Schätze der christlichen Literatur
Band 21
Impressum:
© 2019 Conrad Eibisch (Hrsg. u. Bearb.)
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt.
ISBN: 978-3-75047-351-5
I.
Im Anfang war das Wort, vom Anfang immerfort
War da bei Gott das Wort, und Gott war dieses Wort.
Nichts, was entstanden ist, ist ohne es entstanden,
Und was vorhanden ist, ist nur durch es vorhanden.
Das Leben war in ihm, das war der Menschen Licht,
Das in die Finstre schien, die Finstre faßt’ es nicht.
Ein Mann, von Gott gesandt, Johannes zubenannt,
Der zeugte, daß die Welt dem Licht sei zugewandt.
Das Licht selbst war er nicht, er zeugte nur vom Licht;
Das Licht kam in die Welt, und sie erkannt es nicht.
Der eigne Herr ist in sein Eigentum gekommen,
Von seinem eignen Volk ward er nicht aufgenommen.
Doch die ihn nahmen auf, die hat er auserwählt,
Im Glauben sich vermählt, den Kindern zugezählt.
Das Wort ward Fleisch, wir sahn’s, das unter uns gewohnt,
Und sehn die Herrlichkeit, in der es ewig thront.
II.
Als im Judäerland Herodes König war,
Erfüllte sich das Wort des Höchsten wunderbar.
Im jüdischen Gebirg da wohnte Zacharia
Genannt ein Priester von der Priesterzunft Abia.
Von Aarons Töchtern war sein Weib Elisabeth;
Die beiden lebten fromm und eifrig im Gebet.
Vorm Herren wandelten sie in Gerechtigkeit,
Gebot und Satzungen treu haltend allezeit.
Doch hatten sie kein Kind, unfruchtbar war das Weib,
Und beiden Gatten war gealtert schon der Leib.
Als nun auf eine Zeit des Opferdienstes Reihe
An Zacharia kam, begab er sich in Weihe
Zum Tempel hin, und dort nach priesterlichem Brauch
Ging er ins Heiligtum, zu streuen Opferrauch.
Den Weihrauch streut er da, zum Rauchaltare tretend,
Und draußen wartete des Volkes Menge betend.
Da sah er und erschrak, er sah, wie an dem Rand
Des Altars rechter Hand ein Engel Gottes stand.
Der sprach: Nicht fürchte dich! erhört ist dein Gebet,
Und einen Sohn gebiert dein Weib Elisabeth.
Johannes, also sollst du nennen dessen Namen,
Dein Trost sei und dein Stolz der gottverliehne Samen.
Und viele werden einst sich des Gebornen freun,
Die er zur Buße ruft, die Sünden zu bereun.
Groß wird er sein vorm Herrn, vom heil’gen Geist erfüllt,
Von Wein und Rauschtrank fern, in strenge Zucht gehüllt.
Der Söhne Israels bekehren wird er viele
Zum Herren ihrem Gott, und lenken zu dem Ziele.
Die Widerspenstigkeit der Herzen wird er schlichten,
Um ein bereites Volk dem Herren zuzurichten.
Im Geist und in der Kraft Eliä, des Propheten,
Wird er im Pfad des Heils einher ein Mahner treten.
Doch Zacharia sprach zum Engel unverzagt:
Woran erkenn’ ich dies, was du mir vorgesagt?
Denn ich bin alt, und auch mein Weib ist wohlbetagt.
Da sprach der Engel: Ich bin Gabriel, und stand
Vorm Angesicht des Herrn, von dem ich bin gesandt.
Doch siehe, stumm wirst du der Rede sein beraubt,
Weil du der Botschaft, die ich brachte, nicht geglaubt.
Und erst wenn alles ist erfüllt, wirst du gewinnen
Die Rede wieder. So sprach er und schwand von hinnen.
Nun wartete das Volk auch draußen, und es nahm
Sie alle Wunder, daß nicht Zacharia kam.
Sie wußten nicht, warum er säumt’ im Heiligtum,
Und als er kam heraus zu ihnen, war er stumm.
Er konnte zu dem Volk nicht sprechen einen Laut,
Da merkten sie, daß er drin ein Gesicht geschaut.
Doch mit Gebärden hub er ihnen an zu deuten,
Zu winken, aber stumm verblieb er vor den Leuten.
