachtung finden, also auch in Kinderbetreuung, Schulen und Familien.

Zu guter Letzt erlaube ich mir aus der Fülle der Anregungen, die die Lektüre dieses Buches bietet, eine Perle herauszugreifen. Meine Auswahl begründet sich einerseits aus der Tatsache, dass in diesem Abschnitt eine Vorgehensweise vorgestellt wird, die sowohl für Kinder, Jugendliche als auch Eltern hilfreich sein kann, andererseits ist sie ein gutes Beispiel dafür, wie viel Sprache vermag und wie sehr es sich lohnen kann, Ausdrucksweisen sorgfältig zu beachten. Die Rede ist von Verbalstrategien, wie sie ursprünglich von David Jonas, dem Begründer der Idiolektik, beschrieben wurden. Verbalstrategien helfen, auch unter schwierigen Umständen, z. B. bei verbalen Angriffen, konstruktiv zu kommunizieren. Das Gegenüber wird ernst genommen, aber nicht angegriffen, auch wenn man unbedachtem Spaß, gezieltem Sich-lustig-Machen oder sogar Mobbing ausgesetzt ist – etwas, was bekanntlich vielen Kindern und Jugendlichen widerfährt. Wie in den orientalischen Selbstverteidigungsschulen gilt es hier, den Angreifer nicht zu verletzen, nicht zurückzuschlagen, sondern zu überraschen. Das ist einfacher gesagt als getan. Wenn Herabsetzungen, Zurückweisungen und Beleidigungen Menschen treffen, reagieren sie in der Regel unvernünftig. Sie beginnen sich reflexartig, weitgehend vom Gefühl her zu verteidigen. Das Grundprinzip einer erfolgreichen Verbalstrategie besteht darin, mit einer gezielten Äußerung dem Gesagten eine neue Richtung zu geben. Es ist eine Art Aikido mit Worten.

Verbalstrategien bieten eine wunderbare Möglichkeit, Kinder und Jugendliche ihre Selbstwirksamkeit erleben zu lassen und dadurch ihr Selbstvertrauen zu stärken.

Dieses Buch zu lesen stellt eine große Bereicherung dar, auch für diejenigen, die schon lange Menschen nach dem einen oder anderen Therapieansatz begleiten. Ich wünsche ihm deshalb eine große Verbreitung und hoffe, dass es zukünftig viele Therapeuten, Pädagogen und Eltern in ihrem Tun begleitet und dank seiner Übersichtlichkeit auch zum kurzen Nachlesen in bestimmten Situationen animiert.

Dr. Therese Steiner
Embrach/Zürich, im Mai 2016

Einleitung

Daniel Bindernagel

Dieses Buch möchte Interesse wecken an der Vielfalt und Vielschichtigkeit und am Reichtum von Eigensprache. Ein Kind, dessen eigene Sprache aufgegriffen wird, spürt, dass ihm zugehört wird. Dieses Kind macht eine für die spätere Entwicklung sehr wichtige Grunderfahrung: »Meine Äußerungen werden wahrgenommen und beantwortet.« Und wenn diese Erfahrung fortlaufend und verlässlich gemacht werden kann, könnte es über sich sagen: »Ich fühle mich sicher und gehalten.« Dies trägt zum Aufbau einer sicheren Bindung und eines guten Selbstvertrauens bei. Mit zunehmendem Alter und wachsenden kognitiven Fähigkeiten kann das Eingehen auf die Eigensprache neben den erwähnten positiven emotionalen Grunderfahrungen den Zugang des Kindes zu sich selbst fördern. Es kann sich selbst über die eigene Sprache entdecken und verstehen. Es erfährt Anerkennung und Wertschätzung in der Einzigartigkeit seines Seins. Da Kinder gerne in Bildern sprechen, können sie mit einfachen Fragen zu Bildern viel anfangen und in der Regel leicht und spontan antworten. Weil die Idiolektik bildhafte Sprache fokussiert und ein effektives Handwerkszeug für das Eingehen auf Bilder zur Verfügung stellt, eignet sie sich gerade im Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Viele Kinder haben noch die Fähigkeit, einfache und konkrete Fragen zu stellen. Genau das müssen wir Erwachsenen für diese Form der Gesprächsführung wieder neu lernen.

