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Inhalt

RÜCKKEHR AUS DEM TOTENREICH

DAS VAMPIR-MONSTER

DER FOLTERKNECHT DES TEUFELS

DER SCHRECKEN AUS DER TIEFE

SIE LIEBTE EINEN VAMPIR

DAS KREUZ DER QUALEN

IMMER, WENN DER VOLLMOND SCHEINT

JENSEITS-FLÜSTERN

DIE BESTIE UND DAS GEISTERSCHIFF

WALD DER GEHENKTEN

PAGODE DES TEUFELS

DER SCHWARM

TAUCHGANG INS GRAUEN

DAS LEICHENSCHIFF

GEFANGEN IN DER KNOCHENBURG

DAS BLUT-CAMP

 

ALAN DEMORE

Ritter des Lichts

Herausgeber:

ROMANTRUHE-Buchversand

Cover: Maren

Satz und Konvertierung:

DigitalART, Bergheim.

© 2018 Romantruhe.

Alle Rechte vorbehalten.

Die Personen und Begebenheiten der

Romanhandlung sind frei erfunden;

Ähnlichkeiten mit lebenden oder

verstorbenen Personen sowie mit tatsächlichen

Ereignissen sind unbeabsichtigt.

Abdruck, auch auszugsweise,

Vervielfältigung und Reproduktion sowie

Speichern auf digitalen Medien zum

Zwecke der Veräußerung sind untersagt.

Internet: www.romantruhe.de

 Kontakt: info@romantruhe.de

Produced in Germany.

 

ALAN DEMORE

Ritter des Lichts

Komplett-Box

Story 1

 

RÜCKKEHR

AUS DEM

TOTENREICH

Wie eine Fontäne spritzte das Blut aus der Schulterwunde, welche Mordreds Schwert hinterlassen hatte. Lancelot sackte in die Knie. Keuchend hob der Ritter den Kopf und blickte seinem Rivalen tief in die Augen.

»Du bist ein Verräter, Lancelot. Des Königs Gemahlin, welche du begehrst, wird dir niemals gehören«, zischte Mordred.

»Was ist mein Trachten gegen deines, Mordred? Du begehrst des Königs Thron. Bringst Schande über die Tafelrunde und rühmst dich damit, der Träger Excaliburs zu sein. Doch dies bist du nicht. Das Böse hat deine Seele vergiftet.«

»Excalibur ist mein. Sieh her, ich halte es noch immer in meiner Hand und nichts geschieht. Die Herrin des Sees ist machtlos. Selbst Merlin wagt sich nicht in meine Nähe. Alle haben Furcht vor mir!«, entgegnete der Ritter.

Lancelot presste seine linke Hand auf die Schulterwunde. Noch immer drang das Blut aus ihr, welche ihm das Schwert Excalibur zugefügt hatte.

»Du bist verblendet, Mordred. Leg Excalibur nieder und ergib dich.«

»Niemals. Ich werde dich töten, Lancelot. Du sollst nicht länger Mitglied der Tafelrunde sein. Galahad und Gaiwan, beide werden dir in den Tod folgen.«

Mordred hob das magische Schwert. Die Spitze der Klinge zitterte dicht vor Lancelots Kehle.

»Nur zu, Mordred. Worauf wartest du noch?«, keuchte der Ritter. Sein Blick fraß sich auf der blanken Schneide Excaliburs fest.

»Stoss zu. Töte mich und besiegle damit endgültig dein Schicksal.«

Mordred verengte die Augen. In ihm tobte ein unbändiger Hass. »Ihr habt mich nie als Euresgleichen akzeptiert. Ich wurde nur geduldet und musste mich unterwerfen. Ist das die Freiheit, welche mir Artus einst versprach?«

»Die Freiheit lebt in jedem von uns. Die Tafelrunde ist ein Symbol der Gemeinsamkeit. Erinnere dich, Mordred. Wie oft sind wir zusammen in die Schlacht gezogen, haben das Böse bekämpft und glorreiche Siege errungen. Nur den Gral zu finden war uns nicht bestimmt. Doch der Tag wird kommen. Sei dir gewiss.«

»Der Gral wird ebenso in meine Hände fließen wie auch Excalibur zuvor. Artus ist tot. Galahad irrt seit Jahren auf der Suche nach dem Gral durch die Welt und Gaiwan verfällt mehr und mehr den betäubenden Früchten der Reben. Und du, Lancelot, hast deine legendären Kräfte verloren. Sage mir, wer nun die Macht in seinen Händen hält.«

»Nicht du, Mordred. Merlins Augen wachen unsichtbar über uns. Er hält das Gleichgewicht zusammen und führt uns einst in die Gefilde der leuchtenden Götter ein«, antwortete Lancelot.

»Merlin hat nicht verhindern können, dass Excalibur den Weg in meine Hände fand. Er fürchtet sich vor mir, wie alle anderen. Seine Macht ist gebrochen und er ist in die Welt der Druiden geflüchtet.«

»Dem ist nicht so, Mordred.«

Der Ritter blickte sich in dem engen feuchten Gewölbe um. Nackte Felswände umgaben die beiden Männer, deren Körper in schweren Rüstungen steckten. Hier unten, in den Verließen, welche nur vom flackernden Schein der Pechfackeln erhellt wurden, war es zum Kampf gekommen. Mordred hatte mit Excalibur in der Hand den großen Rittersaal gestürmt, die überraschten Wachen niedergemetzelt und schließlich den mörderischen Zweikampf mit Lancelot begonnen.

Doch auch dessen legendären Künste im Umgang mit dem Schwert konnten den magischen Kräften Excaliburs nichts entgegen setzen.

Er unterlag.

Hilfe von den anderen Rittern der Tafelrunde konnte er nicht erwarten. Galahad befand sich noch immer auf der Suche nach dem heiligen Gral. Gaiwan vegetierte in tiefer Trauer um seine Geliebte dahin und war zu einem Sklaven des Alkohols geworden. Selbst Artus hatte zusammen mit seiner untreuen Gemahlin Guinevere Camelot verlassen.

Mordred schien dieser Augenblick günstig. In einer finsteren Nacht entwandt er dem König das magische Schwert, tötete diesen und kehrte nach Camelot zurück, um die Festung unter seine Kontrolle zu bekommen.

Nun schien das Ziel in greifbare Nähe gerückt zu sein. Einzig allein Lancelot galt es noch aus dem Weg zu räumen.

»Bist du bereit, den Tod zu empfangen?«, fragte Mordred.

Lancelot schwieg. Noch immer kniete er auf dem feuchten Boden. Das warme Blut strömte ununterbrochen aus der Schulterwunde. Obwohl der Ritter in diesen Augenblicken schlimme Schmerzen verspürte, gab er sich innerlich jedoch nicht auf. Das Schicksal würde, wann immer es ihm beliebte, zuschlagen. Keiner konnte ihm entgehen. Auch Lancelot nicht. Und sollte er hier in diesem Verließ den Tod finden, so würde er diesem aufrecht entgegentreten. So hatte man es ihn gelehrt.

»Erinnere dich an Merlins Worte, Mordred. Wenn die Ritter der Tafelrunde einst gestorben sind, werden irgendwann die Erben Camelots erscheinen und den Kampf weiterführen.«

»Das sind die Wünsche eines alten verbrauchten Magiers«, meinte Mordred und lächelte.