Im Heiligtume ging er stumm nun ein und aus,
Und als des Dienstes Frist war um, ging er nach Haus,
Nach dieser Zeit empfing Elisabeth, sein Weib,
Vom fünften Monat an verbarg sie ihren Leib.
Sie sprach im Herzen: So hat mir der Herr getan,
Da mit Barmherzigkeit er sah mein Alter an.
Gelobt sei seine Huld, die über mich gekommen,
Und hat vor meinem Volk von mir die Schmach genommen.
III.
Im sechsten Monde ward derselbe Bot’ entsandt
Von Gott nach Nazareth im Galiläerland,
An eine Jungfrau, die verlobt war einem Manne,
Der Josef hieß und war entstammt von Davids Stamme.
Maria aber war der Jungfrau Name, die
Aufsuchte Gabriel, und also grüßt er sie:
Gegrüßet seist du Hochbegnadigte, vor allen
Gesegnete, mit dir ist Gottes Wohlgefallen.
Doch sie erschrak, da sie des Boten Gruß ermaß,
Und sprach in ihrem Sinn: Was für ein Gruß ist das?
Der Engel aber sprach: Maria, fürchte nicht!
Denn Gnade fandest du vor Gottes Angesicht.
Und sieh, du wirst empfahn in deinem Leib und tragen
Ein Kind, das Jesus wird genannt in seinen Tagen.
Groß wird derselbe sein und heißen Gottes Sohn,
Der Herr, der Höchste, wird ihm geben Davids Thron.
Dem Hause Jakobs wird er ihn zum König senden,
Es wird sein Königreich in Ewigkeit nicht enden.
Zum Engel sprach hierauf Maria: Wie doch kann
Geschehen solches, da ich weiß von keinem Mann?
Er sprach: Es wird der Geist der Heiligkeit sich gatten
Zu dir, und dich die Kraft des Höchsten überschatten.
Und der Geborene wird heilig sein davon,
Deswegen wird er auch genannt sein Gottes Sohn.
Und sieh, Elisabeth auch, deine Anverwandte,
Ist schwanger eines Sohns, die unfruchtbar genannte.
Dies ist der sechste Mond, nachdem sie ihn empfing,
Im Alter; denn bei Gott unmöglich ist kein Ding.
Da sprach Maria: Sieh, ich bin des Herren Magd,
Geschehen möge mir, als wie du hast gesagt.
IV.
Der Engel ging von ihr, da stand Maria auf,
Das jüdische Gebirg zog sie in Eil hinauf.
Daselbst in eine Stadt von Juda kam Maria,
Da kehrete sie ein im Haus des Zacharia,
Und grüßt’ Elisabeth. Als die den Gruß vernahm,
Empfand sie, wie das Kind in ihr zu hüpfen kam.
Da ward des Geistes voll Elisabeth, und laut
Rief sie: Gesegnete der Weiber, Gottes Braut!
Gesegnete du selbst und deines Leibes Frucht!
Die Mutter meines Herrn, wie hat sie mich besucht?
Denn siehe, wie dein Gruß zu meinen Ohren kam,
Da hüpft in mir vor Lust das Kind, das ihn vernahm.
Wohl dir auf immer, weil du hast geglaubt im stillen,
Es wird an dir des Herrn Verheißung sich erfüllen.
Maria nun tat auf den Mund: Mein Herze preist
Den Herrn, und es frohlockt dem Heil von Gott mein Geist,
Daß er die Niedrigkeit anblickte seiner Magd,
Von nun an wird mein Heil in aller Welt gesagt.
Denn Großes tat er mir, der Heilige, es freuen
Sich ewig seiner Huld, die seinen Namen scheuen.
Stark macht er seinen Arm, Hochfärt’ge zu zerstreuen.
Er stößt den Stolz vom Thron, Demut erhöhet er,
Die Armen werden satt, und ausgehn Reiche leer.
Er will sich Israels annehmen, seines Knechtes,
Wie er verheißen hat den Vätern des Geschlechtes,
Der Gnaden eingedenk, die er einst Abrahamen
Auf ewig zugesagt und allem seinem Samen.
Gelobt in Ewigkeit sei Gottes Namen! Amen!
Drei Monde weilte nun dort bei Elisabeth
Maria, dann zurück kam sie nach Nazareth.
V.
Nun für Elisabeth war an der Zeit es schon,
Daß sie gebären sollt’, und sie gebar den Sohn,
Das höreten die Freund und Nachbarn rings, und priesen
Des Herren große Huld, die sich an ihr bewiesen.