Fachpersonen, die mit Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern arbeiten, liefert dieses Buch Grundlagen und Handwerkszeug, Kinder besser zu verstehen und auf sie einzugehen. Im Zentrum der Methode steht die Erkenntnis, dass jedes Individuum seine eigene Sprache spricht. Unter dem aus der Linguistik stammenden Begriff des Idiolekts versteht man das individuelle Sprachmuster eines Sprechenden mit all seinen phonetischen, grammatischen und die Wortwahl betreffenden Vorlieben (Encyclopedia Britannica). Der Idiolekt bezeichnet also die individuelle Sprache eines einzelnen Menschen. Mit dem Idiolekt werden Besonderheiten beschrieben, aufgrund deren man die Sprache unterschiedlicher Sprecher einer Sprachgemeinschaft unterscheiden kann. In der Soziolinguistik werden die Idiolekte von Mitgliedern einer definierten Sprachgemeinschaft analysiert mit dem Ziel, daraus gemeinsame Merkmale eines Soziolekts abzuleiten. Der Soziolekt bezeichnet sodann die sprachlichen Eigenheiten einer sozialen Gruppe. Der Dialekt wiederum stellt die sprachlichen Eigentümlichkeiten einer Region dar, während der Idiolekt eben die eigentümlichen Sprachmuster des Individuums abbildet. Der Idiolekt lässt sich mit dem sprachlichen Fingerabdruck eines Individuums vergleichen. Diese Metapher verweist auf einen wesentlichen Aspekt von Eigensprache, nämlich den der Unverwechselbarkeit und der Einzigartigkeit. Gleichzeitig hinkt dieser Vergleich, da er fälschlicherweise nahelegt, dass der Idiolekt wie der Fingerabdruck etwas biologisch Festgelegtes und Unveränderliches sei. Das Gegenteil ist der Fall: Unsere Sprache ändert sich fortlaufend, ist etwas Interaktives und passt sich an Kontext und Situation an. Häufig nehmen Menschen sprachliche Eigenheiten von einer Gruppe oder von einzelnen anderen Menschen an, mit der oder dem sie neu zusammen sind. Auf diesen Umstand haben auch schon forensische Linguisten hingewiesen. Forensische Linguisten versuchen beispielsweise, in anonymen Erpresserschreiben über die Analyse des Idiolekts den Verbrechern auf die Spur zu kommen. Es wird dabei zu Recht darauf hingewiesen, dass die forensische Linguistik keinen Fingerabdruck im Sinne der Spurensicherung nachweisen kann, weil sich eben Sprache im Laufe des Lebens verändert und kontextabhängig ist. Allenfalls könne man wichtige Hinweise auf den Verfasser eines Schreibens bekommen (Krischke 2013).

Doch zurück zur Idiolektik, in der es in keiner Weise um detektivische Arbeit oder das Festlegen einer Autorenschaft geht, sondern eher um das Gegenteil: um ein zieloffenes, sorgfältiges Zuhören und eine gemeinsame Entdeckungsreise durch die »Sprachlandschaft« unseres Gesprächspartners. Der Idiolekt beinhaltet alle Aspekte kommunikativen Verhaltens: Wörter, Sprachklang und Körpersprache. Durch präzises Aufgreifen der Wörter unseres Gesprächspartners und konsequentes Orientieren an positiv gefärbten nonverbalen Signalen gelingt es rasch, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und dem Gesprächspartner einen Zugang zu sich selbst zu erleichtern. Nicht nur Wörter haben eine sehr individuelle Bedeutung, sondern auch der Klang der Sprache und die Körpersprache sind unverwechselbar und eigentümlich. Sprachklang und Körpersprache rücken desto mehr ins Zentrum, je jünger ein Kind ist. Menschen, die professionell mit Kindern arbeiten, will dieses Buch anregen, ihre Art und Weise des Zuhörens und Zuschauens zu reflektieren. Die Möglichkeiten, auf die Sprache von Kindern, Jugendlichen und Eltern einzugehen, will es erweitern. Indem ich teilhaben kann am nahezu unerschöpflichen Reichtum der Eigensprache meines Gegenübers, bekomme ich selbst als Professioneller mehr Zugang zu meiner eigenen Lebendigkeit. So kann die Beschäftigung mit der Eigensprache des anderen auch meine eigene Explorationslust fördern und ganz allgemein zur Freude an der und Befriedigung durch die Arbeit beitragen. Die vielen Fallbeispiele, in denen verschiedene Autoren mit langjähriger Erfahrung in der idiolektischen Methode zu Wort kommen, machen dies nachvollziehbar. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Lektüre dieses Buches nicht nur für Professionelle, sondern auch für Eltern von Interesse sein kann. Denn das Wissen über Eigensprache und einfache Techniken, darauf einzugehen, können die familiäre Kommunikation verbessern. Dabei sollen Eltern natürlich nicht zu Therapeutinnen und Therapeuten ihrer Kinder werden, aber so manches Konfliktmuster und daraus resultierendes Verhalten können durch sorgfältiges Zuhören und einfaches Nachfragen gelockert und zum Positiven verändert werden. Kurz gesagt: Gut zuhören und einfach nachfragen kann die halbe Miete für eine gute Kommunikation sein.