»Merlin hat verloren. Seine Druiden haben keine Macht mehr. Excalibur gehorcht seinem Träger und dessen Gedanken. In Artus Händen konnte es seine wahre Kraft nicht entfalten. Doch nun ist meine Zeit angebrochen. Es wird keine Erben Camelots geben, denn ich lösche alle Spuren aus. Niemand wird diese je zurückverfolgen können. In ferner Zukunft wird die Tafelrunde nur noch eine Legende sein.«

Nach diesen Worten zuckte die Klinge des magischen Schwertes nach vorn und bohrte sich in Lancelots Kehle.

 

*

 

»Herrin des Sees, ich rufe dich. Entsteige den Fluten und reiche mir zur Versöhnung deine Hand!«

Die Augen des am Boden knienden Ritters waren geschlossen. Er meditierte und versuchte, geistigen Kontakt herzustellen. Doch die Herrin des Sees meldete sich nicht. Sie hielt sich zurück.

Sir Galahad presste die Lippen fest zusammen. Innerlich schwand allmählich eine Hoffnung dahin. Den langen Weg, die ganzen Strapazen hatte der Ritter hinter sich gebracht, um diesen Ort zu erreichen. Nur Artus, sein Herr wusste davon. Die anderen Mitglieder der Tafelrunde ahnten nichts von seinem Vorhaben. Davon ging er zumindest aus.

Vor drei Jahren war Galahad von Camelot aus aufgebrochen, um den Sitz der Herrin des Sees ausfindig zu machen.

»Ich kann Euch von dieser Reise nicht abhalten, Sir Galahad. Der heilige Gral liegt tief im See der Zeiten verborgen. Mir war es nicht bestimmt, ihn zu finden. Doch vielleicht gelingt es Euch. Aber seid wachsam, mein treuer Ritter. Die dunklen Mächte trachten ebenfalls nach dem Gral.«

Diese Worte hatte Artus seinem Diener mit auf den Weg gegeben. Galahad wusste von der Existenz der bösen Geister. Und er schwor sich, den Worten des Königs Folge zu leisten.

Auf seiner Reise war er mehrmals angegriffen worden. Die Dämonen schickten ihre Vasallen in den Kampf. Doch Sir Galahad blieb siegreich. Immer wieder schlug er seine Gegner zurück, obwohl er wusste, dass diese nicht aufgeben würden.

Und nun hatte er den See der Zeiten erreicht. Seine Knie wühlten sich in den schlammigen Boden des Ufers. Die Hände hielt er wie zu einem Gebet gefaltet dicht vor seine Brust.

Die geschlossenen Augenlider des Ritters flatterten. Die Wangenmuskeln zuckten und auf seiner Stirn hatten sich feine Schweißperlen gebildet.

»Herrin des Sees, erhöre mein Flehen! Im Namen Excaliburs beschwöre ich Euch!«

»Was willst du?«

Galahad öffnete die Augen. Er hatte eine schwache weibliche Stimme vernommen. War dies die Herrin des Sees? Die Hüterin des heiligen Grals?

Der Ritter schluckte und ließ seinen Blick über die dunkle Oberfläche des Sees schweifen. Das helle Licht des Vollmondes spiegelte sich darin wider.

»Warum bist du gekommen, Galahad? Willst auch du die Geheimnisse des Grals erfahren?«

»Ja, das möchte ich«, antwortete der Ritter.

»Einst hat Artus dies auch verlangt. Doch nur Excalibur gehorchte ihm, da Merlin es so wollte. Der Gral sucht sich seinen Hüter aus. Schon immer hat er das getan. Deine Hände, Galahad, werden ihn nicht umschließen.«

»Bin ich nicht würdig?«

»Würdig ist derjenige, welcher sich berufen fühlt, seinem Herzen zu folgen. Du hast den Ruf vernommen, Galahad. Ohne Unterlass bist du ihm gefolgt und dennoch war dein Weg umsonst. Der Gral fordert eine letzte Prüfung von dir.«

Der Ritter atmete tief ein.

»Welche Prüfung?«, fragte er flüsternd.

»Mordred ist im Besitz Excaliburs. Er hat es Artus entrissen und Lancelot sowie den König getötet. Die Ritter der Tafelrunde stehen kurz vor ihrer endgültigen Vernichtung.«

Galahad zuckte zusammen.

»Lancelot und Artus sind tot? Aber… wie… warum ausgerechnet Mordred? Er gehört ebenso wie ich zur Tafelrunde. Wir dienten unserem König.«

»Mordred dient den dunklen Göttern. Nun gehört Camelot ihm allein.«

»Was ist mit Merlin? Weshalb griff er nicht ein?«

»Merlins Macht reichte nicht aus. Das Böse war zu stark. All die weißmagische Kraft, welche in Excalibur enthalten war, ist nun zerstört worden. Satans Atem nährt nun die Klinge und deshalb muss der Gral bleiben, wo er ist. Kehre zurück nach Camelot, Galahad. Bekämpfe Mordred und überbringe mir das Schwert.«

Noch immer kniete der Ritter im schlammigen Ufer des Sees. Seine Augen suchten dessen Oberfläche ab. Doch die Hüterin des Grals ließ sich nicht blicken. Vermutlich hielt diese sich in den Tiefen des Gewässers auf. Nur ihre dünne Stimme schwang über die Fluten und drang wie ein leises Säuseln in die Ohren Galahads.

»Sorge dafür, dass die Erben Camelots den Weg zu mir finden können. Bediene dich der Hilfe Merlins und seiner Gefolgschaft. Vereint könnt ihr gegen Mordred siegen und ihn in die Verbannung schicken.«

Diese Worte waren die letzten, welche der Ritter vernahm. Die Herrin des Sees zog sich zurück. Als diese nach dem dritten Rufen Galahads noch immer nicht reagierte, erhob er sich wankend.

Kurz schloss er die Augen, ließ das zurückliegende Ereignis eine Weile auf sich einwirken und drehte sich schließlich mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck um. Er würde nach Camelot heimkehren und den Worten der Hüterin des Grals Folge leisten.

Mordred sollte für seine Taten büßen, das schwor sich Galahad.

Wenig später jagte er auf seinem Schimmel in die Nacht. Nichts und Niemand konnte ihn aufhalten.

 

*

 

»Herr, Sir Galahad wartet vor dem Tor.« Die aufgeregte Stimme eines Söldners hallte durch den riesigen Thronsaal.

Mordred griff augenblicklich nach Excalibur und eilte schnellen Schrittes in Richtung Eingangspforte. Mit einem leicht spöttischen Ausdruck in den Augen blickte er auf den Ritter, welcher vor dem geöffneten Tor bereits auf ihn wartete.

Galahads Rüstung glänzte im Licht der Sonne und das rote Kreuz auf seinem Schutzschild wies nach vorn. In der rechten Hand hielt er ein breites Schwert.

Mordred grinste höhnisch.

»Galahad, mein Bruder«, sagte er und hob die Hand wie zum Gruß.

»Du nennst mich Bruder, Mordred? Du nahmst Lancelot das Leben, beraubtest den König . Dachtest du wirklich, du könntest meiner Rache entgehen?«

»Was bist du schon im Vergleich zu Excalibur? Ein Nichts. Camelot ist nun mein. Willst du deine Ehre zurück erhalten, dann musst du mit mir darum kämpfen.«

Galahad schwang sich geschickt von seinem Pferd. Die silberfarbene Rüstung blendete Mordred und er hielt sich schützend den rechten Arm vor das Gesicht.

»Was ist mit deinen Söldnern? Greifen sie in den Kampf ein?«

Mordred lachte auf.