Darauf am achten Tag, da sie zum Feste kamen
Des Kindes, nannten sie’s nach seines Vaters Namen.
Da sprach die Mutter: Nein! Johannes sei’s genannt.
Doch sie erwiderten: Es ist uns nicht bekannt,
Daß also jemand heißt, der mit dir ist verwandt.
Sie aber sprach, daß er nicht anders heißen sollte.
Dem Vater winkten sie, wie er ihn nennen wollte?
Er nahm ein Täfelchen, und schrieb zu jedermannes
Verwunderung darauf: Sein Name sei Johannes.
Da tat alsbald sein Mund sich auf und seine Zunge,
Und Gott zu preisen hub er an mit hohem Schwunge,
Und alle stauneten, die’s hörten, alt und junge.
Rings im judäischen Gebirge ward es kund,
Wie Gott erst zu, dann auf tat Zacharia’s Mund.
Und alle fragten mit verwunderten Gebärden,
Die’s höreten: Was wird aus diesem Kinde werden?
Und sichtlich mit dem Kind, vom Tage da’s gebar
Die Mutter, war die Hand des Herren wunderbar.
Doch Zacharia war des heil’gen Geistes voll,
Und prophezeiete vom Heil, das kommen soll:
Gepriesen sei der Herr, der Schirmer Israels,
Der uns von Davids Haus aufrichtet einen Fels,
Wie durch Prophetenmund vor alters er versprach,
Indem er seinen Bund nicht unsern Vätern brach,
Den Schwur, den Abraham er schwor und hielt hernach,
Zu wenden unsre Not, zu enden unsre Schmach;
Auf daß wir furchtlos aus der Feinde Hand gerettet,
Ihm dienen freudig, von der Knechtschaft Band entkettet,
Vor seinem Angesicht, in seiner Huld gebettet.
Du aber, Kindlein, wirst dem Höchsten ein Prophet
Genannt sein, der einher vor seinem Herren geht,
Zu bahnen ihm den Weg, und seinem Volk zu künden
Des Heils Erkenntnis zur Vergebung seiner Sünden,
Durch die Barmherzigkeit des Herrn, von dessen Gnade
Ein Aufgang aus der Höh bestrahlet unsre Pfade,
Der uns die finstre Nacht des Todesschattens lichtet,
Daß unser Fuß zum Weg des Friedens sei gerichtet!
Der Knabe aber wuchs und wurde stark im Geist,
Und in der Einsamkeit der Wüste war er meist,
Bis zu den Tagen, da hervor er sollte treten,
Berufen von dem Herrn zum Amte des Propheten.
VI.
Zur selben Zeit geschah’s, daß ein Gebot erscholl,
Daß alles Volk im Land sich schätzen lassen soll.
Der Kaiser war August, da dies Gebot erschien,
Landpfleger aber war in Syrien Quirin.
Und also reiseten, um schätzen sich zu lassen,
Jeder in seine Stadt, auch Josef gleichermaßen.
Er kam aus Nazareth vom Lande Galiläa
Gen Betlehem zur Stadt Davids im Land Judäa,
Weil er von Davids Haus und Stamm entsprossen war;
Da führt er auch mit sich sein Weib Maria dar.
Daselbst erfüllete sich ihr die Zeit, da wollte
Der Herr, daß sie ihr Kind der Welt gebären sollte.
Und sie gebar ihr Kind, den erstgebornen Sohn,
Sie wickelt ihn gelind, und legt ihn nieder schon
In eine Kripp’ im Stall, denn in der Herberg war
Daselbst kein andrer Raum, da sie das Kind gebar.
VII.
Doch Hirten waren auf dem Feld in jener Gegend,
Wach’ haltend in der Nacht, der Hut der Herden pflegend.
Und sieh, ein Engel kam, und Himmelsglanz umher
Umleuchtete sie ganz, sie fürchteten sich sehr.
Der Engel aber sprach: Fürchtet euch nicht! Ich deute
Die große allem Volk nun widerfahrne Freude.
Ein Heil verkünd’ ich euch, für alle Welt erkoren,
Daß heut in Davids Stadt der Heiland ist geboren.
Das Zeichen sei euch dies, daß in den Windelein
Ihr findet liegen in der Kripp’ ein Kindelein.