Im Anschluss an diese Einleitung wird darauf eingegangen, wie sich Eigensprache entwickelt. Dabei stellen wir fest, wie eng unsere sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten mit der Entwicklungspsychologie verknüpft sind. Hier werden in verdichteter Form die wissenschaftlichen Grundlagen und Anknüpfungspunkte bezüglich anderer Theorien geliefert. Der weitere Aufbau des Buches gliedert sich dann entlang den kindlichen Entwicklungsstufen. Die Struktur der einzelnen anschließenden Kapitel gestaltet sich nach folgendem Muster: Nach einer kurzen Einführung werden die für das entsprechende Alter anstehenden Entwicklungsaufgaben zusammengefasst und die jeweilige Bedeutung der Eigensprache für dieses Entwicklungsalter herausgearbeitet. So können Leser, die sich ausschließlich für die Anwendung der Idiolektik in einem bestimmten Alterssegment interessieren, zunächst auf das entsprechende Kapitel beschränken und je nach Bedürfnis die Theorie aus dem Kapitel »Wie entwickelt sich Eigensprache?« später vertiefen. Der Hauptteil des jeweiligen Kapitels besteht dann aus Fallbeispielen aus der Praxis, welche ausnahmslos mit geänderten Namen und so weit anonymisiert dargestellt werden, dass Rückschlüsse auf die Identität nicht möglich sind. Ein Fallbeispiel repräsentiert Erfahrungswissen der Autorin/des Autors und spricht Erfahrungswissen der Leserin/des Lesers an. Ein Transfer in den eigenen Berufsalltag wird so erleichtert. Dieses Werk ist aus der Praxis entstanden und richtet sich an die in der Praxis Tätigen. Theoretische Aspekte werden jeweils an den Fallbeispielen demonstriert und hervorgehoben. Auch hier steht die Verständlichkeit im Vordergrund.

Erstmals wird die idiolektische Methode systematisch in ihrer Anwendung bei Kindern und Jugendlichen dargestellt. Es kommen Autorinnen und Autoren zu Wort, die zwischen einem und drei Jahrzehnten Erfahrung sammeln konnten im professionellen Einsatz dieser Methode mit Kindern, Jugendlichen und Eltern.

David Jonas, der Begründer der Methode, war Psychiater und ursprünglich Psychoanalytiker. Etwa zur gleichen Zeit wie John Bowlby (vgl. 1969), der auch als Psychoanalytiker ein biologisches Konzept, nämlich die Bindungstheorie, in die Psychoanalyse einbrachte, entwickelte Jonas ein psychosomatisches Konzept, das »archaischen Relikte«, das ebenfalls auf Verhaltensbeobachtung und evolutionsbiologischen Grundlagen aufbaut. David Jonas hat hauptsächlich mit Erwachsenen gearbeitet. In seinen Veröffentlichungen vor allem aus den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts gibt es allerdings zahlreiche Hinweise zur Entstehung der Eigensprache mit Bezug auf die Kindheit. So kommt er beispielsweise im Kapitel »Der Einfluss frühkindlicher Erziehung auf verschiedene Stressreaktionen« im Buch Signale der Urzeit (Jonas u. Jonas 1977, S. 325) zu dem Schluss:

»Eine spezifische Wirkung [auf psychosomatische Reaktionen, die über sogenannte neurophysiologische Mechanismen vermittelt werden; Anm. des Hrsg.] wohnt nur den Erziehungsmaßnahmen inne; inadäquate Verhaltensmechanismen haben ihren Ursprung entweder im Kind oder in den Eltern. Sie entstehen im Kind, wenn die Widersetzlichkeit gegenüber Erziehungsmaßnahmen erfolglos ist; in Eltern entweder, wenn sie in ihren Anweisungen widersprüchlich sind oder wenn sie keine ausreichende Dominanz über ihre Kinder haben.«

Jonas hatte gemeinsam mit seiner Frau, die Anthropologin war, zwölf Familien mit jeweils fünf bis acht Kindern, von denen nur eins oder zwei an rheumatischer Arthritis litten, während die übrigen Geschwister gesund waren, sorgfältig über drei bis sogar vier Generationen hinweg interviewt. Bei dieser recht aufwendigen empirischen Untersuchung interessierte ihn, warum ein Kind aus derselben Familie auf belastende Lebensereignisse psychosomatische Erkrankungen entwickelt, während die anderen gesund bleiben. Bei seiner Auswertung stützte er sich in erster Linie auf die eigensprachlichen Formulierungen, die er in Bezug setzte zu den anamnestischen Daten inklusive Erziehungsvorstellungen und -stilen, die er von Großeltern, Eltern und Kindern der Indexpatienten erheben konnte. Seine Rückschlüsse waren beachtlich in dem Sinne, dass ihre Evidenz erst zwei bis vier Jahrzehnte später z. B. im Rahmen der Bindungs- und Resilienzforschung mit ausgereifteren neurowissenschaftlichen Methoden erhärtet werden konnten. Die herausragende Bedeutung der frühen Kindheit für das spätere Leben ist zwar in Fachkreisen erkannt, in unserer Gesellschaft jedoch noch nicht ausreichend auf- und ernst genommen worden. Forschungsergebnisse insbesondere seit etwa Anfang der 1990er-Jahre haben die Folgen früher Traumatisierungen einerseits und den prognostischen Wert einer sicheren Bindung sowie einer guten Eltern-Kind-Interaktion andererseits aufzeigen können. Laufend lernen wir mehr über von Geburt an vorhandene subtile Fähigkeiten von Säuglingen. Wir staunen über die Feinfühligkeit und kommunikativen Fertigkeiten von Babys. Dieses Staunen stellt sich bei mir beispielsweise ein, wenn ich Videos von Eltern-Kind-Interaktionen anschaue. Bei jedem erneuten Durchlauf, teilweise in Zeitlupe, kann ich neue Phänomene dieser impliziten Kommunikation erkennen. Heute können diese Fertigkeiten mit unterschiedlichsten wissenschaftlichen Methoden sichtbar gemacht werden. Einige von diesen Untersuchungsbefunden, die für das Verständnis von Dialogen für mich besonders erhellend sind, werden im ersten Kapitel »Wie entwickelt sich Eigensprache?« erwähnt und zusammengefasst. Daniel Stern (2005) und Colwyn Trevarthen (2002) waren Pioniere auf diesem Gebiet und haben für mich durch ihr Charisma und durch die Inhalte ihrer Publikationen die Leidenschaft für dieses Thema sowohl entfacht als auch aufrechterhalten.

Beispielhaft für die Bedeutung der frühen Eltern-Kind-Interaktion für die spätere Entwicklung sei eine aktuelle Untersuchung einer englisch-schottischen Forschungsgruppe (Allely et al. 2013) erwähnt, die statistisch breit abgesichert zeigen konnte, dass der Umfang vokaler Kommunikation, also des stimmlichen Austausches, zwischen Eltern und Babys die spätere psychische Entwicklung voraussagen kann. Dabei wurde lediglich die Anzahl an mütterlichen Vokalisationen in einer Mutter-Kind-Interaktion im Alter von einem Jahr ausgezählt und mit den Befunden dieser Kinder im Alter von sieben Jahren verglichen. Unter vielen Merkmalen war genau dieses das einzige, nämlich die verminderte Anzahl mütterlicher Vokalisationen, das die Erkrankung an einer psychischen Störung im Alter von sieben Jahren voraussagen konnte. Dieses Ergebnis ist sehr bemerkenswert und kann natürlich unterschiedlich interpretiert werden. Es ist aus meiner Sicht auch für die Idiolektik hervorzuheben, weil es aufzeigt, wie entscheidend die nonverbal-vokale Kommunikation ist. Mit anderen Worten: Der Ton macht die Musik! Über den Klang unserer Äußerungen wird unermesslich viel Information vermittelt, ohne dass uns das in der Regel bewusst ist.