»Nein, keine Sorge. Ich werde deren Hilfe nicht benötigen.«

»Dann lass uns beginnen«, forderte Sir Galahad und hob bedrohlich das Schwert.

»Zügle deinen Zorn, Galahad. Ebenso wie du will ich meine Rüstung anlegen. Wenn wir kämpfen, dann zu gleichen Bedingungen.«

Mordred wartete erst gar nicht eine Antwort ab, sondern drehte sich um und verschwand im Inneren der Festung.

Sir Galahad wartete. Er wusste, dass Mordred wieder kommen würde. Schließlich trug er das Schwert Excalibur bei sich und dieser Waffe vertraute er blind.

»Sei auf der Hut. Unterschätze nicht die Macht des Schwertes. Weiche ihm aus, denn einen direkten Kontakt wirst du nicht überleben.«

Urplötzlich klang diese fremde Stimme in Galahads Kopf auf. Der Ritter trat überrascht einen Schritt zurück.

Er kannte diese Stimme. Noch vor kurzer Zeit hatte er ihr am See der Zeiten gelauscht. Die Hüterin des Grals.

Ja, sie war es. Und ihre Worte schwangen wie sanfte Wogen durch Galahads Gehirn.

»Excalibur muss zum Gral zurückkehren. Nur so kann ich das Schwert vom Bösen befreien. Entreiße es Mordred, dann hat das Gute gesiegt.«

Der Ritter nickte und richtete seine Blicke hinüber auf das Eingangsportal. Mordred kam. Er schritt hochaufgerichtet über die Schwelle und blieb einige Meter vor Sir Galahad stehen.

Dieser schaute durch die schmalen Ritzen seines Visiers hindurch und musterte argwöhnisch die pechschwarze Rüstung seines Gegners. Doch er konnte keine einzige Schwachstelle daran entdecken.

»Seid Ihr bereit?«, ertönte die dumpfe Stimme Mordreds.

»Ja«, antwortete Galahad und schritt vor.

Auf der breiten Schildmauer hatten sich die Söldner versammelt. Jeder starrte in den breiten Vorhof der Burg hinab. Die beiden Ritter näherten sich. Ihre Schritte hämmerten auf dem Boden. Kleine Staubwolken stiegen dabei in die Höhe.

Mordred hielt Excalibur in seiner rechten Hand. Galahad nur ein einfaches Breitschwert. Im Vergleich zu der magischen Waffe wirkte es winzig.

Beide Männer umkreisten sich wie Löwen. Vorsichtig, auf jede Bewegung des Gegners lauernd.

Vom Himmel strahlte die Sonne und ihr Schein wurde von den Rüstungen tausendfach reflektiert.

Doch keiner der beiden Ritter wagte den ersten Angriff.

»Mordred gewinnt«, flüsterte einer der Söldner und nickte bestätigend.

»Wer weiß. Galahad ist auch nicht zu unterschätzen. Erinnert euch. Er war es, welcher einst den mächtigen Drachen bezwungen hat«, meinte ein anderer.

Nach diesen Worten kehrte wieder Ruhe ein. Doch nur für einen kurzen Augenblick, denn Mordred schlug zu.

Die Klinge des magischen Schwertes fauchte durch die Luft und prallte klirrend gegen den Schutzschild Galahads. Er zerbrach sofort in zwei Teile. Excalibur hatte den Schild durchdrungen, als bestünde dieser aus warmer Butter.

Mordred lachte auf.

»Siehst du, meine Waffe ist zu mächtig für dich.«

»Noch ist der Kampf nicht zu Ende.«

Nun war Galahad am Zug. Er war ein Meister mit dem Schwert. Und dies beweis er nun auch, denn seine blitzschnell geführten Schläge ließen Mordred zurücktaumeln. Jedoch erwischte ihn die Klinge nicht.

Galahad setzte nach. Mit wuchtigen Schlägen trieb er seinen Gegner nach hinten, bis dieser mit dem Rücken gegen die Schildmauer stieß.

Mordred duckte sich, als er abermals das Schwert auf sich zurasen sah. Funkensprühend ratschte die Klinge an der rauen Steinwand entlang. Galahad kochte innerlich vor Wut. Knurrend fuhr er herum, sah noch das Aufblitzen des magischen Schwertes und verspürte plötzlich einen beißenden Schmerz an seinem linken Bein.

Mordred hatte zugeschlagen. Excalibur kannte keine Hindernisse. Selbst Stein und Fels konnte es mühelos durchdringen. Die massige Rüstung Sir Galahads bildete da keine Ausnahme.

Stöhnend brach der Ritter in die Knie. Doch trotz der tiefen Wunde, welche ihm die magische Waffe zugefügt hatte, kämpfte er sich wieder auf die Beine. Niemals würde er aufgeben. So lange noch ein Funken Leben in ihm steckte, würde er sich wehren.

»Ihr seid verwundet«, sagte Mordred keuchend. »Ich sehe das Blut, welches aus Eurer Wunde strömt. Gebt auf, Galahad, und ich gewähre Euch einen schnellen Tod.«

»Wovon träumt Ihr des Nachts, Mordred? Wenn Ihr überhaupt noch schlafen könnt.«

»In der Tat. Ihr seid wirklich ein treuer Diener des Königs. Ich muss gestehen, dass dieser Kampf mir besser zusagt, als jener, welchen ich mit Lancelot ausgetragen habe.«

»Lancelots Geist hilft mir, mein Schwert zu führen«, ächzte Galahad. Wankend stand er auf der Stelle. Das warme Blut rann in dünnen Fäden an seinem linken Bein herab und hatte bereits eine kleine Pfütze auf dem staubigen Boden hinterlassen.

Mordred hatte seinen rechten Arm weit ausgestreckt. Die blitzende Klinge Excaliburs schwebte unmittelbar vor Sir Galahads Brust.

»Nur noch eine Handbreit und Ihr folgt Lancelot ins Jenseits. Erkennt Ihr nun, dass meine Macht unüberwindlich ist?«

»Es ist nicht Eure Macht, Mordred, sondern die des magischen Schwerts. Ohne es wärt Ihr ein Nichts.«

»Aber es gehört mir. Und niemand kann es mir entreißen.«

»Vielleicht gelingt mir dies nicht«, stöhnte Sir Galahad. »Doch es gibt Mächte, welchen sich auch Excalibur unterwerfen muss.«

»Nennt sie mir«, zischte Mordred.

»Das brauche ich nicht. Ihr könnt sie sehen, wenn Ihr Euch umdreht.«

Mordred zuckte zusammen. Sein Gesicht war hinter dem geschlossenen Visier nicht zu erkennen. Doch Galahad ahnte dessen Gesichtszüge.

»Warum dreht Ihr Euch nicht um? Habt Ihr etwa Furcht?«

»Wer auch immer sich dort hinter mir aufhalten mag, ich habe keine Angst. Excalibur schützt mich.«

»Dann dreht Euch um, wenn Ihr dessen so sicher seid.«

Mordred ging einen Schritt zurück. Das Schwert ließ er sinken. Er wusste nicht, ob er den Worten Galahads trauen konnte. Vielleicht wollte sich der Ritter auch nur Zeit verschaffen, um einen Fluchtplan auszuhecken. Andererseits war es durchaus möglich, dass weitere Gegner in den Kampf eingreifen wollten.

Merlin hatte sich bisher herausgehalten. Die Druiden lebten in einer anderen Welt. Nicht sichtbar für die Menschen, aber dennoch vorhanden. Einst hatte Merlin das Schwert Excalibur in einem Stein versenkt. Nur Artus war es gelungen, jene Klinge aus diesem herauszuziehen.