Der Engel sprach’s, und schnell um ihn war eine Menge
Von Himmlischen, die Gott anstimmten Lobgesänge,
Und sprachen: Ehre sei Gott in der Höh allein,
Auf Erde Frieden, Huld den Menschen insgemein!
Und es geschah, als auf zur Himmelshöh entwich
Die Heerschar, sprachen dort die Hirten unter sich:
Auf, lasset hin uns gehn gen Betlehem, und sehn
Das, was der Herr uns kundgetan hat, daß geschehn.
Und eilend kamen sie, und fanden dort geschwind
Die Mutter bei dem Mann, und in der Kripp’ ihr Kind.
Und als sie es gesehn, erzähleten sie klar,
Was ihnen von dem Kind verkündet worden war.
Und es verwunderten sich ob den Reden alle,
Die von den Hirten sie vernommen in dem Stalle.
Maria aber nahm zu Herzen jedes Wort,
Und überlegt es dort im stillen fort und fort.
Die Hirten kehreten zu Feld, und priesen laut
Gott über das, was sie gehöret und geschaut.
Darauf am achten Tag, als Namen sollt’ empfahn
Das Kind, ward Jesus es genannt, wie kundgetan
Der Engel, eh’ es ward im Mutterschoß empfahn.
VIII.
Da nun in Betlehem die Mutter ihn gebar,
Und in Jerusalem König Herodes war,
Da kamen Magier und fragten an den Toren
Jerusalems: Wo ist das Kindelein geboren;
Das ist gesalbt vom Herrn zum König, dessen Stern
Uns aufgegangen ist im Morgenlande fern?
Und anzubeten ihn sind wir hieher gekommen.
Herodes ward bestürzt, als er dies Wort vernommen.
Und ganz Jerusalem kam mit ihm in Bewegung;
Doch er versammelte den Rat zur Überlegung.
Die Hohenpriester fragt er und die Schriftgelehrten,
Wo der Gesalbte soll zur Welt geboren werden?
Und Antwort geben sie ihm all: In Betlehem,
Denn so hat kundgetan Prophetenmund vordem:
Auch du, o Betlehem Efrata, die du klein
Bei Judas Fürsten bist, sollst nicht gering mir sein.
Denn einst aus dir hervor geht er, den längst zuvor
Zum Hirten meines Volks Israels ich erkor.
Als aus der Priester Mund Herodes dies vernommen,
Ließ er die Magier verborgen zu sich kommen.
„Die Zeit, da euch der Stern erschienen ist vom Herrn,
Verkündet mir genau! Ich möcht’ es wissen gern.
Nun aber zieht hinaus nach Betlehem geschwind,
Und holet Kundschaft ein vom neugebornen Kind.
Und habt ihr es erforscht, so saget mir es an,
Damit ich auch hingehn und es anbeten kann.“
Sie höreten das Wort des Königes, und gingen;
Und sieh, der Stern, von dem sie erst die Kund’ empfingen
Im Morgenlande, zog vor ihnen her, und stand
Dort über’m Orte still, wo sich das Kind befand.
Groß war, als sie ihn sahn, die Lust, die sie empfanden;
Da gingen sie hinein, wo sie das Kindlein fanden.
Das Kindlein auf dem Schoß der Mutter, und der Stern
Stand über ihrem Haupt, und Josef stand von fern.
Und nieder fielen sie vorm Kindlein anzubeten,
Beeilten dann sich, daß sie ihre Schätz’ auftäten.
Die Gaben brachten sie auf kostbaren Geschirren
Dem neugebornen dar, Weihrauch und Gold und Myrrhen.
Das Gold bedeutet, daß ein König er allein,
Der Weihrauch, daß er wird ein Hoherpriester sein,
Die Myrrhen, daß er wird den Tod für alle leiden.
Die Gaben brachten sie und wollten wieder scheiden.
Dann wurden sie gemahnt von einem Traumgesicht,
Daß zu Herodes sie zurücke zögen nicht.
Sie fuhren andern Weg zurück ins Morgenland,
Und jener war ergrimmt, als er getäuscht sich fand.
IX.
Zu Josef aber sprach ein Engel in der Nacht:
Steh auf, die Mutter mit dem Kindlein nimm in acht!
Hin nach Ägypten fleuch mit ihnen! Denn Herodes
Sucht nach dem Kindelein, begierig seines Todes.
Da stand er auf, und nahm zu sich die zwei Geliebten,
Die Mutter und das Kind, und floh hin nach Ägypten.