Genau diese klanglichen Aspekte von Sprache sind in der idiolektischen Gesprächsführung neben den Schlüsselworten die Hauptorientierung. Die Fragen lauten für mich als Zuhörer: »Wie klingt dieser Satz für mich?« »Was klingt angenehm?« »Was klingt bei mir an?« Das Prinzip ist einfach: Wir führen das Gespräch dort fort, wo es angenehm klingt. Die Umsetzung ist allerdings nicht ganz so einfach, weil wir es gewohnt sind, möglichst genau den Inhalt zu erfassen und bei Problemen nachzufragen. Hier wird deutlich, warum wir besonders in der idiolektischen Gesprächsführung, aber auch für Kommunikation ganz allgemein so ungeheuer viel lernen können von der frühen Eltern-Kind-Interaktion. Die feinen Austauschprozesse lassen sich wie in keinem späteren Entwicklungsalter so offen beobachten.

Auch deshalb ist den Babys und Kleinkindern das zweite Kapitel gewidmet. Es wird herausgearbeitet, wie eine Kommunikation zwischen zwei sehr unterschiedlichen Gesprächspartnern, nämlich den erwachsenen Eltern und dem Säugling, gelingt. Einige Grundprinzipien aus der Eltern-Kleinkind-Psychotherapie werden erläutert und an Fallbeispielen veranschaulicht. Die Bedeutung und der Nutzen der Idiolektik im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung werden jeweils hervorgehoben.

Im nächsten Kapitel geht es um die Vorschulkinder. Es wird gezeigt, wie unser Menschenbild die pädagogische Arbeit mit den kleinen Kindern prägt. Es lohnt sich, uns bewusst zu machen, mit welcher inneren Haltung und mit welchen inneren Bildern wir den Kindern im Alltag gegenübertreten. In der idiolektischen Arbeit sind dies das Bild des authentischen, des befähigten und lebenstüchtigen und des an sich bemessenen Kindes. Anhand von Beispielen wird demonstriert, wie auf Kinder im Kindergarten oder in einer Kindertagesstätte in kurzen idiolektischen Gesprächssequenzen eingegangen werden kann. So können sie in ihrer eigenen Tätigkeit unterstützt, ihr Gefühl, verstanden zu werden, gefördert und ihre Selbstwirksamkeit gestärkt werden. In den Fallbeispielen wird anschaulich, dass sich auch Konflikte bereits in diesem Alter mit idiolektischen Mitteln lösen lassen.

Dann geht es um die Schulkinder. In der Entwicklungsphase zwischen sechs und zwölf Jahren geht es um die Konsolidierung und weitere Ausdifferenzierung unserer sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten. Nun werden das logische Denken über das Denken und das »paralogische« Denken über Bildhaftes, Symbolisches, Geschichten, Rollenspiele, Metaphorisches und Intuition geübt. Im besten Falle lernt das Schulkind, beide Denkarten zu nutzen. Denn beides ist für einen guten und ungestörten Lernprozess erforderlich. Dabei können wir mit idiolektischen Gesprächen insbesondere das »paralogische« Denken unterstützen und eine Rückbindung zum impliziten Wissen, welches in den ersten Lebensjahren entstanden ist, stärken. Generell können Schulkinder durch eine achtsame und wertschätzende Grundhaltung der Pädagogen ihre Lernfähigkeit verbessern. Durch konsequenten Einsatz von Idiolektischen Gesprächen im schulischen Rahmen können Konflikte aufgefangen und die Motivation von Kindern in der Schule deutlich verbessert werden. An Beispielen wird der Einsatz der idiolektischen Methode sowohl in der Psychotherapie als auch im Schulkontext von Kindern im Schulalter dargestellt und erläutert.