Sollte sich nun dieser mächtige Magier einmischen? Mordred lachte innerlich auf. Was konnte Merlin schon gegen ihn ausrichten? Nichts! Das magische Schwert würde auch ihn vernichten.

»Dann tötet mich, wenn Ihr es könnt«, ertönte plötzlich eine Stimme.

Mordred drehte sich um und zuckte augenblicklich zurück.

Wenige Meter vor ihm stand Merlin. Doch der mächtige Magier war nicht alleine gekommen.

Eine ganze Legion von Druiden hatte sich links und rechts neben ihm aufgebaut.

»Nun werden die Karten neu gemischt«, sagte Merlin und schritt vor.

 

*

 

»Merlin, du verrückter alter Kräutersammler. Du wagst dich also wirklich hierher? Diesen Mut hätte ich dir gar nicht zugetraut«, sagte Mordred und klappte das Visier nach oben.

»Mut gehört nicht dazu. Ich bin eher über deine Wandlung bestürzt. Hat Artus dich nicht einst gelehrt, für das Gute zu kämpfen?«

»Das Gute ist zu schwach. Es belohnt nicht, es ist bitter wie der Gerstensaft und es gaukelt uns die Wahrheit nur vor«, antwortete der Ritter.

Merlin kam langsam näher. Seine langen grauen Haare wurden vom Wind in die Höhe gewirbelt. Ein knöchellanges weißes Gewand umhüllte seinen dürren Körper und keiner hätte diesem fast zwei Meter großen Mann die Magie zugetraut, welche in ihm schlummerte.

»Dein Geist ist verwirrt, Mordred. Excalibur wird dir von nun an nicht mehr gehorchen. Die Hüterin des Grals wird es an sich nehmen. Doch du wirst ewig auf dieser Welt umherwandeln. Nicht sterben zu können wird dein Schicksal sein.«

Mordred wollte etwas erwidern. Doch er verspürte urplötzlich das leichte Vibrieren in seiner rechten Hand.

Irritiert senkte er den Kopf. Das Schwert zitterte. Es wand sich zwischen den Fingern des Ritters hin und her.

»Nein«, keuchte Mordred. »Du gehörst mir.«

Mit aller Gewalt versuchte er Excalibur festzuhalten. Doch eine andere Macht zog es ihm förmlich aus den Fingern.

»Merlin, du verfluchter Bastard. Lass mir das Schwert, oder ...«

»Es ist nicht für dich bestimmt. Es kehrt dorthin zurück, woher es einst kam.«

»Neiiiiin …«

Doch Mordred konnte gegen die fremden Mächte nicht bestehen. Sein ganzer Körper erstarrte plötzlich. Mit weitaufgerissenen Augen verfolgte er den Weg des magischen Schwertes, das wie von unsichtbaren Händen gehalten durch die Luft schwebte.

Merlin unternahm nichts. Er stand einfach nur da und beobachtete das Geschehen. Auch Sir Galahad war nicht im Stande, sich zu rühren. Er war wie gebannt und zugleich auch erfreut, dass die Druiden eingegriffen hatten und ihm somit das Leben retteten.

Wenn es gute Mächte auf dieser Welt gab, dann waren es jene, welche Excalibur an sich nahmen.

»So kehrt das Schwert zurück in meine Hände«, vernahm Galahad eine weibliche Stimme in seinem Kopf.

Die Hüterin des Grals zeigte sich also für jene Ereignisse verantwortlich.

Mordred konnte nicht begreifen, dass man ihm das Schwert entrissen hatte. Er war auch nicht im Stande, etwas zu unternehmen. Nur die Augen in seinem bleichen Gesicht rollten hin und her.

Excalibur schwebte an Merlin vorbei, der die Waffe mit einem wissenden Lächeln betrachtete.

»Nimm es an dich, Hüterin. In ferner Zeit wird ein anderer kommen und dich danach fragen«, sagte der Magier leise.

»Ich weiß, Merlin. Die Erben Camelots kehren zurück und du, sowie deine Druiden mögen diese in die Lehren des Lichts einführen.«

»So sei es.«

Nach diesen Worten löste sich das Schwert auf. Nichts blieb mehr von ihm zurück.

Mordred jedoch brach in die Knie, nachdem sich die magische Starre von ihm gelöst hatte.

»Das…das Schwert…es…es hat mich verlassen«, jammerte er.

»Geh, Mordred«, sprach Merlin und zog den Ritter vom Boden hoch. »Du hast zuviel Schuld auf dich geladen. Ich kann nichts für dich tun. Suche dir einen Ort, an welchem du für deine Taten Vergebung finden kannst. Doch solange dir diese niemand gewährt, bist du verdammt, auf ewig auf dieser Welt umherzuwandeln.«

Mordred stolperte davon. Jammernd und weinend verschwand er schließlich in der Ferne.

Merlin hob den Kopf und blickte hinauf zur Schildmauer. Kein einziger Söldner hielt sich mehr dort auf. Anscheinend waren diese geflüchtet, als sie die Niederlage ihres Herrn mitverfolgt hatten.

Galahad kam langsam näher. Die Wunde an seinem linken Bein blutete nicht mehr. Überhaupt war von einer Verletzung nichts mehr zu sehen.

»Ich habe deine Wunde verschlossen«, meinte der Magier und lächelte.

»Ich danke dir. Doch was geschieht nun mit Mordred?«

»Er wird nicht eher sterben können, bis dass man ihm vergeben hat. Und sollte dies nie geschehen, so wird er auch dann niemals Ruhe finden.«

Sir Galahad nickte.

»Dies ist nur gerecht. Er hat Lancelot und Artus getötet. Ich frage mich nur, was nun mit Camelot geschehen soll.«

»Es wird zerfallen. In ferner Zukunft wird man es für eine Legende halten. Doch der Tag wird kommen, an welchem sich die Ritter der Tafelrunde erneut vereinen. Eure Erben, Sir Galahad, werden den Kampf fortführen.«

Der Ritter atmete tief ein.

»Die Erben von Camelot. Weißt du, wer sie sind? Werde ich ihnen jemals begegnen?«

»Dein Weg Galahad ist noch nicht zu Ende. Du suchst den heiligen Gral. Und ich prophezeie dir, dass du ihn finden wirst.«

Der Ritter nickte schweigend. Abermals würde er den See der Zeiten aufsuchen. Wohl wissend, diesmal den Gral in Händen zu halten.

 

*

 

Gegenwart

Es ist nicht unbedingt angenehm, mitten in der Nacht durch die verwinkelten Nebenstraßen Glasgows zu schleichen. Doch mir blieb leider nichts anderes übrig. Als Privatdetektiv war ich ständig im Einsatz. Schließlich verdiente ich mir damit meine Brötchen. Auch wenn diese in letzter Zeit etwas rar ausfielen.

Ein mysteriöser Anrufer hatte mich an einen Ort bestellt, an welchem ich mich auch tagsüber ungern aufhielt.

Dogs Bite hieß die Kneipe, von der ich wusste, dass sich allerhand Gesindel darin herumtrieb.

Schon von Weitem vernahm ich das Stimmengewirr, welches mir aus der offenen Tür entgegen schwang.

Auch zu dieser späten Stunde herrschte noch großer Andrang. Eine Sperrstunde gab es nicht und daher konnten die Menschen auch ungehindert bis in die frühen Morgenstunden hinein feiern.