Dort, bis Herodes starb, verweileten die drei,
Daß ein Prophetenwort vom Herrn erfüllet sei:
Vom Land Ägypten rief ich meinen Sohn herbei.
Herodes sendete im Grimme seine Horden
Nach Betlehem, und ließ die Kinder alle morden.
Da ward erfüllet auch, was Jeremia sagt:
In Rama tönt Geschrei und Wehruf; Rahel klagt
Um ihre Kinder, die sie sieht im Tod erblassen,
Sie klagt und jammert, und will sich nicht trösten lassen.
Herodes aber starb hinweg in seinem Grimme,
Und in Ägyptenland zu Josef sprach die Stimme:
Steh auf, und nimm das Kind und seine Mutter, kehr
In Israel! Die ihm nachstellten, sind nicht mehr.
Da brach er auf, und kam zurück nach Betlehem,
Worauf den Weg er nahm zur Stadt Jerusalem.
X.
Daselbst nun stellten sie den Sohn im Tempel dar,
Und opferten für ihn ein Turteltaubenpaar.
Im Tempel aber war mit Namen Simeon
Ein Mann, der harrete des Heilands lange schon.
Auf diesem war der Geist, der heil’ge, der ihm hatte
Geweissagt, hüllen werd’ ihn nicht des Todes Schatte,
Eh’ am Gesalbeten des Herrn sein Aug’ ersatte,
Zum Tempel kam er nun, vom selben Geist getrieben.
Als eben mit dem Kind darin die Eltern blieben.
Da hub er auf das Kind in seinen beiden Armen,
Und rief: Nun wolltest du dich deines Knechts erbarmen,
O Herr, und lässest ihn in Friede gehn zu Grabe,
Da ich mit Augen noch dein Heil gesehen habe,
Das du im Angesicht der Völker zubereitet,
Das Licht, das in die Welt soll werden ausgebreitet,
Und Israel, dein Volk, zur Herrlichkeit geleitet.
Die Eltern stauneten der hohen Rede nach
Er aber segnete die Mutter auch und sprach:
Sieh, dieser stehet da zum Steigen und zum Falle
Vieler in Israel, ein Fels und Stein für alle,
Ein Zeichen in dem Kampf, um welches wird gestritten,
(Dir aber wird ein Schwert gehn durch der Seele Mitten)
Denn, was verborgen war, macht dieses Zeichen klar,
Und viel Gesinnungen der Herzen offenbar.
Da war im Tempel auch Hanna zur selben Stunde,
Die Tochter Phanuels, voll von prophet’scher Kunde,
Die sieben Jahr gelebt im Jugendehebunde,
Nun alt und hochbetagt, geprüft und vielerfahren,
Im Stand der Witwenschaft seit vierundachtzig Jahren.
Die hatte sich, nachdem den Gatten sie verloren,
Zum ew’gen Aufenthalt den Tempel auserkoren,
Von dem sie nimmer wich, und hatte Tag und Nacht
Mit Fasten und Gebet in Gottes Dienst verbracht.
Die trat nun auch hinzu, und als das Kind sie sah,
Lobpries sie Gott, und sprach: Das Himmelreich ist nah.
Die Lösung Israels, auf die es hofft, ist da.
Nicht länger ist das Heil den jungen noch den alten,
Den Männern noch den Fraun, die’s suchen, vorenthalten.
Die Eltern, als sie nun ihr Opfer dort gespendet
Nach dem Gesetz des Herrn, und alles wohl vollendet,
Da führten sie das Kind mit Dank und mit Gebet
Nach Galiläa heim zum Städtlein Nazareth.
Das Kindlein wuchs, und ward an Geist und Gliedern grade.
Die Weisheit war in ihm, und auf ihm Gottes Gnade.
XI.
Die Eltern reiseten bei jedem Passahfeste
Zum Tempel und zur Stadt Jerusalem als Gäste.
Und als der Knabe war gelangt ins zwölfte Jahr,
Da brachten sie ihn auch mit sich zum Feste dar.
Doch als sie zugebracht des Festes Tage dort,
Da blieb das Kind zurück, die Eltern zogen fort.
Sie wußten nicht, daß er zurückgeblieben war,
Und meineten, er sei vorn bei der andern Schar;
Bis sie zurückgelegt die erste Tagereise;
Da suchten sie nach ihm in der Bekannten Kreise.