Im nächsten Kapitel werden therapeutische Behandlungen von Jugendlichen exemplarisch beschrieben. Jugendliche reden selten gerne über Probleme. Deshalb ist es hilfreich, wenn wir uns nicht auf die Probleme fokussieren, selbst wenn die Jugendlichen genau ihretwegen zur Beratung oder in Therapie kommen. Auch mit Jugendlichen lässt sich das »Schlüsselwortprinzip«, also das Aufgreifen besonders anklingender Wörter, mit großem Nutzen anwenden. Gerade bei wortkargen Jugendlichen kann das Gespräch in Fluss kommen, wenn ich genau dasjenige Wort aufgreife, das für mich am lebendigsten oder lustvollsten klingt. Ist das Gespräch erst einmal am Laufen, zeigen sich relevante Themen in der Regel auch auf »Nebenschauplätzen«. Sie können dann sozusagen auf hinreichend sicherem Terrain ausprobieren, wie es sich anfühlt, mit diesem Gegenüber zu sprechen. Wenn es gelingt, sowohl den Prozess des Dialoges als auch die Schau nach innen (»Wie sieht das bei dir aus?« »Wie machst du das?«) in Gang zu bringen, dann unterstützen wir Mentalisierungsfähigkeit, Autonomieentwicklung und Identitätsbildung.

Und schließlich zu den Eltern. Der Dreh- und Angelpunkt bei Therapien und Beratungen von Kindern und Jugendlichen ist die Beziehung des Professionellen zu den Eltern. Werden wir zu Rivalen von Eltern, können wir ihren Kindern kaum helfen. Werden wir zu Partnern der Eltern, können wir für ihre Kinder hilfreich werden. Hier liegt der Nutzen idiolektischer Gespräche, denn ich muss Eltern nicht von meinen eigenen Ideen überzeugen, sondern greife ihre Eigensprache auf und frage nach ihren Ressourcen. Eltern sprechen in der Regel gerne über Fähigkeiten und liebenswerte Eigenschaften ihrer Kinder, auch wenn sie wegen eines störenden oder beunruhigenden Verhaltens Hilfe suchen. Gelingt es, bei den Eltern Ressourcen zu aktivieren, wofür sich die idiolektische Gesprächsführung besonders eignet, dann kommt dies ihren Kindern direkt und indirekt zugute. Auch kann es für Eltern eine neue, bereichernde Erfahrung sein, ihrem Kind zuzuhören, wenn mit ihm ein idiolektisches Gespräch geführt wird. Es kommt vor, dass ein solches Erlebnis gar zum Wendepunkt in einer festgefahrenen Eltern-Kind-Situation wird.

Im nächsten Kapitel geht es um die Eigensprache von Fachpersonen: um den Beitrag der Idiolektik zu einer gelingenden interdisziplinären Zusammenarbeit. Nicht selten beschäftigen verhaltensauffällige Kinder eine Heerschar von Fachpersonen. Es tritt häufig die Situation ein, dass es sehr unterschiedliche bis hin zu widersprüchlichen Sichtweisen und Vorstellungen bezüglich des Problems des Kindes und bezüglich der Ziele und Methoden einer Hilfestellung gibt. Im ungünstigen Fall neutralisieren oder blockieren sich die verschiedenen Helfer. Kind und Eltern werden verwirrt. Im günstigen Fall können eine gemeinsame Haltung oder zumindest eine Rollenklärung und eine gegenseitige Wertschätzung erfolgen. Der Nutzen der Idiolektik liegt hier beim offenen Nachfragen und dem echten Interesse an der Sichtweise der anderen Fachperson. Ich muss die anderen Fachpersonen nicht mehr von meiner Sichtweise überzeugen, sondern ich interessiere mich für die ihre. Einfache, konkrete Fragen erleichtern es auch Fachpersonen, nicht in Fachjargon zu verfallen, sondern sich verständlich auszudrücken. Am Beispiel einer interdisziplinären Teamsitzung wird der Nutzen idiolektischer Fragen auch im Sinne einer Metastrategie veranschaulicht. Wie rasch so authentische Informationen gesammelt und ein ressourcenorientierter Teamprozess in Gang gebracht werden kann, wird aufgezeigt.