Gerade als ich das Lokal betreten wollte, flog mir ein Körper entgegen. Hastig sprang ich zur Seite.

»Hau ab und lass dich ja nicht mehr hier blicken, Gelber!«, drang eine tiefe Männerstimme an mein Ohr.

Das konnte ja heiter werden, dachte ich und betrat unsicheren Schrittes die kleine Kneipe.

Dicker Zigarettenqualm wölke mir entgegen und hüllte mich wie eine dichte Nebelglocke ein.

Noch ehe ich mir einen Überblick verschaffen konnte, packte mich jemand am Kragen.

»Hab ich dir nicht gesagt, dass du verschwinden sollst?«

Vor mir tauchte ein breites Gesicht auf. Der Typ starrte mich aus glasigen Augen an und runzelte kurz darauf die Stirn.

»He, du bist ja gar kein Chinese«, meinte er und rülpste. Sein Atem raubte mir fast die Luft. Der Kerl musste wohl das halbe Arsenal an Schnapsflaschen in sich haben.

»Nein, Sir. Ich bin Schotte wie Sie auch«, erwiderte ich. Der Typ grinste mich an. Seine gelben Zähne stachen mir sofort ins Auge.

»Schön, ein Landsmann. Komm Junge, lass uns einen trinken.«

»Wenn Sie die Güte hätten, mich loszulassen, dann können wir gerne darüber reden.«

»T’schuldigung«, antwortete der Kerl.

Ich atmete erleichtert auf. So herzlich wurde man nur hier im Dogs Bite empfangen.

Mittlerweile hatten auch die anderen Gäste meine Anwesenheit bemerkt. Manch einer hielt mir sein gefülltes Glas entgegen.

»Hier, nimm einen Schluck.«

Ich schüttelte den Kopf. »Danke, das ist sehr nett von Ihnen, aber ich bin hier mit jemandem verabredet.«

»Hier?«, meinte der Typ, welcher mich vorhin am Kragen gepackt hatte.

»Ja, ein Mr. Sato hat mich her bestellt.«

»Sato? Von dem habe ich noch nie etwas gehört. Ihr vielleicht?«

Die anderen schüttelten die Köpfe.

»Siehst du, keiner kennt diesen Kerl. Bist du sicher, dass du ihn hier treffen wolltest?«

Ich nickte. »Sehr sicher sogar. Aber vielleicht kommt er ja noch.«

»Kann sein. Dann warte doch auf ihn und nimm dir indessen ein Bierchen zur Brust.«

Ich lächelte und ließ mich auf einem Stuhl nahe der Tür nieder. Man konnte schließlich nie wissen, was geschehen würde. Diese Kneipe war berüchtigt und nicht selten wurden hier Menschen in Leichensäcken hinausgebracht.

Der Kerl mit den gelben Zähnen setzte sich neben mich. Auch das noch …

Auf seinem kahlen Kopf hatte er sich eine Spinne tätowieren lassen. Auch seine breiten Finger waren von seltsamen Zeichen und Buchstaben übersät. Vermutlich arbeitete der Typ auf einem Schiff.

»Wie heißt du?«, fragte er.

»Alan. Und Sie?«

»Mike wie Tyson. Den kennst du doch sicher, oder?«

»Sie meinen den amerikanischen Boxer? Klar, den habe ich schon mal gesehen.«

»Und soll ich dir was sagen? Diesen Tyson würde ich locker auf die Bretter schicken, das kannst du mir glauben.«

Der Statur meines Gegenübers nach zu urteilen hegte ich daran auch keinen Zweifel. Der Typ besaß ein Kreuz, welches manchen Kleiderschrank vor Neid erblassen ließ. Seine Hände glichen gewaltigen Pranken und ich konnte mir gut vorstellen, dass dort, wo sie einschlugen, kein Grashalm mehr wuchs.

Mike setzte sich eine neue Bierflasche an die Lippen. Zehn Sekunden später stellte er diese wieder auf dem Tisch ab. Leer, wohlgemerkt. Unfassbar.

»So«, meinte er schließlich. »Nun mal Butter bei die Fische, Alan. Was suchst du hier wirklich? Das mit diesem Sato ist doch erfunden, oder?«

Ich hob überrascht die Augenbrauen. »Warum sollte ich Sie belügen?«, fragte ich ihn.

»Ganz einfach. Weil man mir ständig Lügen auftischt. Deshalb bin ich etwas misstrauisch. Nichts gegen dich, Alan. Doch deine Story klingt in meinen Ohren zu abgedroschen.«

»Es ist aber die Wahrheit«, verteidigte ich mich.

»Sollte dieser Sato hier auftauchen, glaube ich dir. Falls nicht, wirst du merken, warum man mich den Tyson-Killer nennt!«

Ich saß auf dem Stuhl wie ein begossener Pudel. Dieser Kerl suchte eindeutig Streit. Das sah ich ihm förmlich an. Vermutlich war er auch der ungekrönte King im Dogs Bite, denn außer ihm saß keiner an unserem Tisch.

»Hat es dir die Sprache verschlagen oder suchst du nach einer Ausrede?«, meinte Mike.

»Weder noch. Ich bin nur etwas verwundert.«

»Nimm es nicht persönlich, Alan. Ich mag es halt nur nicht, wenn man mich verarscht. Darauf reagiere ich allergisch.«

»Kann ich verstehen«, antwortete ich ihm und drehte den Kopf in Richtung Tür.

Höchstens zwei Schritte trennten mich vom Ausgang. Sollte Mike seine Drohung wahr machen, würde ich schnell ins Freie gelangen. Das hoffte ich zumindest.

Von irgendwoher vernahm ich das Klingeln eines Telefons. Während sich Mike eine Zigarette zwischen die Lippen steckte, blickte ich zum Tresen hinüber. Der Wirt, ein hagerer älterer Mann, presste sich den Hörer ans Ohr und runzelte die Stirn.

Dann nickte er, drehte den Kopf und schaute sich suchend im Lokal um.

»Ist hier ein Mr. Demore anwesend?«, rief er.

»Hier«, antwortete ich ihm.

»Telefon für Sie.«

»Danke.«

Ich erhob mich und erntete einen misstrauischen Blick von Tyson-Killer.

»Schwein gehabt, Alan«, meinte er und grinste.

Ich eilte zum Tresen hinüber und griff kurz darauf nach dem Telefonhörer.

»Demore«, meldete ich mich. Das Stimmengewirr im Lokal ließ mich zunächst nichts verstehen. Erst als ich mir das linke Ohr zuhielt, vernahm ich die Stimme am anderen Ende der Leitung.

»Sato hier. Tut mir leid, Mr. Demore. Gewisse Umstände ließen es nicht zu, mich früher bei Ihnen zu melden. Auch ist es mir nicht möglich, zu Ihnen zu kommen. Daher habe ich meinen Chauffeur los geschickt, um Sie abzuholen. Er wird Sie dann zu mir bringen. Ich hoffe, das geht in Ordnung?«

»Wenn Ihr Chauffeur Erfahrungen im Boxen hat, habe ich nichts dagegen einzuwenden.«

»Wie meinen Sie das, Mr. Demore.«

»Nun, hier im Lokal hält sich ein Kerl auf, welcher mir Prügel angedroht hat, sollten Sie nicht erscheinen. Er nennt sich Tyson-Killer und mit Verlaub, dieser Name passt zu ihm.«

»Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Demore. Mein Chauffeur wird sich darum kümmern. Er müsste jede Minute bei ihnen eintreffen.«

»Gut, dann bis später«, sagte ich und legte den Hörer auf. Schweigend schritt ich um den Tresen herum und bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sich Mike erhoben hatte.