Und da er sich nicht fand, da kehrten sie geschwind
Um nach Jerusalem, und suchten dort ihr Kind.
Doch nach drei Tagen, da sie ihn von Haus zu Haus
Gesuchet, fanden sie den Sohn im Gotteshaus.
Im Tempel fanden sie ihn bei den Lehrern sitzen,
Zuhörend ihnen und befragend sie mit Witzen.
Und es verwunderten die fernen und die nahen
Der hohen Reden sich, die da vom Kind geschahen;
Doch mehr noch stauneten die Eltern, die ihn sahen.
Die Mutter sprach zu ihm: Kind, meines Leibes Frucht,
Wie tatest du mir das, und nahmst vor uns die Flucht?
Mit Schmerzen haben wir, die Eltern, dich gesucht.
Zur Antwort aber gab er ihr: Was suchtet ihr
Mich anderwärts? Ich bin bei meinem Vater hier.
Doch sie verstanden nicht die Rede, die er sprach;
Sie nahmen ihn mit sich, und er folgt ihnen nach
Gen Nazareth, und war dort untertänig ihnen,
Gehorsam, wie ein Kind soll seinen Eltern dienen.
Die Mutter aber wußt’ im Herzen zu bewahren
All diese Dinge wohl, die sie vom Kind erfahren;
Doch er nahm zu und wuchs an Weisheit wie an Jahren,
An Huld bei Gott und bei den Menschen insgesamt,
Bis seine Stunde kam, die ihn berief ins Amt.
XII.
Und es geschah zur Zeit, als im fünfzehnten Jahr
Tiberius in Rom der Römer Kaiser war,
Landpfleger Pontius Pilatus in Judäa,
Herodes Antipas Vierfürst in Galiläa;
Da kam der Ruf des Herrn an Zachariä Sohn,
Johannes in der Wüst’, und aufmacht er sich schon,
Und zog im Land umher am Jordan, zu verkünden
Bußtaufe allem Volk zum Ablaß seiner Sünden,
Indem er rief und sprach: Bekehrt, bekehret euch!
Das Himmelreich ist nah, nah ist das Himmelreich,
Wovon geweissagt einst Jesaia der Prophet:
Stimm’ eines Rufenden, die in der Wüst’ ergeht:
Bereitet vor dem Herrn die Straßen und die Pfade!
Macht seine Steige recht, und seine Wege grade!
Erhöht soll jede Schlucht, und jeder Bühl auf Erden
Erniedrigt, glatt und schlicht jedwede Krümme werden,
Geebnet alles, was gewesen rauh und steil,
Und alles Fleisch der Welt soll schauen Gottes Heil.
Johannes aber trug am Leib ein rauh Gewand
Von Haaren des Kamels, und um die Hüfte wand
Er einen Ledergurt; so zog er um im Land,
Heuschrecken nährten ihn und Honig, den er fand.
Da kam zu ihm heraus Jerusalem und ganz
Judäa, samt dem Volk von Jordans Uferkranz,
Und ließen unter ihm in Jordans Flut sich taufen,
Bekennend ihre Schuld; er aber sah den Haufen,
Und sprach zu ihnen: Wer hat euch, ihr Natterzucht
Und Otterbrut, gezeigt die Rettung, die ihr sucht,
Daß ihr vorm Zorne nehmt, dem kommenden, die Flucht?
So kommt denn her und tragt der Buße rechte Frucht!
Und bildet euch nicht ein im Herzen ohne Scham
Zu sprechen: Haben wir nicht Vater Abraham?
Denn wahrlich sag’ ich euch, Gott kann in Furcht und Schrecken
Kinder dem Abraham aus diesen Steinen wecken.
Bedenkt euch, wie ihr schnell zu neuer Huld erwachst,
Denn an die Wurzel ist gelegt dem Baum die Axt.
Und welcher Baum nun Frucht nicht trägt auf seinem Stamme,
Wird umgehaun und wird geworfen in die Flamme.
Die Leute fragten ihn: Was heißest du uns tun?
O Meister, welchen Weg des Heiles zeigst du nun?
Und er antwortete: Wer Kleider mehr als eines
Am Leibe trägt, der geb’ eins dem, der anhat keines.
Da kamen Zöllner auch und ließen taufen sich,
Die sagten: Meister, was wir sollen tun, o sprich!