Im letzten Kapitel wird der Nutzen der idiolektischen Methode, welcher im Laufe der Lektüre der Praxisbeispiele möglicherweise implizit schon erfasst wird, explizit in Worte gekleidet. Alle beteiligten Autoren und Autorinnen wurden gebeten, diesen Nutzen aus ihrer eigenen Sicht zu formulieren. Der Herausgeber hat die Aussagen für dieses letzte Kapitel zusammengefasst und mit einzelnen Zitaten versehen.

Eine verblüffende Tatsache beschäftigt mich immer wieder: In vielen psychotherapeutischen Ausbildungen, die mir bekannt sind, wird der sprachliche Dialog im engeren Sinne wenn überhaupt, dann vorwiegend in einer theoretischen Form abgehandelt. Das konkrete Üben kommt häufig zu kurz. Wirksame Gespräche beruhen aber nicht nur auf der Anwendung spezifischer Theorie, Methodik und Technik, sondern auch auf der Haltung des Gesprächsleiters und seiner Art der Beziehungsgestaltung und dem entsprechenden fortwährenden Üben. Dies zeigt auch die aktuelle psychotherapeutische Wirksamkeitsforschung. Ein zentrales Anliegen der idiolektischen Ausbildung (siehe auch Kap. »Ausbildung in Idiolektik«) ist es, neben Vermittlung und Einüben einer sorgfältigen Technik eine solche günstige Grundhaltung mittels Erfahrungslernen zu entwickeln. Denn wie die Leser im ersten Kapitel über kindliches Lernen erfahren können, funktioniert Lernen auch bei Erwachsenen – unabhängig vom individuellen Lerntyp – generell besser über den Praxisbezug, über Beziehungserfahrung, Ausprobieren, Experimentieren, Versuch und Irrtum, kurz gesagt: als ein sich entfaltendes Lernen. Die idiolektische Methode versteht sich nicht als umfassende eigenständige Psychotherapieschule, sondern als ein Zusatzverfahren, das sich in unterschiedliche Vorgehensweisen, Ansätze und Kontexte integrieren lässt.

Zum aktuell 24 Trainer umfassenden Dozententeam der Gesellschaft für Idiolektik und Gesprächsführung gehören drei Kinder- und Jugendpsychiater und fünf Personen aus pädagogischen Fachbereichen. Auch an dieser Tatsache ist abzulesen, dass diese Form der Gespräche Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, von Nutzen ist.

Zum Schluss dieser Einleitung möchte ich zunächst den Autorinnen und Autoren danken, die alle auf meine Anfrage sofort und ohne Zögern zugesagt haben, ihre Erfahrungen zu Papier zu bringen. Es war für mich eine große Freude, mich mit ihnen auszutauschen, an ihrem Erfahrungsreichtum teilzuhaben und von ihnen zu lernen. Mein Dank geht auch an Therese Steiner, die das treffende Vorwort zum Buch geschrieben hat, und an das Team des Carl-Auer Verlages. Nach den hervorragenden Vorerfahrungen mit unserem ersten Werk in diesem Verlag, Schlüsselworte – Idiolektische Gesprächsführung in Therapie, Beratung und Coaching (Bindernagel, Krüger, Rentel u. Winkler 2010) war es ein Leichtes, dort anzuknüpfen und diese verlässliche und unterstützende Zusammenarbeit fortzuführen. Ein Dank geht an alle Menschen, die mir geduldig zuhörten in Gesprächen über Inhalte dieses Buches oder Manuskripte gelesen und mir viele hilfreiche Rückmeldungen gegeben haben. Mein Ziel war es dabei stets, die Inhalte einfach, konkret und verständlich in Sprache zu bringen. Einen besonderen Dank möchte ich allen Expertinnen und Experten aussprechen, die sich die Zeit genommen haben, das Manuskript zu lesen und Kommentare abzugeben. Der letzte Dank geht an alle Kinder und Eltern, von denen ich im Laufe meines Lebens in Therapien, Gesprächen und Begegnungen über Eigensprache und Kommunikation lernen konnte und immer noch lerne.