»Wo ist nun dein Mr. Sato?«, fragte er und torkelte auf mich zu.

»Er lässt mich abholen«, erwiderte ich ihm knapp.

»Willst du mich verarschen?«

»Nein, es ist die Wahrheit, falls Sie diese in Ihrem Zustand überhaupt noch begreifen können.«

»Jetzt langt es«, zischte der wandelnde Kleiderschrank. Er ging in Kampfstellung. Zumindest versuchte er dies. Doch er wankte hin und her. Gleichgewicht besaß er kaum noch. Es hätte mich auch nicht gewundert, wenn er plötzlich hingefallen wäre.

Die anderen Gäste schauten ihm belustigt zu. Manch einer begann laut zu lachen, während andere sich erhoben, um Platz zu machen.

»Lassen Sie es, Mike. Setzen Sie sich an Ihren Tisch und trinken sie Ihr Bier«, sagte ich und versuchte, meiner Stimme einen beruhigenden Klang beizugeben.

»Vergiss es. Ich stampfe dich ungespitzt in den Boden«, grollte er.

»Davon würde ich dir abraten«, ertönte plötzlich eine Stimme vom Eingang her. Ich drehte den Kopf. Auch Mike starrte in diese Richtung und ebenso wie ich erkannte er den gut zwei Meter großen Farbigen, welcher unbemerkt das Lokal betreten hatte.

Der Fremde trug einen langen dunklen Mantel, welcher ihm bis zu den Knöcheln reichte.

Die Hände hielt er hinter dem Rücken verschränkt.

»Mr. Demore?«, fragte er und richtete seinen Blick auf mich.

»Ja, der bin ich. Hat Mr. Sato Sie zu mir geschickt?«

»So ist es.«

»Gut, dann lassen Sie uns gehen. Und Sie, Mike, genießen Ihr Bierchen, okay?«

Killer-Tyson schaute dumm aus der Wäsche, als ich an ihm vorbeischritt und kurz darauf mit dem Farbigen das Lokal verließ.

Draußen empfing mich der kühle Nachtwind. Ich atmete tief durch. Haarscharf war ich noch einmal an einer handfesten Schlägerei vorbeigeschlittert, bei der ich mit Sicherheit den Kürzeren gezogen hätte.

Zum Glück war der Farbige aufgetaucht, welcher allein durch seine Anwesenheit die angespannte Situation beruhigt hatte.

»Wenn Sie bitte einsteigen möchten«, sagte der Fremde und zog die Hecktür einer pechschwarzen Limousine auf.

»Wie heißen Sie?«, wollte ich wissen.

»Man nennt mich Samuel.«

»Ein sehr seltener Name. Doch irgendwie passt er zu Ihnen.«

»Danke, Mr. Demore.«

Nach diesen Worten stieg ich ein und machte es mir auf den ledernen Sitzen gemütlich. Dieser Sato musste unglaublich viel Geld besitzen, wenn er sich ein derartiges Fahrzeug samt Chauffeur leisten konnte.

Zwar wusste ich noch nicht, welchen Auftrag ich mir hier an Land gezogen hatte, doch das fällige Honorar dürfte mit Sicherheit nicht spärlich ausfallen.

So schloss ich die Augen und genoss die Fahrt.

 

*

 

Irgendwann während der Fahrt mussten mir die Augen zugefallen sein. Als ich schließlich wieder erwachte, drang bereits schwaches Tageslicht durch die getönten Scheiben der Limousine.

Ich rieb mir durch das Gesicht und blickte anschließend auf meine Uhr. Es war bereits kurz nach sechs. Ich runzelte die Stirn.

Ganze vier Stunden waren bereits vergangen und noch immer hatten wir unser Ziel nicht erreicht.

Der Chauffeur hockte stumm auf dem Fahrersitz. Als ich mich nach vorne lehnte, drehte er den Kopf.

»Und? Gut geschlafen, Mr. Demore«, meinte er und lächelte.

»Das schon, aber weshalb sind wir immer noch unterwegs? Ich dachte, Mr. Sato erwartet mich?«

»Das tut er auch. Jedoch musste er geschäftlich verreisen. Er erwartet Sie in Wallforth.«

»Wo liegt das denn?«

»In Südengland.«

Mir klappte förmlich die Kinnlade nach unten. Südengland? Das war wohl ein schlechter Scherz.

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Samuel?«

»Keineswegs. Seien Sie beruhigt. Sobald Sie Ihren Auftrag erledigt haben, bringe ich Sie nach Glasgow zurück.«

»Mit dem Wagen oder dem Flugzeug?«, fragte ich zynisch.

»Das bleibt Ihnen überlassen.«

»Wo befinden wir uns jetzt?«

Samuel deutete mit dem Daumen über seine linke Schulter. »London liegt bereits hinter uns. Ich denke, in etwa einer Stunde haben wir unser Ziel erreicht.«

»Toll, da bin ich ja fast beruhigt. Südengland, ich fasse es nicht.«

Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und blickte kopfschüttelnd aus dem Seitenfenster.

Nicht einmal frische Kleidung konnte ich mir mitnehmen. Ganz zu schweigen von einer Dusche. Dieser Sato hatte mich quasi überrumpelt. Bisher war ich davon ausgegangen, dass wir uns in Glasgow treffen würden. Doch nun befand ich mich bereits im Süden Englands, einige hundert Meilen von meiner Heimatstadt entfernt. Durch diesen Unstand würden die Kosten für meine Untersuchungen natürlich in die Höhe schnellen. Das fällige Honorar klingelte förmlich in meinen Ohren.

In England hatte ich mich bisher eigentlich eher selten aufgehalten. Ich besaß dort weder Bekannte noch sonst irgendwelche Leute, die es zu besuchen galt. Doch was tut man nicht alles für ein bisschen Geld? Den Beruf des Privatdetektiven hatte ich mir selbst ausgesucht. Sehr zum Missfallen meiner bereits verstorbenen Eltern. Diese hätten mich lieber als Beamten im öffentlichen Dienst gesehen. Doch eine derartige Tätigkeit interessierte mich nicht sonderlich. Sie war mir einfach zu eintönig und nie hatte ich vorgehabt, ein Sesselpupser zu werden. Überhaupt verlief mein Leben in Bahnen, welche mir nicht immer gefielen. Geld besaß ich wenig und wenn keine Aufträge rein kamen, saß ich förmlich auf dem Trocknen. Wäre das Vermögen nicht gewesen, welches mir meine Eltern vererbt hatten, dann wäre ich bestimmt schon in der Gosse gelandet. Doch dieses Vermögen wurde von meinem Onkel verwaltet. Und dieser gab sich sehr geizig, was die Auszahlung gewisser Beträge betrifft. Außerdem durfte ich erst im Alter von vierzig Jahren selbst über das Geld verfügen. Meine Eltern hatten diese Auflage testamentarisch hinterlassen. Wozu auch immer.

Noch fast eine ganze Stunde lang bewegten wir uns durch eine karge hügelige Landschaft. Samuel versuchte immer wieder ein Gespräch anzufangen. Doch seine zum Teil nervenden Fragen, was meinen Beruf betrifft, beantwortete ich nur ungern. Zu oft hatte man bereits ähnliche Fragen an mich gerichtet. Daher war ich den ständigen, sich immer wiederholenden Antworten überdrüssig.

»Wie weit ist es denn noch«, fragte ich stattdessen.