Und er antwortete: Mißbrauchet, die ihr führt,
Nicht die Gewalt, und nehmt nicht mehr als euch gebührt.
Kriegsleute kamen auch und fragten gleichermaßen:
O Meister, sprich, was wir tun sollen oder lassen.
Und er antwortete: Giert nicht nach Blut und Gold,
Gebt niemand an, und laßt euch gnügen euern Sold,
Seid treu in euerm Dienst, und den Wehrlosen hold!
Doch in Erwartung war das Volk, und zweifelnd sann es
Im Herzen ob dem Amt und dem Beruf des Mannes,
Ob der Gesalbte wohl er sei? Da sprach Johannes:
Mit Wasser tauf’ ich euch, ein Stärkrer aber kommt
Nach mir, mit welchem mich zu messen mir nicht frommt,
Dem ich das Schuhband nicht zu lösen mich erdreiste,
Der tauft mit Feuer euch und mit dem heil’gen Geiste.
Er, der in seiner Hand die Worfelschaufel trägt,
Womit er das Getreid’ auf seiner Tenne fegt;
Des Weizens Körner tut er ein in seine Scheuer,
Die Spreu verbrennet er mit unlöschbarem Feuer.
Der ist’s, der nach mir kommt, und früher war als ich;
Und daß von ihm ich zeug’, hat Gott gesendet mich.
XIII.
Zur selben Zeit geschah’s, daß Jesus, da er kam
Von Galiläas Land, den Weg zum Jordan nahm,
Um dem Johannes dort, der taufete, zu nahn,
Und gehrte auch von ihm die Taufe zu empfahn.
Der wehrte ihm und sprach: Mir wäre not von dir
Getauft zu werden selbst, und du kommst her zu mir!
Doch ihm antwortete der Heiland: Laß geschehn,
Denn also ziemt es uns, was Recht ist, zu bestehn.
Johannes aber ließ ihn drauf zur Taufe gehn.
Alsbald er nun getauft stieg aus dem Wasser, da
Tat über ihm sich auf der Himmel, und er sah
Den Geist, den heiligen, auf glänzendem Gefieder
Gleich einer Taube nahn und auf ihn steigen nieder.
Und eine Stimme hört er von dem Himmel schallen:
An dir, mein lieber Sohn, hab’ ich mein Wohlgefallen.
XIV.
Vom Jordan ging er weg, der Täufer stand und sprach
Zum Volk, und deutete dem Weggegangnen nach:
Seht das Lamm Gottes, das die Sünde trägt der Welt!
Er ist’s, für welchen ich zu zeugen bin bestellt.
Er ist’s, von dem ich sprach, daß nach mir einer kommt,
Der vor mir war, und den mir anzubeten frommt.
Ich wußte nichts von ihm; der aber, der mich hier
Mit Wasser taufen heißt, derselbe sprach zu mir:
Auf welchen du wirst sehn den Geist hernieder steigen
Und auf ihm ruhn, der ist’s, dem da der Geist ist eigen,
Der mit dem Geiste tauft, das sollst du nicht verschweigen.
Ich aber sah den Geist sich über diesem zeigen
Als Taube von Gestalt, und auf ihn niedersteigen;
Der ist’s, von dem ich zeug, und darf es nicht verschweigen.
Ihr selbst bezeugt es mir, daß ich mich selbst nicht nannte
Den Künft’gen, sondern sprach: Ich bin der Vorgesandte.
Der Freund des Bräutigams, der auf den Bräut’gam schaut
Und horcht, erfreuet sich an dessen Blick und Laut,
Allein der Bräutigam ist der, der hat die Braut.
So freu’ ich jetzo mich, und darf mich des nicht schämen,
Denn er muß wachsen nun, ich aber muß abnehmen.
XV.
Doch Jesus ward vom Geist geführet in die Wüste,
Daß ihn der böse Geist daselbst verführen müßte.
Und als er vierzig Tag und vierzig Nächte da
Gefastet hatte, trat ihm der Versucher nah,
Und sprach zu ihm: Wenn du bist Gottes Sohn, so sprich
Zu diesem Steine, daß er werde Brot für dich.
Doch er antwortete und sprach: Geschrieben steht:
Der Mensch lebt nicht allein vom Brote früh und spät,
Sondern vom Worte, das aus Gottes Munde geht.
Doch der Versucher nahm und führet ihn von hinnen,
Zur heil’gen Stadt, und stellt ihn auf des Tempels Zinnen,
Sprach: Bist du Gottes Sohn, so stürze dich hinab!