»Nicht mehr lange, Mr. Demore. Noch ein paar Kurven.«

»Das haben Sie vor einer halben Stunde auch bereits gesagt.«

»Sie werden es schon sehen.«

Und tatsächlich. Als wir die nächste Hügelkuppe hinter uns gelassen hatten, schälten sich vor uns die Umrisse einer Burg aus dem morgendlichen Dunst.

Ich hob überrascht die Augenbrauen.

»Mr. Sato wohnt in einer Burg?«

Samuel lachte auf bevor er antwortete.

»Unter anderem. Diese Burg ist gewissermaßen sein zweiter Wohnsitz. Eigentlich lebt er das ganze Jahr über in Cambridge. Nur bei besonderen Anlässen fährt er hier raus.«

»Und ich bin so ein Anlass?«, fragte ich und blickte zwischen den beiden Vordersitzen hindurch.

»Lassen Sie sich überraschen, Mr. Demore.«

Das musste ich wohl. Fasziniert betrachtete ich die gewaltigen Mauern der Burg, welche sich vor dem Fahrzeug in den grauen Himmel erhoben. Der massige Turm stach mir sofort ins Auge. Er war riesig und ragte wie ein mahnender Finger in die Höhe.

Vorsichtig überquerte die Limousine eine herabgelassene Zugbrücke und kam kurz darauf in einem kleinen Innenhof zum Stehen.

Samuel parkte direkt neben einem dunkelblauen Mercedes. Vermutlich gehörte dieser Wagen Mr. Sato.

»Da wären wir«, meinte der Farbige und stieß die Fahrertür auf.

Auch ich verließ das Fahrzeug. Sofort packte mich der kühle, nach Meer und Salz riechende Wind.

Die Küste war nicht weit entfernt. Mein Gott, dachte ich. Eine halbe Weltreise lag hinter mir und die Neugierde auf diesen Mr. Sato wuchs von Sekunde zu Sekunde.

»Kommen Sie, Mr. Demore.« Samuel winkte mich zu sich.

Ich folgte dem Farbigen durch eine breite eiserne Tür in das Innere der Burg.

War es draußen noch kühl und feucht gewesen, so empfing mich hier eine wohltuende Wärme.

Entfernt drang das Knistern eines Kaminfeuers an meine Ohren. Über einen langen Gang erreichten wir schließlich eine Art Saal. Wie vor eine Wand gelaufen blieb ich stehen.

Der Anblick, welcher sich mir bot, war einfach atemberaubend. Der Saal war riesig. Ringsum an den Wänden hingen unzählige Gemälde, welche die unterschiedlichsten Motive aufwiesen. Ich sah Heiligenbilder, Ritterschlachten sowie die Gesichter längst verstorbener Adeliger. Sogar ein Bild der Queen entdeckte ich.

Die Möbel waren ebenfalls sehr alt und bestimmt ein Vermögen wert. Ich erkannte zehn handgearbeitete hochlehnige Stühle, welche um einen marmornen Tisch standen. Ein großes, bis zur Decke reichendes Bücherregal stach mir ebenso in die Augen, wie das gewaltige Fenster, das sich fast über die gesamte linke Wand erstreckte. Durch die Scheiben konnte ich in den Innenhof blicken.

An der Stirnseite des imposanten Saals befand sich ein breiter Kamin, in welchem sich die gelbroten Flammen knisternd durch die aufgelegten Holzscheite fraßen.

»Bitte nehmen Sie Platz, Mr. Demore. Mr. Sato wird Sie sofort empfangen.« Die Stimme des Farbigen riss mich förmlich in die Realität zurück.

Ich räusperte mir die Kehle frei.

»Danke sehr.« Mehr konnte ich nicht sagen.

Noch immer war ich zu tiefst beeindruckt. Fast vorsichtig setzte ich meine Schritte, als ich den Saal betrat. Ich wagte es gar nicht, mich auf einen der Stühle niederzulassen. Alles wirkte so teuer und alt auf mich. Ich blieb in der Mitte des Saals stehen und drehte mich langsam im Kreis. Jetzt erst, als ich den Kopf in die Höhe hob, erkannte ich die Decke und sofort stockte mir der Atem. Man hatte diese nicht einfach nur verputzt, sondern auch mit mittelalterlichen Waffen verziert. Ich sah Schwerter, Äxte, Lanzen, Bogen und Schilde. Unglaublich. Noch nie hatte ich etwas derartiges zu Gesicht bekommen. Dieser Saal war etwas besonderes und vermutlich auch das Herzstück der Burg.

»Mr. Demore. Da sind Sie ja endlich.«

Ich drehte mich in Richtung Tür. Ein großer, hagerer Mann schritt leichtfüßig auf mich zu. Sato besaß lange dunkle Haare, welche er im Nacken zusammen gebunden hatte.

Ein dunkler Anzug bedeckte seinen Körper und als er mir kurz darauf die Hand zur Begrüßung reichte, erfasste mich sofort eine Gänsehaut. Vermutlich empfand ich in diesen Momenten so etwas wie Ehrfurcht. Das schmale Gesicht meines Auftraggebers wirkte irgendwie bleich auf mich, so, als wäre er krank. Die dunklen Augen lagen tief in den Höhlen und die blassen schmalen Lippen waren kaum zu erkennen.

»Ich hoffe, Sie haben die lange Fahrt gut überstanden«, sagte er mit einer tiefen beeindruckenden Stimme.

»Es tut mir leid, Mr. Demore, doch leider war es mir unmöglich, Sie in Glasgow aufzusuchen. Ich hoffe, Sie verzeihen mir diesen kleinen Umweg.«

»Umweg ist gut«, antwortete ich. »Man hätte mich ruhig vorher informieren können. Schließlich trage ich nichts außer meiner Kleidung am Leib. Und diese hätte ich auch gerne gewechselt.«

»Ich habe ein Zimmer für Sie vorbereiten lassen. Dort finden Sie alles, was sie benötigen. In einer Stunde wird das Mittagessen angerichtet. Bis dahin können Sie sich noch etwas erholen. Später werden wir uns dann über Ihren Auftrag unterhalten.«

»Das klingt gut.«

»Sehr schön, Mr. Demore. Dann treffen wir uns in einer Stunde wieder hier im Saal.«

Sato reichte mir noch einmal seine Hand. Dann drehte er sich um und verließ schnellen Schrittes den Raum.

 

*

 

Samuel hatte mich schließlich in das Zimmer geführt, welches man mir zugeteilt hatte.

Es befand sich im obersten Stockwerk der Burg. Auch hier fand ich den gleichen Luxus vor wie vorhin im Saal.

Dieser Sato musste wirklich sehr reich sein. Vermutlich war er sogar von blauem Blute. Ich wusste es nicht, war aber entschlossen, es herauszufinden.

Als erstes nahm ich eine Dusche. Die feinen Wasserstrahlen taten meinem strapazierten Körper gut. Es war eine wahre Wohltat. Mit Unbehagen dachte ich daran, wieder in meine verschwitze Kleidung steigen zu müssen. Doch ich wurde eines Besseren belehrt.

Auf dem breiten Bett fanden sich frische Klamotten, welche mir sogar passten. Beinahe zumindest. Einzig die Hose war etwas zu kurz. Doch darüber konnte man hinweg sehen.

Die vereinbarte Stunde ging schneller vorüber, als ich zunächst dachte. Und Hunger verspürte ich ebenfalls. Ich wartete noch einige Minuten auf Samuel und ließ mich von ihm kurz darauf in den großen Saal führen.

Mr. Sato erwartete mich bereits.

»Mr. Demore. Bitte nehmen Sie Platz«, sagte er lächelnd. Der Duft von gebratenem Fleisch drang mir in die Nase.

Ich setzte mich an den marmornen Tisch und beobachtete den Farbigen dabei, wie er meinen Teller füllte.

»Konnten Sie sich wenigstens in dieser kurzen Zeit etwas erholen?«, fragte mich mein Auftraggeber.

Ich nickte. »Etwas schon. Vor allem die Dusche tat ungemein gut. Und besten Dank für die frische Kleidung.«

Sato winkte ab und legte sich eine Serviette auf die Knie.

»Keine Ursache, Mr. Demore. Doch nun zum wesentlichen Teil.«

Ich spitzte die Ohren.

»Ich habe Sie kontaktiert, damit Sie mir behilflich sind.«

»Und wobei?«, wollte ich wissen.

»Eines nach dem Anderen. Zunächst muss ich Sie etwas fragen.«

»Bitte?«

»Haben Sie schon einmal etwas von der Tafelrunde gehört?«

Ich runzelte die Stirn. Natürlich kannte ich jene Legenden, welche sich um die Tafelrunde rankten. Zwar hatte ich mich nie sonderlich viel mit diesem Thema beschäftigt, doch die Sage um König Artus war mir ein Begriff.

»Was man so liest«, antwortete ich Sato ehrlich. »Soll nicht Lancelot einer dieser Ritter gewesen sein?«, fragte ich.

»Richtig. Lancelot, Galahad, Gaiwan und der tapfere Artus gehörten einst der Tafelrunde an.«

»Und weiter?«, wollte ich wissen und nippte an meinem Weinglas.

»Bisher hielt man jene Geschichten für eine Legende. Es gab keinerlei Beweise, welche die Existenz der Tafelrunde bestätigten.«

»Dies ist mir bekannt Mr. Sato.«

»Ich hingegen habe Beweise gefunden.«

Ich ließ die Gabel sinken und schaute meinem Gegenüber tief in die Augen.

»Sie haben was?«, fragte ich überrascht.

»Sie sind erstaunt, nicht wahr? Doch Sie haben richtig gehört. Ich bin auf einen Fund gestoßen, welcher jeglichen Zweifel an der Existenz der Tafelrunde aus dem Wege räumen dürfte.«

»Was haben Sie gefunden?«

»Einen magischen Dolch. Sie müssen verstehen, Mr. Demore, dass diese Burg hier sehr alt ist. Sie befindet sich seit Jahrhunderten in Familienbesitz und ich bin der letzte Spross einer langen Ahnenreihe. Ich habe keine Kinder, keine lebenden Verwandten und so begann ich zu forschen. Seit mehreren Jahren führe ich im unmittelbaren Umkreis der Burg Ausgrabungen durch. Und dabei stieß ich nun auf jenen Dolch.«

»Was habe ich damit zutun?«, wollte ich wissen.

»Ich nehme an, dass Sie mit dem Begriff Magie nicht viel anfangen können, Mr. Demore. Doch seien Sie versichert. Dieser magische Dolch fungiert als eine Art Schlüssel, welcher das Tor zu Excalibur öffnet.«

»Excalibur? Also, ehrlich gesagt zweifle ich an Ihrem Verstand, Mr. Sato. Es tut mir leid, doch etwas derartig Verrücktes habe ich noch nie gehört. Ich frage mich auch, welche Rolle ich dabei spielen soll. Ich bin Privatdetektiv und kein Archäologe.«

»Sie sollen mir den Weg zu Excalibur öffnen.«

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Mittlerweile war ich davon überzeugt, dass mein Auftraggeber nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Leichte Wut stieg in mir hoch. Ich fühlte mich auf den Arm genommen und schüttelte mehrmals den Kopf.

»Sie glauben mir nicht, Mr. Demore. Stimmt's?«

»Würden Sie mir ein solche Geschichte abkaufen?«, stellte ich die Gegenfrage.

»Aus ihrer Sichtweise vermutlich nicht, Mr. Demore. Doch ich kann Ihnen nur versichern, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Aus welchem Grund sollte ich Sie belügen? Glauben Sie allen Ernstes, ich hätte Sie umsonst den langen Weg von Glasgow bis hierher bringen lassen?«

»Ich weiß nicht, was in Ihrem Kopf vorgeht, Mr. Sato. Magie, Excalibur, also ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.«

»Darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen?«, fragte mein Auftraggeber und füllte sich sein leeres Weinglas.

»Nur zu«, antwortete ich.

»Ursprünglich gab es zwölf Ritter der Tafelrunde. Artus nicht mitgerechnet. Die bekanntesten unter ihnen waren Lancelot, Galahad, Gaiwan und Parsifal. Sie alle dienten ihrem König und verteidigten sein Reich gegen die Angriffe des Bösen. Doch einer der Ritter wurde abtrünnig. Mordred, einst von Artus in die Tafelrunde aufgenommen, verfolgte nur ein Ziel. Er wollte die Macht über Camelot und der Hölle somit zum Sieg über das Gute verhelfen. Während sich Galahad auf der Suche nach dem heiligen Gral befand, kam es zur Tragödie. Mordred tötete Artus, entwandt ihm das Schwert Excalibur und übernahm somit die Herrschaft über Camelot. Nach dem Tode Lancelots und Parsifals schien das Ende der Tafelrunde gekommen zu sein. Es war keiner mehr da, welcher Mordred die Stirn hätte bieten können. Gaiwan ertrank sich im Alkohol und Galahad befand sich weit entfernt, am See der Zeiten. Merlin, welcher Artus einst zu Excalibur geführt hatte, rächte sich kurz darauf an Mordred, indem er sich mit der Hüterin des Grals zusammentat.

Als Galahad und Mordred im Kampf aufeinander trafen, erschien der Magier mit seinen Druiden und entriss dem Abtrünnigen das magische Schwert. Es kehrte zurück in die Hände der Herrin des Sees.

Merlin verfluchte Mordred. Unsterblichkeit wurde ihm beschieden. Und erst wenn er Vergebung für seine Sünden erhalten hat, darf er diese Welt verlassen. Doch es gibt auch noch eine andere Möglichkeit, um seine Qualen zu beenden. Sollte es ihm gelingen, Excalibur zurückzuerhalten, ist Merlins Bann ebenfalls gebrochen.«

Nach dieser langen Rede musste ich erst einmal tief durchatmen. Sato hatte mir diese Geschichte dermaßen lebhaft geschildert, sodass man fast glauben könnte, er habe jene selbst miterlebt.

»Es ist eine Legende, Mr. Sato«, meinte ich nach einer Weile des Schweigens.

»Nein, keine Legende, sondern die Wahrheit. Verstehen Sie, Mr. Demore. Ich habe den Schlüssel entdeckt, welcher das Tor zu Excalibur öffnet. Jahrhunderte lang habe ich diesem Moment entgegengefiebert, doch nun stehe ich kurz vor meinem Ziel.«

Ich runzelte die Stirn.

»Jahrhunderte lang? Wie soll ich das verstehen?«

Sato lachte auf und erhob sich ruckartig. Dann deutete er mit dem Daumen auf seine Brust.

»Ich bin Mordred. Und du, Alan Demore, wirst mir das Tor öffnen.«

 

*

 

Gedanken durchfluteten sein Gehirn. Wie gewaltige Wogen erfassten sie ihn und zerrten Galahad aus einem tiefen Schlaf.