Geschrieben steht, daß er Befehl den Engeln gab,
Und tragen werden sie auf ihren Händen dich,
Damit an einem Stein dein Fuß nicht stoße sich.
Doch er antwortete: Geschrieben steht auch: Fern
Sei das! Du sollst nicht Gott versuchen, deinen Herrn.
Und der Versucher nahm und führt ihn weiter fort
Auf einen hohen Berg, und zeigte ihm von dort
Die Herrlichkeit der Welt mit ihren Reichen allen,
Und sprach: Dies geb’ ich dir, dafern du niederfallen
Und mich anbeten willst; denn mein ist dieses Reich,
Ich geb’ es wem ich will. Doch Jesus sprach: Entweich,
O Satan! Denn es steht geschrieben: niederfallen
Sollst du vor Gott allein, und dienen ihm vor allen.
Und der Versucher wich von ihm, und Engel traten
Herbei, die auf den Wink bereit ihm Dienste taten.
XVI.
Der Heiland aber, als er aus der Wüste kam,
Wo die Versuchung er bestanden, und vernahm,
Daß überliefert sei der Täufer in die Haft,
Und daß der Vierfürst ihn halt’ in Gefangenschaft,
Nach Galiläa kehrt er in des Geistes Kraft,
Und in der Gegend ward er kund und namenhaft.
Doch Nazareth verließ er, seinen Vaterort,
Und in den Schulen lehrt er wechselnd hier und dort.
Die Lehre streuend zog er rings im Land herum,
Doch seine Wohnung wählt er in Kapernaum,
Im Grenzgebiet von Zabulon und Naftali;
Da ward erfüllt das Wort Jesaias über die:
Land Zabulon und Land von Naftali am See,
Der Heiden Grenze, Volk, das saß im dunkeln Weh,
Es sah ein Licht aufgehn, ein großes, das nicht hatten
Gehofft die Sitzenden in Nacht und Todesschatten.
Doch Jesus hob nun an den Ruf: Bekehret euch!
Das Himmelreich ist nah, nah ist das Himmelreich.
Erfüllet ist die Zeit, die Tür ist aufgetan;
Bekehret euch und nehmt des Heiles Botschaft an!
XVII.
Er wandelte umher am Galiläermeer;
Vier seiner Jünger dort, die ersten wählet er.
Er sah sich nun am Strand, wo er zwei Brüder fand,
Den Simon, der hernach, ward Petrus zubenannt,
Und dessen Bruder auch, Andreas, abzufahren
Bereit mit Netz und Kahn, weil beide Fischer waren.
Doch Jesus rief sie an: Laßt fahren euern Nachen,
Und folgt mir! Ich will euch zu Menschenfischern machen.
Sie aber ließen schnell die Netz’ in ihrem Kahn,
Und folgeten ihm nach, und hingen nun ihm an.
Dann als er weiter ging, fand er ein zweites Paar
Von Brüdern, denen auch gesellt ihr Vater war,
Der Zebedäus hieß; die Söhne dieses Mannes
Mit Namen hießen sie Jakobus und Johannes.
Im Nachen richtete das Netz der eine Bruder
Mit seinem Vater jetzt, der andre hielt das Ruder.
Doch Jesus rief sie an, da ließen sie den Kahn,
Den Vater und das Netz, und hingen Jesu an.
XVIII.
Darauf am dritten Tag war eine Gasterei
Im Galiläerland zu Kana, und dabei
War Jesu Mutter auch. Mit Jesu selber war
Geladen zu dem Fest auch seine Jüngerschar.
Da mangelt es am Wein, und Jesu Mutter spricht
Zu ihrem Sohn gewandt: Wein ist im Hause nicht.
Doch er antwortete: Was soll, o Weib, mir frommen
Die Rede? Noch ist nicht für mich die Zeit gekommen.
Die Mutter aber sprach, bescheiden war ihr Mut,
Sie sprach zur Dienerschar: Was er euch sagt, das tut!
Es waren aber dort sechs Wasserkrüg’ aus Steine,
Und zwei bis drei Maß hielt der andre wie der eine.
Doch zu den Dienern sprach der Heiland: Nehmt die Krüge,
Und füllet alle sechs mit Wasser zur Genüge!
Da füllten sie die Krüg’ an bis zum obern Rand.